„Der letzte Gedanke der aussterbenden europäischen Völker gilt der Erhaltung bedrohter Tierarten.”
Johannes Gross
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Das vierte Flugzeug vom 11. September 2001 ist ein passables Gleichnis für die Situation Deutschlands heute: Das Cockpit wurde gekapert und verrammelt, die Maschine fliegt ins Verderben, die Passagiere fliegen als Geiseln nolens volens mit. Wobei diejenigen, die damals versucht haben, das Cockpit zu stürmen, in diesem Bild die AfD verkörpern.
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Es war nur ein kleiner Schritt für die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz, aber ein großer Schritt für Unseredemokratie in Richtung unsere Demokratur.
Was sie Trump oder Orbán vorwerfen, tun unsere Demokraten stattdessen selbst.
Leser ***, Jurist im Staatsdienst, schreibt: „Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erkennt in seinem Urteil vom 2. April 2025 im Organklageverfahren zwar die vom Bundesverfassungsgericht schon immer bejahte und herausgestellte verfassungsrechtliche Neutralitätspflicht der Exekutive gegenüber den politischen Parteien an, sieht aber Gründe dafür, daß von der rheinland-pfälzischen Landesregierung dagegen verstoßen werden darf.
Der Kernsatz auf S. 19/20 lautet:
‚Der Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit ist aber zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt.
a) Ein Ministerpräsident, der gemäß Art. 101 ff. LV als ranghöchstes Verfassungsorgan das Land nach außen repräsentiert, und auch die Landesregierung sind nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, für Grundsätze und Wertvorgaben der Verfassung einzutreten und sich zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit verfassungsfeindlichen Parteien zu befassen. Auf die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzielende Angriffe dürfen damit von diesen Amtsträgern innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs als solche benannt und die von den betreffenden Vorgängen ausgehenden Gefahren für die Bevölkerung hervorgehoben und verständlich erläutert werden (…). Ebenso sind die Amtsträger in diesem Fall befugt, konkrete Handlungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang aufzuzeigen sowie Empfehlungen und Warnungen auszusprechen.’
Zusammengefaßt darf die Exekutive in Form der von einer Partei gestellten Regierung damit die Demokratie gegen den angeblichen Angriff oder gar die angebliche Gefährdung durch eine andere Partei verteidigen, ohne daß dem ein Verfahren vorausgegangen wäre, in welchem die von der Exekutive aufgestellten Behauptungen auf dem gesetzlich dafür vorgesehenen Wege verbindlich festgestellt worden wären. Jedoch haben weder eine Landesregierung noch ein Landesverfassungsgericht die Befugnis und die Zuständigkeit, derartige Feststellungen über eine politische Partei zu treffen.
Der Grund dafür ist so simpel, daß ihn sogar die Berufs- und Ehrenamtsrichter eines Landesverfassungsgerichts wie das von Rheinland-Pfalz kennen und demnach auch respektieren müßten: Er liegt in dem vom Grundgesetz eingerichteten parteipolitischen Wettbewerbssystem, das nach der Idee des Verfassungsgebers die Erstarrung bestehender politischer Strukturen und die Transformation in ideologische Systeme verhindern und statt dessen die Abwahl verbrauchter Regierungen und damit personelle und politische Erneuerungen ermöglichen soll. Hingegen zementiert die Ausschaltung eines politischen Konkurrenten, vor allem der Opposition, die bestehenden personellen und strukturellen Verhältnisse.
Da den an der Regierung befindlichen Parteien im Gegensatz zum Mitbewerber der staatliche Machtapparat zur Verfügung steht, um den Konkurrenten auf mehr oder weniger subtile Weise zu diskriminieren und ins Zwielicht zu setzen, ohne daß dieser sich dagegen wehren kann, hat das Grundgesetz in Art. 21 eine klare Regelung für die einzig zulässige Vorgehensweise für den Fall getroffen, daß eine Partei tatsächlich und nicht nur den ständig wiederholten Behauptungen der Regierungsparteien zufolge verfassungswidrig wäre:
Das Argumentationsmuster des Gerichts gleicht der Rechtfertigungsschrift ‚Der Führer schützt das Recht’ von Carl Schmitt in der Deutsche(n) Juristen-Zeitung vom 1. August 1934, in welcher der Mord an SA-Leuten und Gegnern der Nationalsozialisten eine beispiellose Rechtfertigung erlangen sollte. Dies führte dann am 3. Juli 1934 zum „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr”. *
Damit liegt ein klarer Fall von Rechtsbeugung nach § 339 StGB zum Nachteil der antragstellenden AfD vor. Man erinnere sich an das bundesweit bekanntgewordene Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. August 2023 gegen einen Familienrichter des Amtsgerichts Weimar, dem die Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Zuständigkeit, damit er eine von ihm für materiell richtig gehaltene Entscheidung zugunsten einer Partei treffen konnte, vorgeworfen wurde.
