6. August 2023

Du sagst, was die Regie­rung sagt, nur radi­ka­ler? – Ganz richtig,
Die Kul­tur­schi­cke­ria heißt mich mutig zum Dank.

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„Die Wir­kung des Urlaubs: braun und blöd.”
Also notier­te Johan­nes Gross, selig. Braun wur­de unser­ei­ner in den nord­ost- bzw. nord­mit­tel­deut­schen Regen­schau­ern nur in Maßen, aber blöd, das trifft’s. Urlaub am Strand oder in des­sen Nähe hat immer etwas Insi­pi­des. Auch wenn die drö­ge machen­de Wir­kung per­ma­nen­ten Son­nen­scheins ausbleibt.

Die meis­te Zeit trotz­te das Publi­kum dem Juli­wet­ter mit Funktionskleidung.

(Netz­fund)

Wenigs­tens der gest­ri­ge Abschieds­gruß des meis­tens absen­ten Gestirns erfolg­te jah­res­zeit­ge­recht, wen­gleich es um die­se Stun­de bereits emp­find­lich kühl wurde.

Was mir in den strand­taug­li­chen Stun­den unan­ge­nehm auf- und zuneh­mend miss­fiel, war jenes osten­ta­ti­ve Zusam­men­tref­fen von kul­tu­rel­ler und kör­per­li­cher Defor­ma­ti­on, das auf die Abkür­zung FKK hört, aber nicht mehr, wie wei­land in der „Ehe­ma­li­gen”, auf bestimm­te Strand­be­rei­che beschränkt zu sein scheint, son­dern scham­frei aller­or­ten prak­ti­ziert wird. Man kann den Nack­ten nicht aus dem Wege gehen; über­all ent­blät­tern sich Zeit­ge­nos­sen zur Gän­ze, und zwar fast aus­schließ­lich sol­che, deren Lei­ber auch dann bereits eine ästhe­ti­sche Zumu­tung dar­stell­ten, wenn sie wenigs­tens jene Regio­nen bedeckt lie­ßen, die Wal­ter Moers ein­mal treff­lich mit den Wor­ten beschrieb, sie sähen aus „wie radio­ak­ti­ves Gemü­se aus dem Welt­all”. Wahr­schein­lich hal­ten sich die­se Leu­te für „frei” und „authen­tisch”, ich hal­te sie für opti­sche Umwelt­ver­schmut­zer. Wer will den lie­ben lan­gen Tag Geni­ta­li­en sehen, oben­drein noch aus­ran­gier­te und oft in den unvor­teil­haf­tes­ten Posen?

FKK fin­de ich unge­fähr so attrak­tiv wie baden­de Frau­en im Bur­kini. Es ist deutsch, pro­tes­tan­tisch-heid­nisch, fun­da­men­ta­lis­tisch, unzi­vi­li­siert, gera­de Kin­dern gegen­über, doch da ich den Nacker­ten ihre Frei­heit weder strei­tig machen will noch kann, wer­de ich dort eben nicht mehr hin­rei­sen. Ich wür­de die­sen obs­zö­nen Brauch übri­gens sogar dann ableh­nen, wenn die Model­rie­ge von Victoria’s Secret split­ter­nackt vor mir her­um­hops­te. (In die­sem Fal­le, weil der unmit­tel­ba­re Reiz reiz­los wäre. Eine Maid im Biki­ni fin­de ich unend­lich attrak­ti­ver als eine unbe­klei­de­te. Geschen­ke packt man schließ­lich auch ein.)

Andern­orts erwies sich der Hit­ze­som­mer der Frei­kör­per­kul­tur ungnädiger.

Reut­lin­gen, Innen­stadt, 4. August. Blöd, wie die Rech­ten, Leug­ner und Schwurb­ler eben sind, begrei­fen sie nicht, dass jedes Wet­ter­ex­trem längst eine direk­te Fol­ge der von wei­ßen binä­ren Men­schen ver­schul­de­ten Kli­ma­er­hit­zung ist. In der von Ihren Steu­er­gel­dern bezahl­ten Bildsprache:

Vor der Gene­ral­welt­ver­bren­nung – dem Ter­ra­caust – kön­nen uns nur eine WEF-geführ­te Welt­re­gie­rung, der glo­ba­le Atom­aus­stieg, offe­ne Gren­zen, Bill Gates, Las­ten­fahr­rä­der, die selbst­be­stimm­te Ste­ri­li­sa­ti­on wei­ßer Wei­ber, drei­mal am Tag Mehl­wür­mer sowie ein Ver­bot aller rechts­po­pu­lis­ti­schen Par­tei­en retten.

