Überall erscheinen große Artikel zum heutigen 100. Geburtstag von Maria Callas, so auch in der Jungen Freiheit. Ich finde es wenig anstößig, dass man die in ihrer Ausdrucksgewalt sicherlich unübertroffene Sopranistin dort zur „größten Sängerin des 20. Jahrhunderts” ausruft – dergleichen steht nahezu überall, doch für meinen Geschmack ist ihre Stimme zu unsinnlich, unweiblich, unsexy, milchgläsern –, aber was mich an dem Text stört, ist die Tatsache, dass die Diva oder meinethalben Divina dort immer nur bei ihrem Nachnamen genannt wird: „Callas singt”, „Callas hat”, „Callas erfüllt jedes Klischee der Primadonna”. Das ist unmanierlich. Es heißt die Callas. Basta!
PS: „Asche auf Ihr Haupt für diesen Satz” ruft Leser ***. „‚Die’ Callas bzw. ihre Stimme war und ist schlichtweg elementar und umfasste und umfasst selbst in knisternden Alt-Aufnahmen in geradezu transzendenter Weise die von Ihnen profan heruntergebrochenen Attribute.”
So rette ich mich denn ins Selbstzitat
und reit’ mich noch tiefer in den Salat:
Aus „Der Schmerz der Schönheit. Über Giacomo Puccini”, Berlin 2008, S. 278 f.
(Meine Alternativempfehlung als Tosca war Leontyne Price.)
„Viele Bewunderer der Callas sind schwul – warum?, frug ich mich heute mittag hirnunterbeschäftigt auf dem Spinning-Rad, und da kam mir die Antwort: Weil sie den fehlenden erotischen Beiklang resp. Unterton einer Frauenstimme entweder überhaupt nicht wahrnehmen oder sie so etwas naheliegenderweise gar nicht erst interessiert.”
Acta diurna vom 15. März 2013
Ich muss dazu anmerken, dass ich den Expressionismus für eine Sünde wider den Geist der Kunst halte. (Der beginnt übrigens bei den Deutschen schon im Spätmittelalter und hat dieses ästhetisch unbegnadete, statt nach Schönheit nach Ethik, nach Ausdruck, nach Botschaft verlangende Volk nie verlassen.) Ich finde die Stimme der Callas nicht schön. Doch offensichtlich gibt es sehr viele Menschen, denen sie etwas spendet, das sich mir nicht erschließt, weshalb ich hinzufügen möchte, dass meine Aussage ausschließlich eine über mich ist und keineswegs über den Gesang der Assoluta.
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Wir wissen nicht, wie das Geburtstagskind zum Duce stand, sie lebte während der schlimmen Jahre in Athen und nahm die italienische Staatsbürgerschaft erst 1949 an. Ganz anders ein Kapellmeister, unter dessen kundiger Stabführung sie oft gesungen hat, der indes im Kernland des Bösen zu den Mitläufern gehörte. Was jahrzehntelang systematisch vertuscht und nun zu Aachen endlich entdeckt worden ist.
Nichts erregt die Opportunisten der Gegenwart mehr als die Opportunisten der Vergangenheit.
„Eine (!) mögliche Verbindung zur Wehrmacht”! In einem Land, in dem jeder Einwohner irgendeine meist familiäre Verbindung zur Armee unterhielt; die Truppe zählte mehr aktive Mitglieder, als die DDR später Insassen hatte, über 17 Millionen.
Welche „Tätigkeit” der Dirigent für Heydrichs oder Kaltenbrunners SD verübt haben soll, weiß ich nicht; Heydrich, Sohn eines Sängers, spielte ja sehr passabel Violine, vielleicht hat ihm der Maestro ein Privatissimum gegeben? Dass Karajan NSDAP-Mitglied war, kann nicht der Grund sein, auf den die Herostraten sich berufen, zumindest wäre es kein plausibler; hier ist etwa eine Liste sämtlicher ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach 1945 in der BRD politische Verantwortung trugen (und auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs sah es genauso aus).
Doch wie auch immer, nun isse halt weg, die Büste.
