Gab es Moses?

Jeder kennt den Gesetz­ge­ber der Bibel, doch die For­schung hat sei­ne His­to­ri­zi­tät längst ver­wor­fen. Gibt es trotz­dem einen geschicht­li­chen Men­schen hin­ter der Sagen­fi­gur? Oder war Moses nur eine lite­ra­ri­sche Fik­ti­on, die Isra­el auf den reli­giö­sen Son­der­weg füh­ren half?

Der Besuch im Hei­li­gen Land hat­te den deut­schen Außen­mi­nis­ter anschei­nend theo­lo­gisch enthu­si­as­miert. Als sei­ne Maschi­ne am 8. Febru­ar 1999 die Sinai-Halb­in­sel über­flog, eröff­ne­te Josch­ka Fischer den mit­rei­sen­den Jour­na­lis­ten mit erns­ter Mie­ne, dort unten habe einst der Dorn­busch gebrannt und Moses sei­nem Volk die Zehn Gebo­te verkündet.

Mit dem­sel­ben Recht frei­lich hät­te Fischer beim Über­flie­gen des hei­mi­schen Oden­walds dar­auf insis­tie­ren kön­nen, dass irgend­wo da unten noch der Speer des Hagen von Tron­je her­um­lie­gen müs­se, mit wel­chem der Fins­ter­ling wei­land den heh­ren Sieg­fried von Xan­ten hin­ter­rücks meuchelte.

Immer­hin gilt heut­zu­ta­ge unter Alter­tums­wis­sen­schaft­lern als aus­ge­macht, dass der Reli­gi­ons­stif­ter und Sinai-Wun­der­tä­ter nie exis­tiert hat – zumin­dest nicht in der Gestalt, in wel­cher die Bibel ihn prä­sen­tiert. Andert­halb Jahr­hun­der­te haben Archäo­lo­gen den ägyp­ti­schen Wüs­ten­sand durch­siebt und nicht die gerings­te Spur eines israe­li­schen Stam­mes gefun­den; eben­so erfolg­los ver­lief die Suche nach Indi­zi­en für die ver­meint­li­che Land­nah­me der Israe­li­ten unter Moses-Nach­fol­ger Josua.

Nie­mals, pos­tu­liert der däni­sche Alt­tes­ta­ment­ler Niels Peter Lem­che, habe ein Abra­ham gelebt, „eben­so wenig ein Isaak, ein Jakob. Nie hat es einen Exodus aus Ägyp­ten gege­ben, durch den das Volk Isra­el der Unter­drü­ckung Pha­ra­os ent­kom­men ist.“ Die Berich­te der Bibel, spöt­telt Lem­che, taug­ten als Quel­len zur Erfor­schung des Alter­tums unge­fähr so viel wie der „Roman ‚Ivan­hoe“ von Wal­ter Scott für die Rekon­struk­ti­on der Geschich­te Eng­lands im Mittelalter“.

Die Gelehr­ten dis­ku­tie­ren ledig­lich noch, wann genau die mosai­sche Reli­gi­on zur Welt kam – ein­hel­li­ge Mei­nung: nicht vor der baby­lo­ni­schen Gefan­gen­schaft der Juden (586–539 v. Chr.) – und ob der lite­ra­ri­schen Figur ihres Stif­ters irgend­ei­ne his­to­ri­sche Gestalt zu Grun­de liegt. So iden­ti­fi­ziert der Ber­li­ner Ägyp­to­lo­ge Rolf Krauss in einem soeben erschie­ne­nen Buch den ägyp­ti­schen Gegen-Pha­rao Amun-mase­sa, einen Enkel Ram­ses II., als des­sen his­to­ri­sches Vorbild.

„Jüdi­sche Sagen, die nicht in der Bibel ste­hen, geben eigent­lich mehr Auf­schluss über den Prin­zen Moses als das Alte Tes­ta­ment“, schreibt Krauss. Die­ser Sagen-Prinz ist ein ägyp­ti­scher Königs­sohn, der im Auf­trag des Pha­rao einen Feld­zug nach Kusch (Äthio­pi­en) unter­nimmt, dort als Regent lebt und schließ­lich mit Pha­rao in Streit gerät. Auf der Suche nach einer his­to­ri­schen Gestalt mit die­sen Lebens­da­ten – und einer gewis­sen Namens­ähn­lich­keit mit Moses – stieß Krauss auf den Ägyp­ter Mase-saja, der unter Pha­rao Merenptah Vize­kö­nig in Kusch wur­de, spä­ter gegen Sethos II., sei­nen Vater, rebel­lier­te und sich Amun-mase­sa nannte. 

