Zur Verteidigung von BlackRock (Fortsetzung)

Der Bei­trag von Leser ***, der „sein gesam­tes Berufs­le­ben in der Invest­ment­in­dus­trie ver­bracht hat”, zur Ent­dia­bo­li­sie­rung von Black­Rock hat zustim­men­de, aber auch ableh­nen­de Reak­tio­nen aus­ge­löst. Ich habe ihm die Zuschrif­ten wei­ter­ge­lei­tet (wie bei mir üblich anony­mi­siert) und gefragt, ob er ant­wor­ten möch­te. Dan­kens­wer­ter­wei­se woll­te er.

Sei­nen Aus­füh­run­gen vor­an­ge­stellt sei eine der kri­ti­schen Zuschrif­ten als Pars pro toto (die ande­ren wer­den sich hof­fent­lich in sei­ner Ant­wort wiederfinden):

„Das ist eine net­te Lavie­rung. Ja, Black­Rock ‚ver­wal­tet’ das Geld sei­ner Kun­den. Aber ‚Ver­wal­ten’ heißt hier ‚Inves­tie­ren’. Des­halb wer­den die­se Fir­men auch als Finanz­in­ves­to­ren bezeich­net. Es ist also immer Black­Rock, die inves­tie­ren, und erst in zwei­ter Instanz deren Kun­den. Genau das ist es, wor­in die kaum mehr begrenz­te Macht die­ser Fir­men wie aller gro­ßen Ban­ken besteht. Es ist des­halb ein grob fal­scher Ein­druck, der ent­steht, wenn man argu­men­tiert, Black­Rock wür­de ’nur das Geld sei­ner Kun­den ver­wal­ten’. Die Kun­den sind pas­siv, aktiv ist der Investor.

Da Black­Rock sowohl in kli­ma­freund­li­che als auch in fos­si­le Ener­gien inves­tiert, hal­te ich das für Augen­wi­sche­rei. Dort gibt es über­haupt kei­ne mora­li­sche oder sons­ti­ge Richt­schnur. Es zählt nur, was Geld bringt. Und jeder Bank­kun­de weiß: Er ver­traut der Bank sein Geld an, damit die ihren Job macht und Ren­di­te erzielt. Nie­mand macht mir weis, dass die Kun­den Black­Rock sagen, wo hin­ein inves­tiert wer­den soll. Dann könn­ten die Kun­den das prak­ti­scher­wei­se auch selbst erledigen.”

Es folgt die Ant­wort von Leser ***:

„Okay, ‚ver­wal­ten’ ist viel­leicht ein zu behä­bi­ger Begriff für das, was Black­Rock und ver­gleich­ba­re Unter­neh­men betrei­ben. Eini­gen wir uns dar­auf: ‚Inves­tor’ ist der­je­ni­ge, der das Geld bereit­stellt (Ver­si­che­run­gen, Pen­si­ons­kas­sen, Ver­sor­gungs­wer­ke, Stif­tun­gen, Klein­spa­rer usw.), und Mana­ger’ ist der­je­ni­ge, der im Auf­trag des Inves­tors das Geld – übli­cher­wei­se im Rah­men eines Fonds – anlegt, in Akti­en, Anlei­hen aller Art, Geld­markt­pa­pie­ren, Wäh­run­gen, Immo­bi­li­en. Hier also, pars pro toto, BlackRock.

