In seiner Juniausgabe veröffentlichte das (zweimonatlich, also dieser Tage wieder) in Graz erscheinende Magazin Freilich ein Interview mit mir. Das Gespräch führte Konrad M. Weiß.
Herr Klonovsky, das Bild nächste Seite stammt (es handelt sich um das Foto aus meinem Wehrpass von 1986 – M.K.) aus der dahingegangenen DDR und zeigt Sie, etwas fülliger als heute, als Wehrpflichtigen in der Uniform der Nationalen Volksarmee; die Verpflegung dort scheint also ausreichend gewesen zu sein …
Wenn es stimmt, dass sich der Erfolg einer Spezies am Wachsen ihrer Biomasse messen lässt, dann hatte die DDR am Evolutionserfolg teil. Dieses Foto ist an einem der ersten Tage bei der NVA aufgenommen worden, man sieht also zivil gewachsenes Fett. Bei der Truppe habe ich dann abgenommen, viel Bewegung an frischer Luft und eine zwar reichliche, aber eher ungenießbare Kost erledigen das schon.
Und wie war es dort sonst?
Ich kann mich an keine Zeit meines Lebens erinnern, in der ich so viel gelacht hätte. Insofern müssten die 18 Monate bei der NVA die vergnüglichste Zeit meines Lebens gewesen sein. Man nahm als DDR-Insasse ja täglich an einer Groteske teil, und die Armee war gewissermaßen ein Extrakt dieser Groteske. Alles, was dieses Ländchen so bekloppt und das Leben darin zumindest für unsereinen so unersprießlich machte, gab es dort noch einmal in konzentrierter Form – ich meine das nicht pazifistisch, das Herumballern mit Kalaschnikow und Stalinorgel war schon ganz vergnüglich. Aber die eigentliche Aufgabe der NVA war nicht Landesverteidigung, sondern Bevölkerungsdressur. Ich lachte mich jeden Abend bei der Rekapitulation des täglichen Schwachsinns buchstäblich in den Schlaf. Das war eine Art Katharsis. Die anderen elf Insassen meiner Stube warteten schon darauf. Und natürlich war die Armee ein Bildungserlebnis ersten Ranges.
Später saßen sie an der Quelle, buchstäblich: als Gabelstaplerfahrer im zentralen Spirituosenlager der DDR …
Es war chronologisch andersherum: erst das Schnapslager, dann dessen Verteidigung gegen den Kapitalismus mit der Waffe. Erst die Kür, dann die Pflicht. Die Quelle war unrein, aber es gab nur diese.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass FREILICH auch in habituell trinkfreudigen Korporiertenkreisen gerne gelesen wird; ausgeschlossen also, dass Sie sich gleich wieder aus dem Schnapslager davonmachen, ohne eine kleine entsprechende Schnurre dazulassen!
Eine Schnurre. Der Betriebsdirektor, übrigens ein trockener Alkoholiker, stieß bei seiner Pirsch durchs Lager – es war riesig – auf einen Kollegen, der sich zwischen die Schnapspalettenberge zurückgezogen hatte und dort mit einer Flasche Likör am Hals stand, als beider Blicke sich trafen.
Langsam setzte der Ertappte die Flasche ab.
„Was soll ich bloß mit Ihnen machen (jetzt folgte der Name)?“
„Na drücken Sie ein Auge zu.“
„Ich kann bei Ihnen nicht schon wieder ein Auge zudrücken.“
„Na denn nich.“
Und schwupps hatte er die Flasche wieder am Hals und leerte sie ohne Hast, denn dass man ihn nach Hause schicken, ihm einen Verweis erteilen und den Tag samt Rechnung für die Flasche vom Lohn abziehen würde, war sowieso klar; da wäre es doch töricht gewesen, etwas übrig zu lassen.
Die Quantität war also nicht das Problem; ein nicht unbeträchtlicher Teil Ihrer Abneigung gegen die DDR speist sich vielmehr aus der Qualität von deren Kost: gastronomisch, aber auch was Bücher und Schallplatten anging …
O ja. Der Mensch sollte nur trinken, was ihm schmeckt, und er sollte nur aus einem einzigen Grund trinken: aus Begeisterung. Das war mit der Ost- Plörre nicht möglich. Der eklatante Mangel an Schönheit und an schönen Dingen gehörte zu den Kennzeichen des Realsozialismus, die Mädels natürlich ausgenommen. Aber wie man sich kleiden musste, wenn man kein Westgeld hatte, was man essen und trinken musste, wie die Städte aussahen, wie die Wohnungen und Restaurants eingerichtet waren, das war alles recht trostlos. Der gleiche Mangel herrschte bei den Büchern: Die Klassiker ausgenommen, war fast alles entweder direkt verboten oder eben nicht erhältlich, und von den DDR-Gegenwartsautoren konnten mindestens genauso viele nicht schreiben wie von denen heute.
