16. Januar 2025

Mei­nen die­se Abs­ti­nenz-Tromm­ler tat­säch­lich, der Mensch soll nüch­tern sterben?

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Immer wie­der bekommt man aus den zum Pfei­fen im Wal­de gespitz­ten Mün­dern von Uni­ons­po­li­ti­kern den gene­rö­sen Satz zu hören: „Nicht alle AfD-Wäh­ler sind Nazis.” 

Aber alle Merz-Wäh­ler Trottel.

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Durch Deutsch­land muss ein Rock gehen.

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Gar viel und schön ward in den Gemä­chern des Klei­nen Eck­la­dens über den Unter­schied zwi­schen Demo­kra­tie (mit Oppo­si­ti­on) und Unser­er­de­mo­kra­tie (ohne) schon gesun­gen. Ein kecker Hal­tungs­jour­na­list vom Ham­bur­ger Zen­tral­or­gan für glo­ba­le Trä­nen­stil­lung lässt nun sein vir­tu­el­les Visier her­un­ter und erklärt gleich den gesam­ten Demos zum Feind der Ord­nung (i.e.: „unse­rer” Demokratie).

Phy­sio­gno­mi­ker bezäh­men sich bit­te! Unter dem Gesichts­punkt der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie ist der Titel gar nicht schlecht gewählt. Wie schüt­zen „wir” die Demo­kra­tie – die­ses Wort wie immer nicht ganz ohne Iro­nie aus­ge­spro­chen – vor dem Volk? Das ist die zen­tra­le Fra­ge für alle, denen Unse­re­de­mo­kra­tie am kal­ten Her­zen liegt.

Bis­lang galt es als rechts­po­pu­lis­ti­sche Ver­schwö­rungs­er­zäh­lung, dass ein dum­mes Volk und ein exklu­si­ves „Wir” ein­an­der spin­ne­feind gegen­über­stün­den und eine abge­ho­be­ne, glo­ba­lis­tisch agie­ren­de Eli­te die Eta­blie­rung einer neo­feu­da­len Qua­si- oder Post­de­mo­kra­tie anstre­be (unter Bei­be­hal­tung des alten Labels; man darf den Men­schen nicht zuviel Dis­rup­ti­on zumu­ten). Nun bekom­men die rech­ten Rau­ner Fut­ter aus dem deut­schen Epi­zen­trum der Woke­ness. Die even­tu­el­le Ver­fas­sungs­feind­lich­keit sei­ner The­sen wird Gevat­ter Schie­r­itz inso­fern nicht scha­den, als auch das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz zu jenem von ihm im Unter­ti­tel stolz pos­tu­lier­ten bzw. bestä­tig­ten „Wir” gehört. Es scheint sich in die­sem Fal­le ähn­lich zu ver­hal­ten wie bei einem ande­ren rechts­extre­men Ver­schwö­rungs­er­zäh­lungs­nar­ra­tiv­my­thos, dem Gro­ßen Aus­tausch: Wer den Pro­zess begrüßt, darf ihn unbe­hel­ligt behaup­ten. Wer ihn indes nicht gut­heißt, der hetzt gegen Migran­ten und Mos­lems und ist ein Fall für. 

Der Zeit­ge­mä­ße von der Zeit ver­sucht schon seit län­ge­rem, sich in die ers­te Rei­he der ihr kogni­ti­ves Spal­tungs­ir­re­sein als kon­so­nant ver­kau­fen­den oder sogar emp­fin­den­den Schran­zen zu grölen.

Dabei geht er sowohl sti­lis­tisch – „der Anstieg der Teue­rung” – als auch the­ma­tisch aufs Ganze.

Der Staat muss Zwang gegen die Bür­ger anwen­den. Der Staat muss sich gegen die Grund­recht­sin­an­spruch­nah­me der Bür­ger weh­ren. Der Staat muss regu­lie­ren, regu­lie­ren, regu­lie­ren. Wir sehen einen auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter auf der Suche nach einem Hosen­bein, an das er sich schnur­rend schmie­gen kann.