Es wird in der Öffent­lich­keit grob unter­schätzt, wie sehr die­ses Manage­ment von Wert­pa­pie­ren heut­zu­ta­ge regu­liert ist. Da sind zunächst die Inves­to­ren selbst, die von aller­lei staat­li­chen Auf­sichts­be­hör­den kon­trol­liert wer­den, der BaFin (Bun­des­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht) oder den Finanz­be­hör­den der Bun­des­län­der. Eine Ver­si­che­rung bsp. unter­liegt stren­gen Limi­ta­tio­nen bezüg­lich der Anla­ge ihrer Mit­tel in Anla­ge­klas­sen, Qua­li­tä­ten und Risi­ken aller Art, und auch hin­sicht­lich der Art und Wei­se, wie sie die Ent­wick­lung ihrer Invest­ments kon­trol­lie­ren muss. Dann haben die­se Inves­to­ren ihre eige­nen Regu­la­ri­en, ihre eige­nen Gre­mi­en, die regel­mä­ßig Bericht ver­lan­gen über die Ent­wick­lung der Kapi­tal­an­la­gen. Für die Mana­ger, in Deutsch­land ‚Kapi­tal­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten’ genannt (sor­ry, schon wie­der ‚Ver­wal­tung’), gibt es wie­der­um ein eige­nes Regel­werk, das sog. Kapi­tal­an­la­ge­ge­setz­buch (KAGB; furcht­bar tro­cke­ne Mate­rie, wer mal rein­schau­en will, bit­te sehr; für mei­nen Geschmack völ­lig über­re­gu­liert das Gan­ze). Für jeden Fonds, den ein Inves­tor bei einem Mana­ger in Auf­trag gibt, exis­tie­ren über­dies eige­ne Richt­li­ni­en, die den Anla­ge­auf­trag, oft bis in kleins­te Details, regeln. Ein Inves­tor kann den Mana­ger ver­kla­gen, wenn er sich zum Scha­den des Inves­tors nicht an die­se Richt­li­ni­en hält, des­halb unter­hal­ten die Mana­ger rie­si­ge Con­trol­ling­ap­pa­ra­te, um die lau­fen­de Über­ein­stim­mung mit den Fonds­richt­li­ni­en sicherzustellen.

Dass die Macht von Ban­ken ‚kaum mehr begrenzt’ sei, stimmt nicht. Auch die Auf­sicht über die Ban­ken ist heu­te stren­ger denn je. Schau­en Sie sich doch nur ein­mal den Akti­en­kurs der Deut­schen Bank seit 1990 an (und das ist noch der Bran­chen­pri­mus in Deutschland!):

Ich muss hier immer an eine Anek­do­te aus mei­ner frü­hen Berufs­zeit den­ken: Als Uni-Absol­vent, der gera­de frisch in einer Bank ange­fan­gen hat­te, glaub­te ich mei­ne lin­ken Über­zeu­gun­gen an den Mann brin­gen zu müs­sen und erklär­te einem älte­ren Mit­ar­bei­ter, die Ban­ken hät­ten doch viel zu viel Macht und erziel­ten viel zu hohe Gewin­ne. Er gab mir kühl zurück: ‚Dann müs­sen Sie halt Bank­ak­ti­en kau­fen.’ Nun, wie man sieht, hät­te ich damit ein denk­bar schlech­tes Geschäft gemacht. Beden­ken Sie doch nur, wie sehr z.B. das Inter­net dem klas­si­schen Kre­dit­ge­schäft zusetzt: Ein Kre­dit­in­sti­tut lebt von der Dif­fe­renz zwi­schen Soll- und Haben­zins (‚Kre­dit­mar­ge’). Jeder Häus­le­bau­er kann sich heu­te auf Finanz­por­ta­len über die bes­ten Kre­dit­kon­di­tio­nen infor­mie­ren, und jeder, der eine Festz­ins­an­la­ge sucht, fin­det leicht die Insti­tu­te, die den höchs­ten Ein­la­gen­zins bie­ten. Die­se völ­li­ge Trans­pa­renz über Soll- und Haben­zin­sen setzt der Kre­dit­mar­ge der Ban­ken sehr enge Gren­zen, um das Min­des­te zu sagen. Es gibt kei­ne bes­se­re Begren­zung wirt­schaft­li­cher Macht als den Wettbewerb.

