17. Dezember 2024

„Die Nicht­west­ler betrach­ten als west­lich, was der Wes­ten als uni­ver­sal betrachtet.”
Samu­el P. Huntington

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Es ist – end­lich – pas­siert. In sei­ner Rede zur Ver­trau­ens­fra­ge von Olaf Scholz hat Fried­rich Merz die Par­tei gewech­selt, ohne dies wirk­lich tun zu müs­sen; bei Minu­te 17.00 sagt er: „Wir von der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­lands, wir den­ken an die jun­ge Gene­ra­ti­on, wir sor­gen dafür, dass die jun­ge Gene­ra­ti­on…” etc. bla bla bla.

Die Wor­te des gesi­chert in der Scholz-Nach­fol­ge wan­deln­den CDU-Chefs bestä­ti­gen einer­seits all jene, die seit lan­gem behaup­ten, in die­ser Repu­blik stün­den ohne­hin nur sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­tei­en ver­schie­de­ner Rot­schat­tie­rung zur Wahl, und zwi­schen den Alt­par­tei­en exis­tier­ten unge­fähr so vie­le Unter­schie­de wie Farb­nu­an­cen auf einer Fran­zis­ka­ner­kut­te. Zum ande­ren sekun­diert die Tat­sa­che, dass sich ein mut­maß­li­cher Mehr­fach­mil­lio­när, die übli­che Ver­lo­gen­heit par­la­men­ta­ri­schen Spre­chens ein­ge­rech­net, ins gro­ße sozi­al­de­mo­kra­tische Wir ein­reiht, recht anschau­lich der The­se vom paar­lauf­ar­ti­gen Lan­gen Marsch der Rei­chen und der Woken ins nächs­te sozia­lis­ti­sche Para­dies (natür­lich nur für die anderen).

Inso­fern wäre es auch falsch, von einer Freud’schen Fehl­leis­tung des Gevat­ters mit der ori­gi­nel­len Vor­der­haupt­haar­tol­le zu spre­chen. Dage­gen sprä­che näm­lich der gewähl­te Sin­gu­lar, mit dem Merz den Bun­des­tag black­rock­te. Er sagt ja nichts Gerin­ge­res als: Wir von der Uni­on sind die ech­ten Sozi­al­de­mo­kra­ten. Womit sich eine neue Sub­dif­fe­ren­zie­rung inner­halb der Bun­des­tags­par­tei­en ergibt: Neben die Son­de­rung der demo­kra­ti­schen Par­tei­en von der Oppo­si­ti­on schei­den sich nun in der Frak­ti­on Unse­re­de­mo­kra­tie die dop­pel­plus­gu­ten Sozi­al­de­mo­kra­ten von den ledig­lich plusguten.

Wir berich­ten weiter.

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Wäh­rend es Bleich­ge­sich­tern streng ver­bo­ten ist, sich als Moh­ren oder India­ner zu ver­klei­den oder ähn­li­ches Iden­ti­täts­aus­leih-Allo­tria zu trei­ben, dür­fen Schwar­ze sich in der Requi­si­ten­kam­mer der wei­ßen Kul­tur­ge­schich­te ad libi­tum bedie­nen, denn das ist das Min­des­te, was sie als Ent­schä­di­gung für den Kolo­nia­lis­mus der Wei­ßen erwar­ten dür­fen. Im Acta-Ein­trag vom 12. Dezem­ber applau­dier­te ich dem Black­fa­cing des Seve­rus Sna­pe – näher­hin der Beset­zung der Rol­le des Hog­warts-Proffs mit einem schwar­zen Mimen –, was ein Bekann­ter zum Anlass nahm, mich auf den Film „Mac­beth” (Ori­gi­nal: „The Tra­ge­dy of Mac­beth”) von immer­hin oder lei­der Joel Coen hin­zu­wei­sen, der zwar schon 2021 in Über­see Pre­mie­re hat­te, mir aber völ­lig ent­gan­gen war. Wie jeder Bre­mer Zehnt­kläss­ler weiß, spielt die Hand­lung von Shake­speares Stück, ohne his­to­ri­sche Gül­tig­keit zu bean­spru­chen, im Schott­land des 11. nach­christ­li­chen Jahr­hun­derts, mit­hin in einer Welt­ge­gend, wo es eth­nisch ver­gleich­bar unbunt zuging wie wei­land in Zen­tral­afri­ka. Nichts als Schot­ten – und zwar kei­ne Pass­schot­ten –, so weit das unaus­ge­schla­ge­ne Auge reich­te! Im „Macbeth”-Film wim­melt es indes von Kolo­rier­ten: Der König selbst ist ein Mensch von Far­be, Den­zel Washing­ton übri­gens, aber auch sein Wider­sa­cher Macduff mit­samt Frau ist schwarz – die arge Lady Mac­beth ward bleich besetzt, die Hexen auch; so viel Diver­si­ty muss­te sein –; schwarz sind über­dies Men­tei­th, noble­man of Scot­land (im Film auf­grund der gro­ßen afri­ka­ni­schen Laut­ver­schie­bung: Mon­tei­th), und Sey­ton, an offi­cer atten­ding on Mac­beth (hier kön­nen Sie die Beset­zung betrachten).

