„Die Liebe zum Volk ist eine aristokratische Berufung.
Der Demokrat liebt es nur im Wahljahr.”
Nicolás Gómez Dávila
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Alle diese Wahljahre wieder stelle ich fest, dass jener Teil der deutschen Wählerschaft, der beharrlich und enttäuscht zwischen Union und SPD oszilliert – also von der Union enttäuscht SPD wählt, um daraufhin von der SPD enttäuscht zur Unionsillusion zurückzukehren –, der stabilitätsnärrischste und sturheildeutscheste ist. Augenscheinlich befindet sich dieses Milieu im Schwinden, an Köpfen stellt es keine Majorität mehr, aber es genügt für die Lieblingskoalition der Almans, die aus Gründen der Tradition noch so genannte GroKo.
Die hat für Merz natürlich den Vorteil, dass sein Koalitionspartner (schlechtestes Wahlergebnis seit 1949) noch mehr abgeschmiert ist als die Union (zweitschlechtestes) und sich mit Forderungen eher zurückhalten wird. Vorzeigbares Personal haben die Sozen außer Pistorius sowieso keines, also zumindest keines, das auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar wäre. Die Grünen, eine von den meisten Journalisten und nahezu sämtlichen NGOs unterstützte chiliastische Weltuntergangssekte, der leiderleider die transatlantischen Auftraggeber abhanden gekommen sind, waren die schwersten Problembären der Ampel, und die hat Merz jetzt nicht mehr am Hals.
Das heißt, diese Regierung könnte ziemlich lange und wird jedenfalls länger halten als eine schwarz-rot-grüne. Statt Problemeskalation also Problemverschleppung. Agonieverzögerung mit Palliativpolitik.
Die Union könnte bei der Migrationsfrage ein paar Stiche machen und zumindest Lösungsversuche simulieren. Merz wird auch einige der Fäden kappen, mit denen die Grünen den deutschen Gulliver wirtschaftlich gefesselt haben, ungefähr wie in Swifts Geschichte, wo er ja einen Arm freibekam; allerdings darf man sich gerade hier keine Illusion machen: Die Union hat im Bundestag und im Bundesrat dem Emissionshandelsgesetz zugestimmt, das wegen der CO2-Besteuerung sowohl Heizen als auch Autofahren enorm verteuern wird. Unter einer GroKo-Regierung wird ’schland weiter das Klima retten! Selbstverständlich unter Berufung auf EU-Vorgaben, wie sie das bei der Migration oder der Netzzensur ebenfalls so feige wie vergaunert tun, denn natürlich kann Deutschland jederzeit sagen: Da machen wir nicht mit.
Nachdem der ADAC und andere Branchenverbände vor stark steigenden Preisen beim Tanken und Heizen ab 2027 warnten, tat ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums das als „reine Spekulation” ab. Das Emissionshandelsgesetz wird den Durchschnittshaushalt nämlich im Jahr nicht mehr kosten als eine Kugel Eis. Solange es überhaupt noch Eis gibt. Tusch!
Merz hat wirklich Glück, dass der Kelch Schwarz-Grün an ihm vorübergangen ist (seine Union ist grünversifft genug). Einen Finanzminister Habeck muss er nun nicht ernennen, und auch ein Schnatterinchen aus dem Völkerrecht muss er nicht irgendwo unterbringen. Scholz wird wohl auch die Segel streichen, zumindest will er die Verantwortung für – was war es doch gleich? – auf seinen lichten Scheitel laden. (Wäre ich König von ’schland, ich würde ihn zum Volkskommissar für Erinnerungskultur ernennen.) Eine nicht unerhebliche Personalie der GroKo wird der Innenminister sein. Wenn Merz Faeser im Amt ließe – was durch ihr miserables Abschneiden als Direktkandidatin (17,4 Prozent, der CDU-Kandidat hatte fast 40, sie zieht über die Liste ein) an Wahrscheinlichkeit verliert –, wäre das einerseits eine Konzession, mit der er sich in anderen Ressorts ein bisschen Spielraum verschaffen könnte, andererseits ein fatales Signal in Sachen Meinungsfreiheit, also auch: Ärger mit den Amis. Man wird den Friederich nicht zuletzt an der Zahl der unter ihm stattfindenden Hausdurchsuchungen messen.
Das führt uns zum Schwachkopf, der, ich wiederhole es, in Wirklichkeit nur ein Schmarr‑, Schwall- und Knallkopf ist. Seinen mit inzwischen etwas weinerlichem Tremolo vorgetragenen Statements am Wahlabend entnahm ich, dass er gern radikaler gewesen wäre (wie die Linken), um mehr Stimmen einzusammeln, das Radikale aber nicht seine Natur sei, welche sich nämlich inzwischen mit dem Ministeramt quasi amalgamiert habe. Tja.
(Aus der Reihe: Schlecht gealterte Schlagzeilen.)