Ihr „Land der Wunder” ist, schnöde verkürzt gesagt, ein autobiographischer Wenderoman, mit „davor“, „danach“, Ihrem charakteristischen Galgenhumor – und ist ein seltenes Lesevergnügen.
Unterschlagen Sie bitte nicht den gelegentlich aus dem Unterholz hervorbrechenden Sexismus!
Über den Protagonisten schreiben Sie im Prolog: „Schönbach hatte sich damit abgefunden, dass die Horizont-Imitate seines Heimatlandes mit Stacheldraht markiert waren, wie man sich irgendwann mit einer chronischen Krankheit abfindet: Er litt darunter, aber kämpfte nicht dagegen an“. Anders als Ihr alter ego im Buch wurden Sie auch nicht aus politischen Gründen von der Hochschule verwiesen – wie und womit haben Sie Ihre jungen Jahre in der DDR zu- bzw. herumgebracht? Anders gefragt: Wie kommt einer wie Sie in ein Schnapslager?
Ich habe bisweilen Schwierigkeiten damit zu verstehen, was ich vor einer Woche getan habe, und hier liegen fast 40 Jahre dazwischen. Die meisten Menschen arrangieren sich mit den Verhältnissen, in die sie hineingeraten sind, aber ein paar Querulanten gibt es immer. Ich wollte mir nach der marxistisch-leninistischen Propagandamast in der Schule – ich war in einer Russisch-Klasse, einer Auslese der Besseren, die Schüler dieser Klassen gingen nahezu komplett zum Studium – nicht auch noch den Gesinnungsterror an der Universität antun. Also ging ich auf den Bau. Im Grunde war das eine romantische Entscheidung. Hätte ich gewusst, dass die DDR eines Tages zusammenbrechen wird, hätte ich irgendein Orchideenfach studiert, klassische Philologie am besten, und abgewartet. Es wäre auch für den Kopf besser gewesen als der Weg ins Schnapslager. Im Gegensatz zur DDR, die immerhin eine Planwirtschaft hatte, besaß ich nie einen Plan.
Dann kam „die Wende“. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Ich wurde Ende 1988 Korrekturleser bei einer Blockparteizeitung namens „Der Morgen“ und schrieb auch ein paar Artikel über unverfängliche Themen für den Kulturteil. Als dann im Herbst 1989 das Regime seinen letzten Seufzer tat und das Unterste zuoberst gekehrt wurde, schlug die Stunde eines staatsfeindlichen Klugscheißers aus dem Korrektorat. Irgendwann 1990 erhielt ich meinen ersten Redakteursvertrag. Ich schrieb mir damals sozusagen die DDR vom Halse. Für unsere Recherchen über die Stasi und die SED-Justiz bekamen zwei Kollegen und ich 1991 diesen „Wächterpreis der Tagespresse”, den ich zuerst wegen des Namens für einen Karnevalspreis hielt. Kurz darauf machte Springer den „Morgen“ dicht, und die kalte Luft des freien Marktes umfächelte mich.
Es folgten Ihre Jahre beim „Focus“ im medialen „Mainstream“ der wiedervereinigten BRD, oder wollte bzw. konnte man diesen dort noch herausfordern, mit einiger Reichweite?
Was ich beim „Focus“ im Laufe der bestürzend vielen Jahre schreiben konnte, die ich dort verlümmelte, hätte ich in keinem anderen Mainstreamblatt veröffentlichen dürfen. Dafür hatte ich aber schnell meinen Ruf weg als der Rechte oder der „Hausdeutsche“, wie ein früher linker Verehrer schrieb, und wurde nirgends eingeladen. Ansonsten war „Focus“ zunächst vor allem Party – welches Blatt hat jemals in ein paar Jahren dermaßen viel Geld verdient? In den Hochzeiten waren die Hefte 400 Seiten dick, das kann sich heute niemand mehr vorstellen. Dafür konnte man gewisse intellektuelle Unzulänglichkeiten getrost in Kauf nehmen. Wie ich es dort so lange ausgehalten habe, ist mir inzwischen trotzdem rätselhaft. Mir ist überhaupt ziemlich vieles in meinem Leben rätselhaft, vor allem unter dem Aspekt der Verplemperung desselben.
