10. April 2024

„Der Lynch­mord beglei­tet den Kon­sens wie der Schat­ten den Menschen.”
Phil­ip­pe Muray

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Ges­tern las ich bei einem Geheim­tref­fen in der Ber­li­ner Biblio­thek des Kon­ser­va­tis­mus über den Gesin­nungs­straf­tat­be­stand der „kul­tu­rel­len Aneig­nung”, und wäh­rend ich vor­trug, kam mir der Gedan­ke, dass es den Befür­wor­tern die­ses juris­tisch noch nicht ganz fest­ge­stell­ten Tat­be­stands für­der­hin ver­wehrt sein müss­te, für ihre Ein­künf­te auf Gehalts­zet­teln, Spen­den­quit­tun­gen und Bank­kon­ten ara­bi­sche Zah­len – eigent­lich indi­sche, aber das ändert in die­sem Kon­text nichts – zu verwenden.

***

Durch einen Tipp­feh­ler ist mir ein neu­er Begriff gelun­gen: beant­wir­ten.

Geehr­ter Herr, Ihre groß­zü­gi­ge Ein­la­dung harrt einer Beant­wir­tung meinerseits.

***

Zum Ein­zel­fall der Woche.

Wan­gen

Ich lau­fe auf Sozialamtssohlen,
sprach dies Asylerschleichsgenie,
pries Gott beim Mes­sern –, zum Lohn holen
sie aus dem Knast ihn –; Psychiatrie.

Ich kann mir kei­ne Frau­en kaufen,
ich sitz auf teuf­li­schem Verlangen:
Gebe­te –, dann nach kabāb laufen: –
So gehn die Tage hin in Wangen.

Indes die deut­sche Edelfäule
an cor­rec­ti­ven Fabeln sog,
genoss er noch des Kinds Geheule,
bis man ihn in die U‑Haft zog.

(Da selbst Freund *** das Ori­gi­nal nicht kann­te: Hier ist es.)

***

Die Pyro­ma­nen rufen nach der Feuerwehr.

Nan­ny Fae­ser, die den Inlands­ge­heim­dienst und die Poli­zei miss­braucht, um Men­schen zu schi­ka­nie­ren, die sich unter ande­rem über die Import­kri­mi­na­li­tät erre­gen, erklärt jetzt unge­fähr das­sel­be, was die Schwe­fel­par­tei seit Jah­ren sagt. Natür­lich ist das eher Sym­bo­lik. Aber es läuft auf eine Ent­wick­lung hin­aus, die ich hier wie­der­holt her­bei­ge­unkt habe: Die Alt­par­tei­en wer­den peu à peu poli­ti­sche For­de­run­gen der AfD über­neh­men und zuwei­len sogar in die Tat umset­zen, doch die Oppo­si­ti­on wei­ter­hin ver­teu­feln und dis­kri­mi­nie­ren wie kei­nen aus­län­di­schen Straf­tä­ter je.

Zitat: „Die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser rela­ti­viert die Bedro­hung durch gewalt­be­rei­te Jugend­li­che mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, indem sie deren ‚Gewalt­er­fah­run­gen durch Ter­ror und Flucht, aber auch Armuts­ri­si­ken’ als Ursa­chen für das Pro­blem identifiziert.”

Die Dame hat einen Amts­eid abge­legt, sich für das Wohl des deut­schen Vol­kes ein­zu­set­zen. Die Recht­fer­ti­gung von Gewalt­ver­bre­chen gegen ihre Schutz­be­foh­le­nen wegen-was-auch-immer ist Amts­eid­bruch. Gewalt­er­fah­run­gen recht­fer­ti­gen kei­ne neu­en Gewalt­a­ten, son­dern Grenz­kon­trol­len, Ein­rei­se­sper­ren und Abschie­bun­gen. Die­ses Land erscheint zwar vie­len als eine Art offe­ne Psych­ia­trie, ist es aber offi­zi­ell (noch) nicht. Wenn ein sieg­haft her­ein­ge­schnei­ter bär­ti­ger Jugend­li­cher einem Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen (m/w/d) von N. Fae­ser ein Mes­ser in den Leib ramm­te, wür­de unse­re Appa­rat­schi­ka dann immer noch des­sen Gewalt­er­fah­run­gen oder Armuts­ri­sko als mil­dern­den Umstand in Vor­schlag bringen?

