23. März 2025

Schreibt man ihn nun Weich­ei­wan­ger oder Weichai­wan­ger?

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Jemand sag­te: Kein halb­wegs frei­es Volk lässt sich für uto­pi­sche Zie­le sinn­lo­se Las­ten auf­bür­den, ohne zu rebel­lie­ren. In jedem nor­ma­len Land gehen die Men­schen auf die Stra­ße, wenn die Regie­rung ihren Besitz, ihre Lebens­wei­se und ihre Sicher­heit aufs Spiel setzt, und sie pro­tes­tie­ren und ran­da­lie­ren so lan­ge, bis die Regie­rung nach­gibt. Nur bei den Deut­schen ist das anders. Dort folgt zumin­dest eine Mehr­heit noch den absur­des­ten Regie­rungs­an­wei­sun­gen. Wenn die­se Leu­te mer­ken, dass es nicht funk­tio­niert, zie­hen sie dar­aus nicht etwa den Schluss, dass die Regie­rung ihnen unrea­lis­ti­sche Zie­le vor­gibt, son­dern viel­mehr den, dass sie ledig­lich ihre Anstren­gun­gen ver­dop­peln müs­sen, um die­se Zie­le doch zu erreichen.

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Der Modus der Landnahme.

Immer­hin dürf­te klar sein, wes­sen Sicher­heit bedroht ist und aus wel­cher Rich­tung die Gefahr dräut.

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Beim nach­fol­gen­den Ein­trag habe ich mich, scheint’s, unnö­ti­ger­wei­se in ein The­ma ver­rannt; ich las­se den Text jetzt ein­fach so ste­hen, wie er ist; die Leser lie­fern am Schluss ein paar Kor­rek­tu­ren. Also:

Recht unbe­merkt von der Öffent­lich­keit (und von mir) ist im Juni 2024 ein Aspekt des Staats­an­ge­hö­rig­keits­rechts geän­dert worden.

Es ist kei­ne Ent­las­sung aus der deut­schen Staats­bür­ger­schaft mehr mög­lich. Man kann sich sein Deutsch­sein also auch recht­lich nicht mehr vom Hal­se schaffen.

Ich stieß in einer Leser­zu­schrift an Danisch auf die­sen Hin­weis, kom­pri­miert in der Bemer­kung: „Die Schlin­ge zieht sich zu.” Klar drän­gen sich einem stracks Remi­nis­zen­zen an das DDR-Gra­vi­ta­ti­ons­sys­tem und die Reichs­flucht­steu­er der Natio­nal­so­zia­lis­ten auf. Da eine Rei­he von Staa­ten die Dop­pel­staats­bür­ger­schaft ver­bie­tet, redu­ziert das neue Gesetz offen­kun­dig die Zahl der Län­der, in die man für­der­hin als Deut­scher ein­wan­dern darf. Wenn ich mei­ne Staats­bür­ger­schaft behal­ten muss, kann ich folg­lich nicht mehr die däni­sche, öster­rei­chi­sche, nie­der­län­di­sche und womög­lich auch nicht die spa­ni­sche anneh­men (um nur in Euro­pa zu blei­ben)? Bekann­ter­ma­ßen schneit jedes Jahr nicht nur eine Groß­stadt über­wie­gend wenig gebil­de­ter, fest in ihrem Glau­ben und auch sonst gern ruhen­der Zeit­ge­nos­sen nach ’schland her­ein, son­dern eine ähn­li­che Zahl gut aus­ge­bil­de­ter Deut­scher ver­lässt gleich­zei­tig und durch­aus gegen­stre­big das Land für immer. Ist die Neu­re­ge­lung ein ers­ter Schritt, die­se Aus­wan­de­rung zu brem­sen? Zieht sich tat­säch­lich die Schlin­ge zu? Erle­ben wir eines mit­tel­fer­nen Tages die Wie­der­kehr eines Delikts namens „Repu­blik­flucht”?

Danisch spe­ku­liert auf Grün­de zwi­schen Wehr­pflicht, Steu­er­ein­trei­bung und Straf­ver­fol­gung; er schreibt: „Man dis­ku­tiert ja, die Grü­nen hat­ten das wohl zuerst vor­ge­schla­gen, die Steu­ern an die deut­sche Staats­bür­ger­schaft zu bin­den und nicht mehr nur an den Wohn- und Auf­ent­halts­ort, ähn­lich dem Ver­hal­ten der USA. Selbst wenn man ins Aus­land ver­schwin­det, soll man lebens­lang gegen­über Deutsch­land steu­er­pflich­tig blei­ben, ohne dem noch zu ent­kom­men. Eine Art Leib­ei­gen­schaft, damit man auch dann, wenn man selbst nicht mehr in Deutsch­land wohnt, für die Migran­ten in Deutsch­land zah­len muss.”