Dass, wie der Leser schreibt, Black­Rock ’sowohl in kli­ma­freund­li­che als auch in fos­si­le Ener­gien inves­tiert’, ist nur zum Teil rich­tig, denn wie­der­um sind es die Kun­den von Black­Rock, die (über die erwähn­ten Anla­ge­richt­li­ni­en der Fonds) die dazu rele­van­ten Vor­ga­ben machen. Rich­tig ist aber, dass in den von Black­Rock (und ande­ren) gema­nag­ten Fonds sich Invest­ments aller Art befin­den, sowohl Akti­en der Öl- und Gas­kon­zer­ne als auch der Her­stel­ler von Wind­kraft­tur­bi­nen und Solar­mo­du­len. Inwie­weit das eine oder das ande­re zuläs­sig oder gewünscht ist, dar­über ent­schei­det der Kun­de, also der Inves­tor! Das Brot- und But­ter­ge­schäft von Black­Rock ist dienst­leis­tungs­ori­en­tiert, und kei­nes­wegs ist der Mana­ger die­ser Fonds der gro­ße Zam­pa­no. (Anders sieht es bei Hedge­fonds aus – dort haben die Mana­ger tat­säch­lich sehr vie­le Frei­hei­ten –, aber das ist nicht das Kern­ge­schäft von BlackRock.)

‚Dort gibt es über­haupt kei­ne mora­li­sche oder sons­ti­ge Richt­schnur.’ Aus­füh­run­gen über die Moral in der Finanz­welt erspa­re ich mir. Schlech­ter als in der Poli­tik ist sie bestimmt nicht. Es mag bei den Ban­ken kei­ne mora­li­sche Richt­schnur geben, aber, wie aus­ge­führt, gesetz­li­che und regu­la­to­ri­sche Richt­schnü­re gibt es in Hül­le und Fülle.

‚Und jeder Bank­kun­de weiß: Er ver­traut der Bank sein Geld an, damit die ihren Job macht und Ren­di­te erzielt.’ Ich glau­be, dass sich hin­ter die­sem Satz eine Mys­ti­fi­ka­ti­on ver­birgt. Eine Bank kann nicht aus eige­ner Kraft Ren­di­ten erwirt­schaf­ten; sie ist immer nur der Mitt­ler zwi­schen Kun­de und Kapi­tal­markt. Ren­di­ten – an Aktien‑, Anlei­hen- oder Immo­bi­li­en­märk­ten – ent­ste­hen aus volks­wirt­schaft­li­chem Wachs­tum und aus unter­neh­me­ri­scher Wert­schöp­fung. Wenn Sie weder das eine noch das ande­re haben, dann wird Ihnen auch die bes­te Bank nichts nut­zen. Ver­glei­chen Sie ein­mal die Ren­di­ten, die Sie an der US-Bör­se in den letz­ten Jah­ren erzie­len konn­ten, mit denen in Euro­pa. Die rie­si­ge Dis­kre­panz, die sich da auf­tut, resul­tiert letzt­lich aus der viel höhe­ren Inno­va­ti­ons­kraft und dem höhe­ren Wachs­tum der US-Volkswirtschaft.

‚Nie­mand macht mir weis, dass die Kun­den Black­Rock sagen, wo hin­ein inves­tiert wer­den soll. Dann könn­ten die Kun­den das prak­ti­scher­wei­se auch selbst erle­di­gen.’ Tat­säch­lich haben insti­tu­tio­nel­le Inves­to­ren (zumin­dest in Deutsch­land) bis vor ca. 30 Jah­ren den Groß­teil ihrer Anla­gen selbst ver­wal­tet. Das pro­fes­sio­nel­le Niveau die­ser in Eigen­re­gie ver­wal­te­ten Anla­gen war jedoch viel­fach sehr beschei­den, vor allem in kom­ple­xe­ren Anla­ge­märk­ten. Aus die­sem Grund sehen wir seit ca. 1990 einen mas­si­ven Trend zur Aus­la­ge­rung von Kapi­tal­an­la­gen an pro­fes­sio­nel­le Ver­mö­gens­ma­na­ger. Das ist der wesent­li­che Trei­ber hin­ter dem Wachs­tum der Fondsindustrie.