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Beu­teland.

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Da war­tet noch einer auf Wenck.

Den Nie­der­gang nicht wahr­zu­neh­men, gehört zu des­sen Sym­pto­men. (Gewiss, vie­le bekom­men Geld dafür, Steu­er­geld; auch das zählt zu den Symptomen.)

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Es geht um die­se bei­den Urteile.

Das kränk­li­che Volks­emp­fin­den hält sich bekannt­lich für gesund, steht aber mit sei­nem Gerech­tig­keits­fim­mel in nicht uner­heb­li­chem Wider­spruch zur staat­li­chen Recht­spre­chung. Die Schwä­chung des volks­ge­mein­schafts­schüt­zen­den Mas­ken­ver­bo­tes betrifft den Kern des Staa­tes: sei­ne unbe­schränk­te Auto­ri­tät über die Unter­ta­nen, die sich beharr­lich mit Bür­gern ver­wech­seln („Ob Mas­ke oder Maul­korb, Haupt­sa­che mün­dig”), aber nicht mehr lan­ge. Das 16jährige Kar­tof­fel­mä­del indes hat ein­fach nur Pech gehabt; who cares? Die Knäs­te sind eh schon voll mit dem Gold aus den Schif­fen. Wol­len Sie etwa nach den angeb­li­chen Ver­ant­wort­li­chen suchen, Sie Rechtsextremist?

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Nun, lie­be Kin­der, gebt fein Acht, heu­te erklä­re ich euch den Unter­schied zwi­schen Lügen- und Lum­pen­pres­se anhand zwei­er Exempel.

Eins.

Wenn schwar­ze Poli­ti­ker in Süd­afri­ka, wo seit dem Ende der schreck­li­chen Apart­heid ein paar erzürn­te Schwar­ze Far­men über­fal­len und bei die­ser Gele­gen­heit höchs­tens vier­tau­sen­de wei­ße Far­mer, dar­un­ter bedau­er­li­cher­wei­se auch Frau­en und Kin­der, zu Tode erschreckt haben, wenn in einem sol­chen Land, sage ich, schwar­ze Poli­ti­ker vor schwar­zem Publi­kum das oft miss­ver­stan­de­ne Lied „Tötet den Buren” anstim­men – eine Art „Blo­win’ in the Wind” auf schwarz­süd­afri­ka­nisch –, dann mei­nen die das doch nicht wört­lich! Das ist nur ein Gleich­nis, der Bure soll nicht umge­bracht, son­dern nur gleich­ge­stellt wer­den. Das ken­nen wir in ’schland ja selbst, es ver­hält sich unge­fähr so, als wenn Lin­ke mal pro­vo­kan­te Sprü­che raus­hau­en wie „AfD­ler in die Gas­kam­mer” oder „Rei­che erschie­ßen” oder „Bom­ber Har­ris do it again”, das mei­nen die ja auch nicht wörtlich.

Etwas ande­res ist es, wenn Mit­glie­der der Schwe­fel­par­tei am Ende ihrer Par­tei­ver­an­stal­tun­gen die drit­te Stro­phe der Natio­nal­hym­ne sin­gen, aber in Wirk­lich­keit die ers­te des Deutsch­land­lie­des mei­nen: Das sind Extre­mis­ten, die am liebs­ten mor­gen in Russ­land ein­mar­schie­ren und sich die Krim zurück­ho­len wür­den. Oder wenn dun­kel­deut­sche Het­zer vor Publi­kum den rechts­extre­men Nazi­ver­schwö­rungs­my­thos eines angeb­li­chen Bevöl­ke­rungs­aus­tauschs ver­brei­ten und eine Stun­de spä­ter lan­des­weit die Asyl­be­wer­ber­hei­me bren­nen: die mei­nen das tat­säch­lich lite­ral­ly. Wie der Trump und der Sar­ra­zin auch.

Wenn nun doch mal ein Bure ver­se­hent­lich tot­ge­macht wird, lie­be Kin­der, ist das nicht wirk­lich okay, aber aus der Geschich­te her­aus ver­ständ­lich und vor allem, merkt euch das!, nicht so schlimm, als wenn ihr zwar nicht mehr „Neger” sagt, aber denkt – so wie die AfD-Typen die ers­te Stro­phe den­ken! Solan­ge ihr das schlim­me Wort im Kopf habt, müs­sen Buren ster­ben. Und nicht nur Buren!

PS: Wie immer vor­bild­lich hal­ten sich die Qua­li­täts­jour­na­lis­ten von der Ham­bur­ger Relo­ti­us­spit­ze an die gol­de­ne Regel, dass „Hund beißt Mann” kei­ne Mel­dung ist, „Mann beißt Hund” aber durchaus.