Isch hab Armuts­ri­si­ko, isch fick disch, du Schlampe!

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Deutsch­land ändert sich, und zwar dras­tisch, und nicht nur eine Bun­des­tags­vi­ze­prä­si­den­tin hat­te sich, wis­sen Sie was, dar­auf gefreut.
Al-Zein gegen Miri, das ist prak­tisch die tren­den­de nie­der­säch­si­sche Ver­si­on von Schal­ke gegen Dortmund.
Ein Bür­ger­meis­ter – eigent­lich Bür­ge­rin­nen- und Bür­ger­meis­te­rin­nen und ‑meis­ter – muss in schwe­ren Zei­ten zuver­sicht­lich sein, das erwar­tet sei­ne Kom­mu­ne von ihm, den­ken Sie an Joa­chim Net­tel­beck im Film „Kol­berg”. Das Stadt­ober­haupt von Sta­de heißt Sön­ke Hart­lef (CDU) und begrün­det sei­ne Zuver­sicht­lich­keit empi­risch; er „wies dar­auf hin, dass sich die Gewalt­ta­ten im Clan-Milieu bis­her nicht gegen Drit­te gerich­tet hätten”.
Höchs­tens mal eine Ver­wechs­lung, ein Quer­schlä­ger, ein Kol­la­te­ral­scha­den, ein Raub, ein Sozi­al­be­trug, eine Erpressung…
Nur die Ver­letz­ten ver­sor­gen und hin­ter­her die Schä­den repa­rie­ren, das müs­sen die Indi­ge­nen schon selbst erle­di­gen. Wer Gäs­te bei sich daheim emp­fängt, räumt ja auch danach sei­ne Woh­nung wie­der auf.
***
(Netz­fund)
***
Wo aber Gefahr ist, wächst das Wider­stän­di­ge auch.
Eins.
(Netz­fund)
Sie suchen sich eth­nisch-kul­tu­rel­le Geg­ner, von denen die gerings­te Gefahr aus­geht: ihresgleichen.
Zwei.
Immer die­ses gefin­kel­te „Wir”. Aber man kann sagen, was man will: Die Begrün­dung stimmt ja.
Drei.

„Im Para­graf 13 wird gere­gelt, wann ein frei­wil­li­ger Feu­er­wehr­mann in den Dienst genom­men wer­den kann”, schreibt die MDR-Redak­teu­rin. „Da geht es um das Min­dest­al­ter und die ärzt­li­chen Attes­te. Neu hin­zu­ge­kom­men ist Absatz 1 und der lau­tet wört­lich: ‚Feu­er­weh­ren sind frei­wil­lig und ehren­amt­lich im Dienst der Gemein­de tätig. Sie müs­sen für die Über­nah­me des Ehren­am­tes per­sön­lich geeig­net sein und für die frei­heit­lich demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung eintreten.’ ”

Ein Stadt­brand­meis­ter wird zitiert mit den Wor­ten: „Wie­so wird so was da rein­ge­schrie­ben? Wir als Feu­er­wehr­leu­te sind poli­tisch und reli­gi­ös neu­tral. Wir hel­fen jedem, egal wel­ches Geschlecht, wel­che Haut­far­be er hat oder wo er her­stammt. Das ist unse­re Grund­ein­stel­lung. Und jetzt wird das angezweifelt.”

