Meine kindlichen Erinnerungen an Weihnachten verbinden sich mit Geheimnistuerei und Vorfreude, mit Neugier, appetitlichen Gerüchen und auch ein bisschen Bammel vor dem Weihnachtsmann, der einem ja so etwas wie eine ethische Jahresbilanz abverlangte und Geschenke nicht nur bringen, sondern auch verweigern konnte. Über diesem Fest lag immer ein besonderer Glanz. Heilig Abend war unter den Feiertagen unbestritten der Höhepunkt des Jahres. Da ich die ersten 28 Jahre meines Lebens im deutschen Gottesstaat der Atheisten verbrachte, habe ich das Weihnachtsfest als eine von ihrem christlichen Inhalt weitgehend entkernte Veranstaltung kennengelernt. Dort galt das Christentum als ein Relikt der Klassengesellschaft, als etwas Rückständiges, Rückschlägiges, Überholtes. Religion war „das Opium des Volkes“, wie der junge Karl Marx schrieb, der als Produzent des später nach ihm benannten Heroins diese Konkurrenz natürlich wegbeißen wollte.
Aber Weihnachten wurde im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat unbeirrt gefeiert. Sogar bei den Honeckers. In meinem atheistischen Elternhaus war ganz selbstverständlich von „Heilig Abend“ die Rede. Mit derselben Selbstverständlichkeit kauften sich auch SED-Bonzen einen Weihnachtsbaum. Im DDR-Fernsehen liefen Weihnachtssendungen, in denen die klassischen Weihnachtslieder gesungen wurden. Überhaupt war das Fernsehprogramm an den Feiertagen festlicher als sonst. Es wurden noch keine Actionfilme gesendet wie heute, „Stirb langsam“ zum Beispiel, was ja eher zum Karfreitag passt. Am späten Abend erklang immer das Weihnachtsoratorium. Auf den Plattenspielern drehten sich die Scheiben mit Weihnachtsliedern der berühmten DDR-Knabenchöre, Dresdner Kreuzchor und Leipziger Thomaner. Die Realsozialisten wollten zwar so ziemlich alles in der Gesellschaft auf eine neue Grundlage stellen und von den bürgerlichen Traditionen abkoppeln, doch Weihnachten und Ostern tasteten sie so wenig an wie die Familie. Sie versuchten lediglich, den christlichen Inhalt dieser Feste zu camouflieren. Weihnachten galt vor allem als das Fest der Familie – was es ja auch ist. Die irdische Familie ist das Geheimnis hinter der heiligen Familie, bemerkte der eben zitierte Herr Marx.
Da die Nacht des 24. Dezembers die längste Nacht des Jahres ist (astronomisch sei es jene des 22., belehrt mich Leser ***), zünden die Menschen bekanntlich Kerzen an und hängen den Stern von Bethlehem in ihre Fenster. Die heilige Nacht ist eine illuminierte Nacht. Dieses Licht, das im altgermanischen Ritus die Wintersonnenwende ankündigt, symbolisiert im Christentum die Geburt des Erlösers, des Lichtes der Welt. Im berühmten Weihnachtskapitel der „Buddenbrooks“ ziehen die Angehörigen der Lübecker Kaufmannsfamilie, ihre Gäste und Bediensteten am heiligen Abend „mit geblendeten Augen und einem Lächeln auf dem Gesicht durch die weitgeöffnete hohe Flügeltür direkt in den Himmel ein“ – nämlich in den Saal mit dem prachtvoll geschmückten Tannenbaum, unter dem die Krippe mit dem Jesuskind steht, um die verteilt die phantastisch verpackten Geschenke lagern.
Strenggenommen stamme ich aus dem Erzgebirge, dem Land der Schwibbögen, der Weihnachtspyramiden, der Räuchermännchen und der „geflügelten Jahresendfiguren“, also praktisch aus der Heimat der Weihnachtsdekoration.
