24. Februar 2025

„Die Lie­be zum Volk ist eine aris­to­kra­ti­sche Berufung.
Der Demo­krat liebt es nur im Wahljahr.”
Nicolás Gómez Dávila

***

Alle die­se Wahl­jah­re wie­der stel­le ich fest, dass jener Teil der deut­schen Wäh­ler­schaft, der beharr­lich und ent­täuscht zwi­schen Uni­on und SPD oszil­liert – also von der Uni­on ent­täuscht SPD wählt, um dar­auf­hin von der SPD ent­täuscht zur Uni­ons­il­lu­si­on zurück­zu­keh­ren –, der sta­bi­li­täts­när­rischs­te und stur­heil­deut­sches­te ist. Augen­schein­lich befin­det sich die­ses Milieu im Schwin­den, an Köp­fen stellt es kei­ne Majo­ri­tät mehr, aber es genügt für die Lieb­lings­ko­ali­ti­on der Almans, die aus Grün­den der Tra­di­ti­on noch so genann­te GroKo.

Die hat für Merz natür­lich den Vor­teil, dass sein Koali­ti­ons­part­ner (schlech­tes­tes Wahl­er­geb­nis seit 1949) noch mehr abge­schmiert ist als die Uni­on (zweit­schlech­tes­tes) und sich mit For­de­run­gen eher zurück­hal­ten wird. Vor­zeig­ba­res Per­so­nal haben die Sozen außer Pis­to­ri­us sowie­so kei­nes, also zumin­dest kei­nes, das auf dem ers­ten Arbeits­markt ver­mit­tel­bar wäre. Die Grü­nen, eine von den meis­ten Jour­na­lis­ten und nahe­zu sämt­li­chen NGOs unter­stütz­te chi­li­as­ti­sche Welt­un­ter­gangs­sek­te, der lei­der­lei­der die trans­at­lan­ti­schen Auf­trag­ge­ber abhan­den gekom­men sind, waren die schwers­ten Pro­blem­bä­ren der Ampel, und die hat Merz jetzt nicht mehr am Hals.

Das heißt, die­se Regie­rung könn­te ziem­lich lan­ge und wird jeden­falls län­ger hal­ten als eine schwarz-rot-grü­ne. Statt Pro­b­le­mes­ka­la­ti­on also Pro­blem­ver­schlep­pung. Ago­nie­ver­zö­ge­rung mit Palliativpolitik.

Die Uni­on könn­te bei der Migra­ti­ons­fra­ge ein paar Sti­che machen und zumin­dest Lösungs­ver­su­che simu­lie­ren. Merz wird auch eini­ge der Fäden kap­pen, mit denen die Grü­nen den deut­schen Gul­li­ver wirt­schaft­lich gefes­selt haben, unge­fähr wie in Swifts Geschich­te, wo er ja einen Arm frei­be­kam; aller­dings darf man sich gera­de hier kei­ne Illu­si­on machen: Die Uni­on hat im Bun­des­tag und im Bun­des­rat dem Emis­si­ons­han­dels­ge­setz zuge­stimmt, das wegen der CO2-Besteue­rung sowohl Hei­zen als auch Auto­fah­ren enorm ver­teu­ern wird. Unter einer Gro­Ko-Regie­rung wird ’schland wei­ter das Kli­ma ret­ten! Selbst­ver­ständ­lich unter Beru­fung auf EU-Vor­ga­ben, wie sie das bei der Migra­ti­on oder der Netz­z­ensur eben­falls so fei­ge wie ver­gau­nert tun, denn natür­lich kann Deutsch­land jeder­zeit sagen: Da machen wir nicht mit.

Nach­dem der ADAC und ande­re Bran­chen­ver­bän­de vor stark stei­gen­den Prei­sen beim Tan­ken und Hei­zen ab 2027 warn­ten, tat ein Spre­cher des Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums das als „rei­ne Spe­ku­la­ti­on” ab. Das Emis­si­ons­han­dels­ge­setz wird den Durch­schnitts­haus­halt näm­lich im Jahr nicht mehr kos­ten als eine Kugel Eis. Solan­ge es über­haupt noch Eis gibt. Tusch!