Wenn er selbst dar­an glaub­te, wür­de er dem frei­en Mei­nungs­markt ein­fach bei der Selbst­ver­nich­tung zuschau­en. Doch wir wol­len bei einem Zeit-Redak­teur nicht Nai­vi­tät unter­stel­len, wo bereits Nie­der­tracht zur Erklä­rung hin­reicht. Die Kom­mu­nis­ten haben ja auch immer gepre­digt, dass der Kapi­ta­lis­mus an sei­nen inne­ren Wider­sprü­chen mit Not­wen­dig­keit – also auto­ma­tisch – zugrun­de­ge­hen wer­de, dann aber doch sicher­heits­hal­ber mit Gewalt nach­ge­hol­fen. Ihr spä­ter Nach­fah­re sieht das in punc­to Plu­ra­lis­mus und Mei­nungs­frei­heit wohl ähnlich.

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„Es gibt eine welt­wei­te Ten­denz, wonach die natio­na­le Poli­tik zuneh­mend von Gerich­ten und inter­na­tio­na­len Abkom­men bestimmt wird. Ich bezeich­ne das als Supra­na­tio­na­lis­mus. Die gewähl­ten Poli­ti­ker haben immer weni­ger Hand­lungs­spiel­raum. Dadurch wird auch das Den­ken der eta­blier­ten Par­tei­en immer homo­ge­ner. Die Dif­fe­ren­zen beschrän­ken sich auf die Rhe­to­rik. So wird die Demo­kra­tie unter­gra­ben. Selbst dort, wo inter­na­tio­na­le Abkom­men recht­lich nicht bin­dend sind, es sich also um soge­nann­tes Soft Law han­delt, hat dies einen gros­sen Ein­fluss: Man setzt die Regeln dann trotz­dem um, weil man sich ja dazu ver­pflich­tet hat und es die ande­ren Län­der auch machen: Bloss nicht aus­sche­ren! Das Mass, in dem die Demo­kra­tie ein­ge­hegt wird, ist gra­vie­rend, vor allem in EU-Län­dern. Sogar füh­ren­de Ver­fas­sungs­spe­zia­lis­ten spre­chen von einem stil­len Putsch. Der Popu­lis­mus, der nun so viel Anklang fin­det, ist die Gegenbewegung.”

Nicht, dass die­se Erkennt­nis son­der­lich neu wäre (im Klei­nen Eck­la­den gehört sie seit Jah­ren zum bereits nach­ge­mur­mel­ten Stan­dard­ge­mur­mel), doch es ist lobens­wert, dass ein Oxford-His­to­ri­ker sie aus­spricht, natür­lich in einer Schwei­zer Zeitung.

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Indes: Gerät der Schwei­zer Frei­sinn allmählich
a) ins Hintertreffen?
b) ins Zwielicht?
c) in Bedrängnis?
d) unter Nazi-Verdacht?

Wie die Luzer­ner Zei­tung unter Beru­fung auf die NZZ berich­tet, gal­ten Wei­del und ihre les­bi­sche Part­ne­rin Sarah Bos­sard „in der lin­ken Stadt Biel” auf ein­mal als uner­wünscht, nach­dem die Prä­senz der AfD-Poli­ti­ke­rin publik gewor­den war. Der älte­re Bub sei auf dem Spiel­platz von sei­nem bes­ten Freund geschnit­ten wor­den. „Man schleu­der­te Wei­del ins Gesicht, dass ihr poli­ti­sches Ver­hal­ten nicht mit der Par­ty ver­ein­bar sei, auf der sie ihr Bier trin­ke. Auf der Stras­se hät­ten Kin­der Wei­del ‚Scheiss-Wei­del, Scheiss-AfD, Scheiss-Nazi’ hin­ter­her­ge­ru­fen. Und die Unter­hal­tungs­bran­che habe gegen Bos­sard einen Auf­trags­stopp verhängt.”

Und, jetzt kommt’s: „In Ein­sie­deln, das kon­ser­va­ti­ver tickt als Biel, wird das les­bi­sche Paar in Ruhe gelassen.”