Ich weiß nicht, ob das mög­lich ist. Wie soll­te ein deut­sches Finanz­amt je erfah­ren, was jemand im Aus­land ver­dient, viel­leicht noch in Süd­ame­ri­ka oder Asi­en? Inner­halb der EU lie­ßen sich sol­che Nach­stel­lungs­plä­ne eher ver­wirk­li­chen; wenn es nach den Euro­kra­ten geht, ent­ste­hen hier ja die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Euro­pa (ohne die berüch­tig­ten bei­den Zusatz­ar­ti­kel zur all­fäl­li­gen Verfassung).

Mir kam spon­tan als ers­tes eben­falls ein Zusam­men­hang mit der Wehr­pflicht in den Sinn, die sich der­zeit bekannt­lich im All­par­tei­en­gespräch befin­det, weil Putin im Jahr 2029 oder 2030 in Bran­den­burg ein­mar­schie­ren wird, wahr­schein­lich über die See­lower Höhen. Nur: Wel­cher im Aus­land leben­de Ex-Deut­sche, der neben einer nun­mehr klet­ten­haft an ihm kle­ben­den deut­schen die, sagen wir, rus­si­sche, israe­li­sche oder thai­län­di­sche Staats­bür­ger­schaft besitzt, wür­de einem Ein­be­ru­fungs­be­fehl Fol­ge leis­ten und war­um? Aber mög­li­cher­wei­se könn­ten sie es inner­halb des EU-Raums so regeln, dass die Wehr­pflicht im Her­kunfts­land abge­leis­tet wer­den muss.

Eine ande­re und recht plau­si­ble Erklä­rung für die neue Rege­lung bestün­de dar­in, sie als Reak­ti­on auf die soge­nann­te Geheim­kon­fe­renz in Pots­dam zu inter­pre­tie­ren, wo rech­te Dun­kel­män­ner angeb­lich die Depor­ta­ti­on nicht hin­rei­chend inte­grier­ter Migran­ten dis­ku­tiert („geplant”) hat­ten. Dann müss­ten die Alt­par­tei­en­ver­tre­ter aller­dings ihre eige­nen Lügen glau­ben. Aber gut, das ist mög­lich. Gegen eine sol­che Deu­tung spricht aller­dings, dass die­se pikan­te Ände­rung des Staats­bür­ger­schafts­rechts über­haupt nicht publik gemacht wur­de. Wenn das Motiv der Regie­rungs­par­tei­en dar­in bestan­den hät­te, ihren aus­län­di­schen oder migra­ti­ons­hin­ter­grund­ver­edel­ten Wäh­lern zu signa­li­sie­ren: Seht her, nie­mand wird euch je eure deut­sche Staats­bür­ger­schaft weg­neh­men kön­nen, wenn ihr sie ein­mal errun­gen habt, auch kein teuf­li­scher Rechts­po­pu­list, dann hät­ten sie das doch über die Medi­en ver­brei­ten und via Tages­schau sen­den las­sen müssen.

Der­zeit ver­weh­ren fol­gen­de Staa­ten ihren Volks­ge­nos­sen eine Auf­ga­be der Staats­an­ge­hö­rig­keit: Afgha­ni­stan, Alge­ri­en, Ango­la, Argen­ti­ni­en, Bra­si­li­en, Boli­vi­en, Cos­ta Rica, Deutsch­land, Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik, Ecua­dor, Eri­trea, Gua­te­ma­la, Hon­du­ras, Iran, Kuba, Liba­non, Male­di­ven, Marok­ko, Mexi­ko, Nica­ra­gua, Nige­ria, Pana­ma, Syri­en, Thai­land, Tune­si­en und Uru­gu­ay. Wie man sieht, ist der Wer­te­wes­ten außer mit Deutsch­land nicht ver­tre­ten. Was ist also der Sinn?