Die Volon­tärs­ta­ges­stät­te des deut­schen Hal­tungs­jour­na­lis­mus erklärt den ideo­lo­gi­schen Grund für die Zurückhaltung.

Zwei.

Nicht küm­mert den Press­strolch das Opfer, das deut­sche, ob tot oder
Geschän­det, ganz gleich; er zeigt sein „Gesicht” gegen „rechts”.

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Apro­pos Bevölkerungsaustausch.

Leser *** gestat­tet sich „eine klei­ne kri­ti­sche Anmer­kung zu Ihrem letz­ten Dia­ri­ums-Text vom 31. Juli. Ob es wirk­lich ‚mög­li­cher­wei­se ver­schro­ben’ ist, beim ‚Gro­ßen Aus­tausch’ an einen ‚pla­nen­den Urhe­ber’ zu denken?

Wenn ich den Aus­druck ‚pla­nen­der Urhe­ber’ erset­ze durch ‚herr­schen­de, von allen grün-lin­ken Poli­ti­kern lei­den­schaft­lich ver­tre­te­ne Ideo­lo­gie’, dann wird aus dem ver­schro­be­nen Gedan­ken eine schlich­te, nicht mehr zu bestrei­ten­de Wahr­heit. Denn das ist ein Kern­dog­ma die­ser Ideo­lo­gie: Unser moder­nes Deutsch­land muß bunt sein, viel­fäl­tig, divers, auch was die eth­ni­sche Zusam­men­set­zung der Bevöl­ke­rung betrifft. Eine homo­ge­ne Gesell­schaft, in der die ein­hei­mi­schen Deut­schen die weit über­wie­gen­de Mehr­heit bil­den, in der ihre Kul­tur die bestim­men­de ist, leh­nen wir ent­schie­den ab. Das ist völ­ki­sches Gedan­ken­gut, das steht dem Natio­nal­so­zia­lis­mus bedenk­lich nahe. Wir Pro­gres­si­ven wol­len einen Staat, in dem vie­le ver­schie­de­ne Eth­ni­en, Haut­far­ben, Kul­tu­ren, Reli­gio­nen eine wun­der­ba­re, sich gegen­sei­tig berei­chern­de Viel­falt erzeu­gen. Die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rungs­grup­pe der Deut­schen darf auf kei­nen Fall die Mehr­heit blei­ben, sie muß zu einem Teil wer­den des mul­ti­kul­tu­rel­len Gan­zen. Des­halb begrü­ßen wir die Mas­sen­ein­wan­de­rung aus allen Regio­nen der Welt. Des­halb sind wir dank­bar für die uns geschenk­ten Men­schen, freu­en uns auf sie. Wir sagen Ja zur Ein­wan­de­rung. Sie ist unver­zicht­bar für unse­re zukunfts­wei­sen­de huma­ne Poli­tik der Über­win­dung des Völkisch-Nationalen.”

Natür­lich haben Sie recht, geehr­ter Herr ***, der west­eu­ro­pa­wei­te Per­so­nal­wech­sel (mit begrenz­tem Ser­vice­an­ge­bot) ist kei­ne Theo­rie, son­dern macht­ge­stütz­te, auf allen Kanä­len, Büh­nen und Kan­zeln sieg­heil­be­brüll­te Praxis.

Im Übri­gen und da capo: Nicht pri­mär des­we­gen, aber auch weil die Nazis eine Umvol­kung woll­ten, leh­nen die meis­ten Rech­ten sie ab.

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Aus der Rei­he: Ihre Steu­er­gel­der bei der Arbeit.

Wie man am Bei­spiel Polens oder Japans sieht, führt die Abschaf­fung der Pull-Fak­to­ren dazu, dass nie­mand in die­se Län­der ein­zu­wan­dern ver­sucht. Auch in sämt­li­chen Dritt­stat­ten, die das deut­sche Schla­raf­fen­land umge­ben, ist der Pull-Fak­tor das Haupt­mo­tiv dafür, dass die „Flücht­lin­ge” nach ’schland wei­ter­zie­hen, statt dort zu blei­ben. Sie völ­ker­wan­dern dahin, wo das meis­te zu holen ist. Stell­ten die Almans die Sozi­al­leis­tun­gen ein, käme nie­mand mehr, allen Fak­ten­er­fin­dern und geschmier­ten Exper­ten zum Trotz.