Habeck ist übrigens derjenige deutsche Politiker, der eben noch in Richtung J. D. Vance irgendwas mit „It’s none of your business!” geraunzt hatte.
Gott, was wird mir der weltkluge Schelm fehlen.
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Große Koalition bedeutet auch, dass der Taurus-Merz zum Bundeswehr-Pistorius findet und mit Herrn Kiesewetter der dritte Kraftkerl den Bund segnen wird. Mit anderen Worten: Es könnte ein Miauen ertönen vom geopolitischen Katzentisch.
Rhetorisch haben diese Herrschaften das Schicksal Deutschlands mit jenem der Ukraine verkettet. Selbstverständlich werden sie sich fügen, wenn die USA mit den Russen einen Frieden aushandeln. Dann besteht das deutsche Schicksal lediglich noch darin, den Wiederaufbau bezahlen zu müssen. Was, optimistisch geschätzt, ungefähr bedeutet: Jeder zweite bis dritte Euro kommt an.
Manchmal möchte man die Amis um diesen verdammt schönen und, verglichen mit dem Mare nostrum, auch geradezu waffenbrüderlich breiten Ozean wirklich beneiden. Noch ganz jenseits von „geopolitischem Tamtam” (J. Habermas).
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Apropos manchmal und rhetorische Kriegslüsternheit: Dass ich auf meine mittelalten Tage noch Sympathien für die Emma entwickeln würde, hätte ich auch nicht gedacht.
(Ist nicht mehr ganz brandneu, war mir aber völlig entgangen.)
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Die Schwarzen tun so, als wären Höcke und der „Flügel” ein Koalitionshindernis. Dann aber erst recht die kryptogrünen Merkelianer Wüst und Günther. Überhaupt müsste sich die Union entmerkeln, um mit Nichtlinken koalitionsfähig zu werden, also auch den Atomausstieg rückgängig machen, nicht zuletzt aus geopolitischen Erwägungen, damit Deutschland in seiner Energieversorgung autark und damit weniger erpressbar wird. Wirtschaftspolitisch und migrationspolitisch könnte man sich mit einer entmerkelten CDU einigen.
Merz ward in seinen Ausführungen am Wahlabend indes nicht müde, die Schwefelpartei auf dem Schoß Putins zu verorten – als ob sie nicht mit zumindest einer Viertelpobacke auf jenem Trumps säße – und das zum eigentlichen Primärmotiv der Brandmauer zu erklären. Davon abgesehen, dass das nicht stimmt, würde mich interessieren, wie diese Leute sich das Ende des Krieges vorstellen. Ein Siegfrieden, unterzeichnet in einem Salonwaggon in Sewastopol? Außerdem wüsste ich gern, auf wessen Schoß Gevatter Merz sich derzeit wähnt. Uschi? Kamala? Billyboy? Larry Fink? Will er allen Ernstes, dass die EU die Ukraine weiter mit Waffen unterstützt, wenn die USA sich aus dem Konflikt verabschiedet und zufällig keinen Frieden hinbekommen haben?
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Merz wollte die AfD halbieren. Stattdessen teilt er ’schland. Die Brandmauer entspricht dem Verlauf des antifaschistischen Schutzwalls.
Man kann es auch anders lesen: Ein Teil Deutschlands hatte schon Sozialismus und produziert jetzt automatisch eine Immunreaktion.
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Was passiert nun mit der Finanzierung der linken NGOs wie Correctiv, Amadeu Antonio-Stiftung etc.? Sie werden weiter mit Steuermiteln eingefettet, darauf wird die SPD bestehen, und Merz wird alles tun, um sein Image als Brandmauerer zu festigen, um wenigstens an dieser symbolischen Front die Medien hinter sich zu wissen. Das heißt, im metapolitischen Raum herrschen die Grünen weiter.
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Nochmals die Frage: Was passiert, wenn die AfD Humor zeigt und Merz als Kanzler wählt? Kanzler mit den Stimmen der AfD? Unverzeihlich…
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Den Wahlerfolg der SED will ich positiv sehen: Dann haben die Blauen diese Klientel wenigstens nicht an der Backe.
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Ist Ihnen gestern auch aufgefallen, dass in den Wahlbeschwafelrunden, nachdem die sozusagen offizielle beendet war, kein Vertreter der Schwefelpartei (20,8 Prozent) mehr auftauchte, Grüne (11,6 Prozent, ca. acht Milliarden Werbeetat) dort aber sehr wohl herumsaßen?
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Der eigentliche Gewinner der Wahl war mein Jüngster. Ich hatte nämlich, um seine Aufmerksamkeit etwas mehr auf den Schulstoff zu lenken, den TV-Bildschirm für seine Playstation beschlagnahmt, ihm aber aus Sentimentalität versprochen, bei über 20 Prozent für die Opposition bekomme er ihn zurück.
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