Na hören Sie mal! Wenn Ihr Haus brennt, wol­len Sie sich dann von einem Lösch­zug ret­ten las­sen, des­sen Anfüh­rer womög­lich ein geschlos­sen rechts­extre­mes Welt­bild hat? Ein Demo­kra­tie­feind an der Dreh­lei­ter? Ein Nazi an der Spit­ze? Wann anders als in den Flam­men kann ein Mensch wirk­lich Hal­tung und Gesicht gegen Rechts zeigen?
Vier.
Es geht dar­um, dass die Bun­des­re­gie­rung den Namen des Bun­des­in­sti­tuts für Kul­tur und Geschich­te der Deut­schen im öst­li­chen Euro­pa (BKGE) wie mar­kiert gekürzt hat.
Der iden­ti­täts­po­li­ti­sche Schie­nen­wolf ist längst im Ein­satz. Frü­her oder spä­ter wer­den sie die Inschrift auf dem Gie­bel des Bun­des­tags in jene ändern, die Hans Haa­ckes soge­nann­tes Kunst­werk Der Bevölkerung im Innen­hof des Par­la­ments kon­ter­ka­rie­rend vor­weg­nahm – Egon Flaig nennt „Haa­kes Dreck­hau­fen” eine „gelun­ge­ne Alle­go­rie der sich voll­kom­men zer­set­zen­den Demo­kra­tie”. Die „Mann­schaft” und die Bahn sind ja längst nicht mehr deutsch, was Letz­te­re mit den in Pro­gno­sen umge­wan­del­ten Ankunfts­zei­ten der Züge treff­lich zum Aus­druck bringt. Die Bank und die Repu­blik wer­den folgen.
***
Die Poli­zei­mit­tei­lung des Monats ist diese.
Wie­so, bit­te­schön, „Frau”? Wor­an will die Poli­zei fest­ma­chen, ob das Tote weib­lich gele­sen wer­den wollte?
***
Wenn Elon Musk twit­tert, bleibt das bei der Wahr­heits- und Qua­li­täts­pres­se nicht unbemerkt.
Zu dem Rich­ter gleich. Der Tweet ist jener.
Doch bereits als Mar­tin Sell­ner, Allah erfül­le sei­ne Wün­sche im Dies­seits wie im Jen­seits, „am 16. März 2024 mor­gens dann genüss­lich von sei­ner Ver­haf­tung durch die Schwei­zer berich­te­te, sprang ihm nur drei Stun­den spä­ter Elon Musk per­sön­lich bei”, rügt der furcht­lo­se Jour­na­list ohne jeden Bam­mel vor den Schlä­ger­trupps des Mil­li­ar­därs. „Die Schil­de­run­gen von sei­ner Ver­haf­tung kom­men­tier­te Musk mit der ungläu­bi­gen Fra­ge: ‚Ist das legal?’ ”
Na so ein Lump, die­ser Musk! (Wie hieß es einst so treff­lich: Die Sowjet­macht ver­haf­tet kei­ne Unschuldigen!)
In Deutsch­land haben die Behör­den schon regaiert.
Was nun Höcke betrifft, dem man allen­falls ein Aus­rei­se­ver­bot in Aus­sicht stel­len und dann für ungül­tig erklä­ren könn­te, notiert unser anstän­dig geblie­be­ner Medi­en­schaf­fen­der: „Bei Musk schrill­ten die Alarm­glo­cken, und schon war er zur Stel­le. Erst kom­men­tier­te er mit einem ungläu­bi­gen ‚Was haben Sie gesagt?’, dann leg­te er mit der rhe­to­ri­schen Fra­ge nach: ‚War­um ist das ille­gal?’ Man erkennt das­sel­be schein­hei­li­ge Kom­men­tier­mus­ter wie schon bei Sell­ner (‚Ist das legal?’).”
Der Slo­gan, der dem Meis­ter Uri­an aus Thü­rin­gen vor­ge­wor­fen wird, ist jener:
Das Reichs­ban­ner war, by the way (für Mr. Musk), der Bund von SPD, Zen­trum und DDP, gegrün­det  zum Schutz der Wei­ma­rer Repu­blik gegen ihre Fein­de. Es wäre Zeit für eine Neu­grün­dung, fin­den Sie nicht auch? (Huch, die gab es längst, wie mir Leser *** schreibt. „Und wer war bis 2021 der Vor­sit­zen­de? Der her­vor­ra­gend ver­netz­te Johan­nes Kahrs! Er ist übri­gens immer noch Ehrenpräsident.”)
„Wem hilft Musk als nächs­tes?”, fragt sich und gewis­ser­ma­ßen alle Welt der Gevat­ter Maus. „Einem noto­ri­schen Holo­caust-Leug­ner? Einem inhaf­tier­ten Reichs­bür­ger-Ver­schwö­rer? Wie viel Sor­gen müs­sen wir” – immer die­ses gefin­kel­te sozia­lis­ti­sche Wir – „uns” – dito – „machen, wenn ein Mil­li­ar­där, der vier bis sechs Mil­li­ar­den Dol­lar in ein Tes­la-Werk in Bran­den­burg inves­tiert, eine rechts­extre­me poli­ti­sche Agen­da” – die Fra­ge nach der Lega­li­tät von staat­li­chen Maß­nah­men kenn­zeich­net den Rechts­extre­mis­ten wie die Punk­te den Leo­par­den – „ver­folgt? Glaubt Musk viel­leicht, dass ein faschis­ti­sches Deutsch­land ein­fach bes­ser für sei­ne Geschäf­te ist?”