Merz hat wirk­lich Glück, dass der Kelch Schwarz-Grün an ihm vor­über­gan­gen ist (sei­ne Uni­on ist grün­ver­sifft genug). Einen Finanz­mi­nis­ter Habeck muss er nun nicht ernen­nen, und auch ein Schnat­te­rin­chen aus dem Völ­ker­recht muss er nicht irgend­wo unter­brin­gen. Scholz wird wohl auch die Segel strei­chen, zumin­dest will er die Ver­ant­wor­tung für – was war es doch gleich? – auf sei­nen lich­ten Schei­tel laden. (Wäre ich König von ’schland, ich wür­de ihn zum Volks­kom­mis­sar für Erin­ne­rungs­kul­tur ernen­nen.) Eine nicht uner­heb­li­che Per­so­na­lie der Gro­Ko wird der Innen­mi­nis­ter sein. Wenn Merz Fae­ser im Amt lie­ße – was durch ihr mise­ra­bles Abschnei­den als Direkt­kan­di­da­tin (17,4 Pro­zent, der CDU-Kan­di­dat hat­te fast 40, sie zieht über die Lis­te ein) an Wahr­schein­lich­keit ver­liert –, wäre das einer­seits eine Kon­zes­si­on, mit der er sich in ande­ren Res­sorts ein biss­chen Spiel­raum ver­schaf­fen könn­te, ande­rer­seits ein fata­les Signal in Sachen Mei­nungs­frei­heit, also auch: Ärger mit den Amis. Man wird den Frie­de­rich nicht zuletzt an der Zahl der unter ihm statt­fin­den­den Haus­durch­su­chun­gen messen.

Das führt uns zum Schwach­kopf, der, ich wie­der­ho­le es, in Wirk­lich­keit nur ein Schmarr‑, Schwall- und Knall­kopf ist. Sei­nen mit inzwi­schen etwas wei­ner­li­chem Tre­mo­lo vor­ge­tra­ge­nen State­ments am Wahl­abend ent­nahm ich, dass er gern radi­ka­ler gewe­sen wäre (wie die Lin­ken), um mehr Stim­men ein­zu­sam­meln, das Radi­ka­le aber nicht sei­ne Natur sei, wel­che sich näm­lich inzwi­schen mit dem Minis­ter­amt qua­si amal­ga­miert habe. Tja.

(Aus der Rei­he: Schlecht geal­ter­te Schlagzeilen.)

Habeck ist übri­gens der­je­ni­ge deut­sche Poli­ti­ker, der eben noch in Rich­tung J. D. Van­ce irgend­was mit „It’s none of your busi­ness!” geraunzt hatte.

Gott, was wird mir der welt­klu­ge Schelm fehlen.

***

Gro­ße Koali­ti­on bedeu­tet auch, dass der Tau­rus-Merz zum Bun­des­wehr-Pis­to­ri­us fin­det und mit Herrn Kie­se­wet­ter der drit­te Kraft­kerl den Bund seg­nen wird. Mit ande­ren Wor­ten: Es könn­te ein Miau­en ertö­nen vom geo­po­li­ti­schen Katzentisch.

Rhe­to­risch haben die­se Herr­schaf­ten das Schick­sal Deutsch­lands mit jenem der Ukrai­ne ver­ket­tet. Selbst­ver­ständ­lich wer­den sie sich fügen, wenn die USA mit den Rus­sen einen Frie­den aus­han­deln. Dann besteht das deut­sche Schick­sal ledig­lich noch dar­in, den Wie­der­auf­bau bezah­len zu müs­sen. Was, opti­mis­tisch geschätzt, unge­fähr bedeu­tet: Jeder zwei­te bis drit­te Euro kommt an.

Manch­mal möch­te man die Amis um die­sen ver­dammt schö­nen und, ver­gli­chen mit dem Mare nos­trum, auch gera­de­zu waf­fen­brü­der­lich brei­ten Oze­an wirk­lich benei­den. Noch ganz jen­seits von „geo­po­li­ti­schem Tam­tam” (J. Habermas).

***

Apro­pos manch­mal und rhe­to­ri­sche Kriegs­lüs­tern­heit: Dass ich auf mei­ne mit­tel­al­ten Tage noch Sym­pa­thien für die Emma ent­wi­ckeln wür­de, hät­te ich auch nicht gedacht.

(Ist nicht mehr ganz brand­neu, war mir aber völ­lig entgangen.)

***

Die Schwar­zen tun so, als wären Höcke und der „Flü­gel” ein Koali­ti­ons­hin­der­nis. Dann aber erst recht die kryp­to­grü­nen Mer­ke­lia­ner Wüst und Gün­ther. Über­haupt müss­te sich die Uni­on ent­mer­keln, um mit Nicht­lin­ken koali­ti­ons­fä­hig zu wer­den, also auch den Atom­aus­stieg rück­gän­gig machen, nicht zuletzt aus geo­po­li­ti­schen Erwä­gun­gen, damit Deutsch­land in sei­ner Ener­gie­ver­sor­gung aut­ark und damit weni­ger erpress­bar wird. Wirt­schafts­po­li­tisch und migra­ti­ons­po­li­tisch könn­te man sich mit einer ent­mer­kel­ten CDU einigen.

