23. September 2022

Das Werk des Jür­gen Haber­mas wur­de in alle gro­ßen Welt­spra­chen über­setzt. Außer ins Deutsche.

Inso­fern ist die­se Über­schrift fast rührend.

Was der Doy­en des links­deut­schen Gou­ver­nan­ten­tums tat­säch­lich beklagt, ist ein Kon­troll­ver­lust. Der Dis­kurs wird ihm zu unüber­sicht­lich und zu herr­schafts­frei. Er sehnt sich nach der Zeit der Druck­plat­ten und der Gazet­ten zurück, als lin­ke Jour­na­lis­ten „Gate­kee­per” waren und bestim­men konn­ten, wor­über berich­tet wird und wor­über nicht, wer zu Wort kom­men darf und wer nicht, wel­che Ansich­ten zuläs­sig sind und wel­che unter­drückt wer­den müs­sen, nach den gol­de­nen Zei­ten, in denen er, St. Jür­gen, mit­ent­schei­den durf­te, wer zum dis­kur­si­ven Mah­le über­haupt zuge­las­sen wur­de, bevor­zugt über Intri­gen und Denun­zia­tio­nen. Nach den Zei­ten, in denen er und sei­nes­glei­chen eine Art Men­ta­li­täts­herr­schaft aus­üb­ten, und zwar mit der kurio­sen Behaup­tung, wenn sie nicht über Deutsch­land wach­ten, keh­re der Füh­rer wie­der. Mit einem Wort: nach der Zensur.

Natür­lich ist das Inter­net eine Klo­wand. Aber immer­hin – noch – eine halb­wegs unzen­sier­te Klowand.

***

Zu mei­nen gest­ri­gen Ein­las­sun­gen das Okto­ber­fest betref­fend bemerkt Leser ***:

„Vor­weg: Ich mag die Wiesn nicht. Ich war vor gut 15 Jah­ren zwei­mal da: zu laut, zu teu­er, zu ordi­när, zu besof­fen. Nichts für mich. Der Grund­ge­dan­ke, den Sie in Ihrem Tage­buch auf­grei­fen, stimmt des­we­gen trotz­dem. Sie stellt ‚in den Fest­zel­ten tem­po­rär jene klas­sen- und völ­ker­über­grei­fen­de Gleich­heit her’, die ein­ma­lig ist.

Ich habe eini­ge Jah­re in Mün­chen gear­bei­tet und dabei die Bier­gar­ten­kul­tur schät­zen gelernt. Da ich Ein­ge­bo­re­ne kann­te und mit die­sen arbei­te­te, bekam ich auch so machen Tipp, wo man hin­ge­hen kann und wo man bes­ser fern­blei­ben soll. Bei mei­nen Erleb­nis­sen im Bier­gar­ten kam ich zu dem Schluss, dass die­ser die ein­zi­ge Form des Sozia­lis­mus ist, die funktioniert.

Zum einen die Gleich­heit des Anse­hens. Man sitzt zusam­men und nicht getrennt nach Stand und Rang (wie z.B. im Wirts­haus). Inzwi­schen sitzt man zusam­men, egal wel­cher Haut­far­be, Natio­na­li­tät oder Reli­gi­on (bis auf eine natür­lich: viel­leicht passt der Islam auch des­halb nicht zu Deutsch­land, weil er nie Teil der Bier­gar­ten­kul­tur wer­den kann). Zum ande­ren die sozia­le Gerech­tig­keit: Wer sich ‚aus­wärts essen’ nicht leis­ten kann, bringt sei­ne Brot­zeit mit und ist doch ‚aus­wärts essen’. Ich habe Fami­li­en gese­hen, die mit zwei oder drei Kin­dern und ihrem Brot­zeit­korb kamen, und bestell­ten zwei Bier für Papa, ein Rad­ler für Mama und Limo für die Kin­der. An der fri­schen Luft, mit gutem Essen und Trin­ken für (rela­tiv) wenig Geld. ‚Essen gehen’ in einem Restau­rant hät­ten sich die­se Men­schen nicht leis­ten kön­nen. Aber den Biergarten!

Also: Ein Hoch auf die Wiesn (trotz allem), ein Hoch auf den Biergarten!”

 

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