Giacomo Puccini: Tosca

 

Eine Emp­feh­lung für Gia­co­mo Puc­ci­nis womög­lich bekann­tes­te Oper „Tos­ca“ aus­zu­spre­chen, berei­tet mir zunächt ein­mal inso­fern gro­ßes Ver­gnü­gen, als ich offen­bar im Gegen­satz zu sämt­li­chen Kri­ti­kern, Opern­ge­schicht­lern, ama­zon-Rezen­sen­ten und Homo­se­xu­el­len Maria Cal­las kei­nes­wegs für die unüber­hol­ba­re Ide­al­be­set­zung der Titel­fi­gur hal­te. Eher im Gegen­teil. Geht es in allen Puc­ci­ni-Wer­ken um Lie­be, Schmerz und Tod, so kommt in sei­ner Rom-Oper näm­lich als ent­schei­den­de Ingre­di­enz der Sex hin­zu, der gute Cava­ra­do­s­si und der bit­ter­bö­se Scar­pia müs­sen Flo­ria Tos­ca hem­mungs­los begeh­ren – doch eine irgend­wie ero­ti­sche Aus­strah­lung der Cal­las-Stim­me (wie der Cal­las über­haupt) will sich mir nicht erschlie­ßen. Nun gut, Scar­pia ist per­vers, aber was fän­de Cava­ra­do­s­si an die­ser Frau? Und wenn die Diva im berühm­ten „Tosca“-Video um den toten Poli­zei­chef her­um­stö­ckelt und die genia­le Spuk­mu­sik des Zwei­ten-Akt-Fina­les zerk­la­ckert, kann es einem schon erschei­nen, als sei der Tote in Wirk­lich­keit nur ihr in Ohn­macht gefal­le­ner Schuhverkäufer…

Über die „Tos­ca” selbst ist, wegen ihrer angeb­li­chen oder tat­säch­li­chen Blut­rüns­tig­keit und Kol­por­ta­ge­haf­tig­keit, wegen ihres Sadis­mus etc. so viel Unsinn geschrie­ben wor­den, dass ich hier nicht dar­auf ein­ge­hen kann und bei nähe­rem Inter­es­se auf mein Puc­ci­ni-Buch zu ver­wei­sen mich eitel gezwun­gen sehe. Ich set­ze die Kennt­nis vor­aus, dass das Te deum-Fina­le des ers­ten und das Bild des erwa­chen­den Rom zu Beginn des drit­ten Aktes zu den Groß- und Genieta­ten der Oper gehö­ren, dass die Auf­tritts­mu­sik der Pri­ma­don­na und das alles nie­der­wal­zen­de Scar­pia-Motiv eben­falls benei­dens­wer­te Ein­ge­bun­gen sind, dass „Tos­ca” drei kano­ni­sier­te Ari­en ent­hält, mit „E luce­van le stel­le” eine der schöns­ten und ergrei­fends­ten über­haupt (was wäre an Beet­ho­vens „Fidelio”-Kerkermusik wahr­haf­ti­ger?), dass die­ses Werk dra­ma­tur­gisch per­fekt gefügt ist und das Publi­kum vom ers­ten bis zum letz­ten Takt in sei­nen Bann schlägt.

Was er der Cal­las an ero­ti­scher Weib­lich­keit vor­ent­hielt, gewähr­te der Herr sehr groß­zü­gig Leon­ty­ne Pri­ce. Kara­jan diri­giert ful­mi­nant, Tad­dei ist ein veri­ta­bler Schur­ke, nur di Ste­fa­no hat den Zenit schon arg weit hin­ter sich.

Gia­co­mo Puc­ci­ni: Tos­ca; Her­bert v. Kara­jan; Leon­ty­ne Pri­ce, Giu­sep­pe di Ste­fa­no, Giu­sep­pe Tad­dei; Wie­ner Phil­har­mo­ni­ker (Dec­ca)

 

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