Jahrhundertelang war Weihnachten ein rundum positiv besetztes Ereignis. Seit einiger Zeit ändert sich das. So hat sich in den vergangenen Jahren ein neues „Narrativ” der Weihnachtsgeschichte verbreitet. Es scheint immer mehr Öffentlichkeitsarbeiter zu geben, die nicht in der Lage sind – oder es fingieren –, zwischen der tatsächlichen Weihnachtsgeschichte (Lukas 2,1 ff.) und der späteren Flucht nach Ägypten (Matthäus 2,13 ff.) zu unterscheiden. Vom Auswärtigen Amt über diverse Schüler- und Laienspieltruppen bis in die Gebetsstuben des Süddeutschen Beobachters wird einer neuen Lesart gepflogen, welche da lautet: Josef und Maria kamen als Flüchtlinge nach Bethlehem. Sogar Ratzingers momentaner Stellvertreter auf Erden, Franziskus, hat in einer Christmette das Schicksal von Flüchtlingen mit Marias und Josefs Reise nach Bethlehem verglichen, um von den Europäern mehr Gastfreundschaft zu fordern. Also im Grunde hat der Papst dasselbe gesagt, was die Heimsuchung aus der Uckermark gerade in ihren „Erinnerungen“ geschrieben hat, als sie die schon länger hier Lebenden an deren „Bringschuld” gegenüber den von ihr herbeigerufenen Migranten, ob nun mit oder ohne Fluchtgrund, mit oder ohne Pass, mit oder, wenn auch selten, ohne Rechtleitung, mit oder ohne Tätigkeitswillen, mit oder ohne Messer, in gewohnt habitueller Stiefmütterlichkeit ermahnte.
Die Umdeutung der Weihnachtsgeschichte in ein Migrationsschauermärchen findet schließlich als Begleitpropaganda der ethnisch-kulturellen Transformation unseres Landes statt.
Deutschland ist das böse Land, das Millionen Migranten gnadenlos aufnimmt und mit Milliarden Euronen, Wohnraum sowie grenzenloser Nachsicht gegenüber eingewanderten Straftätern drangsaliert; es bestehen aber gute Aussichten, dass jenes Feierkollektiv, welches hier „alle” einschließt – der typisch deutsche antimuslimische Rassismus wirkt oft unterbewusst –, mittelfristig nur noch eine Minderheit bildet.
Das Gleichnis vom „palästinensischen Juden” Jesus ist witzig – es gibt ja strenggenommen nicht einmal Palästinenser –, doch um es perfekt zu machen, hätte ich noch hinzugefügt, dass er seine Botschaft in Esperanto verkündete.
PS: „Das jüdische Königreich wurde erst nach Niederschlagung des ersten Aufstands, 70 n. Chr., zur römischen Provinz, und erst nach dem zweiten Aufstand 132 n Chr., rund hundert Jahre nach Jesu Tod, in ‚Palästina’ umbenannt. Jesus hätte mit dem Begriff ‚plishtim’ die (damals bereits vertriebenen oder jedenfalls nicht mehr existenten) Philister bezeichnet. Das war im Hebräischen jener Zeit ein Synonym für Eindringlinge. Wer ‚Palästina’ zum damaligen Judäa sagt, der muss auch ‚Aelia Capitolina’ statt Jerusalem sagen”, schreibt Leser ***, diesen Propagandisten einen ganz unverdienten Ernst zollend.
Josef und Maria waren mittellos? Das ist nicht bekannt. Sie fanden bloß keine Herberge. Josef war ein Handwerker, er hatte also, im Gegensatz zu den meisten Parteifreunden von Genossin Künast, einen Beruf gelernt. Sie „zogen” auch nicht „umher”, sondern hatten ein festes Ziel. Waren sie tatsächlich Flüchtlinge?
Die Weihnachtsgeschichte weiß nichts davon. „In jenen Tagen ging ein Gebot aus vom Kaiser Augustus, das ganze Reich aufzunehmen. … Es ging aber auch Joseph hinauf von Galiläa aus der Stadt Nazaret nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, sich aufnehmen zu lassen mit Mariam seiner Verlobten, welche schwanger war.“ Man kann Jesu Geburtsmär lediglich Folgendes entnehmen: Ein junges Paar will sich bei einer staatlich angeordneten Volkszählung registrieren lassen, obwohl das mit Unannehmlichkeiten verbunden ist, denn der weiblich gelesene Teil des Paares ist schwanger. Weil die Hotels, Heime und Ankerzentren überfüllt sind, kampieren beide in einem Stall. Nicht im Traum kommt das Paar auf die Idee, seine Papiere wegzuwerfen und sich mit Falschangaben einen Schlafplatz zu ergaunern. Die beiden beanspruchen nicht einmal Sachleistungen. Da sie nur für eine Nacht in Bethlehem bleiben müssen, beantragen sie auch kein Wohngeld. Maria bringt ihr Kind schließlich im Stall zur Welt. Soweit die Weihnachtsgeschichte.
