24. Dezember 2024

Mei­ne kind­li­chen Erin­ne­run­gen an Weih­nach­ten ver­bin­den sich mit Geheim­nis­tue­rei und Vor­freu­de, mit Neu­gier, appe­tit­li­chen Gerü­chen und auch ein biss­chen Bam­mel vor dem Weih­nachts­mann, der einem ja so etwas wie eine ethi­sche Jah­res­bi­lanz abver­lang­te und Geschen­ke nicht nur brin­gen, son­dern auch ver­wei­gern konn­te. Über die­sem Fest lag immer ein beson­de­rer Glanz. Hei­lig Abend war unter den Fei­er­ta­gen unbe­strit­ten der Höhe­punkt des Jah­res. Da ich die ers­ten 28 Jah­re mei­nes Lebens im deut­schen Got­tes­staat der Athe­is­ten ver­brach­te, habe ich das Weih­nachts­fest als eine von ihrem christ­li­chen Inhalt weit­ge­hend ent­kern­te Ver­an­stal­tung ken­nen­ge­lernt. Dort galt das Chris­ten­tum als ein Relikt der Klas­sen­ge­sell­schaft, als etwas Rück­stän­di­ges, Rück­schlä­gi­ges, Über­hol­tes. Reli­gi­on war „das Opi­um des Vol­kes“, wie der jun­ge Karl Marx schrieb, der als Pro­du­zent des spä­ter nach ihm benann­ten Hero­ins die­se Kon­kur­renz natür­lich weg­bei­ßen wollte.

Aber Weih­nach­ten wur­de im sozia­lis­ti­schen Arbei­ter- und Bau­ern­staat unbe­irrt gefei­ert. Sogar bei den Hon­eckers. In mei­nem athe­is­ti­schen Eltern­haus war ganz selbst­ver­ständ­lich von „Hei­lig Abend“ die Rede. Mit der­sel­ben Selbst­ver­ständ­lich­keit kauf­ten sich auch SED-Bon­zen einen Weih­nachts­baum. Im DDR-Fern­se­hen lie­fen Weih­nachts­sen­dun­gen, in denen die klas­si­schen Weih­nachts­lie­der gesun­gen wur­den. Über­haupt war das Fern­seh­pro­gramm an den Fei­er­ta­gen fest­li­cher als sonst. Es wur­den noch kei­ne Action­fil­me gesen­det wie heu­te, „Stirb lang­sam“ zum Bei­spiel, was ja eher zum Kar­frei­tag passt. Am spä­ten Abend erklang immer das Weih­nachts­ora­to­ri­um. Auf den Plat­ten­spie­lern dreh­ten sich die Schei­ben mit Weih­nachts­lie­dern der berühm­ten DDR-Kna­ben­chö­re, Dresd­ner Kreuz­chor und Leip­zi­ger Tho­man­er. Die Real­so­zia­lis­ten woll­ten zwar so ziem­lich alles in der Gesell­schaft auf eine neue Grund­la­ge stel­len und von den bür­ger­li­chen Tra­di­tio­nen abkop­peln, doch Weih­nach­ten und Ostern tas­te­ten sie so wenig an wie die Fami­lie. Sie ver­such­ten ledig­lich, den christ­li­chen Inhalt die­ser Fes­te zu camou­flie­ren. Weih­nach­ten galt vor allem als das Fest der Fami­lie – was es ja auch ist. Die irdi­sche Fami­lie ist das Geheim­nis hin­ter der hei­li­gen Fami­lie, bemerk­te der eben zitier­te Herr Marx.

