Vorschlag zur Gestaltung der Jahresabschlussfeierlichkeiten.
Ich habe keine Ahnung, ob dergleichen jemals irgendwo Brauch war, noch ob es überhaupt praktikabel ist; man überlege nur, wie lange manche Maid in dieser Stellung ausharren müsste, bis sie endlich zum Schluss gekommen ist. Aber sympathisch ist die Idee schon.
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Nachdem das beste Deutschland, das es je gab, dazu übergegangen ist, das Weihnachtsfest aus Gründen der Kultursensibilität in „Lichterfest” umzubenennen – Umbenennungen sind überhaupt die heimliche oder unheimliche Leidenschaft Bestdeutschlands –, sollte auch Silvester einen neuen Namen erhalten: „Willkommensfest” zum Beispiel böte sich an. Seit der spontanen Unterwäscheparty am Jahreswechsel 2015/16 zu Köln ist dieses Datum schließlich von den Willkommenen besetzt bzw., wie ausländerfeindliche rechtsextreme Nazipopulisten und verschwörungsnarrativanfällige Klimaleugner sagen, gekapert worden. Zuletzt stieg die große Jahresendsause vor allem in Berlin, aber auch in Essen und Hannover feierte die Party- und Eventszene in unbeschwerter Ausgelassenheit.
Was und warum diese Racker genau feiern, darüber ist sich die deutsche Öffentlichkeit uneins. Wähend die einen meinen, sie verliehen ihrer Freude über pünktlich erstattete Sozialhilfe Ausdruck, bringen andere die Allüren kleiner Paschas oder kriegerische jungmännliche Initiationsrituale ins Spiel, die irgendwo ausagiert werden müssten; wieder andere sagen, mit dergleichen Saturnalien kompensierten „Gruppen” eine tiefe Frustration wegen ihrer täglichen Diskriminierung, auch das Schicksal sogenannter Brüder in Gaza soll neuerdings ein Thema sein; wenn die IDF in allzu großer Ferne operieren, müssten die Buben sich halt eine Rettungssanitäterin oder einen Feuerwehrknilch als Adressaten ihrer Gaudi suchen.
Die Zeitgeistschrottsammelstelle erweiterte das Motivangebot noch um einen überraschenden Aspekt. „Die Auseinandersetzungen”, heißt es dort über die letztjährige Kirmes, „stehen im zeitlichen und politischen Zusammenhang zum am 2. Januar eröffneten Wahlkampf zur Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.” Womöglich auch mit der angekündigten Schließung der Galerie Lafayette? Wozu eine Koinzidenz akzeptieren, wenn eine behauptete eine unerwünschte Kausalität verdrängen kann? Immerhin: „Jenseits der Ausschreitungen entstanden in Berlin keine größeren Sachschäden” (nochmals die online-„Enzyklopädie”). Jenseits des Erdbebengebietes blieben alle Häuser stehen. Schau an.
Was eine Kausalität im Unterschied zu einer Koinzidenz ist, erklären recht erschöpfend diese beiden Fotos.
(„Das erste Ereignis fand nicht 2015 statt, sondern 2016”, korrigiert Leserin ***.)
Doch überlassen wir die Motive sowie gewisse Herkunftskalamitäten den Leitartiklern, sozialwissenschaftlichen Kaffeesatzlesern und taz-Redakteusen, wenden wir uns den Mitteln zu, den Tatwerkzeugen der Jahresend-Tumultanten sozusagen, den Raketen und Böllern. Einige Medien scheinen sich entschlossen – verschworen? – zu haben, diese Silvesterfreudenspender aus dem deutschen Brauchtumsschatz zu entfernen.
Was den Lausern in Berlin-Neukölln der in die Frontscheibe des Krankenwagens geflankte Feuerlöscher ist, bedeutet dem Haltungsjournalisten ein Kommentar unter dem Motto „Wir brauchen”: Es ist eine Kombination aus Initiationsritual und Mutbeweis. Dass Gevatter Kattwinkel mit keiner Silbe andeutet, welche Klientel da Menschen verletzt (und Tiere verschreckt), gehört ebenso zur Mutkostprobe wie sein Hinweis darauf, dass Kriegsflüchtlinge, nein, es ist ja ein Haltungsjournalist, er schreibt „Kriegsgeflüchtete” aus der Ukraine oder Syrien „durch lautes Knallen retraumatisiert werden können”. Sofern sie zu denjenigen gehören, bei denen es tatsächlich zuvor jemals geknallt hat. Recht hat der Brave; schließlich ist es in den fortschrittlichen Teilen der Welt üblich, dass Länder, die Kriegsgeflüchtete aufnehmen, ihre Feiergepflogenheiten ändern, damit niemand retraumatisiert wird und dann womöglich ausrastet. (Es gibt sogar ein apokryphes Märchen der Geschwister Grimm darüber: „Der Geflüchtete auf der Erbse”.) Die böllersüchtigen Asiaten brauchen wahrscheinlich mal wieder einen ernsthaften Krieg, damit auch dort Vernunft und Silvesterruhe einkehren.
Die Welt sekundiert den Hamburger Kolleginnen jederlei Geschlechts (außer einem).