PS von wegen „Exper­ten” und „Stu­di­en”:

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Die Intel­li­genz­pres­se, nament­lich jene, hin­ter der immer ein klu­ger Kopf steckt, stellt zugleich immer die rele­van­ten, jeden­falls die rich­ti­gen Fragen.

Söder, heißt es dort, zitie­re „einen Schrift­stel­ler, der nicht nur so dumm war, mit 99 Jah­ren wie­der mit dem Rau­chen anzu­fan­gen, son­dern der vor allem nicht als ein in der Wol­le gefärb­ter Demo­krat gel­ten kann: Ernst Jünger”.
Hier wird in der Tat ein epo­cha­les Pro­blem ange­spro­chen, mit dem sich der­zeit vor allem, wenn auch etwas ein­sei­tig, die Bewe­gung der Bol­sche­wo­ken beschäf­tigt: Wen darf man noch zitiert haben und dabei anstän­dig geblie­ben sein? Malen wir uns aus, für­der­hin bedien­ten sich Par­la­ments- und Ver­an­stal­tungs­red­ner bei der Zitat­su­che aus­schließ­lich der Schrif­ten von „in der Wol­le gefärb­ten Demo­kra­ten” – wel­che Fül­le und Viel­falt der Gedan­ken, wel­che sprach­li­che Ele­ganz schie­ne auf! Und, bei­sei­te gespro­chen: Wann, wenn nicht mit 99, soll­te der Mensch mit dem Rau­chen anfangen?
Der unum­strit­te­ne Ver­fas­ser des Arti­kels, schreibt der Ver­fas­ser des Arti­kels, „hat ein Buch über den lei­der auch nicht unum­strit­te­nen Carl Schmitt publi­ziert, dem man aber zugu­te­hal­ten kann, dass er Jün­ger mit gemisch­ten Gefüh­len betrachtete”.

„Der Zivil­dienst­leis­ten­de und sein Ver­hält­nis zu Ernst Jün­ger” wäre ein guter Titel für eine wei­te­re wenig umstrit­te­ne Stu­die. Die in der Vita die­ser Cha­rak­ter­na­tur – der Phy­sio­gno­mi­ker in mir kommt ein­mal mehr und, was die Genos­sen Medi­en­schaf­fen­den betrifft, gera­de­zu seri­ell auf sei­ne Kos­ten – erwähn­te „Arbeit” über Carl Schmitt ist tat­säch­lich eine gegen Schmitt; ande­re wer­den an rest­deut­schen Uni­ver­si­tä­ten gar nicht mehr ange­nom­men, das ist inzwi­schen ein eige­nes Gen­re, dem sogar ein Timo Frasch eine dop­pel­te und drei­fa­che Über­voll­stän­dig­keit attes­tiert haben wür­de, wenn nicht genau ein Trak­tät­lein bzw. Denun­zia­ti­ön­chen noch gefehlt hätte.

„Da wird ein demo­kra­ti­sches ABC abge­hört, und jeder Pri­vat­do­zent in der Poli­to­lo­gie in sei­ner Antritts­vor­le­sung muß natür­lich einen Tritt in den Arsch von Carl Schmitt geben, daß Freund/Feind nicht die rich­ti­ge Kate­go­rie sei. Da hat sich eine gan­ze Wis­sen­schaft eta­bliert, um das Pro­blem zu unter­drü­cken”, erklär­te Jacob Tau­bes anno 1987 indi­gniert und viel­leicht ahnend, auf wel­che lich­te Höhe die­se aka­de­mi­sche Abraum­hal­de noch wach­sen wer­de, dies „lächer­li­che Zeug, ver­gli­chen mit den Pro­blem­stel­lun­gen, die Schmitt in die Irre geführt haben, aber die min­des­tens Pro­blem­stel­lun­gen sind“. Näm­lich bis in die Redak­ti­on der Bun­ten (statt Brau­nen).

„Bei der FAZ darf man nicht mit 99 wie­der mit dem Rau­chen anfan­gen, das sei ‚dumm’. Mit dem Lesen der FAZ ganz auf­zu­hö­ren, dafür kann man nicht zu jung oder zu alt sein”, notiert Leser ***, der mich auf den Seim hin­wies. „Die Fra­ge ist ja durch­aus nicht, darf Söder Jün­ger zitie­ren, die Fra­ge ist, wür­de Jün­ger sich län­ger als zwan­zig Sekun­den mit Söder beschäf­ti­gen. Oder sich doch lie­ber eine Ziga­ret­te anzün­den. Die Ant­wort ist nahe­lie­gend und gar nicht ‚dumm’.” 

Kurz­um: Sei kein Frasch; zitie­re, wen du willst.

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Aber: Kei­ne Namenswitze!