Ist das ein Pro­blem? Sind Sie viel­leicht Rassist(*in)?

Am 29. April 2018 beschrieb ich in den Acta die BBC-Serie „Troy – Fall of a City” als ein mus­ter­haf­tes Exem­pel für das Phä­no­men der mäh­li­chen Ver­drän­gung der Wei­ßen – genau­er: des abend­län­di­schen Typus – aus der von ihnen geschaf­fe­nen Kul­tur (der Text ist nicht mehr online, floss aber in die­sen Pod­cast ein und steht im Acta-Jah­res­band). Genau in die­sen Zwist warf näm­lich die BBC den Eris­ap­fel, denn der Zuschau­er muss­te ver­blüfft fest­stel­len, dass Zeus (!), Achil­les, Patro­klos und Nes­tor schwarz waren, also von schwar­zen Schau­spie­lern ver­kör­pert wur­den. So sahen bei­spiels­wei­se Achil­les und Patro­klos aus (als Ras­sist, der ich wohl nolens volens bin, kann ich Ihnen nicht ein­mal sagen, wer von bei­den wer ist, weil die übli­chen Attri­bu­te feh­len, etwa das blond­ge­lock­te Haar des Peliden).

Die­se kul­tu­rel­le Anei­gung ist offi­zi­ell kei­ne, aber dass es sich um eine Kam­pa­gne han­delt, in der die wei­ße west­li­che Kul­tur täg­lich ein biss­chen dunk­ler kolo­riert wird, was man vor allem in der Wer­bung stu­die­ren kann, wird nie­mand bestreiten.

Nun muss man extra­po­lie­ren: So wie die tür­ki­schen Gast­ar­bei­ter nach dem Krieg das deut­sche Wirt­schafts­wun­der voll­bracht und die Mos­lems ein paar Sün­den­jahr­hun­der­te zuvor die reli­giö­se Tole­ranz nach Spa­ni­en expor­tiert haben, wer­den irgend­wann Schwar­ze Tro­ja erobert –, nein, Erobe­rung ist ja böse –, die grie­chi­sche Demo­kra­tie und die Phi­lo­so­phie erfun­den, die Skla­ve­rei abge­schafft, die Phy­sik revo­lu­tio­niert, den D‑Day voll­streckt und die Gleich­be­rech­ti­gung der Frau durch­ge­setzt haben, mit täti­ger Mit­hil­fe nach je aktu­el­ler mora­li­scher Erpres­sungs­la­ge noch zu ernen­nen­der ande­rer aus­er­wähl­ter fremd­kul­tu­rel­ler Kollektive.

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Was soll der Unsinn?, dach­te ich mir, als ich im neu­en Heft von Tichys Ein­blick die Über­schrift „Frau­sein als männ­li­cher Wil­lens­akt” las. Aber genau so ist die inzwi­schen gül­ti­ge Rechtslage.

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Apro­pos: Was soll der Unsinn.

Wiki­pe­dia-Ein­trag König­reich Norwegen.

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Alle Jah­re wie­der ste­hen Medi­en­schaf­fen­de im deutsch­spra­chi­gen Raum vor der Fra­ge: Wie mache ich den tum­ben Toren da drau­ßen im Land das Christ­fest madig?

Ein­sam­keit, vor allem an Weih­nach­ten, gefähr­det die Demo­kra­tie – hät­ten Sie das gedacht? (Quel­le: Der Stan­dard, Wien).

Das Kreuz­ber­ger Zen­tral­or­gan für alle rele­van­ten Min­der­hei­ten hat­te schon vor einem Jahr erkannt, wohin die in erz­ge­bir­gi­schen Klüf­ten und Sen­ken herr­schen­de Ein­sam­keit führt.