Da die Nacht des 24. Dezem­bers die längs­te Nacht des Jah­res ist (astro­no­misch sei es jene des 22., belehrt mich Leser ***), zün­den die Men­schen bekannt­lich Ker­zen an und hän­gen den Stern von Beth­le­hem in ihre Fens­ter. Die hei­li­ge Nacht ist eine illu­mi­nier­te Nacht. Die­ses Licht, das im alt­ger­ma­ni­schen Ritus die Win­ter­son­nen­wen­de ankün­digt, sym­bo­li­siert im Chris­ten­tum die Geburt des Erlö­sers, des Lich­tes der Welt. Im berühm­ten Weih­nachts­ka­pi­tel der „Bud­den­brooks“ zie­hen die Ange­hö­ri­gen der Lübe­cker Kauf­manns­fa­mi­lie, ihre Gäs­te und Bediens­te­ten am hei­li­gen Abend „mit geblen­de­ten Augen und einem Lächeln auf dem Gesicht durch die weit­ge­öff­ne­te hohe Flü­gel­tür direkt in den Him­mel ein“ – näm­lich in den Saal mit dem pracht­voll geschmück­ten Tan­nen­baum, unter dem die Krip­pe mit dem Jesus­kind steht, um die ver­teilt die phan­tas­tisch ver­pack­ten Geschen­ke lagern.

Streng­ge­nom­men stam­me ich aus dem Erz­ge­bir­ge, dem Land der Schwib­bö­gen, der Weih­nachts­py­ra­mi­den, der Räu­cher­männ­chen und der „geflü­gel­ten Jah­res­end­fi­gu­ren“, also prak­tisch aus der Hei­mat der Weihnachtsdekoration.

Jahr­hun­der­te­lang war Weih­nach­ten ein rund­um posi­tiv besetz­tes Ereig­nis. Seit eini­ger Zeit ändert sich das. So hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ein neu­es „Nar­ra­tiv” der Weih­nachts­ge­schich­te ver­brei­tet. Es scheint immer mehr Öffent­lich­keits­ar­bei­ter zu geben, die nicht in der Lage sind – oder es fin­gie­ren –, zwi­schen der tat­säch­li­chen Weih­nachts­ge­schich­te (Lukas 2,1 ff.) und der spä­te­ren Flucht nach Ägyp­ten (Mat­thä­us 2,13 ff.) zu unter­schei­den. Vom Aus­wär­ti­gen Amt über diver­se Schü­ler- und Lai­en­spiel­trup­pen bis in die Gebets­stu­ben des Süd­deut­schen Beob­ach­ters wird einer neu­en Les­art gepflo­gen, wel­che da lau­tet: Josef und Maria kamen als Flücht­lin­ge nach Beth­le­hem. Sogar Ratz­in­gers momen­ta­ner Stell­ver­tre­ter auf Erden, Fran­zis­kus, hat in einer Christ­met­te das Schick­sal von Flücht­lin­gen mit Mari­as und Josefs Rei­se nach Beth­le­hem ver­gli­chen, um von den Euro­pä­ern mehr Gast­freund­schaft zu for­dern. Also im Grun­de hat der Papst das­sel­be gesagt, was die Heim­su­chung aus der Ucker­mark gera­de in ihren „Erin­ne­run­gen“ geschrie­ben hat, als sie die schon län­ger hier Leben­den an deren „Bring­schuld” gegen­über den von ihr her­bei­ge­ru­fe­nen Migran­ten, ob nun mit oder ohne Flucht­grund, mit oder ohne Pass, mit oder, wenn auch sel­ten, ohne Recht­lei­tung, mit oder ohne Tätig­keits­wil­len, mit oder ohne Mes­ser, in gewohnt habi­tu­el­ler Stief­müt­ter­lich­keit ermahnte.

Die Umdeu­tung der Weih­nachts­ge­schich­te in ein Migra­ti­ons­schau­er­mär­chen fin­det schließ­lich als Begleit­pro­pa­gan­da der eth­nisch-kul­tu­rel­len Trans­for­ma­ti­on unse­res Lan­des statt.

Deutsch­land ist das böse Land, das Mil­lio­nen Migran­ten gna­den­los auf­nimmt und mit Mil­li­ar­den Euro­nen, Wohn­raum sowie gren­zen­lo­ser Nach­sicht gegen­über ein­ge­wan­der­ten Straf­tä­tern drang­sa­liert; es bestehen aber gute Aus­sich­ten, dass jenes Fei­er­kol­lek­tiv, wel­ches hier „alle” ein­schließt – der typisch deut­sche anti­mus­li­mi­sche Ras­sis­mus wirkt oft unter­be­wusst –, mit­tel­fris­tig nur noch eine Min­der­heit bildet.