Merz ward in sei­nen Aus­füh­run­gen am Wahl­abend indes nicht müde, die Schwe­fel­par­tei auf dem Schoß Putins zu ver­or­ten – als ob sie nicht mit zumin­dest einer Vier­tel­po­ba­cke auf jenem Trumps säße – und das zum eigent­li­chen Pri­märm­o­tiv der Brand­mau­er zu erklä­ren. Davon abge­se­hen, dass das nicht stimmt, wür­de mich inter­es­sie­ren, wie die­se Leu­te sich das Ende des Krie­ges vor­stel­len. Ein Sieg­frie­den, unter­zeich­net in einem Salon­wag­gon in Sewas­to­pol? Außer­dem wüss­te ich gern, auf wes­sen Schoß Gevat­ter Merz sich der­zeit wähnt. Uschi? Kama­la? Bil­ly­boy? Lar­ry Fink? Will er allen Erns­tes, dass die EU die Ukrai­ne wei­ter mit Waf­fen unter­stützt, wenn die USA sich aus dem Kon­flikt ver­ab­schie­det und zufäl­lig kei­nen Frie­den hin­be­kom­men haben?

***

Merz woll­te die AfD hal­bie­ren. Statt­des­sen teilt er ’schland. Die Brand­mau­er ent­spricht dem Ver­lauf des anti­fa­schis­ti­schen Schutzwalls.

Man kann es auch anders lesen: Ein Teil Deutsch­lands hat­te schon Sozia­lis­mus und pro­du­ziert jetzt auto­ma­tisch eine Immunreaktion.

***

Was pas­siert nun mit der Finan­zie­rung der lin­ken NGOs wie Cor­rec­tiv, Ama­deu Anto­nio-Stif­tung etc.? Sie wer­den wei­ter mit Steu­er­mi­teln ein­ge­fet­tet, dar­auf wird die SPD bestehen, und Merz wird alles tun, um sein Image als Brand­maue­rer zu fes­ti­gen, um wenigs­tens an die­ser sym­bo­li­schen Front die Medi­en hin­ter sich zu wis­sen. Das heißt, im meta­po­li­ti­schen Raum herr­schen die Grü­nen weiter.

***

Noch­mals die Fra­ge: Was pas­siert, wenn die AfD Humor zeigt und Merz als Kanz­ler wählt? Kanz­ler mit den Stim­men der AfD? Unver­zeih­lich…

***

Den Wahl­er­folg der SED will ich posi­tiv sehen: Dann haben die Blau­en die­se Kli­en­tel wenigs­tens nicht an der Backe.

***

Ist Ihnen ges­tern auch auf­ge­fal­len, dass in den Wahl­be­schwa­fel­run­den, nach­dem die sozu­sa­gen offi­zi­el­le been­det war, kein Ver­tre­ter der Schwe­fel­par­tei (20,8 Pro­zent) mehr auf­tauch­te, Grü­ne (11,6 Pro­zent, ca. acht Mil­li­ar­den Wer­be­etat) dort aber sehr wohl herumsaßen?

***

Der eigent­li­che Gewin­ner der Wahl war mein Jüngs­ter. Ich hat­te näm­lich, um sei­ne Auf­merk­sam­keit etwas mehr auf den Schul­stoff zu len­ken, den TV-Bild­schirm für sei­ne Play­sta­ti­on beschlag­nahmt, ihm aber aus Sen­ti­men­ta­li­tät ver­spro­chen, bei über 20 Pro­zent für die Oppo­si­ti­on bekom­me er ihn zurück.