Meldungen dieser Art, es sind ihrer viel zu wenige, erfüllen mich immer mit großem Stolz, einer Generation (mehr oder weniger) anzugehören, welche schockweise Mutmenschen hervorbringt, die rigoros jede Diktatur bekämpft haben würden, wenn sie dankenswerterweise in ihr gelebt hätten.
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Wenn wir gerade an der Hamburger Relotiusspitze Halt machen.
„Immer wieder”, schreibt der Spiegel, „verbreitet der Kreml die Propaganda, Deutschland erhalte angeblich Anweisungen aus den USA. Eine Grundlage gibt es für diese Behauptung nicht.”
Anweisungen sind gar nicht nötig. Der deutsche Transatlantiker ist fügsam, willig, treu und pariert auf Wink oder Pfiff.
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Zitat des Tages:
„Ich halte diese Lehrstühle/Fakultäten für Politologie deutlich überwiegend für Geldwaschanlagen, in denen die Parteien ihren Marxistennachwuchs mit öffentlichen Geldern versorgen. Und dazu würde da schon passen, dass man denen den Geldhahn abdreht, die nicht spuren. Damit man dann hinterher sagen kann, es gebe einen ‚wissenschaftlichen Konsens’. Weil jeder aufs Maul bekommt, der nicht mitmacht. Follow the science.”
(Hadmut Danisch)
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Aus aktuellem Anlass: Eines der großen Eselsworte, selbsternannt, im Falle Napoleons träfe es abwechslungshalber einmal zu, der Korse hat sich tatsächlich selbst zum Kaiser ernannt.
Dass der Napoleon-Film von Ridley Scott aus historischer Sicht ein Schmarrn werden würde, musste jedem klar sein, der den grotesken „Gladiator” und den Islam-Kitsch „Königreich der Himmel” gesehen hatte (gute Moslems, böse Kreuzritter).
Fantasie ist die Zukunft der Vergangenheit. Das ist ein wirkliches Problem, da sich das Geschichtsbild derjenigen, die jetzt heranwachsen, aus den linkswoken Vorurteilen der meisten ihrer Lehrer bzw. ihrer sogenannten Schulbildung sowie eben jenen Historienfilmen zusammenstoppeln wird.
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Der Spruch „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff” gilt nur eingeschränkt; manche trollen sich auch von einem soeben flottgemachten.
Nichts kränkt den Linken mehr als die Meinungsfreiheit.
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Ein Tweet…
… und ein Denunziant. Natürlich anonym. Zwar links, aber knalldeutsch.
Ich habe mich bei dieser Gelegenheit einer Twitter- bzw. X‑Funktion entsonnen und den Typen geblockt, mit ihm ein paar andere Lemuren dieses Schlages, Leute mit Verbotsphantasien, Nazi-Tourette, Fascholalie oder dem pathologischen Bedürfnis, fäkalische Emojis zu posten; warum soll sich ein kultivierter Mensch das antun? (Möge Allah sich ihrer nicht allzusehr erbarmen.)
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Früher hieß es Wetter, heute ist es Religion. München gestern am Abend.
Und heute morgen.
Die Stadt ist zugeschneit, nichts fährt hier mehr außer der U‑Bahn, Flüge und die Fußball-Bundesliga sind gecancelt, aber ich weiß mit allen Rechtgeleiteten, dass es sich nur um Wetter handelt, weil ausschließlich jene Wetterlagen, die uns als Extremwetterphänomene angedient werden, da sie die Erderhitzung bezeugen, Klima sind.
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Man will uns bekanntlich, um vom tatsächlichen Thema Nummer eins abzulenken, einreden, der Klimawandel sei es. Gleichwohl ordnet sich auch bzw. sogar das Klima brav dem Schicksalsthema dieses Landes und auch Kontinents unter, das auf den Namen Völkerwanderung oder „Umvolkung” hören würde, wenn es denn Völker wirklich gäbe; so heißt es einfach illegale Massenmigration bzw. Personalwechsel mit eingeschränktem Serviceangebot sowie allerlei Kollateralzwischenfällen.
