(Leser ***)
Deswegen sind sie schließlich hier.
„Die Daten im neuesten Niedersachsensurvey geben Anlass zur Sorge und zeigen, wie wichtig politische Bildung in den Schulen im Unterricht ist“, sagt Carl Philipp Schröder vom Forschungsinstitut. Politische Bildung ist ja soo wichtig. Aber: survey? Nicht survival (of the fittest)?
Auch in Ludwigshafen läuft alles blendend.
Entscheidend wird sein, dass bereits die Erstklässler ihr Sitzenbleiben als Diskriminierungserfahrung zu begreifen lernen. Wenn sie schon sonst nichts lernen können.
(Bernd Zeller)
„Wie Ihr häufiger anonymer Gastautor bin ich Jurist im Staatsdienst, konkret Vorsitzender einer Zivilkammer am Landgericht ***. Da ich dem Zeitgeist in vielen Punkten nicht entspreche, ist für mich das Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen die AfD und Organisationen, die zu ihrem Vorfeld gezählt werden können, von besonderer Relevanz. Ich will hier nicht zum x‑ten Mal die Argumentation des BfV auseinandernehmen und über den abwegigen Standpunkt zum Volksbegriff sowie die hieraus gezogenen Unterstellungen schreiben, das haben von Dietrich Murswiek über Martin Wagener bis Ulrich Vosgerau schon Berufenere hinreichend getan. Mein gedanklicher Ausgangspunkt sind vielmehr die folgenden Fragen: Ist das Bundesamt für Verfassungsschutz bereit, die Maßstäbe, an denen es die Opposition misst, auch auf Regierungsparteien oder ihnen nahestehende Organisationen anzuwenden? Falls nein, was folgt daraus?
Als Verfassungsfeind oder Extremist (beide Begriffe werden synonym verwendet) gilt, wer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet. Diese besteht aus den wichtigsten der Grundsätze, die nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) unabänderlich sind, dem Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürdegarantie. Die Argumentation des BfV gegen die patriotische Opposition (AfD, Identitäre Bewegung, Institut für Staatspolitik, Junge Alternative, Ein Prozent…) ist im Kern immer gleich: Wegen der Auffassung ihrer Protagonisten, es gebe ein deutsches Volk im ethnisch-kulturellen Sinne, die eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse impliziere, bestünde die Besorgnis, dass eine deren Menschenwürde verletzende Behandlung beabsichtigt sei, ebenso wie die Verletzung der Menschenwürde von Ausländern, die nach Deutschland einwandern wollen oder bereits hier leben.
Verallgemeinert bedeutet dies: Verfassungsfeind ist derjenige, bei dem die Besorgnis besteht, dass er eine Politik anstrebt, die die Menschenwürde bestimmter Menschen nicht achtet. Es ist unerheblich, ob sich dies auf nur ein Politikfeld beschränkt (hier die Migrationspolitik), es ist auch nicht erforderlich, dass diesen Menschen die Menschenwürde insgesamt abgesprochen wird (nicht einmal Herr Haldenwang behauptet, dass die AfD Migranten foltern lassen wolle). Ohne Belang ist schließlich, ob sich die Organisation auf anderen Politikfeldern besonders für die Menschenwürde oder eine andere Säule der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzt. Es nutzt der AfD beispielsweise nichts, dass sie sich in besonderem Maße für das Demokratieprinzip stark macht, indem sie der weiteren Übertragung von Kompetenzen auf die EU (die dazu führen würde, dass den deutschen Staatsbürgern Einflussmöglichkeiten entzogen werden) entgegentritt, sich für direkte Demokratie auf Bundesebene einsetzt und sich den Plänen der Kartellparteien von Grünen bis CDU, den Einfluss der Bürger durch eine Verlängerung der Legislaturperiode auf Bundesebene zu beschneiden, widersetzt.
Diese verallgemeinerten Grundsätze können ohne weiteres auf andere Politikfelder übertragen werden. Ich will nachfolgend die Frage des Schutzes des ungeborenen Lebens in den Blick nehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der Menschenwürdegarantie die Verpflichtung des Staates, das ungeborene Leben zu schützen. Deshalb muss der Gesetzgeber der Mutter den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbieten und ihr die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegen, das Kind auszutragen. Die Menschenwürdegarantie verpflichtet den Staat insbesondere dazu, ein wirksames Schutzkonzept zu ergreifen, das auch Elemente des repressiven Schutzes enthält. Deshalb darf der Staat nicht auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung für das menschliche Leben frei verzichten. All dies kann man im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 zu 2 BvF 2/90 u.a. nachlesen.