***

„In Ihrem Ein­trag vom 21. Febru­ar erwäh­nen Sie die empö­ren­de CO2-Bud­ge­tie­rung die­ses unsäg­li­chen Pots­dam-Insti­tuts”, schreibt Leser ***. „Dazu woll­te ich Ihnen eine per­sön­li­che Erfah­rung mit­tei­len. Seit gerau­mer Zeit habe ich genau die­se Co2-Über­grif­fig­keit zum Lack­mus­test in Bewer­bungs­ge­sprä­chen gemacht, ob jemand in der Lage ist, selbst zu den­ken oder nicht. Ich fra­ge die Bewer­ber, ob Sie mei­nen, dass so eine Co2-Bud­ge­tie­rung nötig sei.
Das Ergeb­nis ist wahr­lich scho­ckie­rend: Bis­lang haben 100 Pro­zent der Gefrag­ten geant­wor­tet, ja, man benö­ti­ge so etwas (‚Wir müs­sen was tun’; ‚Frei­wil­lig geht es ja nicht’ …). Die Nach­fra­ge, was denn gesche­he, wenn das Co2-Bud­get voll ist, trifft dann auf Rat­lo­sig­keit, dar­über hat man sich noch kei­ne Gedan­ken gemacht. Zur Ein­ord­nung: Das sind schon Jobs, die ein hohes Maß an Reflek­ti­ons­fä­hig­keit und Bereit­schaft zu kon­trä­rem Den­ken erfor­dern. Den­noch neh­me ich 100 Pro­zent Kon­for­mi­tät und Kon­sen­streue wahr. Nie­mand hat bis­lang die Anstren­gung unter­nom­men, das The­ma eigen­stän­dig zu durchdenken.
Ich fürch­te, hier liegt eben lei­der der tra­gi­sche Wesens­kern des Deut­schen, das tief ver­wur­zel­te Unter­ta­nen­tum. Man hat sich in der Knecht­schaft ein­ge­rich­tet. Das völ­lig nai­ve, gut­gläu­bi­ge, unhin­ter­frag­te aber gleich­wohl voll­stän­dig unan­ge­brach­te Grund­ver­trau­en in die Over­lords macht es die­sen und ihrer Exper­ten­kas­te mit ihrem Gas­light­ing (Imp­fen, oder etwa jüngst z.B. die ifo-‚Studie’, dass mehr Zuwan­de­rung nicht zu mehr Kri­mi­na­li­tät füh­re) leicht. Die meis­ten ‚Indi­ge­nen’ fra­gen gar kein selbst­be­stimm­tes Leben in Frei­heit nach. Die­ses Grund­ver­trau­en ist sehr fest zemen­tiert. Und wir haben natür­lich das Pro­blem der kogni­ti­ven Dis­so­nanz, dass Men­schen ungern ein­räu­men, dass sie die gan­ze Zeit falsch lagen, wenn sie ihre bis­he­ri­gen Glau­bens­sät­ze hin­ter­fra­gen und kor­ri­gie­ren müs­sen, weil sie mit abwei­chen­den Fak­ten kon­fron­tiert sind. Dann ist es bes­ser, an Auf­mär­schen gegen die Wahr­heit teil­zu­neh­men, so ver­bleibt man in der Gewiss­heit der kor­rek­ten Hal­tung. Es erfolgt lei­der auch kei­ner­lei Lern- und Erkennt­nis­ge­winn aus his­to­ri­schen Erfah­run­gen, in denen sich die­ses blin­de Ver­trau­en in Staat und des­sen Exper­ten als – sagen wir – unvor­teil­haft erwie­sen hat. Die Lügen behal­ten stets die Ober­hand über ein mög­li­ches Hin­ter­fra­gen der Schafs­na­tur. Ein für die Nutz­nie­ßer seit Jahr­hun­der­ten bewähr­tes und lukra­ti­ves Geschäfts­mo­dell, bei­na­he schon ein Natur­ge­setz. Ein Natur­ge­setz scheint auch, dass in Deutsch­land die Gesin­nungs­ethik stets die Ober­hand behält gegen­über der Verantwortungsethik.
Es scheint daher hoff­nungs­los und sehr zwei­fel­haft, ob wir uns aus die­sen Dark Ages je befrei­en kön­nen. Wäh­rend in Ame­ri­ka wohl gera­de das ‚First Tur­ning’ nach Neil Howe & Strauss anbricht, ver­bleibt Euro­pa wohl im dau­er­haf­ten ‚Fourth Tur­ning’ der grü­nen Zerstörung.
P.S. Ich kom­me ursprüng­lich auch aus Karl-Marx-Stadt und kann Ihre Ein­drü­cke bestä­ti­gen. Mei­ne Eltern gehen z. B. auch schon lan­ge nicht mehr ins Kon­zert, weil sie eben nicht das Zusam­men­le­ben neu aus­han­deln möch­ten. Die Geschwin­dig­keit der Ver­wahr­lo­sung und Vers­lu­mung ist erschütternd.”
***
Leser *** hat ein „rieh-mäi­ke” des bekann­tes­ten Gedich­tes von Andre­as Gry­phi­us geschrie­ben, mit dem ich heu­te schlie­ßen möchte.
***
Na gut, den noch.
Vorheriger Beitrag

21. Februar 2025

Ebenfalls lesenswert

12. Oktober 2022

Ges­tern nach­mit­tag im ICE zwi­schen Ber­lin und Leip­zig wur­de einer Bekann­ten plötz­lich so übel, dass sie sich auf…

Zufälle gibt’s …

Sofern die­ser recht soli­de anmu­ten­de Herr nicht deli­riert, führ­ten eini­ge Erlauch­te aus dem Krei­se der übli­chen Play­er im…

2. Februar 2022

„Die ein­zi­ge Kir­che, der ich ange­hö­ren möch­te, ist die, die man im Dorf läßt.” Her­mann L. Grem­li­za, durch­aus selbstironisch…