„Wer das Gerichtsurteil im Hamburger Gruppenvergewaltigungsprozess mitbekommen hat”, schreibt Oliver Gurus („Der Sandwirt”), „kann eigentlich nur noch den Kopf schütteln – in Unverständnis, in Bedauern, in Sorge, in Wut und in Ohnmacht. Natürlich ist das Urteil rein juristisch völlig im Rahmen des Jugendstrafrechts, die Richterin hat formal nichts falsch gemacht. Aber wer sich über den Tathergang kundig gemacht hat, kann nur zu dem Schluss kommen, dass sich die Akteure des Staats in Legislative, Judikative und Exekutive von der Realität der Bürger so weit abgekoppelt haben, dass sie die innere Sicherheit der Gesellschaft nicht mehr schützen, sondern ihr schaden.
Eine Gruppe von vier Männern trifft auf der Straße auf ein angetrunkenes 15jähriges Mädchen. Sie zerren es in ein Gebüsch und vergewaltigen es reihum, stehlen ihr Handy, damit sie nicht um Hilfe rufen kann. Die Männer erzählen anderen, dass das hilflos im Park umhertaumelnde Mädchen Freiwild sei, weitere Männer nutzen das aus und vergewaltigen es ebenfalls.
96 Zeugen und mehrere Sachverständige rekonstruierten in 68 Verhandlungstagen, was dem bis heute traumatisierten Opfer widerfahren ist. Alle Vergewaltiger sind junge Männer, keine Jugendlichen. Dennoch wurde Jugendstrafrecht angewendet, wie das in Deutschland eben heute so ist. Die Verteidiger forderten für alle Angeklagten Freispruch. Reue über die Tat zeigte keiner. Aus dem Gerichtssaal spazierten nun acht der zehn Angeklagten mit Bewährungsauflagen, einer wurde freigesprochen, einer erhielt zwei Jahre und neun Monate ohne Bewährung. Fünf der zehn haben keine deutsche Staatsbürgerschaft.
Gesetze, die es ermöglichen, solche Urteile zu sprechen, die die Täter mit derart milden Urteilen in ihrer Tat bestätigen und die Opfer verhöhnen, sind ein erhebliches Sicherheitsrisiko: Sie sind eine sich um die ganze Welt herumsprechende Einladung an Einwanderer, Mädchen in Deutschland straflos zu vergewaltigen sowie eine Aufforderung an die deutschen Bürger zur Selbstjustiz. Solche Gerichtsurteile erzeugen durch ihre offensichtliche Ungerechtigkeit und ihr Verstoßen gegen jedes gesunde Rechtsempfinden großflächig Hass und Gewalt. Sie zerstören das Land.
Meine Tochter ist 15. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, welche Gedanken mir durch den Kopf schießen. Und ich weiß ganz sicher: Würde ich die Ehre und die körperliche Unversehrtheit meiner Familie im Falle eines Angriffs durch solche Typen selbst verteidigen müssen, weil sich die Akteure des Staats in ihrem Elfenbeinturm mehr um die Täter sorgen als um die Opfer, wäre am Ende ich derjenige, der ins Gefängnis müsste. Mein Vertrauen in den Staat, im Ernstfall für Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen, ist bei null. Und das liegt nicht an mir. – Es geht so nicht weiter.”
Die kultursensible Richterin können Sie hier oder hier betrachten. Sie erinnert mich an die freundlich-kalte, klirrend sadistische Oberschwester Ratched in „Einer flog über das Kuckucksnest”, gespielt von Louise Fletcher, die für die Rolle einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin erhielt; die Vorsitzende Richterin der Jugendkammer des Hamburger Landgerichts, Anne Meier-Göring – ein Name, den man sich merken sollte; sie hat sich bereits Meriten im Zusammenhang mit der Kölner Silvesterkirmes 2016 erworben –, spielt nur eine Nebenrolle, wird aber einstweilen noch mit kollegial-medialen Lobpreisungen und staatlichen Prämien rechnen dürfen. (Die Jugendkammer verhandelt solche Fälle wegen der traumabedingten Adoleszenzverzögerung bei vielen der bei uns Schutz und körperliche Nähe suchenden bärtigen Racker.)