Wobei man über die Damen in jenem Gewer­be nicht behaup­ten kann, dass sie alle stur­heil das Glei­che tun. Bezie­hungs­wei­se plappern.

Mer­ke, zunächst: Wer Haken­kreuz­fah­nen ein­holt, bekämpft „rech­te Ten­den­zen”. Das ist zwar bloß Jour­na­lis­ten­ge­plap­per, wirkt aber als Framing: Rechts ist böse, weil Nazi. Dass die Natio­nal­so­zia­lis­ten, wie der Name schon sagt, nicht so ein­fach poli­tisch „rechts” zu ver­or­ten sind – ich habe die­ses The­ma hier in erschöp­fen­der Aus­führ­lich­keit behan­delt –, tut nichts zur Sache, eben­so wenig der Unter­schied zwi­schen rechts, rechts­ra­di­kal und rechts­extrem. Bestehen wir gleich­wohl dar­auf, denn Deutsch­lands Zukunft gehört, wenn es über­haupt eine geben soll­te, den Rech­ten. Ich etwa bin rechts, mei­net­we­gen knall­rechts – tat­säch­lich im poli­ti­schen Sin­ne liber­tär und ästhe­tisch reak­tio­när, aber sei’s drum –, hege aller­dings für Sozia­lis­ten, ob nun natio­na­le oder inter­na­tio­na­le, nicht die gerings­ten Sym­pa­thien. Und für Natio­na­lis­ten ledig­lich in einem defen­si­ven Sin­ne. Zwi­schen mei­ne rech­ten Ten­den­zen und eine Haken­kreuz­fah­ne passt der gesam­te Bun­des­tag außer viel­leicht Ricar­da. Ist das ver­stan­den worden?

Wei­ter. War­um gibt es Fah­nen? Was bewir­ken sie? Davon abge­se­hen, dass sie den Wind sicht­bar machen, wie ein Phy­si­ker die Sache beschrei­ben könn­te, bean­spru­chen sie Raum und fes­seln Bli­cke. Durch ihre Moti­ve und Far­ben sym­bo­li­sie­ren sie Macht. Des­we­gen besaß jeder Herr­scher und hat jedes Herr­schafts­sys­tem sei­ne Flag­ge. Sogar die Pira­ten hat­ten eine. Fah­nen sen­den poli­ti­sche Signa­le: „Wir” und „die anderen”.

Lau­schen wir nun den bewe­gen­den Wor­ten des Neu­bran­den­bur­ger Stadt­ober­haup­tes: „Mei­ne ers­te Regen­bo­gen­fah­ne bekam ich als 15-jäh­ri­ger Schü­ler am Sport­gym­na­si­um Neu­bran­den­burg in Form eines Pins geschenkt. In einer Bio­lo­gie­stun­de war die Deut­sche Aids­hil­fe zu Gast und hat uns zum The­ma HIV/AIDS auf­ge­klärt. Dies war im Jahr 1993.“

Die Regen­bo­gen­flag­ge war damals bereits 15 Jah­re lang Sym­bol der Schwu­len­be­we­gung. Ihr Debüt hat­te sie am 25. Juni 1978 beim Gay Pri­de March in San Fran­cis­co. „Die­ser Marsch und ande­re Ver­an­stal­tun­gen erin­ner­ten wie­der­um an die Stone­wall Riots, bei denen sich Besu­cher der Stone­wall Bar im Juni 1969 mit Fla­schen- und ande­ren Wür­fen hand­greif­lich gegen eine Poli­zei­raz­zia wehr­ten“, notiert Alex­an­der Wendt auf sei­ner Web­sei­te Publi­co. „Die Flag­ge von 1978 erin­ner­te also an ein Ereig­nis, das damals schon neun Jah­re zurück­lag. Inzwi­schen war die Eman­zi­pa­ti­on von Schwu­len längst ein Teil der Bür­ger­rechts­be­we­gung in den USA geworden.“

Dass gera­de die Regen­bo­gen­far­ben die­se Kar­rie­re hin­leg­ten, geht Wendt zufol­ge mög­li­cher­wei­se auf Judy Gar­lands Lied „Some­weh­re Over The Rain­bow“ aus dem Film „Wizard of Oz“ zurück. „Der Song gewann zunächst ein­mal eine rie­si­ge Popu­la­ri­tät unter Sol­da­ten der US-Army, für die der Song vor allem ein Heim­weh­lied war. Gar­land genoss außer­dem unter Schwu­len eine sol­che Popu­la­ri­tät, dass sich für sie die Wen­dung fri­ends of Doro­thy eta­blier­te, benannt nach der von Gar­land gespiel­ten Figur. Die Zei­len ‚Some­whe­re over the rain­bow ski­es are blue/And the dreams that you dare to dream real­ly do come true‘ pass­ten auch für ihren Wunsch, irgend­wann mit den glei­chen Rech­ten wie alle ande­ren zu leben.“