Waren das aber immerhin, auch was das Land insgesamt angeht, die politisch freiesten Jahre Ihres Lebens?
Ja. Allerdings wurde mir nach der kurzen Euphorie, die dadurch entstand, dass ich plötzlich richtiges Geld einstecken hatte und gar nicht wenig davon, ziemlich schnell klar, dass dieses Westdeutschland mit Wohlstand einen schweren seelischen Knacks kaschierte. Der hing natürlich mit den Nazijahren zusammen. Deutschland ist ein Psychopath – ich meine das im umgangssprachlichen, nicht im klinischen Sinne. Also im Sinne einer Geisteskrankheit, die im Falle Deutschlands entschieden autoaggressiv ausfällt. Das war auch damals schon in den Debatten deutlich zu spüren. Ich habe mich oft gefragt, wann die ritualisierten Laubsägearbeiten am eigenen Ast in ein richtiges Amoksägen umschlagen würden. 2015 war es dann soweit.
War Ihr Bruch mit dem „Focus” diesbezüglich ein Menetekel? Wie kam es dazu?
Ich mag das nicht näher ausführen. „Focus“ ist mir heute so fern wie das Ostberliner Schnapslager.
Seit 2009 betreibt der „blogger-novelist“ („New York Times”) Michael Klonovsky mit seinen eigenen Worten den „Kleinen Eckladen“, auf klonovsky.de. Wir bitten um Zahlen, Daten, Fakten. Und wie kommen Ihre dortigen „Acta diurna“ zustande? Verabreichen Sie sich den ganz normalen Wahnsinn der bundesdeutschen Mainstreampresse und Sozialen Medien Tag für Tag? Hält man das lange unbeschadet durch?
Die „Acta“ haben bis zu eine Million Seitenabrufe im Monat, ich verfolge das nicht weiter, ich habe mit dem Lesen der Mails genug zu tun. Ein kleiner Eckladen eben, Mittelstand. Ihre Niederschrift hat für mich inzwischen etwas Physiologisches. Ich reinige mich coram publico von all dem, was ich glossiere.
Mein Exemplar von „Land der Wunder“ haben Sie mir jüngst „mit einem Gruß aus der Zukunft“ gewidmet. Warum?
Weil ich aus der Zukunft komme. Die Sozialisten sind ja wieder da. Sie haben nur 30 Jahre gebraucht, ich hätte nicht geglaubt, dass ich sie zweimal ertragen muss. Aus den Bolschewiken sind die Bolschewoken geworden – der Begriff stammt übrigens von einem „Acta“-Leser. Sie sind stärker denn je, denn sie haben sich mit den Milliardärssozialisten verbündet, deren Auftauchen übrigens schon Spengler prophezeit hat. Es ist die bizarrste Allianz seit jener zwischen dem Kaiserreich und Lenins Terrortruppe, sie wird nur weit länger halten, denn beide brauchen einander nicht für einen kurzen Krieg, sondern für eine lange Transformation. Was sie eint, ist die kulturelle Verachtung der nationalen Proletariatsreste, der Sesshaften, der Unterschichten, der einfachen Leute, die nichts anderes haben als ihre Heimat und ihre Familie. Diese Verachtung ist so stark, dass ein „Zeit“-Volontär in seiner von den Eltern finanzierten Ein-Zimmer-Wohnung meint, er gehöre zu den Globalisten, und sich stärker mit einem Multimilliardär wie Bill Gates identifiziert als mit dem biodeutschen Nachbarn, der weder gendert noch die Grünen wählt.
Soweit als Kenner der DDR, der als solcher freiheitsbedrohende Alarmsignale früher vernimmt. Welche Hebel bedrohen heute konkret die Freiheit des BRD-Otto-Normalbundesbürgers?