Die üblichen Verdächtigen haben bereits reagiert; nicht die Tatsache, dass sich die Gruppenvergewaltiger einer Minderjährigen, die in ihren Herkunftsländern nicht mehr gesund wären, auf freiem Fuß befinden, während das Mädel ein seelisch gebrochenes Wrack sein wird, ist der Skandal, sondern die Kritik am, pardon, die Hetze gegen das Urteil.
Und für fortgesetzten Personalwechsel wird munter gesorgt.
Nämlich aus Syrien. Ergab eine Anfrage der Schwefelpartei an die Bundesregierung. Sollte sich, rein zufällig nur, ein Sexualstraftäter in statu nascendi darunter befinden, lebt er hier immerhin sicherer als daheim.
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Noch dazu.
Ein nicht unerheblicher Teil kostet keineswegs nur, sondern verachtet die Kultur der Geber.
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Zum selben Thema.
„Streifen Sie mit uns durch die toten Winkel der dressierten Wahrnehmung”, schreibt Frank Böckelmann und sendet mir die aktuelle Tumult-Ausgabe, worin sich ein Text von Frank Lisson namens „Über das Degenerative der Zivilisation” befindet, aus welchem ich mir einen Passus zu zitieren erlaube:
„Die erste Aufgabe eines jeden Rechtsstaates besteht darin, seine Grenzen und seine Bürger zu schützen! Schließlich heißt es in der Eidesformel für Regierungsmitglieder: ‚Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden’ werde. – Wie also soll man sich einem Staat gegenüber verhalten, dessen Vertreter täglich ihren Amtseid brechen, indem sie in ein dichtbesiedeltes, ohnehin überbevölkertes Land Millionen Armutsmigranten, oft der Bodensatz der Weltbevölkerung, denen man auch noch die euphemistisch-irreführende Bezeichnung ‚Flüchtlinge’ verleiht, herbeilocken, um sie auf Staatskosten rundum versorgen und in jeden Winkel des Landes verteilen zu können, damit kein Dorf mehr ohne Zuwanderung bleibt. Überall lungern diese Leute herum, besetzen Wohnraum, verursachen immense Kosten, gefährden den sozialen Frieden. Warum mutet eine Regierung ihren Bürgern das zu? Während die Vertreter der politischen Klasse nicht selber unter ihren Beschlüssen leiden müssen, da sie abgeschirmt wohnen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, ihre Kinder nicht auf öffentliche Schulen schicken, zeigen sie nicht das geringste Verständnis für die Betroffenen. Und sollten sie doch einmal zaghaft reagieren, dann nur deshalb, weil sie Angst um ihre Posten haben.
Solche evidenten Fälle des Machtmissbrauchs, der Ignoranz und des unrechtmäßigen Handelns waren immer wieder der Grund dafür, dass der ‚Volkszorn’ erwachte (1525, 1789, 1830, 1848, 1917) und es den Herrschern an den Kragen ging. – Heute, im Zustand der Zivilisation, ist diese Gefahr jedoch ungleich geringer, da die vom Volk losgelöst handelnden Regierungen inzwischen über ganz andere Mittel zur Machterhaltung verfügen: mediale Dauerpropaganda und materielle Sättigung der Manipulierten. Wer gut gefüttert wird und an die Seriosität der Staatsmedien glaubt, rebelliert nicht. Ausschlaggebend aber scheint ein anderes, etwas abstrakteres und sozusagen nur von außerhalb zu bemerkendes Faktum zu sein: in der gesamten sogenannten freien Welt hat seit den 1970er Jahren der natürliche Staatsverfassungsverfall in Gestalt einer gewissermaßen ‚demokratischen Negativauslese’ stattgefunden. Dadurch ist ein Feudalismus der Ochlokraten entstanden, der sich besonders an der Entwicklung bundesdeutscher Politprominenz, aber auch an der Qualitätsrangfolge der US-amerikanischen Präsidenten ablesen lässt. Diese Ochlokraten sind mit der Mehrheit des Volkes typologisch zu sehr verwandt, als dass eine konkret-revolutionäre Stimmung jemals aufkommen könnte. Wer sollte die Herrschenden ablösen, wenn, da es quasi keine Klassen- und damit auch so gut wie keine Qualitätsunterschiede mehr gibt, von den Ablösenden kaum grundsätzliche Veränderungen zu erwarten sind? Eine tatsächlich vernünftige Politik weiser Herrscher wäre unter den Umständen der durch Konsumgewohnheiten und allgemeine Entsittlichung weitgehend demoralisierten Wählerschichten niemals mehrheitsfähig.”