Man sieht, unser Mäu­se­rich ist nicht nur im Kol­lek­tiv­rausch, son­dern außer Rand und Band (ledig­lich Hit­ler­ta­ge­buch­fäl­scher hat er in sei­ner Auf­zäh­lung ver­ges­sen). Aus zwei ungläu­bi­gen Fra­gen eines Man­nes, der in einem Land lebt, wo Free­dom of speech, lei­der, unein­ge­schränkt herrscht (außer an den Uni­ver­si­tä­ten und in fort­schritt­li­chen Unter­neh­men), ob die in Deutsch­land zumin­dest ver­such­ten Zen­sur- und Ein­schüch­te­rungs­maß­nah­men legal sei­en, strickt er sei­ne in Fra­ge­form geklei­de­te Unter­stel­lung, ob der Onkel aus Über­see dem­nächst etwa mus­li­mi­sche Holo­caust­leug­ner unter­stüt­zen will.

Der wirk­li­che Glanz­punkt des Kom­men­ta­tors ist indes der Therapievorschlag:

„Viel­leicht soll­ten wir (!) uns (!) ein Bei­spiel an dem bra­si­lia­ni­schen Rich­ter Alex­and­re de Moraes neh­men. Der ist einer von elf Rich­tern des Obers­ten Gerichts­hofs des Lan­des. Als sol­cher hat de Moraes in den ver­gan­ge­nen Jah­ren den Kampf gegen Des­in­for­ma­ti­on und Pro­pa­gan­da in sozia­len Netz­wer­ken auf­ge­nom­men. Er ord­ne­te die Sper­rung von Kon­ten ein­fluss­rei­cher Anhän­ger des rechts­extre­men Ex-Prä­si­den­ten Jair Bol­so­n­a­ro an. Der war im Juni 2023 für acht Jah­re von allen poli­ti­schen Ämtern aus­ge­schlos­sen wor­den, weil er das bra­si­lia­ni­sche Wahl­sys­tem mit Fake News dis­kre­di­tiert hatte.”

In der eng­li­schen Wiki­pe­dia lesen wir über de Moraes (einen deut­schen Ein­trag hat er nicht): „Meh­re­re Poli­ti­ker (sowohl pro­gres­si­ve als auch kon­ser­va­ti­ve), Pri­vat­wirt­schaft, Mit­glie­der der Zivil­ge­sell­schaft und Medi­en war­fen de Moraes Vet­tern­wirt­schaft, poli­ti­sche Ein­mi­schung, poli­ti­sche Unter­drü­ckung, Macht­miss­brauch und die Ein­füh­rung einer ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Dik­ta­tur vor. Der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list und Anwalt Glenn Green­wald hat meh­re­re Ent­schei­dun­gen von de Moraes kri­ti­siert und ihm Zen­sur und Unter­gra­bung der Mei­nungs­frei­heit vor­ge­wor­fen. Er kri­ti­sier­te die Aus­wei­tung der ihm über­tra­ge­nen Befug­nis­se, mut­maß­li­che Fake News und Angrif­fe auf die Demo­kra­tie ein­sei­tig zu regu­lie­ren, zu unter­su­chen und zu bestra­fen. ‚Gibt es heu­te oder gab es jemals eine moder­ne Demo­kra­tie, in der ein ein­zel­ner Rich­ter die Macht aus­übt, die Alex­and­re de Moraes in Bra­si­li­en aus­übt? Ich kann mir kein Bei­spiel vor­stel­len, das auch nur annä­hernd so groß ist.’ ” 