Das wäre ein Gegenstand für ein mehrtägiges Privatissimum. Es kommt ja von allen Seiten: aggressive Gesundheitskontrolle, Mobilitätseinschränkungen, Angriffe aufs Eigentum, Angriffe auf die Energieversorgung, Bargeldabschaffung, staatlich finanzierte Oppositionsbekämpfung, Kontrolle der privaten Energiebilanz mit Wohlverhaltenspunkten und Klimatoken, Umwandlung der Grundrechte in staatliche Konzessionen. Im Wesentlichen ist es die missbrauchte künstliche Intelligenz, die unsere Freiheitsreste bedroht. Also die Totalüberwachung. Das Einfallstor war die Corona-Pandemie, die sich im Nachhinein als nicht ganz so schrecklich erwiesen hat, wie man uns einreden wollte, und wie sich ebenfalls herausgestellt hat, kann es an der Impfung nicht gelegen haben. Aber die globalistische Klasse hat gesehen, was geht und wie leicht es geht, wenn man nur tagein, tagaus auf allen Kanälen Angst verbreitet. Zur Schande unseres armen Menschengeschlechts muss man feststellen, dass sich eine moderne Großstadt so leicht einschüchtern lässt wie ein mittelalterliches Dorf. Wenn sich, wie derzeit in China, der Widerstand der Gepeinigten, Hungernden und Verhungernden gegen den Staat regt, der unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung das Volk terrorisiert, ist es oft zu spät. Die angebliche Klimarettung wird die nächste Eskalationsstufe begründen. Und natürlich bedroht die fortgesetzte Migration von Transferempfängern und künftigen Gettobewohnern nicht nur den Wohlstand, sondern auch die Freiheit, denn in je mehr Segmente die Bevölkerung zerfällt, je mehr Gruppen ich gegeneinander ausspielen oder als Drohkollektive einsetzen kann, desto besser kann ich das Ganze beherrschen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit entsprechenden Urteilen der Abschaffung des deutschen Rechtsstaates den Weg bereitet.
Mit welchen Urteilen konkret?
Zunächst einmal gibt es Klagen, die das Bundesverfassungsgericht gar nicht erst annimmt, etwa die Organklage der AfD-Bundestagsfraktion gegen die unbegrenzte illegale Einwanderung aus dem Jahr 2018 oder mehr als 200 Verfassungsbeschwerden von Betroffenen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht in diesem Frühjahr. Dann fällt es Urteile, mit denen die Grundrechte schrittweise und durchaus systematisch ausgehebelt werden. Im Januar 2017 hat Karlsruhe den Menschenwürde-Grundsatz aus Artikel 1 GG von einem Schutzrecht des Bürgers gegen den Staat – das war ja die Lektion der Nazizeit – in eine Verhaltensanweisung des Staates an den Bürger umgedeutet, was vor allem Kritik an weiterer Masseneinwanderung unterbinden soll. Als deutscher Staatsbürger dürfen Sie nichts mehr sagen, was sich als Verletzung der Menschenwürde Nichtdeutscher interpretieren lässt, dann sind Ihre Grundrechte dahin und die Polizei wird zur Hausdurchsuchung vorstellig. Der krasseste Fall von Gesinnungs- und Umerziehungsjustiz war die sogenannte „Klima”-Entscheidung vom April 2021, mit der die Richter einen Blankoscheck für staatliche Repressalien gegen jegliches Verhalten ausgestellt haben, das künftig von der Regierung für klimaschädlich erklärt wird. Und dann wären da noch die „Corona”-Beschlüsse vom November 2021. Seither stehen den Bürgern die Grundrechte als Abwehr- und Anspruchsrechte gegenüber dem Staat nicht mehr kraft Verfassung zu, sondern werden nur noch staatlich gewährt. Alle diese Entscheidungen fallen in die Zeit nach der Etablierung des Merkel-Günstlings Stephan Harbarth zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.
Sie haben sich auf Ihrem Blog jahrelang, und oft mit Schaum vor dem Mund, an Angela Merkel abgearbeitet. „Es kommt nichts Besseres nach“ oder „es kommt nichts Schlimmeres nach“? Bedauern Sie, keinen intellektuell würdigeren Gegner gehabt zu haben?