In den Anna­len der tra­di­tio­nel­len Ägyp­to­lo­gie trägt Amun-mase­sa den Namen Amen­mes­se und übt eine flüch­ti­ge Königs­herr­schaft aus; Krauss zufol­ge war er nur ein Gegen-Pha­rao. Amun-mase­sa war zugleich Enkel und Uren­kel von Ram­ses II., gezeugt von Ram­ses-Enkel Sethos II. und der Ram­ses-Toch­ter Tachat. Der Stamm­baum des bibli­schen Moses ist eben­so unge­wöhn­lich: Er ist das Kind des Levi-Enkels Amram und der Levi-Toch­ter Joke­bed. Jeden­falls exis­tie­ren vie­le Par­al­le­len zwi­schen dem Sagen­prin­zen Moses und Amun-mase­sa: Bei­de sind unter Ram­ses II. gebo­ren, besit­zen Thron­an­spruch, füh­ren einen Feld­zug in Kusch, üben dort die Königs­herr­schaft aus und gera­ten in Thron­streit mit dem Vater/Pharao.

Im Kampf mit Sethos unter­lag Amun-mase­sa schließ­lich. Nach sei­ner Nie­der­la­ge kön­ne er, mut­maßt Krauss, mit sei­ner Gefolg­schaft Rich­tung Sinai geflo­hen sein. Mög­li­cher­wei­se hat der geschla­ge­ne Thron­räu­ber mit sei­nem Exodus klei­ne­re Völ­ker­schaf­ten mit sich geris­sen und so den Grund­stein für den spä­te­ren Mythos gelegt. Danach ver­lie­ren sich Amun-mase­sas Spu­ren – um Jahr­hun­der­te spä­ter lite­ra­risch ver­frem­det wie­der aufzutauchen? 

Immer­hin scheint die Kraft des alt­tes­ta­men­ta­ri­schen Exodus-Mythos unge­bro­chen. „Die Ver­fol­gung der Juden beginnt mit ihrer Skla­ve­rei in Ägyp­ten“, behaup­tet etwa die renom­mier­te US-Geschichts­pro­fes­so­rin Ger­da Ler­ner. In einer viel beach­te­ten Rede vor dem Deut­schen Bun­des­tag im Janu­ar 1996 refe­rier­te Isra­els Staats­prä­si­dent Ezer Weiz­man in der Ich-Form über das Schick­sal sei­nes Vol­kes: von den Wan­de­run­gen Abra­hams über den Aus­zug aus Ägyp­ten bis zur Juden­ver­fol­gung im Drit­ten Reich. Bei Rowohlt ist sogar eine Moses-Bio­gra­fie erhält­lich („Mit Selbst­zeug­nis­sen und Bild­do­ku­men­ten“), die neben quel­len­frei­er Wis­sen­schaft vor allem anti­ägyp­ti­sche Kli­schees ver­brei­tet und die ver­meint­li­che Skla­ve­rei der Israe­li­ten dort­selbst mit dem Nazi-Ter­ror ver­gleicht – Ägyp­ten hat seit dem Sie­ges­zug der Moses-Saga halt eine schlech­te Pres­se im Abendland.

Die Sto­ry, dass Moses irgend­wann am Ende des zwei­ten vor­christ­li­chen Jahr­tau­sends das Volk Isra­el aus der ägyp­ti­schen Knecht­schaft führ­te, mit Jah­wes Hil­fe das Meer teil­te, einen Pha­rao samt Armee ersäuf­te und am Sinai die Zehn Gebo­te in Emp­fang nahm, hat sich fest ein­ge­prägt ins kol­lek­ti­ve Bewusst­sein. Chris­ten­tum und Islam über­nah­men die Legen­de in ihre Heils­bot­schaf­ten und ver­hal­fen ihr zur Mas­sen­wirk­sam­keit, und bis heu­te behaup­tet sich der Mythos zäh gegen sei­ne wis­sen­schaft­li­che Dekonstruktion.

Dabei frag­te sich schon der Auf­klä­rer Vol­taire, wie es mög­lich sein soll­te, dass eine der­ar­ti­ge Häu­fung von Wun­dern in der nicht­bi­bli­schen Lite­ra­tur ganz ohne Wider­hall blieb. Selbst Hero­dot, der Vater der Geschichts­schrei­bung, weiß nichts von einem Volk mit einer sol­chen Vor­ge­schich­te, das zudem – in der anti­ken Welt eine höchst berich­tens­wer­te Kurio­si­tät – an einen exklu­siv nur ihm vor­be­hal­te­nen Gott glaubt.