(Das ist Kulturpessimismus, und der ist politisch gefährlich, denn wir wissen ja, wohin das geführt hat und bla bla bla…)
Dasselbe meinte Rolf Peter Sieferle, er ruhe in Frieden, als er notierte (in „Finis Germania”): „Der ‚Mensch’ im alten Sinn ist bereits verschwunden, und er hat die Räume mitgenommen, in denen er gelebt hatte und die auf seine individuell-familiären Dimensionen zugeschnitten waren. Die Leidenschaften etwa, die ihn einst bewegt hatten, sind in irrelevante Zonen der Privatheit oder der öffentlichen Unterhaltung abgesunken – in Teilsegmente der Wirklichkeit also, die fern von den Achsen des Geschehens liegen. War es etwa einmal möglich und sogar üblich, politische Vorgänge auch aus persönlichen Eigenschaften, aus Merkmalen, Vorlieben und Versäumnissen großer Individuen abzuleiten, so ist dies heute schlicht unplausibel geworden. Der letzte Heros dieser Art war der unzeitgemäße Bösewicht Adolf Hitler. Heute beißt niemand mehr in den Teppich. Die Politiker bilden nur noch den Scheitelkamm großer Wanderdünen, die von Elementarkräften bewegt werden.”
Die – je nach Geschmack gute oder schlechte – Nachricht bzw. Folgerung daraus lautet, dass politische Attentate völlig sinnlos geworden sind, weil identische Nachrücker sonder Zahl bereitstünden. Nein: bereitstehen.
PS: „‚1525, 1789, 1830, 1848, 1917’: Ist er ein Liberaler, oder warum beleidigt er alle fast anständigen Monarchen der europäischen Geschichte?“
(Freund ***)
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Was gibt’s Erfreuliches?
Ich wusste gar nicht, dass die Neue Zürcher ein „Lifestyle-Portal” betreibt.
Als ein Mensch, der viele Jahre lang praktisch Tür an Tür mit (meistens) Frauen gesessen hat – von den in dieser Branche nahezu obligaten schwulen Grafikern abgesehen, arbeiteten dort nur Mädels –, die in sogenannten Lifestyle-Magazinen dem Herrn den Tag stahlen, weiß ich um die dekorativen Vorzüge und kommunikativen Nachteile einer solchen Konstellation. Es gab nämlich zu meiner Zeit, und wahrscheinlich verhält es sich heute noch so, bei allen diesen Blättern in zahlenmäßig ungefähr ausgewogenem Verhältnis zwei Typen von Mitarbeiterinnen: zum einen die in die Jahre gekommene, sogenannte gestandene Redakteurin, zum anderen das Nachwuchs-Beauty. Beide bildeten jeweils Fraktionen, und die Angehörigen der einen hassten jene der anderen noch ein bisschen mehr, als sie sich untereinander ohnehin schon nicht ausstehen konnten, obschon beide vereinte, dass es sich zumeist um veritable Dummchen handelte. Die älteren Redakteurinnen, die in ihrer Mehrheit früher einmal zum Typ Beauty gezählt hatten, mochten die Jüngeren genau deshalb nicht und schikanierten sie auf mehr oder weniger subtile Weise, denn sie waren ja länger im Geschäft und besetzten die besseren Positionen. Im Gegenzug machten sich die Jüngeren, um den Neid ihrer Kolleginnen zu erregen (natürlich auch der gleichaltrigen), jeden Morgen so zurecht und trugen so aufreizende Sachen, wie sie es abends für ihre Kerle vermutlich nur in Ausnahmefällen taten. Und davon profitierten wiederum die Kerle in den anderen Redaktionen, manche als Abräumer der Schönen, die anderen zumindest im dekorativen Sinne.