Wiki­pe­dia zitiert einen im ver­gan­ge­nen Jahr ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel der New York Times mit dem Titel: „Er ist Bra­si­li­ens Ver­tei­di­ger der Demo­kra­tie. Ist er tat­säch­lich gut für die Demo­kra­tie?” In dem Arti­kel wird kri­ti­siert, dass er „Men­schen ohne Gerichts­ver­fah­ren inhaf­tiert”, „Raz­zi­en ange­ord­net” sowie „Dut­zen­de Kon­ten und Tau­sen­de von Bei­trä­gen in den sozia­len Medi­en gesperrt” habe, „prak­tisch ohne Trans­pa­renz oder Berufungsmöglichkeit.”

Kein Wun­der also, dass bei einem Diede­rich-Hess­ling-Klon die Cow­per­schen Drü­sen vor­lust­voll zu näs­sen begin­nen, wenn er den Namen de Moraes hört.

In der aktu­el­len (und wie immer sehr lesens­wer­ten) Aus­ga­be von Cato schil­dert Alex Baur in sei­ner Kolum­ne „Brief aus Lima”, wie de Moraes die Oppo­si­ti­on bekämpft. Er nennt ihn den mäch­tigs­ten Mann Bra­si­li­ens und schreibt: „Straf­ver­fah­ren als Fort­set­zung der Poli­tik mit ande­ren Mit­teln sind eine veri­ta­ble Pla­ge in ganz Latein­ame­ri­ka. (…) Sie sind längst die größ­te Bedro­hung für den Rechts­staat und die Demo­kra­tie, die sie eigent­lich beschüt­zen soll­ten.” De Moraes sei „der Pro­to­typ des ent­hemm­ten Poli­ti­kers. Und weil Bra­si­li­ens höchs­tes Gericht von sei­nen Gesin­nungs­ge­nos­sen domi­niert wird, gibt es nie­man­den, der ihn bremst.”

Die Herr­schaft der „lin­ken Rich­ter­ka­ma­ril­la” habe 2019 mit der „Abso­lu­ti­on des mehr­fach rechts­kräf­tig wegen Kor­rup­ti­on ver­ur­teil­ten Luiz Iná­cio Lula da Sil­va” begon­nen. „Ein Jahr spä­ter ent­mach­te­te das Bun­des­ge­richt den regie­ren­den Jair Bol­so­n­a­ro fak­tisch in der Coro­na­po­li­tik. Wer Ein­spruch erhob, muss­te mit dra­ko­ni­schen Stra­fen wegen ‚Ver­brei­tens von Fake News’ rech­nen. ‚Fake News’ war auch die Wun­der­waf­fe, mit der Alex­and­re de Moraes 2022 die knap­pe Wie­der­wahl von Lula steu­er­te. Im gro­ßen Stil ließ er Wer­be­spots von Bol­so­n­a­ro blo­ckie­ren und des­sen Anhän­ger in den sozia­len Medi­en sper­ren. So war es etwa strengs­tens ver­bo­ten, Lulas Ver­ur­tei­lung zu erwäh­nen oder Bil­der zu ver­wen­den, die den alten Mar­xis­ten in inni­ger Umar­mung mit Tyran­nen wie Madu­ro, Cas­tro oder Gad­da­fi zeigten.”