Was das völ­li­ge Schwei­gen ägyp­ti­scher Quel­len angeht, lie­fert das Jeru­sa­le­mer Bibel-Lexi­kon (deutsch 1990) die denk­wür­di­ge Erklä­rung, der „für Ägyp­ten bla­ma­ble Aus­zug der israe­li­schen Skla­ven“ sei von den pha­rao­ni­schen Geschichts­schrei­bern nicht erwähnt wor­den, wie die­se „auch sonst Nie­der­la­gen Ägyp­tens zu ver­schwei­gen pfleg­ten“. Dazu will frei­lich nicht pas­sen, dass die Pha­rao­nen der 19. Dynas­tie (1293–1185 v. Chr.), unter deren Ägi­de nach tra­di­tio­nel­ler Auf­fas­sung der Exodus statt­ge­fun­den haben soll, mäch­ti­ge und krie­ge­ri­sche Herr­scher waren. Jean-Fran­çois Cham­pol­li­on, der Begrün­der der moder­nen Ägyp­to­lo­gie, mokier­te sich über die Vor­stel­lung, irgend­ein Wüs­ten­stamm sei im Stan­de gewe­sen, „das Zep­ter in eines Pha­ra­os Hand erzit­tern“ zu lassen.

Ein reich­li­ches Jahr­hun­dert nach Cham­pol­li­ons Tod steck­te Hol­ly­wood-Regis­seur Cecil B. DeMil­le Yul Bryn­ner als Ram­ses II. in ein Phan­ta­sie­kos­tüm und ließ Charl­ton Hes­ton als Moses so lan­ge Mätz­chen vor ihm machen, bis des Herr­schers Zep­ter zumin­dest auf der Lein­wand tat­säch­lich zit­ter­te. Nie­mand schien sich am evi­den­ten Miss­ver­hält­nis der Kräf­te der bei­den Par­tei­en zu sto­ßen; immer­hin stand ja Jah­we auf Sei­ten der meu­tern­den Sklaven.

DeMil­le hat­te sich für sei­ne Ver­fil­mung aus nahe lie­gen­den Grün­den den bekann­tes­ten aller Pha­rao­nen aus­ge­sucht. Den Gelehr­ten des 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts galt Ram­ses II. indes nur als „Pha­rao der Bedrü­ckung“; sie fol­ger­ten dies aus dem bibli­schen Bericht, dem­zu­fol­ge die Israe­li­ten beim Bau der Städ­te Pi-Ram­es­se (Haus des Ram­ses) und Pithom Fron­diens­te leis­ten muss­ten. (Pithom wur­de in Wirk­lich­keit erst unter Necho II. um das Jahr 600 v. Chr. erbaut.) Ram­ses’ Nach­fol­ger Merenptah wie­der­um kur­sier­te als „Pha­rao des Aus­zugs“. Ent­spre­chend bestürzt reagier­ten Bibel-Fun­da­men­ta­lis­ten, als 1882 die Mumi­en fast aller Herr­scher des Neu­en Reichs gefun­den wur­den, dar­un­ter auch die Merenptahs, des­sen Lei­che ja eigent­lich auf dem Mee­res­grund lie­gen sollte.

Von Archäo­lo­gie und Text­kri­tik zer­zaust, ver­lor die Hei­li­ge Schrift nach und nach ihre Repu­ta­ti­on als his­to­ri­sches Zeug­nis, und an Stel­le der bibli­schen Gestal­ten gerie­ten deren Erfin­der ins Blick­feld der For­schung. Dabei stell­te sich her­aus, dass die fünf Moses-Bücher kei­nes­wegs, wie ihre Stel­lung am Anfang des Alten Tes­ta­ments sug­ge­riert, des­sen ältes­te Tex­te sein konn­ten. Es ist ja ohne­hin merk­wür­dig, dass die abso­lu­te Zen­tral­fi­gur der jüdi­schen Reli­gi­on außer­halb der ihm zuge­schrie­be­nen Bücher in der Bibel kaum vor­kommt. Von den 16 Pro­phe­ten etwa ken­nen ihn nur fünf (Jesa­ja, Jere­mia, Dani­el, Micha, Malea­chi), und auch die erwäh­nen den Jah­we-Inti­mus ganz am Rande.