Wenn wir ein­mal unter­stel­len, dass Sie einen Index ‚pas­siv’ abbil­den wol­len und Sie es mit einem ein­fa­chen Index zu tun haben, sagen wir dem DAX 30, dann kön­nen Sie des­sen 30 Wer­te, samt ihrer jewei­li­gen Gewich­te, zur Not selbst zusam­men­bau­en. Schwie­ri­ger wird es schon, wenn Sie im euro­päi­schen Akti­en­uni­ver­sum inves­tie­ren, sagen wir im Sto­xx Euro­pe 600. Sie müs­sen dann 600 Akti­en ver­fol­gen und die lau­fen­den Kapi­tal­maß­nah­men im Port­fo­lio abbil­den: Divi­den­den­zah­lun­gen, Kapi­tal­erhö­hun­gen, Akti­en­splits, Fusio­nen. Außer­dem gibt es in jedem Inde­x­uni­ver­sum Fluk­tua­ti­on: Akti­en flie­gen aus dem Index, ande­re kom­men rein. Wenn Sie das alles nach­hal­ten wol­len, dann wer­den Sie irgend­wann mer­ken, dass ihre Per­for­mance mit der des Index nicht Schritt hält, denn jeder Akti­en­kauf und ‑ver­kauf ist mit Trans­ak­ti­ons­ge­büh­ren ver­bun­den. Aus die­sem Grund bedient man sich bei allen kom­ple­xe­ren Indi­ces sta­tis­tisch-mathe­ma­ti­scher Model­le, die es erlau­ben, mit einer rela­tiv gerin­gen Zahl an Wert­pa­pie­ren die Per­for­mance des Index zu appro­xi­mie­ren. Dass Sie dafür ein beson­de­res Know-how benö­ti­gen und rie­si­ge Daten­men­gen bewäl­ti­gen müs­sen, liegt auf der Hand. Das kön­nen Sie in Eigen­re­gie nicht leis­ten. Erst recht nicht, wenn Sie es statt mit einem Akti­en- mit einem Anlei­hen­man­dat zu tun haben, das nicht nur Staats­an­lei­hen, son­dern auch Unter­neh­mens­an­lei­hen umfasst. Jedes grö­ße­re Unter­neh­men hat min­des­tens 5–10 Anlei­hen der ver­schie­dens­ten Rän­ge am Markt emit­tiert, dazu Anlei­hen in frem­der Wäh­rung, die Sie dann in EUR hedgen müs­sen, um das Fremd­wäh­rungs­ri­si­ko aus­zu­schlie­ßen… Sor­ry, das krie­gen Sie als deut­sche Ver­si­che­rung oder Pen­si­ons­kas­se ein­fach nicht gebacken!

Wir könn­ten noch ewig Debat­ten die­ser Art füh­ren. Auf jede gege­be­ne Ant­wort kom­men zwei neue kri­ti­sche Fra­gen. Das ist auch legi­tim; ich will über­haupt nicht leug­nen, dass es an den Kapi­tal­märk­ten immer wie­der auch Fehl­ent­wick­lun­gen gibt (sie­he 2008/09!). Was ich mich aber fra­ge, ist: Woher kommt die­ses grim­mi­ge Res­sen­ti­ment, mit dem die Finanz­märk­te hier­zu­lan­de bedacht wer­den? Die­ser Gene­ral­ver­dacht, der über allem lastet?