Die Links­staa­ten müs­sen gar nicht mehr selbst tota­li­tär agie­ren. Das haben sie an die Zivil­ge­sell­schaft – mer­ke: Zivil­ge­sell­schaft ist das Gegen­teil von zivi­li­sier­te Gesell­schaft – erfolg­reich ausgelagert.

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Als sich sogar mei­ner Mut­ter jüngs­ter Sohn unlängst ein­mal mit die­sem Links­dep­pen­ter­mi­nus kon­fron­tiert sah, frug er zur sicht­li­chen Ver­blüf­fung sei­nes Gegen­übers (und hier­mit zur Nach­ah­mung emp­foh­len): „Sehe ich etwa wie ein Sozia­list aus?”

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Das Sati­re­por­tal t‑online nimmt die Fein­de der Mei­nungs­frei­heit gekonnt auf die Schippe.

Köst­lich!

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Pan­do­ra. Büchse.

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Immer am Puls der Zeit bzw. an den Sor­gen der Leser ist ein von Claas Relo­ti­us gleich­wohl recht ver­waist hin­ter­las­se­nes Medienhaus.

Ob der Befund durch die aktu­el­le Situa­ti­on in Mag­de­bur­ger Kran­ken­häu­sern gedeckt ist, wird noch recher­chiert. Die Suche nach dem Mann, der den Hund gebis­sen hat, ist bekannt­lich die jour­na­lis­ti­sche Königsdisziplin.

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Zum Anschlag in Mag­de­burg schrieb Aya­an Hir­si Ali in einem Welt-Gast­bei­trag:

„West­li­che Poli­ti­ker bezeich­nen die­se Art von Gewalt ger­ne als ’sinn­los’, aber sie ist nur des­halb sinn­los, weil sie sich wei­gern, sie zu ver­ste­hen. (…) im Wes­ten ist ‚Gewalt’ ein belas­te­ter Begriff – er steht für etwas von Natur aus Schlech­tes, etwas, das ver­mie­den, ver­hin­dert und bestraft wer­den muss. West­li­che Gesell­schaf­ten haben sich ent­lang umfas­sen­der Sys­te­me recht­li­cher und sozia­ler Nor­men ent­wi­ckelt, die dar­auf abzie­len, Gewalt zu ver­hin­dern und Frie­den zu för­dern. Die Men­schen im Wes­ten betrach­ten Gewalt nicht als einen gewöhn­li­chen und akzep­tier­ten Teil des Lebens, son­dern betrach­ten sie im All­ge­mei­nen als ein pri­mi­ti­ves Mit­tel zur Kon­flikt­lö­sung. (…) Den­noch haben die west­li­chen Län­der jahr­zehn­te­lang Mil­lio­nen von Men­schen aus Kul­tu­ren auf­ge­nom­men, die Gewalt als all­täg­lich, rou­ti­ne­mä­ßig und legi­tim ansehen.

Bevor ich nach Euro­pa kam, leb­te ich in Soma­lia, Äthio­pi­en, Kenia und Sau­di-Ara­bi­en – das Land, aus dem der Mag­de­bur­ger Angrei­fer kam. In jeder die­ser vier Gesell­schaf­ten wur­den Ver­stö­ße aller Art mit kör­per­li­cher, manch­mal bru­ta­ler Gewalt geahn­det. (…) Das weit­rei­chen­de und ein­ge­hen­de Nor­men- und Bestra­fungs­sys­tem des Islams för­dert eine Kul­tur, in der Gewalt oft die Stan­dard­me­tho­de ist, um Streit zu schlich­ten, Kin­der zu dis­zi­pli­nie­ren, Ver­spre­chen durch­zu­set­zen usw. (…)