Auch in außer­bi­bli­schen Tex­ten taucht Moses erst sehr spät auf: erst­mals um 300 vor Chris­tus, ein Jahr­tau­send nach sei­nem angeb­li­chen Erden­wan­del. Ein run­des Dut­zend anti­ker Autoren, Juden, Grie­chen und Römer, kün­det in der Fol­ge­zeit von sei­nen Taten. Die Grie­chen zeich­nen ein blas­phe­mi­sches Bild, der Got­tes­mann figu­riert dort als Füh­rer von Aus­sät­zi­gen und maro­die­ren­den Asia­ten, die von den Ägyp­tern ver­trie­ben wer­den, weil sie deren Kul­te ver­höh­nen und Tem­pel zer­stö­ren. Die jüdi­schen Autoren dage­gen ver­herr­li­chen den Gesetz­ge­ber als Leh­rer der Menschheit.

Die Zeit von 200 vor bis 100 nach Chris­tus war in Paläs­ti­na und der jüdi­schen Mit­tel­meer-Dia­spo­ra eine Peri­ode reli­giö­ser Gärung; hier lagen Juden­tum und Hel­le­nis­mus im theo­lo­gi­schen Clinch, und auch die Sagen­ge­stalt des jüdi­schen Reli­gi­ons­stif­ters geriet zwi­schen die Fron­ten. Auf der einen Sei­te stand die geis­tig tole­ran­te Viel­göt­te­rei der Mit­tel­meer-Völ­ker mit ihrem nai­ven Bil­der­kult, auf der ande­ren der bild­lo­se, dog­ma­ti­sche Ein­gott Isra­els. „Bei ihnen ist alles unhei­lig, was bei uns hei­lig ist“, befand der römi­sche Geschichts­schrei­ber Taci­tus und wun­der­te sich, dass die Juden „alle ande­ren Men­schen wie Fein­de hassen“.

Der jüdi­sche Anspruch auf reli­giö­se Exklu­si­vi­tät – der Hei­del­ber­ger Ägyp­to­lo­ge Jan Ass­mann bezeich­net die­sen „neu­en Reli­gi­ons­typ“ als „Gegen-Reli­gi­on“ – rief bei den Grie­chen anti­jü­di­sche Refle­xe her­vor; dar­auf reagier­ten wie­der­um jüdi­sche Autoren wie Arta­pan oder Fla­vi­us Jose­phus mit apo­lo­ge­ti­schen Legen­den. Bei Arta­pan avan­ciert Moses zu einer Art ver­früh­tem Leo­nar­do da Vin­ci: „Er erfand die Schif­fe, Maschi­nen, um Stei­ne zu trans­por­tie­ren, die ägyp­ti­schen Waf­fen, Bewäs­se­rungs­an­la­gen, Kriegs­ge­rä­te und die Phi­lo­so­phie. Den Pries­tern wies er die gehei­lig­ten Zei­chen.“ Jose­phus ver­such­te nach­zu­wei­sen, dass die Juden das ältes­te Volk der Erde sei­en, und pries die Über­le­gen­heit der von Moses gestif­te­ten Reli­gi­on gegen­über den anti­ken Konkurrenz-Theologien.

Aus­sät­zi­gen-Füh­rer, Über­mensch: Bei­des sind Pro­pa­gan­da-Bil­der und haben mit His­to­ri­zi­tät nichts zu tun. So kommt Ass­mann zu dem para­dox anmu­ten­den Schluss, Moses sei „kei­ne Figur der Geschich­te, aber eine der Erin­ne­rung“. Die „mosai­sche Unter­schei­dung“, so Ass­mann, habe ihren lite­ra­ri­schen Aus­druck „in der Erzäh­lung vom Aus­zug der Kin­der Isra­els aus Ägyp­ten“ gefun­den. Ägyp­ten wur­de „zum Sym­bol des Aus­ge­grenz­ten, Ver­wor­fe­nen, reli­gi­ös Unwahren“.

Mit ande­ren Wor­ten: Der Exodus fand nicht um 1250 vor Chris­tus in der Rea­li­tät, son­dern knapp 1000 Jah­re spä­ter im Ideen­him­mel statt. Das Volk Isra­el ver­ließ nicht Ägyp­ten, son­dern die kos­mo­po­li­ti­sche und poly­the­is­ti­sche anti­ke Göt­ter­welt, um fort­an nur noch dem einen, ein­zig dem eige­nen Vol­ke vor­be­hal­te­nen Gott Jah­we zu huldigen.

Wer aber erfand die „Idee“ Moses?