Als die bun­te Fah­ne das Sym­bol für die Pri­de-Mär­sche in den USA wur­de, rich­te­te sie sich gegen das Estab­lish­ment. Nie­mand wäre 1978 auf die Idee gekom­men, dass die Regen­bo­gen­far­ben knapp fünf­zig Jah­re spä­ter ein­mal zum Mar­ke­ting­de­sign gro­ßer Unter­neh­men gehö­ren wür­den und es, so Wendt, „im Jahr 2022 eine minis­te­ri­el­le deut­sche Regen­bo­gen­flag­gen­ver­ord­nung für öffent­li­che Gebäu­de geben wür­de, die fest­legt, wann, wo und wie die Fah­ne auf­ge­zo­gen wer­den soll“. Ein sub­ver­si­ves Sym­bol habe sich „in eine staat­li­che Macht­de­mons­tra­ti­on verwandelt“.

Als staat­li­ches Macht­sym­bol weht sie über dem Bun­des­tag, vor Minis­te­ri­en, Hoch­schu­len oder eben Bahnhöfen.

Ein Bür­ger­meis­ter, auch ein par­tei­lo­ser, ist ein Ver­tre­ter des Staa­tes und des­sen ideo­lo­gi­scher bzw. zivil­re­li­giö­ser Ten­denz. Als sol­cher hat er, gera­de in Zei­ten, da der Staat fin­giert, bür­ger­nah, nett und zivil zu sein, zu staat­li­chen Macht­sym­bo­len ein ent­spann­tes Ver­hält­nis: „Für mich ist die Regen­bo­gen­fah­ne ein Sym­bol, wie sich unser Land in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wei­ter­ent­wi­ckelt hat. In vie­len Berei­chen. Denn die Regen­bo­gen­fah­ne ist ein inklu­si­ves Sym­bol. Sie steht für Tole­ranz, Offen­heit und Vielfalt.“

Wer da nicht mit­zieht, hat natür­lich schlech­te Kar­ten; was stellt er sich auch gegen Tole­ranz, Offen­heit und Viel­falt? Tat­säch­lich inklu­diert die Regen­bo­gen­fah­ne nicht, son­dern exklu­diert und spal­tet die Gesell­schaft. Wer sich vor die­sem harm­los bunt anmu­ten­den Geß­ler­hut nicht beugt – und Frev­ler, die sich die­ser Dres­sur­ges­te ver­wei­gern, nicht ver­petzt –, ist ein Feind der soge­nann­ten offe­nen Gesell­schaft. Inzwi­schen sogar vor Orten der Staats­ge­walt als poli­ti­sches Sym­bol der Umer­zie­hung gehisst und von Pro­pa­gan­da­mär­chen wie jenem der Unver­bind­lich­keit der zwei Geschlech­ter sekun­diert, ver­sinn­bild­licht die­se Fah­ne einen Kipp­punkt, hun­dert­mal offen­kun­di­ger als jene des Kli­mas, mit denen man uns der­zeit ein­zu­schüch­tern ver­sucht: den Punkt, an dem die einst­mals frei­en west­li­chen Gesell­schaf­ten ins Auto­ri­tä­re abkip­pen. Die Ver­wen­dung der immer­glei­chen vor­ge­stanz­ten Pro­pa­gan­da­flos­keln ist ein gutes Indiz für die lip­pen­be­kennt­nis­haf­te Unred­lich­keit der Sprecher.

„Eine Demo­kra­tie lebt von der Wei­ter­ent­wick­lung”, schal­meit unser Mai­re.

Eine Auto­kra­tie nicht min­der. Am Ran­de: Ver­we­sung ist auch eine „Wei­ter­ent­wick­lung”.

„Das Ent­fer­nen der Regen­bo­gen­fah­ne am Neu­bran­den­bur­ger Bahn­hof war ein wie­der­hol­ter sym­bo­li­scher Akt der Into­le­ranz. Das His­sen von natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sym­bo­len am Neu­bran­den­bur­ger Bahn­hof ist ein Tabubruch!“

Ich ken­ne die Moti­ve der Flag­gen­aus­tau­scher nicht, bin mir aller­dings recht sicher, dass es sich um eine Reak­ti­on han­del­te. Es könn­ten Neo­na­zis gewe­sen sein, gewiss, aber eben auch Otto-Nor­mal-Ossis, denen der Regen­bo­gen­kult mit sei­nem fami­li­en­feind­li­chen, sexis­ti­schen, kinds­miss­bräuch­li­chen Begleit­thea­ter auf den Keks geht und die mit dem skan­da­lö­ses­ten aller Sym­bo­le dage­gen anstän­kern woll­ten. Wer Poly­ne­si­er pro­vo­zie­ren will, räumt ihren Totem weg und stellt irgend­ein Tabu an des­sen Stelle.