Wer die Auto­ri­tät des Gerichts auch nur bezweif­le, wer­de mit absurd hohen Geld­bu­ßen in den Ruin getrie­ben. Eine Kla­ge von Bol­so­n­a­ros sozi­al­li­be­ra­ler Par­tei wegen Unre­gel­mä­ßig­kei­ten bei den Wah­len „taxier­te de Moraes als Angriff auf die Demo­kra­tie – und ord­ne­te statt einer Unter­su­chung ein saf­ti­ges Straf­geld an. Nach dem ‚Sturm auf das Regie­rungs­vier­tel’ am 8. Janu­ar 2023 ließ de Moraes fast 2000 Pro­test­ler ver­haf­ten, von denen vie­le nicht ein­mal vor Ort waren. Vor­wurf: Staats­streich. Ein Jahr spä­ter sit­zen immer noch 66 von ihnen im Gefäng­nis, hun­der­te Oppo­si­tio­nel­le tra­gen elek­tro­ni­sche Fußfesseln.”

Alex­and­re de Moraes agie­re als Gesetz­ge­ber, Ermitt­ler, Anklä­ger und Rich­ter in Per­so­nal­uni­on. Eine Beru­fungs­mög­lich­keit gegen sei­ne Ent­schei­dun­gen gebe es nicht. „Peu à peu lässt er nun auch Leu­te aus dem Ver­trau­ens­kreis von Jair Bol­so­n­a­ro ver­haf­ten, den er schon ein­mal mit einer Aus­rei­se­sper­re belegt hat. Zwar gab es in Bra­si­li­en nicht ein­mal den Ver­such eines Staats­streichs, doch laut Kron­zeu­gen, die mit Straf­an­dro­hung weich geklopft wur­den, soll Bol­so­n­a­ro mit die­sem Gedan­ken gespielt haben.” Baur fühlt sich durch den Rich­ter an den Inqui­si­tor Tomás de Tor­que­ma­da erinnert.

Gevat­ter Maus vom Hal­tungs­or­gan stern wür­de sei­ne jour­na­lis­ti­schen Weih­rauch­fäss­chen begeis­tert für einen Staats­ju­ris­ten schwen­ken, der so etwas in Deutsch­land mit der Oppo­si­ti­on ver­an­stal­tet: „Viel­leicht könn­ten sich die deut­schen Gerich­te den Fort­lauf des bra­si­lia­ni­schen Ver­fah­rens ein­mal etwas genau­er anschau­en. Im Fal­le von Mar­tin Sell­ner zum Bei­spiel könn­ten sich even­tu­ell noch inter­es­san­te Mög­lich­kei­ten auf­tun. Denn obwohl Sell­ner in Deutsch­land Ein­rei­se­ver­bot hat, kann er hier­zu­lan­de über X immer noch sei­ne men­schen­ver­ach­ten­de Pro­pa­gan­da ver­brei­ten. Und das nur, weil Elon Musk sein Kon­to nach jah­re­lan­ger Sper­rung im ver­gan­ge­nen März wie­der frei­ge­schal­tet hat­te. Viel­leicht zeigt das bra­si­lia­ni­sche Bei­spiel ja Mög­lich­kei­ten auf, wie man auch rech­tem Gedan­ken­gut ein wirk­sa­mes Ein­rei­se­ver­bot ertei­len kann.

Und viel­leicht kann die Argu­men­ta­ti­on von Rich­ter de Moraes ja auch bei der Beur­tei­lung von Höckes Hil­fe­ruf auf X helfen.”

Die woke Lin­ke hat kei­ne Argu­men­te, son­dern nur noch feuch­te tota­li­tä­re Träume.

Andern­orts sind sie bereits Rea­li­tät. Zwei Län­der, die von „Rechts­po­pu­lis­ten” regiert und des­halb von den woken Öffent­lich­keits­ar­bei­tern in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­läss­lich ange­pran­gert wur­den, erle­ben gera­de den Back­lash der Glo­bal­pro­gres­sis­ten: eben Bra­si­li­en – und Polen (wie in unse­rem öst­li­chen Nach­bar­land ohne jeden Begleit#auf­schrei die Demo­kra­tie geschleift wird, hat David Engels beschrie­ben). Demo­kra­ti­sche Spiel­re­geln, bür­ger­li­che Grund­rech­te und Gewal­ten­tei­lung sind kei­ne Kri­te­ri­en mehr, wenn die woken Wohl­mei­nen­den gan­ze Völ­ker auf den Weg des Heils zurück­füh­ren müssen.