Die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten ist eine spätere Episode aus dem Leben Jesu. Details über ihren Aufenthalt am Nil sind nicht überliefert. Die Flüchtlinge kehrten aber sofort in ihr sicheres Herkunftsland zurück, als Assad gestürzt, quatsch, als Herodes gestorben war. Der Fluchtgrund existierte ja nicht mehr. Kein Wunder, dass diese urchristlichste aller Familien den meisten aktuellen sogenannten Flüchtlingen wenig vorbildhaft erscheint.
Unsere oft mit Steuergeldern finanzierten Laienprediger in den Medien nutzen die schwindende Bibelfestigkeit der Almans, indem sie ihnen einzureden versuchen, der Heiland sei ein Flüchtlingskind gewesen, das gewissermaßen täglich in deutschen Asylantenheimen wiedergeboren wird, oft sogar unter dem Namen des Siegels der Propheten. Zeitgenossen, die mit dem Christentum ungefähr soviel am Hut haben wie Anton Hofreiter mit klassischer Herrenmode, benutzen eine zentrale Geschichte der Christenheit, um für die Einwanderung von immer mehr Menschen nach Europa zu agitieren, in deren Ländern Christen entrechtet und verfolgt werden und von denen viele das hier gern fortsetzen wollen. Von der Petitesse ganz abgesehen, dass das Personal der Weihnachtsgeschichte komplett aus Juden besteht und die aktuellen sogenannten Flüchtlinge aus der arabischen Welt ein äußerst heikles Verhältnis zu den Kindern Israels haben.
Sogar Bischöfe tun bei diesem Willkommenssabbat mit, wie etwa der Kardinal Woelki, der im Mai 2016 ein angebliches Flüchtlingsboot gefallssüchtig zum Altar weihte, direkt vor dem Portal des Kölner Doms, genau dort, wo es fünf Monate zuvor an Silvester zu gewissen Zwischenfällen mit den Insassen solcher Boote gekommen war und wo inzwischen Polizei darüber wacht, dass nicht die Vertreter des einzig wahren Glaubens im Vielfaltstempel etwas kaputt machen oder Falschgläubige aus der Welt messern. Die Berichte, dass rechtgläubige „Flüchtlinge” christliche Insassen solcher Boote bei der Überfahrt einfach über Bord warfen, sind dem Kölner Kapaun offenbar gleichgültig. Es handelte sich ja um Einzelfälle.
An dieser Stelle muss wohl die Frage gestellt werden, wie es sich mit dem Gebot der christlichen Nächstenliebe verhält und ob sich ein Christenmensch nicht gerade am Geburtstag des Heilands an diese Mahnung erinnern und der Willkommenskultur öffnen sollte. Das mag sein, sofern seine Nächstenliebe nicht missbraucht wird. Es lassen sich zum Beispiel aus keiner Zeile der Evangelien Gründe dafür herleiten, dass ein Land seinen alten Menschen ihr Erspartes für deren Lebensabend in Pflegeheimen wegnimmt, aber Milliarden Euro gegenleistungsloses Bürgergeld an Migranten verteilt, die hier nie einen Cent in die Kassen eingezahlt haben.
Halten wir jedenfalls fest: In der Weihnachtsgeschichte gibt es keine Flüchtlinge. Und ungefähr jeder zweite, der dem Publikum so etwas einzureden versucht, will Deutschland in ein Siedlungsgebiet verwandeln, in dem Weihnachten dereinst ein völlig marginalisiertes Fest sein wird. Wir leben inzwischen ohnehin in einem Land, das seine christliche Prägung verleugnet oder vollends abwirft, ohne im Gegenzug etwa laizistisch zu werden. Ein Land, in dem Behörden Kreuze abhängen, Weihnachten zum Lichterfest downgegradet und das Sankt-Martins-Fest in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umbenannt wird, in dem Kitas auf christliche Symbole verzichten, damit Abdelkarim und Fatima sich hier nicht ausgegrenzt fühlen, während nebenan der ausgrenzende Ruf des Muezzins erklingt und vom Establishment wohlwollend begrüßt wird. Diese Kulturverleugnung geschieht angeblich aus Gründen der Kultursensibilität. Die Frage, warum die Eltern von Abdelkarim und Fatima in ein christliches Land einwandern, wenn sie sich von christlichen Symbolen und Bräuchen ausgegrenzt fühlen, wäre gesichert fremdenfeindlich. Zuckerfest und Ramadan sind toll, die Medien und die komplette Bundesregierung sprechen den Moslems jedes Jahr dazu ihre Glückwünsche aus, aber Ostern und Weihnachten sind irgendwie von gestern und voll peinlich. Die Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, findet die Inschrift an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses skandalös, denn dort stehen Worte aus der Bibel, nämlich: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters.“ Das ist im Duktus quasi dasselbe, was der Muezzin ruft. Dagegen hat Fräulein Roth übrigens nichts.