In den acht­zi­ger Jah­ren hat­ten wir in West­deutsch­land eine Debat­te um das The­ma ‚Ver­mö­gens­bil­dung in Arbeit­neh­mer­hand’. Es waren die Gewerk­schaf­ten, die damals ver­hin­dert haben, dass Arbeit­neh­mer in staat­lich geför­der­te Akti­en­spar­pro­gram­me ein­zah­len (so wie in den USA). Ganz klar, an finan­zi­ell unab­hän­gi­gen Arbeit­neh­mern hat­ten die Gewerk­schafts­bos­se kein Inter­es­se! Aber wenn Sie sich die Ent­wick­lung der Akti­en­märk­te seit die­ser Zeit anse­hen, dann steht es außer Fra­ge, dass wir uns heu­te um das The­ma Alters­ar­mut kei­ne Gedan­ken mehr machen müss­ten, wenn man damals die Wei­chen rich­tig gestellt hätte.

Die anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Affek­te in Deutsch­land sind rie­sig. Sie poli­tisch zu bedie­nen, ist immer eine Ver­su­chung. Nur weit kom­men wird man damit nicht. Mir begeg­ne­te vor eini­ger Zeit ein Zitat des gro­ßen Lyri­kers Gott­fried Benn, der zeit­le­bens selbst nicht frei von star­ken anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Impul­sen war. Aber immer­hin gelang­te er in einem lich­ten Moment zu der fol­gen­den Einsicht:

‚Sie wis­sen ja, dass es zu mei­nen Ansich­ten gehört, dass der Kapi­ta­lis­mus erst beginnt und er es sich sogar leis­ten kann, den Sozia­lis­mus, oder was sich so nennt, ganz gemüt­lich sein Wesen trei­ben zu lassen.’ ”

Um der Augen­freund­lich­keit wil­len fol­gen drei Sternchen.

***

Leser *** fährt fort:

„Das Miss­trau­en, das eini­ge Ihrer Leser mit Ver­weis auf das The­ma ‚Depot­stimm­rech­te’ der Ban­ken for­mu­liert haben, ist durch­aus nach­voll­zieh­bar. In der Pra­xis glau­be ich aber, dass die Ein­flüs­se von Depot­stimm­rech­ten auf bör­sen­no­tier­te Unter­neh­men über­schätzt wer­den. Einer Ihrer Leser schrieb: ‚Wenn Lar­ry Fink kei­nen Ein­fluss auf die größ­ten Indus­trie­un­ter­neh­men der west­li­chen Welt hat, dann hat der Papst kei­nen Ein­fluss auf die Ent­wick­lung des Katho­li­zis­mus.’ Das ist geist­voll for­mu­liert, aber die Ana­lo­gie ist völ­lig schief. Denn die katho­li­sche Kir­che ist straff hier­ar­chisch geglie­dert, es gilt das vom Ober­hir­ten ex cathe­dra gespro­che­ne Wort, und sei­ne Macht reicht, wenn er will, bis zum Dorf­pfar­rer in Posemuckel. Die Chefs von Daim­ler, SAP und BASF haben aber nicht auf Lar­ry Fink ein Gehor­sams­ge­lüb­de abge­legt, son­dern sie sind ihren Aktio­nä­ren ver­ant­wort­lich. Ihre üppi­gen Boni zahlt nicht Lar­ry Fink oder Black­Rock, son­dern das Unter­neh­men, dem sie vor­ste­hen. Glei­ches gilt übri­gens auch für den guten Lar­ry: Auch der ist in ers­ter Linie dar­an inter­es­siert, dass sein eige­ner Laden läuft! Wel­chen Nut­zen hat Black­Rock davon, wenn bei Sie­mens die Regen­bo­gen­fah­ne hängt?

