François Couperin: Pièces de Clavecin

Ein zähes Vor­ur­teil, in dem, wie es meis­tens der Fall ist, auch viel Wah­res steckt, besag­te, dass die Wer­ke der fran­zö­si­schen Cla­veci­nis­ten an das Cem­ba­lo gebun­den und dem Kla­vier ver­schlos­sen sei­en. Inzwi­schen glaubt das so aus­schließ­lich kaum mehr jemand. Rameau hat sich auf dem Kla­vier durch­ge­setzt, und auch die „Piè­ces de Cla­vecin“ von Fran­çois Cou­perin erklin­gen immer öfter auf dem Pia­no­for­te. Von Gri­go­ry Soko­lov exis­tie­ren beein­dru­cken­de Dar­bie­tun­gen; ein ande­rer, der das Werk sei­ner bei­den gro­ßen Lands­män­ner pia­nis­tisch neu­be­lebt, ist der Fran­zo­se Alex­and­re Tha­r­aud. Sein Spiel ist unend­lich geschmack­voll und von betö­ren­der Schönheit.

Cou­perin, der den Bei­na­men „Le Grand“ trug, war ein Meis­ter der klei­nen Form. Er schrieb kei­ne Opern und für das Orches­ter nur Kam­mer­mu­sik. 240 „Piè­ces de Cla­vecin“ hat der Hof­cem­ba­list von Lud­wig XIV. geschaf­fen, zusam­men­ge­fasst in 27 „Ord­res“, also Sui­ten, wenn­gleich jedes ein­zel­nes Stück für sich allein bestehen könn­te. Die frü­hen Piè­ces tra­gen wie üblich die Namen von Tän­zen; die­se wei­chen aber bald Cha­rak­ter­be­zeich­nun­gen. Viel­fach sind es Frau­en­ge­stal­ten – „die Sprö­de“, „die Leicht­sin­ni­ge“, „die Fins­te­re“, „die Geis­ter­se­he­rin“ –, die Cou­perin in Töne fass­te. Die­ser musi­ka­li­sche Por­trät­ma­ler schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, die gan­ze ihn umge­ben­de Welt in klin­gen­den Minia­tu­ren zu verewigen.

So schil­dert das titel­ge­ben­de Bra­vour­stück „Le Tic-Toc-Choc, ou les Mail­lo­tins“ das unent­weg­te Klop­fen jener ham­mer­ar­ti­gen Blei­sch­lä­gel – „Mail­lets de plomb“ – , die einer städ­ti­schen Hand­wer­ker­grup­pe den Namen gaben. Etwas pene­trant insis­tie­ren die „Calo­ti­nes“ (das ist die weib­li­che Form von „Pfaf­fe“), wäh­rend sich hin­ter der gra­zi­ös-melan­cho­li­schen „La Cou­perin“ nie­mand ande­res als Madame Cou­perin ver­birgt. Rät­sel­haf­te „Ombres Erran­tes“ („schwei­fen­de Schat­ten“) schwe­ben auf syn­ko­pier­ten Vor­hal­ten durch süd­son­ni­ge Gefil­de, „Les Rozeaux“ („Das Schilf­rohr“) wiegt sich im Win­de der die hin­rei­ßen­de Melo­die beglei­ten­den Sech­zehn­tel, und „Le Caril­lon de Cithé­re“, das Glo­cken­spiel der Kythe­rea (i.e. Aphro­di­te), erklingt auf einer Wat­teau-Insel. Ach hör­te es doch nim­mer auf, ach spiel­te Mon­sieur Tha­r­aud doch alle 240 Piéces!

 
Fran­çois Cou­perin: Tic Toc Choc; Alex­and­re Tha­r­aud, Kla­vier (Har­mo­nia mundi)

Erschie­nen in: eigen­tüm­lich frei, Dezem­ber 2015
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