Ich schreibe nicht mit Schaum vor dem Mund. Wohl aber gelegentlich mit Ekel. Der Grund für die vergleichsweise Beliebtheit der „Acta diurna“ dürfte darin bestehen, dass der Ekel dort ästhetisiert wird. Wie auch immer formuliert, mein Urteil über Merkel lautet: Dieses Verhängnis im Hosenanzug hat Deutschland so nachhaltigen Schaden zugefügt wie kein zweiter Politiker nach Satan. Andererseits: Wenn sie nicht, dann hätten es womöglich andere getan, das Personal dafür regiert schließlich gerade. Das Deprimierende am modernen Typus Politiker ist ja seine Austauschbarkeit, so dass sich Attentate erübrigen, weil sie nichts verändern würden. Wenn einer wie der andere ist, ist jeder entbehrlich, solange nur der Apparat weiterläuft. Auch der ohnehin rare Typus Politiker, der einen intellektuell würdigen Gegner abgäbe, wie Sie es nennen, existiert nicht mehr. Mir fällt zumindest keiner ein. Das Interessante an Merkel war immer nur die Frage, warum sie tut, was sie tut. Weil sie eine Rodeoreiterin ist, die um jeden Preis oben bleiben will und nichts außerdem? Weil sie als eine Tentakel des globalistischen Kraken agiert? Weil sie als spätes kleines Licht zu einer bereits von Andropow ins Leben gerufenen Gruppe gehörte, die den Sozialismus geordnet abwickeln und in den Westen überführen sollte? Weil sie also vom KGB aufs Gleis gesetzt wurde? Bis zum Ukraine-Krieg klang das irre, inzwischen wirkt es fast plausibel.
Freilich gibt es hier kein fast – bitte diese Plausibilität zu erläutern.
Nichts ist für das Funktionieren eines Landes wichtiger als die Energieversorgung. Wenn Länder Krieg gegeneinander führen, versuchen sie sofort, den Gegner von seinen Energiequellen abzuschneiden. Unter Merkel ist Deutschland schrittweise aus der Atomenergie und der Kohleverstromung ausgestiegen, während die Energieimporte aus Russland kontinuierlich anstiegen. Sie hat also die autarken Optionen geschwächt und uns von Russland abhängig gemacht. Das war eine von mehreren landesverräterischen Taten dieser Person. Donald Trump hat mehrfach vor den Folgen gewarnt, und nun haben wir den Salat. Deutschland wird ökonomisch zu den großen Verlierern dieses Krieges gehören.
Auch wenn man die Regierungsparteien der BRD betrachtet, scheint „Land der Wunder“ für den Laden insgesamt immer stimmiger. SPD und Grüne, einschließlich ihrer Wähler, plötzlich kriegsbegeistert und rüstungsgeil – wie war dieses Wunder so rasch und widerspruchslos möglich?
Es ist doch normal, dass sich Prostituierte den Wünschen ihrer Kundschaft fügen. Die Politik der Grünen wird verständlich, wenn man Annalena einfach als amerikanische oder globalistische Außenministerin Deutschlands betrachtet, wobei ich immer ganz verblüfft darüber bin, dass die Globalisten trotz ihrer enormen Mittel nichts Besseres gefunden haben als dieses Simpelchen. Bei den Sozis beobachte ich ein gewisses Lavieren und Verzögern, das ich keineswegs kritisch sehe – es ist ja nicht unser Krieg. Andererseits ist es seit dem 24. Februar völlig legitim, kriegsgeil gegen Putin zu sein.
Von der Ampel zur AfD, der „Schwefelpartei“, wie Sie es nennen. Nach dem „Focus“ waren Sie für Petry, de facto für Meuthen und so richtig für Gauland tätig. Sie haben damit für prägende, aber drastisch divergierende Exponenten der Partei gearbeitet. Wie geht das unter einen Hut? Und begegnet man unterwegs nicht dem einen oder anderen Gesslerhut?
Gesslerhüte gibt es in dem Verein nicht, aber persönliche Animositäten. Auch wenn es synchron geschah, habe ich mich doch in erster Linie einer Partei angedient, deren Existenz ich für dringend notwendig hielt, und danach einer Einzelperson, in diesem Fall Frau Petry. Zwei der drei Parteichefs, für die ich gearbeitet habe, gehören heute nicht mehr dazu. Daraus können Sie schließen, dass ich mich entweder für die Falschen entschieden habe oder politisch eine ziemliche Pfeife bin, was im Grunde auf dasselbe hinausläuft.
Für welche Strategie, welchen Stil und welche Ziele standen bzw. stehen diese drei?
Petry wollte allein herrschen, Meuthen die Radikalen loswerden, Gauland den Laden zusammenhalten. Die Tragik, aber auch die Komik der AfD liegt darin, dass sie im Grunde aus zwei Parteien besteht, aber jede Führungsfigur, die sich für eine der beiden Optionen entscheidet, sofort von der Basis entmachtet wird. Das ist so perfekt dysfunktional, dass unmöglich jemand direkt dafür verantwortlich sein kann. Es wäre nicht nur idiotisch, sondern auch humorlos, wenn die Haldenwang-Truppe durch noch mehr Stigmatisierung dieses Gleichgewicht in Richtung der Radikalen kippen würde.