Moses-Detek­tiv Krauss meint, dass ein ein­zel­ner Autor – der so genann­te Jah­wist – nicht nur der Ver­fas­ser der bibli­schen Moses-Geschich­ten, son­dern schlecht­hin ihr Erfin­der war. Er datiert das Leben die­ses „hoch­ta­len­tier­ten Schrift­stel­lers“ auf die Jah­re zwi­schen 480 und 420 vor Chris­tus; vor­her kön­ne von jüdi­schem Mono­the­is­mus kei­ne Rede sein. Zu die­ser Zeit waren die Per­ser die füh­ren­de Macht im Mit­tel­meer­raum, und der Ber­li­ner Ägyp­to­lo­ge ist sicher, dass deren Glau­bens­vor­stel­lun­gen das jüdi­sche Got­tes­ver­ständ­nis beein­fluss­ten: „Im alt­per­si­schen Vor­bild macht der Schöp­fer­gott kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den Völ­kern; hin­ge­gen ver­kün­det der Jah­wist die neue, die Juden begeis­tern­de Idee, dass der Welt­schöp­fer eine bestimm­te Nati­on bevorzugt.“

Die­ser Super-Autor habe die alt­ägyp­ti­sche Über­lie­fe­rung vom Gegen­kö­nig Amun-mase­sa als Schnei­der­pup­pe benutzt, um dar­auf sein Moses-Kleid zu desi­gnen; er habe dem Rebel­len eine hebräi­sche Abstam­mung ange­dich­tet (und sich dabei einer Aus­set­zungs­sa­ge bedient, die sich um den Per­ser­kö­nig Kyros rank­te). Der Rest sei erfun­den und weit in die Vor­zeit datiert. Für die aus dem baby­lo­ni­schen Zwangs-Exil zurück­ge­kehr­ten, aber wei­ter­hin unter Fremd­herr­schaft ste­hen­den Juden ging es damals um den „geis­ti­gen Erwerb der Ver­gan­gen­heit“, wie es der Alt­meis­ter der Bibel­kri­tik, Juli­us Well­hau­sen, for­mu­lier­te: um die Erschaf­fung – vul­go: Erfin­dung – einer iden­ti­täts­stif­ten­den Tradition.

Wenn Krauss recht behält, bleibt den From­men der Trost, dass zwar nicht Moses, aber immer­hin ein Mensch von ähn­li­chem reli­gi­ons­bild­ne­ri­schen For­mat gelebt hat: der Jahwist.

Erschie­nen in Focus 38/2001, S. 130 ff.

Nach­ge­druckt in „Jüdi­sche Kul­tur­büh­ne” (Novem­ber 2007) und, trotz beharr­li­cher Nach­stel­lung durch die Focus-Anwäl­te, auf meh­re­ren extre­mis­ti­schen Web­sites, zum Teil mit unge­kenn­zeich­ne­ten Ein­fü­gun­gen (Gesin­del!). Ver­bie­tet man es den einen, wächst der Hyd­ra­kopf anders­wo nach. Offen­kun­dig inter­es­sie­ren sich Neo­na­zis neu­er­dings fürs Alte Tes­ta­ment, und offen­kun­dig hal­ten man­che es für sen­sa­tio­nell neu, dass Moses womög­lich die gelob­te Immo­bi­lie Isra­el gar nicht von Gott per­sön­lich über­schrie­ben bekom­men hat.

 

Nach­trag vom 24. Okto­ber 2008: Inzwi­schen wür­de ich die zen­tra­le The­se die­ses Tex­tes nicht mehr ver­tre­ten, inzwi­schen geht mir der Posi­ti­vis­mus der Wis­sen­schaf­ten enorm auf den soge­nann­ten Keks, inzwi­schen glau­be ich folg­lich, dass jede mythisch über­lie­fer­te Gestalt his­to­ri­sche Vor­bil­der hat, inclu­si­ve Wotan, Hele­na, Eresch­ki­gal und Phö­bus Apol­lo. Mit einer unschlag­ba­ren Wen­dung Egon Frie­dells: Efeu wächst nicht auf nichts. Und ver­gli­chen mit von His­to­ri­kern ver­tre­te­nen The­sen wie jener, im ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg sei es um Skla­ven­be­frei­ung gegan­gen oder Sta­lin habe 1941 zu Frie­dens­si­che­rungs­zwe­cken die größ­te Armee aller Zei­ten an der deut­schen Ost­gren­ze auf­mar­schie­ren las­sen, hal­te ich die Fama, Jesus Chris­tus sei auf dem Meer gewan­delt, für nahe­zu wahrscheinlich. 

 

 

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