Ende des Einschubs.
In besagtem Lifestyle-Portal der NZZ – und das hat mit dem Vorigen pauschal nichts zu tun – lese ich nun Folgendes:
Lassen wir den Amazon-Gründer und Princess Kate beiseite, schauen wir nur auf Kronprinzessin Leonor, die am spanischen Nationalfeiertag am 12. Oktober dieses Bild abgab.
Ich wüsste nichts auch nur annähernd Vergleichbares derzeit zwischen Maas und Memel. Sie?
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Im Umkleideraum des Fitnessstudios steht ein Mann ungefähr meines Alters neben mir vor dem Spiegel, den Oberkörper wie von einem Bildhauer geschaffen, jeder Muskel ist definiert, der gesamte Leib enthaart, gebräunt und zeitgeistgemäß tätowiert, sein – sehr spätes – Verfallsdatum steht gleichwohl im präwelken Zustand der Epidermis eingeschrieben, und ich dachte mir, während er sich und ich ihn betrachtete: Im Grunde, Gevatter, tun wir beide dasselbe, so wie du an deinem Körper meißelst und metzt, meißle und metze ich an meinen Texten, so wie du dir wegen deiner Muskulatur wunders wie bedeutend vorkommst, komme ich mir wegen meiner Formulierungskünste wunders wie bedeutend vor, so wie du dich vor dem Spiegel drehst und mit Wohlgefallen betrachtest, drehe ich mich vor dem Spiegel meiner Texte und lese sie mit Wohlgefallen, und so wie du darunter leidest, dass du deinen Körper nie vollkommen finden wirst, leide ich darunter, dass mein Geschreibs niemals die Perfektion erreichen wird.
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Zu meinen Expektorationen über J. R. R. Tolkien (Acta vom 28. November) schreibt Leser ***:
„Fantasy kombiniert ausnahmslos die ‚Überwindung des Monsters’ mit demThema ‚Reise und Rückkehr’ (Heldenreise; vgl. The Seven Basic Plots). Das Monster ist immer ein einzelnes Wesen (Ersatz-Hitler), das bisweilen an der Spitze einer Hierarchie steht. Er/sie/es ist böse und hat nur ein Ziel: Genozid. Der Held ist ausnahmslos gut, aber immer machtlos und regelmäßig schwach. Seine Schwäche wird jedoch oftmals durch eine Superfähigkeit überkompensiert. Er schließt sich zumeist mit anderen Machtlosen zusammen, und gemeinsam retten diese ‚Alliierten’ am Ende die Menschheit. Dafür bringen sie auch Opfer. Das klassische Stilmittel der Fantasy, insbesondere bei Tolkien, ist der Deus ex Machina: Die Gruppe wird immer von dem Helden gerettet, der gerade zufällig fehlt. Fehlt keiner, dann sind es Adler oder sonstige Lösungen aus dem Nirgendwo. In ‚Game of Thrones’ war es Benjen, der in Folge 1 in der Wildnis geparkt worden war.
Das Gegenstück zum Geschichtsmärchen ist das Zukunftsmärchen. Auch Science Fiction ist ausnahmslos Propaganda. Wenn man eine Geschichte kennt, kennt man sie alle. Die Helden sind immer Vertreter der jeweils herrschenden Ideologie. Hollywood-Helden vertreten ausnahmslos amerikanische Ideale. Aktuell sind es woke-diverse Democrats. Wenn die Republikaner an der Regierung sind, kann der Held, wie unter Nixon in den 70ern, auch mal ein Einzelkämpfer sein, z.B. mehrfach verkörpert von Charlton Heston. Science Fiction hat den Vorteil, dass sie im Gegensatz zum ‚2. Weltkriegsfilm’ jugendtauglich ist. Jungs können damit frühzeitig auf ihre Rolle als Soldat vorbereitet werden. Zudem kann man die Bösen in Fantasy und Science Fiction so böse sein lassen, wie man möchte. Man kann den hässlichen Nazi überzeichnen. Es gibt keinen Realitätscheck.