In mus­li­mi­schen Gesell­schaf­ten ist Gewalt nicht nur impul­siv und reak­tiv. Sie wird auch kal­ku­liert und geplant ein­ge­setzt als Mit­tel zur Wie­der­her­stel­lung der Ehre durch die Bestra­fung uneh­ren­haf­ten Ver­hal­tens. ‚Ehr­ge­walt’ soll öffent­lich sein – sie soll nicht nur den Makel der Schan­de von der betref­fen­den Fami­lie ent­fer­nen, son­dern auch ande­ren signa­li­sie­ren, dass ‚uneh­ren­haf­tes’ Ver­hal­ten nicht tole­riert wird. Gewalt im Namen der Ehre trifft daher nicht nur den mut­maß­li­chen Übel­tä­ter, son­dern auch sei­ne Ange­hö­ri­gen. (…) Sowohl in Län­dern mit mus­li­mi­scher Bevöl­ke­rungs­mehr­heit als auch in mus­li­mi­schen Gemein­schaf­ten in west­li­chen Län­dern ist die ‚Ehr­ge­walt’ ein immer häu­fi­ge­res Mit­tel zur Kon­trol­le des weib­li­chen Verhaltens. (…)

Und dann gibt es natürlich noch die reli­giö­se Gewalt. Die­se Art von Gewalt schei­nen die Men­schen im Wes­ten am schwers­ten zu ver­ste­hen. (…) Töten in Got­tes Namen gilt als alt­mo­di­sches, rückständiges Ver­hal­ten. His­to­risch gese­hen ist die­se Hal­tung jedoch nicht nor­mal. Wäh­rend des größ­ten Teils der Mensch­heits­ge­schich­te und in wei­ten Tei­len der heu­ti­gen Welt – vor allem in mus­li­mi­schen Gesell­schaf­ten – ist es nicht nur denk­bar, son­dern sogar erstre­bens­wert, im Namen Got­tes und des Lan­des gewalt­be­reit zu sein. Gewalt ist nicht nur ein übliches Mit­tel, um auf Kon­flik­te zu reagie­ren, den Makel der ‚Uneh­re’ zu besei­ti­gen oder Macht zu erlan­gen. Sie ist auch ein Weg, Gott näher zu kom­men, tugend­haft, edel und hei­lig zu sein. Die­se Ein­stel­lung zu Gewalt ist dem moder­nen west­li­chen Den­ken ein Gräu­el, denn die Men­schen im Wes­ten haben wäh­rend der gesam­ten Neu­zeit erfolg­reich eine Kul­tur auf­ge­baut, die Gewalt ablehnt und gleich­zei­tig reli­giö­sen Plu­ra­lis­mus tole­riert. Der Feh­ler dabei ist aber die Annah­me, dass die­se Kul­tur aus fried­lich koexis­tie­ren­den Pro­tes­tan­ten, Katho­li­ken und Juden alle ande­ren Kul­tu­ren eben­falls unter den glei­chen Bedin­gun­gen auf­neh­men kann – und damit nur eine wei­te­re Reli­gi­on in den Fli­cken­tep­pich der reli­giö­sen Viel­falt eingefügt wer­den muss.

Aber so ein­fach ist es nicht. Tei­len die ande­ren Kul­tu­ren nicht die Auf­fas­sung, dass Gewalt ein Pro­blem ist, kön­nen sie das gan­ze Sys­tem umstürzen. Und genau das ist gesche­hen. Darüber hin­aus wur­de die west­lich den­ken­de Gesell­schaft davon abge­hal­ten, kul­tu­rel­le Unter­schie­de in Bezug auf Gewalt anzuerkennen. (…)

Der Anschlag von Mag­de­burg ist im Wesent­li­chen dar­auf zurückzuführen, dass die miss­lun­ge­ne Zuwan­de­rung in Deutsch­land seit Jahr­zehn­ten die Infil­tra­ti­on aus gewalt­tä­ti­ge­ren Gesell­schaf­ten begünstigt hat. Die euro­päi­schen Staats- und Regie­rungs­chefs haben Mil­lio­nen von Män­nern auf­ge­nom­men, die wie Taleb al-Abul­moh­sen aus Gemein­schaf­ten stam­men, die sie dar­auf kon­di­tio­niert haben, Impul­se mit Gewalt zu befrie­di­gen, wenn sie nicht auf eine wirk­sa­me Gegen­kraft stoßen.”