Ich ver­mag es mir nur so aus­zu­ma­len, dass ein­ge­bür­ger­te Migran­ten jetzt wie mit Pat­tex an Deutsch­land kle­ben und auf der ande­ren Sei­te die Optio­nen des Aus­wan­derns all­mäh­lich ein­ge­schränkt wer­den sol­len. Nichts, was in Ber­lin und Brüs­sel der­zeit beschlos­sen wird, ver­grö­ßert irgend­ei­nen Frei­heits­raum für die Büger, noch stärkt es die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät der Völ­ker, vie­les aber ten­diert in Rich­tung Frei­heits­ein­schrän­kung und For­cie­rung der inne­ren Zer­falls­pro­zes­se. Also ist es bestimmt nicht falsch zu ver­mu­ten, dass sich – auch auf die­sem Gebiet – tat­säch­lich eine Schlin­ge zuzieht und es aus­wan­de­rungs­po­li­tisch in Rich­tung DDR geht. Und auch im geschichts­theo­lo­gi­schen Sin­ne ist die neue Rechts­la­ge bemer­kens­wert, näm­lich inso­fern, als eine Ent­las­sung aus der deut­schen Schuld- und Süh­ne­ge­mein­schaft fort­an nicht mehr mög­lich ist.

PS: Leser *** gibt Ent­war­nung und zitiert: „ ‚Man­gels Rechts­grund­la­ge ist eine Ent­las­sung nicht mehr mög­lich. Besteht der Staat, in den Sie sich ein­bür­gern las­sen wol­len, dar­auf, dass Sie die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit auf­ge­ben müs­sen, kön­nen Sie auf die deut­sche Staats­bür­ger­schaft verzichten. *

Ver­zicht. Wenn Sie neben der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit noch eine wei­te­re Staats­an­ge­hö­rig­keit besit­zen, kön­nen Sie durch schrift­li­che Erklä­rung Ihre deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit auf­ge­ben. Damit die Erklä­rung rechts­wirk­sam wird, bedarf es dazu der Geneh­mi­gung der Staats­an­ge­hö­rig­keits­be­hör­de (Ver­zichts­ur­kun­de)’.

Gilt immer noch.”
* und PPS: „Vor­aus­set­zung dafür ist, dass Sie die ande­re Staats­an­ge­hö­rig­keit jedoch schon besit­zen. Der Ver­zicht setzt eine bestehen­de Mehr­staa­tig­keit vor­aus.” Da beißt sich wohl die Kat­ze in den Schwanz.
PPPS: „Die Kat­ze beißt sich mit­nich­ten in den Schwanz. Die neue Staats­bür­ger­schaft ist ggf. auf­schie­bend bedingt durch den Ver­zicht auf die deut­sche. Juristenlogik.”
(Aber­mals Leser ***)
PPPPS: „Was die Sache mit der Staats­bür­ger­schaft betrifft”, ergänzt Leser ***, „da spe­ku­lie­ren der Leser von Danisch und Danisch selbst etwas sehr groß­zü­gig. Bis jetzt ist es so, dass jemand, der dau­er­haft aus Deutsch­land aus­wan­dert, nach eini­ger Zeit auto­ma­tisch die deut­sche Staats­bür­ger­schaft ver­liert, es sei denn, er stellt einen Antrag, sie bei­zu­be­hal­ten. Mög­li­cher­wei­se soll das geän­dert wer­den. Aus der deut­schen Staats­bür­ger­schaft konn­te übri­gens schon frü­her nur jemand ent­las­sen wer­den, wenn er dadurch nicht staa­ten­los wird – und die Ent­las­sung war nur in eng begrenz­ten Fäl­len mög­lich. Frei­wil­lig auf­ge­ben kann man die deut­sche Staats­bür­ger­schaft aber nach wie vor. Und was die Besteue­rung angeht – da gilt das Welt­ein­kom­mens­prin­zip. Wer sei­nen Lebens­mit­tel­punkt dau­er­haft in die Schweiz oder nach Pana­ma ver­la­gert, der wird dort steu­er­pflich­tig. Prak­tisch hät­te der deut­sche Staat dann auch kei­ne Mög­lich­keit, von ihm Steu­ern ein­zu­trei­ben. Etwas anders wäre es mög­li­cher­wei­se nach den Vor­stel­lun­gen der Grü­nen bei Weg­zü­gen inner­halb der EU.
Viel wich­ti­ger als das Staats­bür­ger­schafts­recht ist aller­dings die sog. Weg­zug­steu­er, die jetzt schon jeder zah­len muss, der eine GmbH in Deutsch­land besitzt und das Land ver­lässt. Das wird vom Fis­kus wie ein fik­ti­ver Ver­kauf der Fir­men­an­tei­le behan­delt. Der nächs­te logi­sche Schritt wäre, mit Immo­bi­li­en genau­so zu verfahren.”
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