Zwischenfazit: Wer die „Entkriminalisierung” des Schwangerschaftsabbruchs anstrebt, will ungeborenen Menschen den Schutz entziehen, der ihnen wegen der Menschenwürdegarantie zusteht. Das ist verfassungsfeindlich.
Nun kann man sich ansehen, wie zum Beispiel die Grünen zu dieser Frage stehen. Dazu muss man weder Reden noch sonstige Äußerungen durchsuchen, erst recht nicht erforderlich ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Ausreichend ist vielmehr die Lektüre der Grundsatzprogramme der Partei (die hier abrufbar sind). Im Bundesprogramm von 1980 hieß es: ‚In der Frage der Schwangerschaftunterbrechung geraten zwei wesentliche Ziele der GRÜNEN in Widerspruch miteinander: einerseits entschieden für das volle Selbstbestimmungsrecht von Frau und Mann einzutreten, andererseits das menschliche Leben in allen Bereichen zu schützen. […] Die Schwangerschaftsunterbrechung kann als eine Frage der moralischen Einstellung und der persönlichen Lebensumstände nicht Gegenstand juristischer Verfolgung sein. […] Wir fordern: […] Keine Bevormundung und Diskriminierung der Frauen durch Staat und Ärzte. Keine Strafverfolgung und Einschüchterung von Frauen und Ärzten, die abgetrieben haben.’
Im Grundsatzprogramm von 2002 klang es so: ‚Wir wollen das Recht der Mädchen und Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben sichern und fördern. Deshalb werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass das Recht der Frauen, sich selbstbestimmt und ohne äußeren Druck für oder gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden, gewahrt bleibt. […] Auch eine strafrechtliche Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen ist kein geeigneter Weg, Entscheidungen für das Leben mit Kindern zu fördern. […] Keine Frau soll durch die soziale und materielle Situation oder durch ausgeübten Druck von außen in ihrer freien Entscheidung beeinträchtigt werden.’
Die entsprechende Passage im aktuellen Grundsatzprogramm von 2022 lautet: ‚Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben muss für alle Menschen, insbesondere auch Frauen, Mädchen, trans*, inter* und nicht-binäre Menschen mit und ohne Behinderung uneingeschränkt gelten. Dieses Recht zu realisieren ist Teil einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung. Zu ihr zählen auch selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche, die nichts im Strafgesetzbuch verloren haben und deren Kosten grundsätzlich übernommen werden müssen.’
Es ist also seit Parteigründung durchgehende Position der Grünen, dass allein die Mutter frei und ohne strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen darüber entscheiden soll, ob ein ungeborenes Kind getötet wird oder ob es leben darf. Staatlichen Schutz gegen die Entscheidung der Mutter darf es ihrer Auffassung nach nicht geben. Die Menschenwürde des ungeborenen Kindes spielt für die Grünen dabei keine Rolle. Diese Position ist, wie oben gezeigt, verfassungsfeindlich. (Auffällig ist, dass die Texte zunehmend radikaler formuliert sind. Die vorherrschende Erzählung, die Grünen hätten Radikalismen der Anfangszeit abgelegt, trifft offensichtlich nicht zu.)
Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht aber keineswegs gegen die Grünen vor, obwohl sie eine erhebliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellen. Denn anders als die politisch isolierte AfD, die keine reale Chance auf Machtbeteiligung hat, sind sie an der Bundesregierung und der Mehrzahl der Landesregierungen beteiligt und haben so nicht nur die Möglichkeit, die Gesetzgebung zu beeinflussen, sondern können auch über die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts mitbestimmen, mit der Gefahr, dass eine neue Besetzung des Gerichts Buchstaben und Geist des Grundgesetzes außer Acht lässt und die Menschenwürdegarantie im Sinne des grünen Parteiprogramms entkernt.
Das Vorgehen des Bundesamts für Verfassungsschutz allein gegen die Opposition ist nach alledem objektiv willkürlich. Es verstößt damit gegen das Recht der AfD auf Chancengleichheit und handelt seinerseits verfassungsfeindlich. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit auch aus der Bedeutung, die dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt, weil die Demokratie nicht funktionieren kann, wenn nicht die Parteien grundsätzlich unter den gleichen rechtlichen Bedingungen in den Wahlkampf eintreten. Da das Bundesamt für Verfassungsschutz den politischen Willen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) exekutiert und sich ihre Partei nicht von diesem gegen das Demokratieprinzip gerichteten Vorgehen distanziert, sondern es im Gegenteil unterstützt, wäre die SPD nach diesen Maßstäben zumindest als Verdachtsfall einzustufen.”