Hätte man rechtzeitig alle Lastkraftwagen ab, sagen wir: zehn Tonnen verboten, wären einige unerfreuliche Lkw-Zwischenfälle, etwa in Berlin oder Nizza, nicht passiert. Doch warum nur ein Böllerverbot? Wie wäre es mit einem Ausgeh- oder überhaupt Silvesterverbot? Einem „Gute-Alman-daheim-Gesetz”, wie jemand twitterte? Fällt dem Deutschmichel vielleicht noch etwas ein, das verboten werden müsste, damit zu Silvester weniger Randale stattfindet?
Wenn der Martin und der Peter erfahren, dass sie die Bullen bzw. Sanitäter gar nicht mit Raketen beschießen und mit Böllern bewerfen dürfen, da die jetzt verboten sind, werden sie seufzend Flaschen und Steine nehmen, und allen ist gedient, speziell den Traumatisierten (und den Tieren).
Ja, Hochwasser kann man die Sache metaphorisch auch nennen. Für Berlin klang ja bereits die Version „wegen Wahlwiederholung” an. Alternativ böte sich an: „wegen Plusgraden”, „wegen U‑Bahn-Sanierung”,„wegen Höcke”, „wegen Stichwaffen” oder „wegen Orangenernte auf Sizilien”.
Ausgerechnet in der kanzleramtsnahen Hauptslumpresse schimmert die Ursache sogar durch die Schlagzeilen.
Die Berliner Polizei, die im November 2020 vor dem Brandenburger Tor friedliche Demonstranten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen, darunter Frauen, Kinder, Alte, mit Wasserwerfern bestrich, darf sich aber lediglich eines maßvollen Mitgefühls erfreuen.
Ich erlebe – also wirklich bewusst – ungefähr meinen 55. Jahreswechsel. Jedes Mal wurde „geböllert”, und die Menschen – so nennt man sie doch? – begrüßten das neue Jahr mit Raketen und Feuerwerk. Nie fiel mir Ignoranten auf, dass die Böller ein Problem darstellten. Erst im besten Deutschland, das es je gab, wurde mir bewusst, wie sehr sie den sozialen Frieden und das kultursensible Miteinander gefährden.
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Apropos Böllerverbot.
Es gibt weit Gefährlicheres als das bisschen Feuerwerk.
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Im Gespräch äußerte ich den Gedanken, dass wir 2024 ins mutmaßliche Talsohlenjahr eintreten könnten. „Sie Optimist”, schalt mich daraufhin ein Bekannter. Woran ich das festmachen wolle? Nun, an den folgenden möglichen vier Ereignissen.
Erstens: Die Wiederwahl Donald Trumps wird verhindert, indem man ihn von den Wahlen auszuschließen sucht, obwohl gegen ihn in irgendeinem strafrechtlichen Sinne nichts Belastbares vorliegt.
Einstweilen wird das Oberste Gericht diese durch nichts legitimierten Verbote kassieren, aber man muss darüber hinaus mit Wahlmanipulationen im großen Stil rechnen, denn die Guten und Wohlmeinenden sind ja der Ansicht, dass sie diesmal, während sie dem smarten woken Regime zuarbeiten, eine rechtspopulistische Diktatur verhindern.
Zweitens: Es gibt keine Friedensverhandlungen für die Ukraine, stattdessen wird der Krieg fortgesetzt, mit immer mehr Toten auf beiden Seiten und noch stärker auf die ukrainischen Städte übergreifend. Deutschland ist mit zweistelligen Milliardensummen involviert. Einen Einsatz von NATO-Truppen malen wir uns besser nicht aus.
Drittens: Die einzige Oppositionspartei in Deutschland wird nach ihren deutlichen Wahlsiegen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg verboten.
Und zwar nicht, weil sie das Grundgesetz angreift.
Sondern weil sie es mitsamt dessen Souverän wieder in seine Rechte einsetzen will.
Viertens: Die EU-Kommission verbietet X, formerly Twitter, in den Ländern der EU – beziehungsweise verpflichtet das Portal zu rigiden Zensur- und Löschmaßnahmen.
Parallel dazu läuft der migrations- und energiepolitische Amoklauf der Grünroten weiter, deutsches Geld wird munter in alle Welt verteilt, die nächste Großstadt von Sozialfällen wandert ein, die nächste Großstadt von Gebildeten wandert aus.
Wenn das alles zusammenträfe, wäre es wohl die Talsohle. Wenn nichts davon geschieht, könnte es sein, dass sie hinter uns liegt.
Die Hoffnungen der freien Völker Mittelerdes ruhen auf der Wiederwahl Donald Trumps.
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Leser *** sandte mir diese Montage zum neuen Jahr, und ich versprach ihm, sie heute online zu stellen.
Ich wünsche allen Besuchern des Kleinen Eckladens ein frohes, jedenfalls erträgliches neues Jahr und möchte die Gelegenheit nutzen, mich herzhaft für die zahlreichen, nicht selten großzügigen Vergnügungszollentrichtungen zu bedanken. Vergelt’s Gott!
Und jetzt gehe ich in die „Fledermaus”.
Prosit Neujahr!