Nach Rechtslage müßte nun die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz aktiv werden und bei sämtlichen beteiligten Richtern, sofern diese kein abweichendes Sondervotum abgegeben haben, den Anfangsverdacht nach § 152 StPO bejahen und Hausdurchsuchungen, wie sonst beim Verdacht von Meinungsdelikten üblich, durchführen. Zur Verhinderung von Absprachen wären auch Haftbefehle wegen Verdunkelungsgefahr geboten.
Mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs sind die Bundespartei AfD und deren Landesverband in ihrem aus Artikel 21 GG rührenden Recht auf Neutralität der Exekutive verletzt. Dieses Recht ist für das gesamte System des Grundgesetzes und des Staatswesens nur dann von Wert, wenn man es als einklagbares verfassungsverliehenes Recht der Parteien gleich einem Grundrecht im Sinne von Art. 93 (1) Zf. 4 a GG versteht. Für die Freiheit des Abgeordnetenmandats ist dies unstreitig.
Damit ist die AfD durch das Urteil des Verfassunsgerichtshofs in ihrem Grundrecht auf neutralen Umgang und Einhaltung der verfassungsgemäßen Zuständigkeiten verletzt und gegen dieses Urteil als Akt der öffentlichen Gewalt zum Bundesverfassungsgericht beschwerdebefugt. Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist.”
* Die im Aufsatz „Der Führer schützt das Recht” gelegten juristischen Fundamente für u.a. die Grenzöffnung bzw. ‑offenhaltung anno 2015 ff. unterschlägt der geschätzte Acta-Gastbeiträger, weshalb ich nochmals an sie erinnere: hiermit.




Gehen wir das mal stichpunktartig durch. Wohlhabendes, wenn nicht gar reiches Elternhaus, der Vater Industriemanager bei Vorwerk und Reemtsma (die Zigarettenbude mit einschlägiger, die Tochter gewisslich motivierender NS-Story). Studium in Frankfurt/M., an der London School of Economics sowie in Harvard (Papa hatte die Spendierhosen an), natürlich nichts Seriöses, sondern „Philosophie, Politik und Geschichte”. Abschluss als Magistra Artium bei Jürgen Habermas (die Gleise in den normativen Eskapismus und woken Wirklichkeitshass sind gelegt). „Ihre Magisterarbeit behandelt das Recht auf Widerstand” (aber nicht den gegen „unsere Werte”!). Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes (gemeint ist das Staatsvolk). Promotion bei bzw. durch Axel Honneth, dritte Generation Frankfurter Schule (nicht zu verwechseln mit dritter Generation RAF, die kommt noch).
Schrieb für den Spiegel („berichtete aus Krisengebieten”; die könnte sie als Berlinerin inzwischen mit der U‑Bahn besuchen, aber dafür studiert man ja nicht bei Habermas), die Zeit und den Süddeutschen Beobachter. Moderiert seit vielen Jahren das mit der Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltete „Diskussionsformat” Streitraum an der Berliner Schaubühne („Streit” ist hier im habermas’schen Sinne der Vorverständigung darüber, dass niemals die Falschen eingeladen werden, zu verstehen).
Natürlich grünennah. Natürlich Stipendien und Preise satt. Natürlich lesbisch; ihre Partnerin leitet das Berliner Künstlerprogramm des Deutschen akademischen Austauschdienstes (DAAD). Der DAAD ist eigentlich eine gute Sache, bedürfte aber inzwischen einer Ausmistung im Stile Elon Musks.
2007 schrieb Emcke einen Text namens „Stumme Gewalt”, in dem sie an ihren „Patenonkel” und Freund ihres Vaters erinnerte, den von der RAF (dritte Generation) am 30. November 1989 ermordeten Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen.
Die Schrottsammelstelle weiß dazu Folgendes mitzuteilen: „Emcke plädierte in der Veröffentlichung für einen gesellschaftlichen Dialog, an dem sich die Täter beteiligen sollten. Als Ersatz für die gescheiterte Aufklärung des Verbrechens im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schlug sie nach dem Vorbild der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika vor, durch ‚Freiheit gegen Aufklärung’ das Schweigen zu brechen: Den Tätern werde unter der Bedingung Amnestie gewährt, dass sie ein umfassendes Geständnis ablegten. Das impliziere beiderseits die Bereitschaft, auf Gewalt, Rache und Verachtung zu verzichten.”
Davon abgesehen, dass sie den Text, für den sie sogleich einen Preis erhielt – „Der Christ lebt mit der Bitte um Vergebung, der Sozialist mit der Bitte, man möge ihm einen Preis verleihen” (Don Nicolás) –, dass sie, sage ich, diesen Text nie geschrieben hätte, wenn sie das Opfer nicht persönlich gekannt hätte, davon desweiteren abgesehen, dass der Vorschlag, „beiderseits” auf Rache und Verachtung zu verzichten – die RAF auf Rache, die Angehörigen auf Verachtung? –, doch ein bisschen degoutant anmutet, würde ihr dergleichen im Falle rechtsextremer Mörder nie über die Lippen kommen. Sie würde ja nicht einmal eine Versöhnungskommission unter Beteiligung von infantilen Meinungsfreiheitsnihilisten befürworten. So etwas weiß, wenn auch sonst nicht viel, sich selbst immer im Recht.



Kein „Wir”.