Die Science Fiction mit der wohl besten Vorhersagequote ist ‚Raumpatrouille’, mit dem ‚Jungadler’ Dietmar Schönherr in der Hauptrolle. Bereits im Vorspann kam folgende Passage: ‚Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem. Eins dieser Raumschiffe ist die Orion, winziger Teil eines gigantischen Sicherheitssystems, das die Erde vor Bedrohungen aus dem All schützt. Begleiten wir die Orion und ihre Besatzung bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit.’
Die Folge mit größten aktuellen Bezug ist ‚Kampf um die Sonne’. Dort wird die Erde aus dem All aufgeheizt. Verantwortlich für den menschengemachten Klimawandel ist ein Planet, auf dem Frauen die Macht haben, und Männer nur Gärtner, Techniker und Paradesoldaten sein dürfen, sofern man eine Parade braucht. Dieser Planet heißt übrigens Chroma (gr. für bunt). Geht es noch besser?
Mittlerweile hat man bei der Bavaria auch eine Fortsetzung in der Mache, schön woke und divers, versteht sich. Man ist sich seiner Verantwortung bewusst, denn das Original war zu ‚faschistoid’.”
Man kann, geehrter Herr ***, Hollywood für vieles rügen und meinetwegen ablehnen, aber ein Verdienst muss man der Traumfabrik zugestehen: Sie hat jeden technischen Großtrend in seiner Auswirkung auf die Gesellschaft oder meinethalben die Menschheit vorhergesehen, sie hat die Machtübernahme der KI ebenso antizipiert wie die gefährlichen Illusionen des Transhumanismus und den Größenwahn diktatorischer Menschheitserlöser. Natürlich immer im Rahmen einer „Story”, die sich einem breiten Publikum andrehen ließ (und lässt), mit dem schlussendlichen Sieg der Guten über das Böse. Für die beiden von Ihnen genannten Genres mag auch das Schema der Seven Basic Plots zutreffen. (Die Serie „Raumpatrouille” kenne ich nicht, aber dass der matriarchalisch organisierte bzw. desorganisierte Planet indirekt für die Erderhitzung verantwortlich ist, klingt ja fast schon subversiv.)
Was The Seven Plots im weiteren Sinne angeht: Bereits der Basistext der abendländischen Dichtung, die „Ilias”, findet dort keinen Platz. Die Definition des „Plots” Tragödie – „Der Charakterfehler des Protagonisten oder sein großer Fehler ist gleichzeitig sein Verderben” – ist falsch, der Charakter des Protagonisten ist in der Tragödie schlechterdings gleichgültig; er wird schuldig, egal was er tut. Proust, Doderer, Kafka, Joyce und das meiste von Nabokov, um nur ein paar Achttausender zu nennen, fallen aus diesem Schema, desgleichen das gesamte Tschechow’sche und absurde Theater. Übrigens auch Richard Wagner, wo er zur Literatur gehört. Von „Tristram Shandy”, Jean Paul oder Eckhard Henscheid reden wir gar nicht erst. Es wäre Unsinn, „Wiedersehen mit Brideshead” unter „Reise und Rückkehr” zu subsumieren, desgleichen „Heart of Darkness”. Ich könnte fortfahren, lasse es aber dabei bewenden, denn dieses Schema erklärt immerhin recht gut, warum mir Plots völlig egal sind. Ich interessiere mich fast ausschließlich für das Wie in der Literatur. Man verschone mich mit Storys, sie sind der Hauptgrund dafür, dass Leser sich für das Wie kaum interessieren, weil sie nur wissen wollen, was als nächstes passiert.
***
Womit wir bei den Künsten wären. Es ist zwar noch nicht Sonntag, aber bald, und eingeschneit harre ich seiner, gemeinsam mit einem Besucher, der übrigens damals ebenfalls mit von der Partie war und heute nicht aus München fortkommt. Damals meint den Mai dieses Jahres, als hier mit einem gewissen Begleitbrimborium ein Konzert über die Bühne ging, das zu den Höhepunkten des verstreichenden Jahres gezählt werden darf. Oder muss. Jedenfalls sollte.
Einen Tour-de-force-Querschnitt durch den Abend findet, wer da mag, hier. Es wird nicht der letzte seiner Art gewesen sein.