Schwere innerparteiliche Divergenzen, in den alten Bundesländern eine Wahlniederlage nach der anderen. Die gerupften Westler klagen die zu „extreme“ Ost-AfD an, die Wähler vergrault; die drastisch erfolgreicheren Mitteldeutschen verbitten sich Handreichungen von Landesverbänden an der Wahrnehmungsschwelle. Ist ein Ende des Haders absehbar? Oder bloß ein neuerliches Absprengen der Minderheit? Oder, nachdem der Wähler nichts so sehr verabscheut wie innerparteilichen Hader, ein langsames Ende der AfD?
Nein. Ja. Ja. – Was soll ich mehr dazu sagen? Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai waren die Nichtwähler die mit Abstand stärkste Partei. Eine relative Mehrheit würde also gern anders wählen, aber die einzige Oppositionspartei ist für diese Leute nicht attraktiv. Zum einen, weil sie es wohl tatsächlich nicht ist, zum anderen, weil sie auf allen Kanälen maßlos verteufelt wird. Das hängt auch mit der Uneinigkeit zusammen – der Deutsche mag doch so gern den Konsens, die Baumschule und den Marschblock. Die AfD sollte nach meiner Ansicht einer Einerspitze haben, aber ich verrate Ihnen nicht, wen ich dort gern sähe, zumal ich ja nicht einmal Mitglied bin. Das wäre ein Anfang.
Sie haben bei der letzten Bundestagswahl den Sprung aus den Kulissen auf die Bühne gewagt und selbst kandidiert. Wie verlief die Adventüre, im Wahlkampf und dann an der Urne?
Meinen Enkeln werde ich einmal erzählen: Wisst ihr, dass ich damals, als es die BRD noch gab, für den Bundestag kandidiert habe? Ich habe an Wahlkampfmitteln fast 100.000 Euronen eingeworben und am Ende von den 39 Chemnitzer Wahlkreisen 33 geholt. Meine Wahlkampfslogans hießen: „Vertrauen Sie mir, ich bin kein Politiker“ und: „Die anderen Parteien wollen nur Ihr Geld. Ich will, dass Sie es behalten.“ Die Briefwahl hat mich erledigt. Der SPD-Kandidat hat am Ende gewonnen und dem Bundestag eine letzte Chance genommen, seinen Amüsementwert zu erhöhen.
Im Vorfeld gab es unfreundliches „friendly fire“, auch weil Sie früher geäußert hatten, die AfD solle potenzielle Wähler mit Migrationshintergrund nicht gänzlich ignorieren. Diese werden nun aber von allen anderen Parteien ins Land geholt, mit Transferleistungen bestochen und hofiert – geradezu Staatsräson der BRD. Wie könnte eine „Alternative“ für Deutschland es bleiben, wenn sie dabei mittut?
Ich würde selbstredend nicht um Migranten werben, die unsere Art zu leben per se ablehnen und hier nur Sozialhilfe abgreifen und sich ausbreiten wollen. Um alle anderen schon. Vor allem um diejenigen, die speziell die aktuelle westliche, ich sträube mich, Kultur zu sagen, ablehnen. Die meisten Einwanderer haben für die gehirngewaschenen Musterdeutschen, für ihre Welt der Selbstbezichtigung und der Wokeness, nur ein Kopfschütteln übrig. Sie legen Wert auf Familie, Eigentum, Tradition, Sicherheit und Privatsphäre. Sie sind immun gegen den deutschen Eskapismus, sie wollen nicht das Weltklima retten und ihre Kinder zwischen 33 Geschlechtern wählen lassen. Diese Leute stehen mir doch näher als die aggressiven biodeutschen Exoten aus der grünen Bundestagsfraktion, die heute als eine Art Virenprogramm das definieren, was Sie Staatsräson nennen.
Apropos Staatsräson: Verdammung des Nationalsozialismus, einverstanden – sie wird aber umso alarmistischer, je unwahrscheinlicher dessen „Wiedererstarken“ ist; Verdammung des Holocaust, einverstanden – der den Deutschen aber umso stärker um die Ohren gehauen wird, je länger er zurückliegt; Anti-Antisemitismus, einverstanden – aber dazu ein Zwangs-Philosemitismus, nebenbei die Blaupause für überschießende politische Korrektheit gegenüber jeder Minderheit. Lange Vorrede, jetzt aber: Wie wird ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen die politische Korrektheit, ein areligiöses Kind der DDR, zum Philosemiten?