Der Ver­gleich mit der Inqui­si­ti­on ist völ­lig zutref­fend. Mit Teu­fels­bünd­nern dis­ku­tiert man nicht. Schei­ter­hau­fen wären viel­leicht nichts für ein eff­emier­tes Sen­si­bel­chen im stern-Offi­zi­um, womög­lich müss­te es sich dann nicht nur in Wor­ten über­ge­ben. Gegen die Mund­tot­ma­chung und Exis­tenz­ver­nich­tung Anders­mei­nen­der haben die­se hass­erfüll­ten Heils­durch­glüh­ten aber nichts einzuwenden.

PS: Viel­leicht, meint Freund ***, wäre es gar nicht schlecht, wenn in ’schland X, form­er­ly Twit­ter, ver­bo­ten wür­de, und die soge­nann­ten alter­na­ti­ven Medi­en gleich mit. „In der DDR gab es sol­che Ven­ti­le nicht. Und wenn es kei­ne Ven­ti­le gibt, steigt der Druck im Kessel.”

***

„Ihren Aus­füh­run­gen zu Minis­ter (Rich­ter am Obers­ten Gericht) Alex­and­re de Moraes muss ich wider­spre­chen”, schreibt Leser ***. „Die Dar­stel­lung sei­nes Wir­kens ist so gro­tesk ver­zerrt, dass ich mich ein­fach dazu ver­pflich­tet füh­le, Sie dar­auf hin­zu­wei­sen. Die ein­zi­ge Behaup­tung von Alex Baur, der ich zustim­men wür­de, ist dies: ‚Straf­ver­fah­ren als Fort­set­zung der Poli­tik mit ande­ren Mit­teln sind eine veri­ta­ble Pla­ge in ganz Latein­ame­ri­ka.’ Das ist für Bra­si­li­en (über ande­re latein­ame­ri­ka­ni­sche Staa­ten maße ich mir kein Urteil an) zustim­mungs­wür­dig. Aller­dings ist das die logi­sche Fol­ge der ver­brei­te­ten kri­mi­nel­len Machen­schaf­ten der bra­si­lia­ni­schen Regie­rungs­eli­ten (aller Par­tei­en). Die rest­li­chen Aus­füh­run­gen von Baur sind nicht kor­rekt, sie miss­ach­ten völ­lig die tat­säch­li­chen Befug­nis­se des STF.

Schon die Behaup­tung Baurs, es habe kei­nen Putsch­ver­such gege­ben, ist hah­ne­bü­chen. Damit igno­riert er sämt­li­che Ermitt­lungs­er­geb­nis­se und dis­kre­di­tiert Zeu­gen­aus­sa­gen mit der Behaup­tung, man habe sie ‚mit Straf­an­dro­hung weichgeklopft’.

Bol­so­n­a­ros Par­tei als ’sozi­al­li­be­ral’ zu bezeich­nen, ist völ­lig irre­füh­rend. Die Par­tei ist auch nicht in Andeu­tun­gen das, was wir als sozi­al­li­be­ral ver­ste­hen, und er war auch nur von 2018 bis 2019 Mit­glied einer Par­tei die­ses Namens. Dass er ins­ge­samt neun Par­tei­en ange­hör­te, zeigt schon, dass Par­tei­en in Bra­si­li­en eine völ­lig ande­re Rol­le haben als hier­zu­lan­de. Baur ver­kennt völ­lig die Funk­ti­on des Obers­ten Bun­des­ge­richts. Es ist nicht zustän­dig für Ein­zel­per­so­nen, kein Bun­des­rich­ter kann allein eine Urteil fäl­len (es muss vom Gericht bestä­tigt wer­den); der – ich gebe ihm mal den Titel: Gene­ral­staats­an­walt – Pro­cu­ra­dor-Geral da Repú­b­li­ca ist für die meis­ten der von Baur de Moraes zuge­scho­be­nen Taten zustän­dig. Ich lebe seit zwölf Jah­ren in Bra­si­li­en und habe alles ‚life und in Far­be’ mitbekommen.”