Was mich betrifft – dies ist ja mein Dia­ri­um –: Ich will weder die eine tota­li­tä­re noch die ande­re, ten­den­zi­ell tota­li­tä­re Fah­ne vor öffent­li­chen Gebäu­den oder gar Minis­te­ri­en wehen sehen. Ich weiß näm­lich, was es bedeu­tet, wenn staat­li­che Behör­den einer Ideo­lo­gie gehor­chen und alle Nicht­ein­ver­stan­de­nen mit Repres­sio­nen über­zie­hen. Die klei­nen Tota­li­tä­ren ver­su­chen sich immer mit dem Hin­weis auf die viel grö­ße­ren her­aus­zu­re­den; man kön­ne sie doch nicht mit denen ver­glei­chen, sie wehr­ten ja nur deren Wie­der­kehr usw.; so haben auch die Kom­mu­nis­ten in der DDR argu­men­tiert; das darf man die­sen Figu­ren nicht durch­ge­hen las­sen. Sie mei­nen, unbe­dingt im Recht zu sein, und sol­che Leu­te im Besitz staat­li­cher Macht­mit­tel sind gefähr­lich. LGBTQ ist auch kei­ne blo­ße „Mode” wie Schlag­ho­se und Pril­blu­me; Mode­sym­bo­le hän­gen nicht an Gebäu­den von Staats­or­ga­nen. Wenn über Poli­zei­sta­tio­nen eine poli­ti­sche Fah­ne weht, wird die Poli­zei frü­her oder spä­ter im Namen die­ser Fah­ne Men­schen ver­fol­gen, die ande­rer Ansicht sind als die Fah­nen­auf­hän­ger. Also weg mit allen Gesin­nungs­sym­bo­len! Soll die Pri­vat­wirt­schaft an ihnen ver­die­nen oder ersticken.

Wei­ter mit den bewe­gen­den Wor­ten unse­res par­tei­lo­sen Bür­ger­meis­ters: „Schon seit län­ge­rer Zeit nut­zen Fein­de der Demo­kra­tie die Mög­lich­kei­ten der Demo­kra­tie aus. Sie nut­zen die Tole­ranz unse­rer Gesell­schaft für ihre Into­le­ranz. Dage­gen müs­sen wir uns viel stär­ker posi­tio­nie­ren und weh­ren! Das Wesen der Demo­kra­tie ist der Dis­kurs. Die­ser Dis­kurs hat jedoch Regeln und Gren­zen. Behaup­tun­gen, Her­ab­set­zun­gen, Belei­di­gun­gen, Schmä­hun­gen oder gar Dro­hun­gen sind das Gift der Demo­kra­tie. Die­ses Gift wird seit Jah­ren, ins­be­son­de­re im Inter­net, ver­ab­reicht und gefähr­det die Grund­fes­ten unse­res Miteinanders.”

Was „Gift” ist – und, nächs­ter logi­scher Schritt, ver­bo­ten wer­den soll – bestim­men wir! „Kei­ne Frei­heit für die Fein­de der Frei­heit!”, for­der­ten schon H. Maas und der ungleich unbe­gab­te­re Lou­is Antoine Léon de Saint-Just („Pas de liber­té pour les enne­mis de la liberté!”).

Auf wel­ches The­ma unser Kom­mu­nal­kom­mis­sar als Nächs­tes zu spre­chen kom­men wür­de, war so vor­her­seh­bar wie ein Azo­ren­hoch (bis 2022) oder der Spei­chel­re­flex eines Paw­low­schen Pudels: „Vor 84 Jah­ren kamen die ers­ten Kriegs­ge­fan­ge­nen in Neu­bran­den­burg an. Sie wur­den vom Bahn­hof ins Lager Fünf­ei­chen getrie­ben. Manch einer hat bereits die­sen Weg nicht über­lebt. Am Ende des Krie­ges durch­lie­fen rund 70.000 Gefan­ge­ne das Lager. 6.500 über­leb­ten es nicht. Unse­re Stadt hat in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus Schuld auf sich geladen.”