(„Isla­mi­sche Gesell­schaf­ten haben ein ande­res Ver­hält­nis zur Gewalt”, Welt online, 7. Janu­ar 2025; Bezahlschranke).

Sie haben eine über­al­ter­te, durch­pa­zi­fi­zier­te, post­he­roi­sche, femi­ni­sier­te bzw. andro­gy­ni­sier­te, weh­lei­di­ge, nichts für ver­tei­di­gens­wert hal­ten­de – mit einem Wort: sturm­rei­fe – Gesell­schaft dem Zustrom von viri­len, vita­len, oft reli­gi­ös gefes­tig­ten, ihre Ansprü­che rus­ti­kal durch­set­zen­den Ker­len aus­ge­lie­fert. Seit 2015, aber eigent­lich schon davor, frisst sich die­se impor­tier­te Gewalt wie ein Schwel­brand durch ’schland. Aber nai­ve, gut­mü­ti­ge, unent­wegt die Hand zur Ver­ge­bung aus­stre­cken­de, auf per­sön­li­ches Ver­schont­blei­ben hof­fen­de Toren wäh­len nach wie vor mehr­heit­lich die Par­tei­en, die ihnen das ein­ge­brockt haben und damit nicht auf­zu­hö­ren gedenken.

Zu dumm für die Demokratie?

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Vor dem Hin­ter­grund jener Kul­tur der Gewalt, die Aya­an Hir­si Ali beschreibt, liest sich die­ser Tweet noch putziger.

Hier passt wirk­lich alles zusam­men: das Medi­um (Spie­gel), die Phy­sio­gno­mie des Autors, die Hal­tungs­si­mu­la­ti­on, das Gefüh­li­ge, das in der The­men­wahl mit­schwin­gen­de Ver­schwei­gen aller tat­säch­li­chen, aber aus Oppor­tu­nis­mus nicht anzu­spre­chen­den Pro­ble­me (samt der Pro­blem­bä­ren), die geheu­chel­te Sor­ge, die dop­pel­te Optik, kurz­um: die tie­fe Ver­lo­gen­heit eines gan­zen Milieus.

Gern läse ich die Kolum­ne: „Mal­te Mül­ler-Michae­lis lehrt Migran­ten­el­tern Mores.”

Genau!

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Vor vie­len Jah­ren inter­view­te eine Focus-Redak­teu­rin einen ame­ri­ka­ni­schen Psy­cho­lo­gen, der sich beruf­lich mit den Cele­bri­ties der West­küs­te beschäf­tig­te, und stell­te ihm die Fra­ge, war­um so vie­le Hol­ly­wood-Stars psy­chisch auf­fäl­lig sei­en. Der klu­ge Mann erwi­der­te, die Fra­ge sei falsch her­um gestellt; sie müs­se kor­rekt lau­ten: War­um wer­den so vie­le psy­chisch Auf­fäl­li­ge Stars?

Dar­an muss­te ich den­ken, als ich einen Arti­kel las, auf den mich Leser *** hinwies.

Salopp for­mu­liert, lau­tet die Aus­sa­ge: Lin­ke Frau­en (das ame­ri­ka­ni­sche „libe­ral” ent­spricht dem deut­schen „links”) sind beklopp­ter als alle ande­ren – aber war­um? Zunächst wird, wer immer die­se Fra­ge stellt, ein schreck­li­ches Auf­jau­len aus­lö­sen. Denn alle Ver­rück­ten wer­den wild, wenn man sie Ver­rück­te nennt. (Ich glau­be, die­sen Satz spricht Hol­den Cau­field; es könn­te aber auch Edgar Wibeau gewe­sen sein.) Für lin­ke Lese­rin­nen sei hier ange­merkt: Natür­lich außer Ihnen, Teu­ers­te. Und kei­nes­wegs sind alle lin­ken Frau­en ver­rückt – hier wird ledig­lich ein sta­tis­ti­scher Durch­schnitt sta­tu­iert und von mir auf­grund jahr­zehn­te­lang geform­ter Vor­ur­tei­le unkri­tisch übernommen.