Sicher, Black­Rock betreibt einen enor­men PR-Hype um sein Invest­ment Ste­ward­ship Team. Ein­mal im Jahr ver­schickt Fink einen Rund­brief an die Vor­stands­vor­sit­zen­den der Unter­neh­men, an denen Black­Rock Antei­le hält; dar­in gibt er sei­ne Ansich­ten zu aller­lei woken The­men kund, vom Kli­ma­wan­del bis hin zur Fra­ge der geschlechts­spe­zi­fi­schen Diver­si­tät in den Unter­neh­men. Eine säku­la­re Jah­res­end­pre­digt! Man unter­hält eine Lis­te von Unter­neh­men, die nach Ansicht von Black­Rock nicht genug gegen den Kli­ma­wan­del tun und behält sich vor, bei Haupt­ver­samm­lun­gen gegen die Unter­neh­mens­vor­stän­de zu stim­men. Ein­mal ist das wohl auch gesche­hen (2017 bei Exxon­Mo­bil). Okay. Mehr als Nadel­sti­che set­zen kann Fink damit aber mei­nes Erach­tens nicht. Wenn er wirk­lich sys­te­ma­ti­schen Ein­fluss auf den Indus­trie­sek­tor aus­üben woll­te, und ange­nom­men, er hät­te Zeit und Muße, um sich – so neben­bei – nicht nur um Black­Rock, son­dern auch noch um die, sagen wir, fünf­hun­dert größ­ten Indus­trie­un­ter­neh­men der west­li­chen Welt zu küm­mern, dann bräuch­te er dafür einen gigan­ti­schen Appa­rat von Mit­ar­bei­tern, die lau­fend die betref­fen­den Unter­neh­men beob­ach­ten, ihre Daten sam­meln, ihre Haupt­ver­samm­lungs­agen­da durch­fors­ten, ggf. Ein­wän­de dage­gen ent­wi­ckeln, im Vor­feld der Haupt­ver­samm­lung Kon­takt zum Vor­stand auf­neh­men, Black­Rocks Ein­wän­de kom­mu­ni­zie­ren, eine Droh­ku­lis­se auf­bau­en, eige­ne Gegen­an­trä­ge for­mu­lie­ren, usw. usf. Und dann könn­te er noch nicht ein­mal sicher sein, dass die ande­ren Depot­ban­ken mit ihm stim­men, das müss­te dann auch noch koor­di­niert wer­den (dazu gleich). Das Depot­bank­ge­schäft ope­riert mit äußerst dün­nen Mar­gen, die den Auf­bau eines sol­chen Appa­rats gar nicht hergeben.
Ein Vor­schlag zur Güte: Die­ser Blog wird ja sicher auch von Mana­gern deut­scher Indus­trie­un­ter­neh­men gele­sen (ich hof­fe es jeden­falls). Wie wäre es, wenn Mana­ger deut­scher Unter­neh­men sich hier ein­mal zu Wort mel­den, die von Black­Rock bzw. von Lar­ry Fink zu woken Akti­vi­tä­ten gedrängt wur­den, die sie ohne den Druck von Black­Rock nicht unter­nom­men hät­ten? Damit mei­ne ich jetzt nicht, dass man beim CSD Flag­ge gezeigt hat, son­dern nach­wir­ken­de, auf das Unter­neh­men wir­ken­de Struk­tur­ent­schei­dun­gen, die auch mit spür­ba­ren finan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen ver­bun­den waren.
Es gibt ja gar kei­nen Dis­sens dar­über, dass Unter­neh­men rei­hen­wei­se der woken Agen­da anheim­ge­fal­len sind und dass es hier einen beträcht­li­chen Kon­for­mi­täts­druck gibt. Aber wie ver­brei­ten sich denn sol­che Trends? Um das zu erklä­ren, brau­che ich doch kei­ne Hin­ter­zim­mer­phan­ta­sien! Ich sehe die­sel­be woke Agen­da auch dort am Werk, wo es sich gar nicht um den Bereich bör­sen­no­tier­ter Unter­neh­men han­delt: Im gesam­ten Kul­tur­be­reich, in der Rekla­me und im Übri­gen auch bei Unter­neh­men außer­halb der Bör­se. In der Poli­tik (aktu­el­les, desas­trö­ses Bei­spiel: Lie­fer­ket­ten­ge­setz), an den Uni­ver­si­tä­ten, bei NGOs, in den Kir­chen! Wir haben es hier mit einer brei­ten gesell­schaft­lich-poli­ti­schen Strö­mung zu tun, einem viel­stim­mi­gen Kon­zert, bei dem sicher auch Lar­ry Fink mit­träl­lert, aber eine so brei­te Bewe­gung kann man doch nicht ernst­haft einem Strip­pen­zie­her zuschrei­ben! Das sind Ver­schwö­rungs­theo­rien, bei denen mir mul­mig wird.
Oder glaubt hier jemand, man bräuch­te nur Black­Rock das Hand­werk zu legen, und alles wäre in Butter?
Aus mei­ner beruf­li­chen Zusam­men­ar­beit mit insti­tu­tio­nel­len Inves­to­ren kann ich z.B. berich­ten, dass bestimm­te NGOs und vor allem auch sog. Öko-Rating­agen­tu­ren einen viel mas­si­ve­ren Druck auf die Inves­to­ren aus­üben als BlackRock.
Wer jemals auf einer Haupt­ver­samm­lung war, kennt den Moment, wo die Klein­ak­tio­nä­re Hun­ger ver­spü­ren und der lan­gen Reden über­drüs­sig wer­den. Das Buf­fet ruft! In sol­chen Momen­ten hört man schon mal den Zwi­schen­ruf: ‚Wie vie­le Stim­men ver­tre­ten Sie denn über­haupt?’ Wenn Black­Rock einen Unter­neh­mens­vor­stand wirk­lich in die Man­gel neh­men will, wird man bei einer Haupt­ver­samm­lung aus eige­ner Kraft immer nur die­je­ni­gen Stimm­rech­te mobi­li­sie­ren kön­nen, die auf die von Black­Rock selbst gema­nag­ten Fonds­be­stän­de ent­fal­len, also jene satt­sam bekann­ten 7,00 % bei Infi­ne­on, 6,97 % bei Merck, 6,16% bei Sie­mens usw. Denn: Black­Rock fun­giert nicht als Depot­bank (jeden­falls sind sie mir in Deutsch­land nie als Depot­bank begeg­net) und hat als Nicht-Depot­bank somit kei­nen Zugriff auf jene Pools an nicht aus­ge­üb­ten Aktio­närs­stimm­rech­ten im Streu­be­sitz, die bei den gro­ßen Depot­ban­ken lie­gen und nur von die­sen gebün­delt wer­den kön­nen. In der Lis­te der welt­weit größ­ten Depot­ban­ken taucht Black­Rock jeden­falls gar nicht auf. Die Platz­hir­sche in die­sem Geschäft sind ganz ande­re; hier die aktu­el­le Rangliste:

(‚Tril­li­on’ bedeu­tet hier – in unse­rer Nomen­kla­tur – wie­der: Bil­lio­nen.) Was heißt das kon­kret? Black­Rock müss­te sich, sofern die Mehr­heits­ver­hält­nis­se nicht von vorn­her­ein fest­ste­hen, in jedem Fall der Mit­wir­kung der Depot­ban­ken ver­si­chern, um bei Kampf­ab­stim­mun­gen ein kri­ti­sches Gewicht in die Waag­scha­le wer­fen zu kön­nen. Das ist aber gar nicht so ein­fach. Denn unter die­sen Ban­ken wird es immer etli­che Insti­tu­te geben, die mit den besag­ten Indus­trie­un­ter­neh­men gern ins Geschäft kom­men wür­den, auf Fel­dern wie Kre­dit, Wert­pa­pier­emis­sio­nen, Export­fi­nan­zie­rung, Über­nah­men. Und da wäre es ihren Ambi­tio­nen über­haupt nicht för­der­lich, wenn sie bei der Haupt­ver­samm­lung mit ihren Depot­stimm­rech­ten gegen den Vor­stand votier­ten… Palast­re­vo­lu­tio­nen kom­men auf Haupt­ver­samm­lun­gen nur sehr sel­ten vor. So ein­fach, wie die Black­Rock-Geg­ner sich die Sache vor­stel­len, lie­gen die Din­ge nicht.”

 

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