Denn: „Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit und sagt gegen Allah nichts aus, als die Wahrheit! Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Allahs (…). Darum glaubt an Allah und seine Gesandten und sagt nicht von Allah, dass er in einem drei sei! Hört auf so etwas zu sagen! Das ist besser für euch. Allah ist nur ein einziger Allah. Gepriesen sei er! Er ist darüber erhaben, ein Kind zu haben.” (Sure 4,Vers 171)
Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass ausgerechnet dieses lustige Person gewordene kulturelle Endstadium vornamens Claudia als Kulturbeauftragte amtiert oder dass es im einstigen Land der Dichter und Denker so eine Funktion überhaupt gibt.
Wie auch immer, viele Lautsprecher des Zeitgeistes scheinen es darauf abgesehen zu haben, den Deutschen Weihnachten madig zu machen, so wie sie ihnen auch Ostern, Silvester oder das Oktoberfest madig machen wollen, und einige besonders exponierte der unter ihrem Applaus zu uns geschneiten Okzidentophobiker praktizieren die Weihnachtskritik auf den – noch – gleichnamigen Märkten.
Oder wie soeben in Magdeburg.
Der Täter von Magdeburg mag ein exotischer Fall sein, aber er stammt aus dem Morgenland und meuchelte Abendländer. Das ist eine Konstante, weshalb Weihnachtsmärkte mittlerweile zwar nicht wirklich gut, aber besser geschützt werden als die deutschen Grenzen. Die Weihnachtsaversion der Wortführer dieses Landes ist vergleichbar konstant, kostümiert sich allerdings jede Saison anders. Vor genau einem Jahr schrieb ich hier über das damals merkwürdig konzertierte Streben deutscher Medien, das Christfest zu einer Art „Hart, aber fair”-Ableger zu degradieren, indem man die jüngere Generation aufforderte, rassistische Onkels und klimawandelleugnende Opas zu identifizieren und den jungen Leuten Ratschläge erteilte, wie mit diesen Störenfrieden umzugehen sei. Heuer beschäftigen sich dieselben Medien weniger mit dem Weihnachtsrassismus, als vielmehr mit dem „Degrowth unterm Nichtbaum”, wie Alexander Wendt beobachtet hat. Also mit Konsumkritik. Das ist kein wirklich neues Phänomen; neu ist das Klimaschutzetikett, Weihnachten als Kohlenstoffdioxidschleuder. Zuvor hatte man das Fest jahrelang damit zu diskreditieren versucht, indem man es als seelenlose Konsumorgie darstellte. Also praktisch als ein Hochamt des Kapitalismus. Was mich betrifft, ich finde Konsum gut. Ich schenke gern und lasse mich gern beschenken, speziell wenn das Weingut und der Jahrgang stimmen. Keinen Kapitalismus hatte ich 28 Jahre lang, das genügt mir fürs ganze Leben. Der Weihnachtskritik eines Konsum- oder Kapitalismusverächters würde ich erst meine Aufmerksamkeit schenken, wenn er zuvor ein Studienjahr in Venezuela absolviert hat.
Diese Festverderberei kommt ja fast ausschließlich von Linken. Von Leuten, die sich moralisch erhaben und enorm fortschrittlich vorkommen. Das sind dieselben Leute, die auch gendern, Multikulti großartig finden, den Weihnachtsmann für einen Agenten des Patriarchats halten und in der Regel kinderlos sind. Sie agitieren nicht nur gegen das Christentum und die westlichen Traditionen, sondern auch gegen die sogenannte traditionelle Familie. Wir sind in den letzten Jahren ja immer stärker mit sogenannten alternativen Formen des Zusammenlebens konfrontiert worden. Gerade an Weihnachten verspüren unsere Progressisten offenbar einen besonders starken Drang, den anderen ihr wokes Welt- und Familienbild aufzudrängeln bzw. den Andersmeinenden ihres zu vermiesen. Sie wollen nicht, dass ein Volk seine traditionellen Feste feiert, sondern dass es sie in Frage stellt. Sie wollen nicht, dass die Familie die politischen Differenzen überbrückt, sondern dass die politischen Differenzen die Familie spalten.
Doch zu jedem Trend existiert das Gegen-Meme.