Ich bin kein Philosemit – diese Rolle überlasse ich gern in die Jahre gekommenen Klezmer-Törinnen mit „Zeit“-Abo, die sich noch nicht zur Islamophilie durchgeläutert haben –, sondern Zionist.
Was ist der Unterschied?
Der Philosemit mag die toten Juden, der Zionist die lebenden. Wobei ich natürlich auch viele tote Juden liebe, mein Bücherregal ist voll von ihnen.
Zu Ihrem Bücherregal später. Zionist also. Selbe Vorrede wie oben – wie wird jemand mit Ihrem Hintergrund Zionist?
Wer Völker mag, muss dem beharrlichsten von allen – und, nebenbei, auch dem witzigsten – seine Reverenz erweisen.
Der Antisemitismus zählt also zu den wenigen der gängigen ‑ismus- Keulen, mit denen man Ihnen nicht kommen kann. Ist das nicht sehr angenehm, wenn man ausnahmsweise zu den Guten gehört? Umgekehrt: Wie lebt es sich auf Dauerkriegsfuß mit seiner Epoche, erst recht in einem Staat wie der BRD?
Das sind noch die Kriterien der alten BRD. Nachdem sich die Merkel-Junta als größte Antisemitenimportspedition zumindest der deutschen Geschichte verwirklicht hat, sind diese Kriterien ins Rutschen geraten. Die Schonzeit für Juden ist vorbei in Deutschland, in Frankreich sowieso. Linke Antizionisten, die Israel als „rechten“ Staat bekämpfen, haben sich längst mit radikalen Moslems verbündet, und auch von rechten Antisemiten vernehme ich erste Signale in diese Richtung. Sie wissen ja, was auf deutschen Straßen inzwischen so gebrüllt wird, ohne dass sich eine Nancy Faeser bemüßigt sieht, dagegen vorzugehen. Die Innenministerin muss schließlich gegen „rechts“ kämpfen und ihre linken Gesinnungskumpane mit Steuermillionen versorgen. Das ist alles so tiefenverlogen und widerlich – es ist ja nur ein Beispiel von vielen –, dass sich Ihre Frage nach dem Dauerkriegsfuß von selbst beantwortet. Es bleibt einem ekelgesteuerten Menschen wie mir ja gar keine Wahl.
In einem Land, das immer ungemütlicher wird, wenn man nicht zum Justemilieu zählt, sprechen Unangepasste immer öfter vom Auswandern. Nicht unbedingt nach Israel, das vor allem für Zionisten wie Sie die erste Wahl sein dürfte, aber generell. Was halten Sie davon?
Lassen Sie mich mit den letzten beiden Sätzen aus dem Roman „Sabbaths Theater“ von Philip Roth antworten: „Wohin sollte er gehen? Alles, was er hasste, war hier.“
Neben den Varianten Auswanderung und Widerstand ist häufig von einer Art Wagenburg die Rede, die auffallend oft in Ihrer alten Heimat Sachsen imaginiert wird. Sinngemäß: „Aufgabe“ der westdeutschen Großstädte, retten, was und wo es zu retten ist?
Wenn ich irgendeine Zukunftsprognose für plausibel halte, dann diese. Vielleicht in Verbindung mit einer Separation großer Teile Ost- und Südosteuropas. Andererseits wird die globalistische Klasse Städte wie Paris, Brüssel und Berlin nicht aufgeben. Dort werden sich die Menschen eben daran gewöhnen, so zu leben wie die Israelis in den Hochzeiten der Intifada, also dass überall Bewaffnete patrouillieren und jeder Supermarkteingang aussieht wie ein Gate am Flughafen. Um die Städte schließen sich die Gettos wie ein Belagerungsring – Paris ist dafür exemplarisch. Wer es sich leisten kann, wird drinnen aber ganz kommod und halbwegs geschützt leben, wahrscheinlich oft auf Staatskosten, also auf Rechnung anderer Leute. Und wer es sich nicht leisten kann, wird sich entweder in den schlechten Gegenden mit den importierten Unterklassen herumschlagen oder aufs Land ziehen müssen.
Bleibt viertens eine Art neues Biedermeier, ein Rückzug ins Private vor Ort, wo einem dann der Mainstream den Buckel runterrutschen kann. Kann das klappen mit dieser Art von Weltenflucht?
