Philip Glass: Akhnaten

 

An der Musik des US-Ame­ri­ka­ners Phil­ip Glass schei­den sich die Geis­ter. Die einen mögen sie, die ande­ren hal­ten sie für uner­träg­lich. Ich kann jeden ver­ste­hen, der sie stumpf­sin­nig fin­det; vom geis­ti­gen Stand­punkt ist sie das. Frei­lich steht in Fra­ge, inwie­weit Musik etwas Geis­ti­ges ist – die­se Vor­stel­lung kennt ja ledig­lich das Abend­land, und dort wie­der­um nur ein klei­ner Kreis von Men­schen. Musik ist hör­bar gemach­te Zeit, und der Glass’sche Mini­ma­lis­mus mit sei­nen noto­ri­schen Wie­der­ho­lun­gen der­sel­ben, dann und wann leicht abge­wan­del­ten Ton­fol­gen ist eine per­ma­nen­te Medi­ta­ti­on über die­ses Faktum.

Vom Ägyp­ten der Pha­rao­nen wis­sen wir sehr viel und letzt­lich doch fast nichts. Zum Bei­spiel wis­sen wir nicht, wie die­se Welt geklun­gen hat und wie sich für den alten Ägyp­ter die Zeit anfühl­te. „Tief ist der Brun­nen der Ver­gan­gen­heit“ – mit die­sen Wor­ten beginnt Tho­mas Manns Josephs­ro­man, der uns in die Ära des Pha­ra­os Ameno­phis IV., der sich selbst Ech­na­ton nann­te, hin­ab­führt. Das Vor­spiel von Glass’ 1984 urauf­ge­führ­ter Oper „Akhn­aten“ ist ein zehn­mi­nü­ti­ger Sturz in die­sen Brun­nen, der Hörer fällt bei­na­he drei­ein­halb Jahr­tau­sen­de tief, bis in die Zeit des Ket­zer­kö­nigs und spi­ri­tu­el­len Roten Khmer, der nach sei­ner kur­zen Regie­rungs­zeit einer wie­der­um bei­na­he drei­ein­halb Jahr­tau­sen­de wäh­ren­den dam­na­tio memo­riae ver­fiel. Es geht hin­ab in Schich­ten der mensch­li­chen Gesit­tung und Zeit­auf­fas­sung, denen mit im Sin­ne der Wie­ner Klas­sik struk­tu­rier­ter Musik nicht bei­zu­kom­men ist. Glass’ Opus fin­giert kei­nes­wegs irgend­wel­che His­to­ri­zi­tät oder gar Authen­ti­zi­tät – obwohl eini­ge Pas­sa­gen in einem halb­wegs rekon­stru­ier­ten Alt­ägyp­tisch gesun­gen wer­den –, aber es macht die unge­heu­re zeit­li­che Fer­ne der Hand­lung spür­bar. „Akhn­aten“ ist eine Oper von so weit her wie kei­ne ande­re. Das Lie­bes­du­ett zwi­schen Ech­na­ton und Nofre­te (Coun­ter­te­nor und Alt) etwa, die­ser ver­zückt-ent­rück­te Zwie­ge­sang zwei­er der größ­ten Para­dies­vö­gel der Mensch­heits­ge­schich­te, doch, doch, so unge­fähr könn­te es geklun­gen haben…

Phil­ip Glass, Akhn­aten; Paul Ess­wood, Mila­gro Var­gas u.a.; Chor und Orches­ter der Oper Stutt­gart, Den­nis Rus­sel Davies (CBS)

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