Das wür­de, wenn es zutrifft, aber nur einen Teil der Vor­wür­fe gegen de Moraes ent­kräf­ten. Ich kann das nicht beurteilen.

***

Noch zum Vorigen.

Bei Danisch fand ich den Hin­weis auf einen Arti­kel im New Yor­ker „How Chi­ne­se Stu­dents Expe­ri­ence Ame­ri­ca”. Die bemer­kens­wer­tes­te Aus­sa­ge ist jene:

One engi­neer had taken a Pitt psy­cho­lo­gy class that fre­quent­ly touch­ed on race, and he said that it remin­ded him of the poli­ti­cal-indoc­tri­na­ti­on clas­ses at Sichu­an Uni­ver­si­ty. In both situa­tions, he felt that stu­dents weren’t sup­po­sed to ask ques­ti­ons. „They’re just tel­ling you how to play with words,” he said. „Like in Chi­na when they say socia­lism is good. In Ame­ri­ca you will say, ‘Black lives mat­ter.’ They are actual­ly the same thing. When you are say­ing socia­lism is good, you are say­ing that capi­ta­lism is bad. You are hiding some­thing behind your words. When you say, ‘Black lives mat­ter,’ what are you say­ing? You are basi­cal­ly say­ing that Asi­an lives don’t mat­ter, white lives don’t matter.”

Zu deutsch: Ein Inge­nieur hat­te an einem Pitt-Psy­cho­lo­gie­kurs teil­ge­nom­men, in dem es häu­fig um Ras­se ging, und er sag­te, dass die­ser Kurs ihn an die poli­ti­schen Indok­tri­na­ti­ons­kur­se an der Sichu­an-Uni­ver­si­tät erin­ner­te. In bei­den Situa­tio­nen hat­te er das Gefühl, dass die Schü­ler bes­ser kei­ne Fra­gen stel­len soll­ten. „Sie zei­gen einem nur, wie man mit Wor­ten spielt“, sag­te er. „Wie in Chi­na, wo man sagt, der Sozia­lis­mus sei gut. In Ame­ri­ka wer­den Sie sagen: „Schwar­ze Leben sind wich­tig.“ Es ist eigent­lich das­sel­be. Wenn Sie sagen, dass der Sozia­lis­mus gut ist, sagen Sie zugleich, dass der Kapi­ta­lis­mus schlecht ist. Du ver­steckst etwas hin­ter dei­nen Wor­ten. Was mei­nen Sie, wenn Sie sagen: „Schwar­ze Leben sind wich­tig“? Sie sagen im Grun­de, dass das Leben von Asia­ten kei­ne Rol­le spielt, das Leben von Wei­ßen spielt kei­ne Rolle.“

„Die USA sind längst so sozia­lis­tisch gewor­den, dass selbst Chi­ne­sen dar­in Chi­na wie­der­erken­nen”, fol­gert Danisch. „Was dann auch recht deut­lich erklärt, woher der gan­ze woke Mist eigent­lich kommt: aus den Tie­fen der kom­mu­nis­ti­schen Ideologie.”

So sieht es aus.

 

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„Nach mei­ner Mei­nung ver­dankt Euro­pa sei­ne so viel­fäl­ti­ge Ent­wick­lung eben die­sem Reich­tum der Wege. Aber schon beginnt es,…

26. August 2024

„Erst wenn die letz­te Indus­trie ver­la­gert, der letz­te Betrieb geschlos­sen ist und der letz­te Natur­wis­sen­schaft­ler das Land ver­las­sen…

R. I. P.

Anläss­lich des Todes von Bene­dikt XVI. und ange­sichts des den meis­ten Nach­ru­fen bei­gemisch­ten Gif­tes gestat­te ich mir, hier…

13. Juli 2024

Als ich ges­tern Abend in Markt­ober­dorf (All­gäu) ankam, wo ich auf Vor­la­dung der Schwe­fel­par­tei aus mei­nem gesam­mel­ten Geschreibs…