Zumindest temporär. Es gibt ja nur dieses eine Leben, und man muss sich nicht ganztägig mit den Idiotien herumärgern, die eine untergehende Hochkultur produziert. Zuviel Großes und Schönes ist geschaffen worden, als dass man sich nicht regelmäßig dorthin zurückziehen sollte.
Jetzt sind wir bei Ihrem Bücherregal, nehmen wir das Plattenregal gleich dazu. Welche Ihrer Schätze sind unentbehrlich? Was hat Sie geprägt und sollten junge Leute daher auf gar keinen Fall lesen oder hören, wenn Sie nicht so werden wollen wie Michael Klonovsky?
Ich mach‘s ganz kurz. Fürs Leben: Prousts „Recherche“ und den Josephsroman von Thomas Mann. Zum Schädelausspülen: Friedell, Chesterton, Henry Louis Mencken, Rudolf Borchardt. Unerlässlich: die französischen Moralisten. Tschechow. Der „Gattopardo“. Die „Odyssee“. Die größten Sprachmeister heißen Nabokov und Nietzsche. Das Krönungswerk der deutschen Lyrik ist der „West-östliche Divan“. Man darf nicht sterben, ohne die Meninas, die Hofzwerge und das Papstporträt des Velázquez, alle Gemälde von Vermeer und die Himmel von Claude Lorrain gesehen, ach was: durch die Augen eingeatmet zu haben. Und natürlich werden Sie ohne die Kenntnis großer Teile der Werke von Bach, Rameau, Couperin, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin und Richard Wagner als Kulturmensch nicht zu halten sein.
Von der Tageszeitung im Abendrot der DDR über das reichweitenstarke Wochenmagazin in der jungen wiedervereinigten BRD bis zu Ihrem schriftstellerischen Werk – Sie nährten sich stets von Druckerschwärze, wie Friedrich Torberg zu sagen pflegte. Welche Zukunftschancen geben Sie Gedrucktem, einschließlich Zeitschriften wie dieser?
Das sogenannte Rieplsche Mediengesetz behauptet, dass ein Medium, welches von neuen Medien verdrängt wird, nie vollständig verschwindet, sondern in einer Nischen- und Liebhaberexistenz fortdauert. Wir erleben zur Zeit eine gewisse Renaissance der Schallplatte, weil sie eben doch besser klingt als die massentauglich zurechtgestutzte CD oder Spotify. Auch ein Buch und eine gut gemachte Zeitschrift bieten einen sinnlichen, haptischen, sogar olfaktorischen Reiz, den das Tablet eben nicht erzeugen kann. Da es sich aber um Qualitätskriterien handelt und die Mehrheit der Menschen für so etwas kein Organ besitzt – was übrigens das schlagendste Argument gegen die Demokratie ist –, wird es wohl nur eine Zukunft an der Peripherie sein.
Vor Jahren geisterten Pläne von einer gedruckten rechten Tageszeitung durch die Szene. Wäre es trotz des digitalen Zeitgeists den Versuch noch wert? Oder zumindest digital? Bzw., wenn es nur um die Wirkungsmacht geht – was sehen Sie als das wichtigste Desiderat der zuletzt ja erblühenden nicht-linken Medienlandschaft? Was fehlt?
Geld. Viel Geld, weil die öffentlichen Lautsprecher sofort Werbeboykotte erzwängen. Aber die rechten deutschen Millionäre sind zu feige. Sie haben Angst vor den üblichen Denunziationen, die automatisch folgen würden. Ein Sender wäre aber weit besser als eine gedruckte Zeitung. Bei den Amerikanern funktioniert so etwas noch, dort lebt die Idee der Freiheit in robuster Form fort, wozu ich unbedingt auch den privaten Waffenbesitz zähle, und es gibt unter den Superreichen nicht nur woke Milliardärssozialisten wie Gates und Zuckerberg, sondern auch Republikaner-Unterstützer wie Musk und Thiel. Und immer noch richtet sich die Hoffnung der freien Völker Mittelerdes auf die Wiederwahl Donald Trumps.
Machen wir‘s zum Abschluss kurz: Sie sind ein großer Verehrer des Aphoristikers Nicolás Gómez Dávila, haben selbst mehrere Bände mit messerscharfen Aphorismen veröffentlicht. Erkenne die Lage! Welcher Aphorismus scheint Ihnen am geeignetsten?
Für nichts wirklich Wichtiges ist es je zu spät.