Nichts kann die Gesel­lig­keit auf­wie­gen, die sich im „Kampf” gegen „Rechts” einstellt.

Allez!

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Neue Nah­rung erhält der­weil die von Rechts­extre­mis­ten fla­tu­lier­te Ver­schwö­rungs­theo­rie einer angeb­li­chen Isla­mi­sie­rung des Abendlandes.

Tat­säch­lich nimmt näm­lich nur der anti­mus­li­mi­sche Ras­sis­mus zu. „Der Ver­wal­tungs- und Per­so­nal­aus­schuß der Stadt hat­te mit Stim­men von SPD, Grü­nen, Die Lin­ke, Rosa Lis­te, Volt und Die Par­tei ent­schie­den, von nun an jedes Jahr zum Rama­dan eine Beleuch­tung anzu­brin­gen, auch um ‚ein Zei­chen der Sicht­bar­keit mus­li­mi­schen Lebens sowie gegen anti­mus­li­mi­schen Ras­sis­mus’ zu set­zen”, notiert die Jun­ge Frei­heit. Die­se Auf­lis­tung illus­triert zwei­er­lei: Ers­tens was für eine groß­ar­tig tole­ran­te Stadt Mün­chen ist, zwei­tens wel­che Par­tei­en – Rosa Lis­te! – in einem Kali­fat der­mal­einst lei­der­lei­der abge­schafft wer­den müssen.

Der Mus­lim­rat Mün­chen begrüßt die­sen Beschluss als ein Zei­chen der Wert­schät­zung und Tole­ranz, wenn­gleich die­ses bedeu­ten­de Zei­chen „nicht über die stär­ker wer­den­de Mus­lim­feind­lich­keit in der Gesell­schaft hin­weg­täu­schen” könne.

Deren Grün­de rät­sel­haft sind.

Man­che wol­len sogar die Kuh schlach­ten, par­don: schäch­ten, die sie mel­ken (Opfer­fest).

Aber doch nur symbolisch!

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Unter einem Twit­ter­ein­trag von mir zitier­te ein Leser Peter Rühm­korf, der am 24. Janu­ar 1991 in sei­nem Tage­buch über eine gewis­se Welt­ge­gend geschrie­ben habe, sie sei „ein noch tief unter dem all­ge­mei­nen zivi­li­sa­to­ri­schen Ver­rot­tungs­ho­ri­zont anzu­set­zen­des Fäul­nisse­di­ment aus irra­tio­na­ler Todes­sehn­sucht und welt­li­cher Vor­teils­er­schlei­chung, theo­kra­ti­scher Tyran­nis und sinis­trem Händ­ler­geist, fun­da­men­ta­lis­ti­scher Hals­star­rig­keit und irr­lich­tern­dem Emo­tio­na­lis­mus, eth­ni­schen Min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xen und kran­kem Ehr­ge­fühl, einem reli­gi­ös kon­ta­mi­nier­ten Rechts­den­ken und machis­ti­scher Frau­en­ver­ach­tung, Vet­tern­wirt­schaft und Bru­der­krieg, eine Wahn­sinns­welt, die man am bes­ten sich selbst über­las­sen sollte.“

Ich doku­men­tie­re das hier ohne Quel­len­über­prü­fung – es scheint mir nicht erfun­den zu sein – sowie dem Hin­weis, dass ins­be­son­de­re der letz­te Halb­satz von tie­fer Weis­heit zeugt.

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Gleich­falls ohne Quel­le, aber eben­so zitie­rens­wert ist, was mir ein ande­rer Leser schickte.

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Die ers­ten Grü­nen bekom­men die Medi­zin zu schme­cken, die sie selbst ange­rührt haben.

Für alle halb­wegs bekann­ten Poli­ti­ker der Schwe­fel­par­tei ist das Alltag.

Mir ist vor vier Jah­ren Ähn­li­ches pas­siert, frei­lich nur im Schlepp­tau des dama­li­gen AfD-Vor­sit­zen­den. Aber immer­hin, ich muss­te ein Stamm­lo­kal auf­ge­ben, wel­ches ich natur­ge­mäß nie wie­der betre­ten habe.

Natür­lich ist es kul­tur­los. Natür­lich ist es aso­zi­al. Aber damit auf­hö­ren müs­sen halt die­je­ni­gen, die ange­fan­gen haben.

 

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