Unse­re Stadt hat Schuld auf sich gela­den: So reden Ideo­lo­gen, die noch die Nach­ge­bo­re­nen bis ins sieb­te Glied in Sip­pen­haft neh­men – und sel­ber herr­schen – wollen.

„Die Bru­ta­li­tät, Her­ab­set­zung und Men­schen­ver­ach­tung des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sys­tems fand hier in unse­rem Neu­bran­den­burg statt. Vor den Augen der Bevölkerung!”

Das stimmt. Und bei den bra­ven Deut­schen kann man nie wis­sen, in wel­cher Kos­tü­mie­rung Her­ab­set­zung und Men­schen­ver­ach­tung beim nächs­ten Mal auf­tre­ten. Doch so viel ist klar: Ein Sil­vio Witt hät­te den Nazis den Marsch gebla­sen. Lite­ral­ly.

Nach der „Befrei­ung”, von 1945 bis 1949, betrie­ben übri­gens die Sowjets das Lager Fünf­ei­chen wei­ter als NKWD-Spe­zi­al­la­ger Nr. 9. Von den geschätz­ten 15.400 Häft­lin­gen, die wenigs­ten davon NS-belas­tet, vie­le nur der neu­en mar­xis­ti­schen Ord­nung im Wege, starb jeder Drit­te. Mit einer gewis­sen Nei­gung zur pole­mi­schen Über­spit­zung, wie Allah sie mir in sei­ner All­weis­heit ein­ge­ge­ben hat, könn­te man for­mu­lie­ren: Das war die ers­te Akti­on der Vor­gän­ger („Weg­be­rei­ter”) der lan­des­wei­ten Regen­bo­gen­fah­nen­his­ser, nach­dem sie die Herr­schaft der lan­des­wei­ten Haken­kreuz­fah­nen­auf­hän­ger zer­schla­gen hatten.

„Lie­be Neu­bran­den­bur­ge­rin­nen und Neu­bran­den­bur­ger, las­sen Sie uns gemein­sam alles dafür tun, dass sich die­se Geschich­te nie wiederholt.”

Ich bin dafür.

***

Der aktu­el­le Spie­gel-Titel zeigt nicht nur Ali­ce Wei­del als ver­lo­cken­de deut­sche Sire­ne vul­go Lore­ley, son­dern lie­fert in der Spal­te oben dem rou­ti­nier­ten Leser die Erklä­rung für den neu­en Appeal der Blau­en gleich mit.

Für den „Groß­kampf­tag” der Gazet­te gegen die Schwe­fel­par­tei – ver­gan­ge­nen Frei­tag hat­ten sie sie­ben ver­schie­de­ne Arti­kel gegen die Oppo­si­ti­on im Ren­nen – nennt Danisch den plau­si­bels­ten aller Gründe:

„Die Medi­en haben alle Ursa­che, die AfD kurz zu hal­ten. Denn unse­re Medi­en­land­schaft ist längst zu tot, um noch seri­ös zu sein, beruht in wei­ten Tei­len nur noch auf Schmier­geld der Regie­rung. Und des­halb haben die Medi­en – über ihre Ideo­lo­gi­sie­rung und Unter­wan­de­rung hin­aus – zwei Inter­es­sen, die AfD her­aus­zu­hal­ten, denn

  • das Geld muss wei­ter fließen
  • es soll nicht auffliegen

Und die AfD ist die ein­zi­ge Par­tei, die die­se Schmier­geld­wirt­schaft auf­deckt, Oppo­si­ti­ons­ar­beit macht. Alle ande­ren Par­tei­en sind Teil des Sump­fes. In dem Moment, in dem die AfD mehr Ein­fluss im Bun­des­tag hät­te, wür­den wesent­lich mehr die­ser Machen­schaf­ten aufgedeckt.”

Zu den Hal­tungs- bzw. Gesin­nungs­me­di­en gehört heu­te prak­tisch alles.

Unser Bil­ly­boy vom ande­ren Ufer des Gro­ßen Teichs spen­det den deut­schen Medi­en reich­lich dafür, dass sie sei­ne Stif­tung und die glo­ba­lis­ti­sche Agen­da unter­stüt­zen. Das Geld bekommt er u.a. von Ihnen, geneig­te Leser.

Ein Geben und Neh­men. So geht Globalismus!

***

Einer noch.

Bar­geld ist Frei­heit. Bar­geld ist rechts­extrem. Frei­heit ist rechts­extrem. Nazis sind rechts­extrem. Mas­sen­mord ist rechts­extrem. Bar­geld ist Mas­sen­mord. Frei­heit ist Mas­sen­mord. Heil digi­ta­le Kontrolle!

 

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