Nicht der Islam – die antiislamische Panikmache bedrohe die Res publica, behauptet ein neues Buch. Dem eigentlichen Problem weicht es aus
Nehmen wir an, der Islam sei tatsächlich kein Problem für eine freiheitliche Gesellschaft. Zwar gibt es ernst zu nehmende Menschen, die behaupten, beides sei grundsätzlich unvereinbar, was sich unter anderem daran zeige, dass kein freies islamisches Land existiere – aber wir reden ja von Deutschland. Zwar ergaben diverse Studien in den vergangenen Jahren unter hiesigen Muslimen einen gewissen Zusammenhang zwischen Religiosität, Demokratiefeindlichkeit und Gewalttätigkeit, doch bezweifeln wir mit Bahners deren Stichhaltigkeit. Was aber macht vielen Menschen hierzulande Sorgen und lässt sie massenhaft zu den Büchern der „Panikmacher“ greifen? Eventuell ihre Alltagserfahrung?
Aber nicht der Islam! Das muss man sich nach jedem von Migrationsjugendlichen Zusammengeschlagenen in der U‑Bahn (machen auch Deutsche, ist bekannt), nach jedem Spielabbruch in der Fußball-Kreisliga, nach jeder Räumung eines öffentlichen Bades, nach jedem niedergestochenen Berliner Busfahrer in Erinnerung rufen.
Nein, es handelt sich in der Tat nicht um ein Problem der Deutschen mit dem Islam, sondern um ein Problem mit vor allem jungen Männern aus muslimisch geprägten Kulturen, denen die hiesige Rechtsordnung so schnurz ist, wie sie die hiesige Lebensart und den zivilen Umgang mit Konflikten verachten und als Schwäche interpretieren. Nicht der fromme Muslim, der täglich fünfmal vor seinem Gott kniet, was durchaus sympathisch ist, schürt Islamophobie, sondern es sind die Scharen perspektivloser junger Männer in deutschen/europäischen Städten, gegen deren Aggressivität eine überalterte Zivilgesellschaft kein anderes Mittel weiß, als sich kompensatorisch in Internet-Foren und bei Sarrazin-Lesungen auszutoben. Es geht nicht um den Islam als Privatreligion, sondern um eine Mentalität.
Diese Mentalität mag nicht fromm islamisch sein, aber sie muss mit der islamischen Kultur zu tun haben, denn bei eingewanderten Asiaten etwa findet man sie nicht. Es ist eine Mentalität archaischen Machotums, gewaltbereit, ehrpusselig, arbeitsunwillig, bildungsverachtend, kriminell. Ihr Aktionsfeld ist der öffentliche Raum, die Straße, die Schule. Ihre Schimpfwörter heißen „Opfer“, „Schweinefleischfresser“ und „Scheißdeutscher“.
Die „zunehmende Deutschenfeindlichkeit unter Einwandererkindern“, weiß Bahners indes, sei bloß eine „These“. Herbeigewuchtet habe sie unter anderem die CDU-Politikerin Kristina Schröder, womit sie nicht etwa ein Faktum, sondern „einen aus der rechtsextremistischen Propaganda bekannten Topos auf die Tagesordnung der Bundesregierung gesetzt“ habe – eine Panikmacherin eben.
Bahners ist auch dagegen, dass „asoziale Taten chancenarmer Berliner Jugendlicher mit türkischer oder arabischer Familiengeschichte“ als „Bürgerkriegshandlungen gedeutet werden“. Da hat er Recht, solange die Zahl der Toten und Verletzten noch gering ist, sollten wir nicht von Bürgerkrieg reden, sondern zum Beispiel von – das passt ja zu Berliner Vorfällen der jüngeren Zeit – „Pool-Partys mit Kollateralschäden“. Bahners irrt freilich in puncto „chancenarm“: Vielmehr steigen die Chancen derer mit „arabischer oder türkischer Familiengeschichte“, die Schlägereien gegen ihre Kontrahenten mit deutscher Familiengeschichte zu gewinnen, quasi täglich, allein schon wegen ihrer wachsenden Brüderzahl. Und schon will Grünen-Chefin Claudia Roth die tunesischen Flüchtlinge in Lampedusa, fast alles junge Männer, nach Deutschland holen – nicht zu sich nach Hause, nein, irgendwohin ins Land. Und das wäre ja nur der Anfang: Der Soziologe Gunnar Heinsohn weist schon seit Jahren auf den Druck hin, den der Überschuss zorniger junger Männer in der islamischen Welt längst rein biopolitisch auf Europa ausübt, Allah hin oder her.
Bahners, zarter Spätling einer Zivilisation im Abendrot, gebildet, kinderlos, virilitätsfern, apolitisch, verwöhnt, will noch einmal das Licht der Aufklärung strahlen lassen. Es fragt sich bloß, ob aus ihm bereits jene Schwäche spricht, die den Neuankömmlingen aus einem weit vitaleren Kulturkreis nur ein mattes, gleichsam um Schonung bittendes Willkommen anzubieten hat. Ansonsten will er seinen Lesern offenbar mitteilen, dass er die deutsche Rechtsordnung für wichtiger hält als das deutsche Volk, und hofft, man könne sie auch mit einer anderen Bevölkerungszusammensetzung weiterführen. Und wenn nicht?
Wer so argumentiert, bräuchte allerdings etwas im Rücken, das heute nicht mehr existiert: so etwas wie den preußischen Staat. „Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind; und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land peuplieren, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen“, schrieb Friedrich der Große, und in Preußen wäre zum Beispiel über ein Minarettverbot nicht diskutiert worden. Aber dieser Staat ließ keine Sekunde lang Zweifel daran, dass religiöse Toleranz null Toleranz gegen Gesetzes- und Landfriedensbruch voraussetzt.
Solange sich aber der Staat aus Problembezirken mit hohem Ausländeranteil feige zurückzieht, während er in besseren Gegenden Knöllchen verteilt, solange ein schwerstkrimineller libanesisch-kurdischer Großclan die Bremer Unterwelt beherrscht und dessen Angehörige nicht abgeschoben, sondern vom deutschen Steuerzahler sozialfinanziert werden, solange Richter keine Urteile gegen jugendliche Serienkriminelle fällen, die ihre Schuld sühnen und ihren Opfern Genugtuung verschaffen, sondern eher eine Bitte an die Gewalttäter darstellen, nicht wieder gewalttätig zu werden, solange viele deutsche Kinder jeden Morgen voller Angst zur Schule gehen, was Ali und Achmed ihnen heute wieder antun werden, solange die Alltagserfahrung vieler Menschen jenes „Die stellen sich gegen uns“ widerspiegelt und das „Die“ irgendwie muslimisch konnotiert ist, solange sind solche Feuilletonisteneinlassungen noch heißere Luft als ohnehin schon.
Bahners setzt, wenn man so will, auf das Zuckerbrot der Freiheit. Aber ohne die allfällige Peitsche wird es nicht zu haben sein.