Ich habe vorhin Marxens Bemerkung zitiert, die irdische Familie sei das Geheimnis der heiligen Familie. Das war aber nur der halbe Satz. „Nachdem die irdische Familie als das Geheimnis der heiligen Familie entdeckt ist, muß nun erstere selbst theoretisch und praktisch vernichtet werden”, heißt es in seiner vierten Feuerbach-These. Da die familiären Strukturen – ich rede von bürgerlichen Familien, nicht von Clans, wenngleich die folgende Aussage auch auf Letztere zutrifft – die konservativsten, resistentesten, störrischsten, solidarischsten und staatsfernsten aller gesellschaftlichen Ingredienzien sind, ist und bleibt die Vergesellschaftung der Familie, die Herauslösung der Kinder aus der Tradition der Eltern, die Zerstörung der innerfamiliären Bindungen eine zentrale politische Mission der Linken. Deshalb verachten linke Ideologen Weihnachten, das Fest der Familie und ein christliches obendrein.
In einem Land, in dem Weihnachtsablehner, ‑verächter, ‑hasser, ‑phobiker – nehmen Sie die Begriffe cum grano salis – das Wort führen und immer mehr Weihnachtshasser, ‑verächter, ‑phobiker einwandern, bekommt das Weihnachtsfest allmählich beinahe etwas Subversives. Wenngleich diese scheinbare Allianz an der Sollbruchstelle Familie zerbrechen wird.
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Weihnachten feiert die Christenheit die Geburt des Erlösers. Obwohl mein Glaube an den Heiland nicht sehr gefestigt ist, wenn auch womöglich nicht ganz so wenig gefestigt wie der von Herrn Bedford-Strohm, nehme ich an der Feier seiner Geburt innerlich teil. Das Abendland ist ein christlicher Abdruck auf griechischen Lehm, schrieb mein Hausheiliger Nicolás Gómez Dávila. Das freie Individuum ist das Kind dieser Verbindung. Keine andere Kultur kennt es. Ohne die christliche Idee der unsterblichen und der Erlösung offenen Seele wäre es nicht zur Welt gekommen. Kein Einfluss hat unseren Weltteil stärker geprägt als das Christentum. Als die katholische Kirche gegründet wurde, regierten noch die römischen Cäsaren. Fast zweitausend Jahre lang haben sich alle Dichter, Künstler, Philosophen und Gelehrten, überhaupt alle intelligenten und gebildeten Menschen innerhalb der westlichen Kultur mit dem Gott der Bibel und seinem eingeborenen Sohn in irgendeine Beziehung gesetzt, wobei es gleichgültig ist, ob sie dies als Gläubige, als Skeptiker, als Kritiker, ja als Atheisten taten: Sie verließen das Kraftfeld nicht. Entfernte man alle Werke, die aus dem Christentum wuchsen, alle Architektur, alle Malerei, alle Literatur, alle Musik aus Europa, was bliebe übrig? Sich aus diesem Zusammenhang lösen zu wollen, schrieb Norbert Bolz, wäre „geistiger Selbstmord”.
Indem wir das Weihnachtsfest feiern, wiederholen wir rituell das Gründungsereignis der westlichen Kultur. Ich liebe dieses Fest und habe es immer geliebt. Mir wird ganz sentimental zumute, wenn ich durch die Straßen gehe und die Lichter der Weihnachtsbäume durch die Fenster strahlen sehe, und in manchen Momenten empfinde ich die ungeheure Hoffnung, die auf diesem Abend liegt. In jener Nacht wurde also der wunderliche Wanderprediger und Spuckeheiler (Markus 8, 22–26) geboren, der „Menschheitsrabbi“, wie Thomas Mann ihn nannte, ein sanfter und zugleich wohl äußerst charismatischer Mensch, der in merkwürdigen Gleichnissen redete, zugleich aber Sätze von majestätischer Größe sprach wie: „Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“ oder „Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Der die drohende Steinigung einer Ehebrecherin mit dem unsterblichen Satz unterband: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Der seine Jünger aufforderte: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen. Mag sein, dass in dieser Nacht, deren Wiederholung wir heute fingieren, so etwas wie ein Lächeln über die Welt ging.
Feiern Sie also unbeirrt das Weihnachtsfest, das Fest der Familie, hinter der sich das Geheimnis der Heiligen Familie verbirgt, das Fest einer ungeheuren Hoffnung.
Ich wünsche allen Besuchern des Kleinen Eckladens frohe Weihnachten!