Wobei es sich beim Dass um einen empi­risch unter­füt­ter­ten Befund zu han­deln scheint.

Schon vor dem Ein­tritt in die Kur­ven­dis­kus­si­on ver­mag jeder (w) zu sehen, dass von der guten alten Frau­en­feind­lich­keit hier kei­nes­wegs die Rede sein kann; kon­ser­va­ti­ve Wei­ber ste­hen in punc­to See­len­sta­bi­li­tät deut­lich bes­ser da als mas­ku­lin gele­se­ne Liberallalas.

Der Autor Jona­than Haidt ist Sozi­al­psy­cho­lo­ge und lehrt an der Stern School of Busi­ness in New York. Gemein­sam mit dem Anwalt Greg Luki­an­off hat er 2018 den Best­sel­ler „The Coddling of the Ame­ri­can Mind: How Good Inten­ti­ons and Bad Ide­as Are Set­ting Up a Gene­ra­ti­on for Fail­ure” geschrie­ben. Gegen­stand der Betrach­tung ist die soge­nann­te Gene­ra­ti­on Z oder Gene­ra­ti­on Schnee­flöck­chen, also gewis­ser­ma­ßen die Hee­res­grup­pe Mit­te der Woke­ness. „Die gesam­te Gene­ra­ti­on Z wur­de nach 2012 ängst­li­cher und depres­si­ver”, notiert Haidt. Und sein Co-Autor Greg Luki­an­off habe die bes­te Erklä­rung dafür gefunden.

„Was Greg im Jahr 2013 sah, waren Stu­den­ten, die die Unter­drü­ckung der frei­en Rede und die Bestra­fung abwei­chen­der Mei­nun­gen mit genau jenen Defor­mie­run­gen recht­fer­tig­ten, von denen Greg gelernt hat­te, sich zu befrei­en. Stu­den­ten sag­ten, dass ein unor­tho­do­xer Red­ner auf dem Cam­pus gefähr­de­ten Stu­den­ten schwe­ren Scha­den zufüg­te (kata­stro­phal); sie nutz­ten ihre Emo­tio­nen als Beweis dafür, dass ein Text aus dem Lehr­plan gestri­chen wer­den soll­te (emo­tio­na­les Den­ken). Greg stell­te die Hypo­the­se auf, dass dies dazu füh­ren könn­te, dass die Stu­den­ten depres­siv wer­den, wenn Hoch­schu­len den Ein­satz die­ser kogni­ti­ven Ver­zer­run­gen unter­stüt­zen, anstatt ihnen Fähig­kei­ten des kri­ti­schen Den­kens bei­zu­brin­gen (was im Grun­de die kogni­ti­ve Ver­hal­tens­the­ra­pie ist). Greg befürch­te­te, dass in den Hoch­schu­len eine umge­kehr­te kogni­ti­ve Ver­hal­tens­the­ra­pie stattfindet.”

Nun, die Neue­re Geschich­te ist voll von Uni­ver­si­tä­ten, an denen sol­che und ähn­li­che Ver­hal­tens­the­ra­pien statt­fan­den. Das führt mich zum Ein­gangs­state­ment des Psy­cho­lo­gen über die Hol­ly­wood-Stars: Haben lin­ke (woke) Stu­den­ten die Unis in Über­see in Nar­ren­häu­ser ver­wan­delt, oder umge­kehrt? Hen­ne oder Ei?

In ihrem Buch, so Haidt, woll­ten sich die bei­den „mit den vie­len Ursa­chen für den plötz­li­chen Wan­del in der Cam­pus­kul­tur” befas­sen. Sie kon­zen­trier­ten sich auf drei „gro­ße Unwahr­hei­ten“, an die offen­bar vie­le der­je­ni­gen Stu­den­ten glau­ben, die ver­such­ten, die freie Rede zu unter­bin­den und abwei­chen­de Mei­nun­gen zu ver­fol­gen. Nämlich:

„1. Was dich nicht umbringt, macht dich schwächer.
2. Ver­traue immer dei­nen Gefühlen.
3. Das Leben ist ein Kampf zwi­schen guten und bösen Menschen.”

Sei­nem Co-Autor gefiel der Titel nicht. Er woll­te, dass das Buch „Dis­em­powered“ heißt. (Immer­hin nicht Self-Dis­em­power­ment, von wegen Hen­ne oder Ei.)

Eine im Arti­kel zitier­te Jour­na­lis­tin (!) namens Jill Fili­po­vic hat zusam­men­ge­fasst, wor­um es im Kern geht: „Ich bin zuneh­mend davon über­zeugt, dass die Abhän­gig­keit von der Spra­che des Ver­letzt­wer­dens und der Anschul­di­gun­gen, dass Din­ge, die man als anstö­ßig emp­fin­det, ‚zutiefst pro­ble­ma­tisch’ oder sogar gewalt­tä­tig sei­en, enorm nega­ti­ve lang­fris­ti­ge Fol­gen hat, ins­be­son­de­re für jun­ge Men­schen. Fast alles, was For­scher über Belast­bar­keit und geis­ti­ges Wohl­be­fin­den wis­sen, deu­tet dar­auf hin, dass Men­schen, die das Gefühl haben, die Haupt­ar­chi­tek­ten ihres eige­nen Lebens zu sein – meta­pho­risch gesagt: dass sie ihr eige­nes Schiff steu­ern und nicht ein­fach vom unkon­trol­lier­ba­ren Oze­an her­um­ge­schleu­dert wer­den –, weit­aus bes­ser dran sind als Men­schen, deren Stan­dard­po­si­ti­on dar­in besteht, Opfer zu sein, ver­letzt zu wer­den und das Gefühl zu haben, dass ihnen das Leben ein­fach pas­siert und sie kei­ne Kon­trol­le über ihre Reak­ti­on haben.”

Die­se Ent­wick­lung hän­ge zusam­men mit dem Auf­stieg der sozia­len Medi­en, schreibt Haidt, und wer woll­te ihm wider­spre­chen? Die schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen sozia­ler Medi­en auf die psy­chi­sche Gesund­heit von Teen­agern sei­en gut doku­men­tiert. Aber lin­ke weib­li­che Teen­ager sei­en am här­tes­ten von allen getroffen.

Hen­ne oder Ei?

Man muss die Ärms­ten wohl inso­fern in Schutz neh­men, als die meis­ten von ihnen nicht die Erfin­der, son­dern – huch! – Opfer der links­wo­ken Pro­pa­gan­da sind. Der Gegen­stand der Pro­pa­gan­da dürf­te dabei gleich­gül­tig und wan­del­bar sein. Sie machen halt gern mit. Der Oppor­tu­nis­mus ist als Über­le­bens­in­stinkt bei Frau­en (= poten­ti­el­len Müt­tern) stär­ker aus­ge­prägt als bei Män­nern; die müs­sen, zumin­dest gat­tungs­ge­schicht­lich betrach­tet, mehr Risi­ken ein­ge­hen, um Lebens­er­folg zu haben, das nennt man dann toxisch (nein, das heißt nicht, dass alle Frau­en Oppor­tu­nis­ten sind).

Ich fas­se geschlechts­blind zusam­men: Links zu sein ist, zumin­dest unter den Bedin­gun­gen des moder­nen Wohl­fahrts­staa­tes, ein mehr oder weni­ger schlim­mer, oft aber in mora­li­sche Supe­rio­ri­täts­de­li­ri­en und dar­aus resul­tie­ren­de psy­chi­sche Pro­ble­me füh­ren­der, ande­re Men­schen beschä­di­gen­der Cha­rak­ter­de­fekt. Und: Die Indi­zi­en ver­dich­ten sich, dass der Peak of Woke­ness über­schrit­ten wurde.

PS: Ich ver­gaß, hin­zu­zu­fü­gen, dass es einen Weg zur Hei­lung gibt: har­ter Ent­zug. Und zwar Ent­zug von Staatsgeldern.

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