Das Gleich­nis vom „paläs­ti­nen­si­schen Juden” Jesus ist wit­zig – es gibt ja streng­ge­nom­men nicht ein­mal Paläs­ti­nen­ser –, doch um es per­fekt zu machen, hät­te ich noch hin­zu­ge­fügt, dass er sei­ne Bot­schaft in Espe­ran­to verkündete.

PS: „Das jüdi­sche König­reich wur­de erst nach Nie­der­schla­gung des ers­ten Auf­stands, 70 n. Chr., zur römi­schen Pro­vinz, und erst nach dem zwei­ten Auf­stand 132 n Chr., rund hun­dert Jah­re nach Jesu Tod, in ‚Paläs­ti­na’ umbe­nannt. Jesus hät­te mit dem Begriff ‚plisht­im’ die (damals bereits ver­trie­be­nen oder jeden­falls nicht mehr exis­ten­ten) Phi­lis­ter bezeich­net. Das war im Hebräi­schen jener Zeit ein Syn­onym für Ein­dring­lin­ge. Wer ‚Paläs­ti­na’ zum dama­li­gen Judäa sagt, der muss auch ‚Aelia Capi­to­li­na’ statt Jeru­sa­lem sagen”, schreibt Leser ***, die­sen Pro­pa­gan­dis­ten einen ganz unver­dien­ten Ernst zollend.

Josef und Maria waren mit­tel­los? Das ist nicht bekannt. Sie fan­den bloß kei­ne Her­ber­ge. Josef war ein Hand­wer­ker, er hat­te also, im Gegen­satz zu den meis­ten Par­tei­freun­den von Genos­sin Kün­ast, einen Beruf gelernt. Sie „zogen” auch nicht „umher”, son­dern hat­ten ein fes­tes Ziel. Waren sie tat­säch­lich Flüchtlinge?

Die Weih­nachts­ge­schich­te weiß nichts davon. „In jenen Tagen ging ein Gebot aus vom Kai­ser Augus­tus, das gan­ze Reich auf­zu­neh­men. … Es ging aber auch Joseph hin­auf von Gali­läa aus der Stadt Naza­ret nach Judäa in die Stadt Davids, die Beth­le­hem heißt, weil er aus dem Hau­se und Geschlech­te Davids war, sich auf­neh­men zu las­sen mit Mari­am sei­ner Ver­lob­ten, wel­che schwan­ger war.“ Man kann Jesu Geburts­mär ledig­lich Fol­gen­des ent­neh­men: Ein jun­ges Paar will sich bei einer staat­lich ange­ord­ne­ten Volks­zäh­lung regis­trie­ren las­sen, obwohl das mit Unan­nehm­lich­kei­ten ver­bun­den ist, denn der weib­lich gele­se­ne Teil des Paa­res ist schwan­ger. Weil die Hotels, Hei­me und Anker­zen­tren über­füllt sind, kam­pie­ren bei­de in einem Stall. Nicht im Traum kommt das Paar auf die Idee, sei­ne Papie­re weg­zu­wer­fen und sich mit Falsch­an­ga­ben einen Schlaf­platz zu ergau­nern. Die bei­den bean­spru­chen nicht ein­mal Sach­leis­tun­gen. Da sie nur für eine Nacht in Beth­le­hem blei­ben müs­sen, bean­tra­gen sie auch kein Wohn­geld. Maria bringt ihr Kind schließ­lich im Stall zur Welt. Soweit die Weihnachtsgeschichte.

Die Flucht der Hei­li­gen Fami­lie nach Ägyp­ten ist eine spä­te­re Epi­so­de aus dem Leben Jesu. Details über ihren Auf­ent­halt am Nil sind nicht über­lie­fert. Die Flücht­lin­ge kehr­ten aber sofort in ihr siche­res Her­kunfts­land zurück, als Assad gestürzt, quatsch, als Hero­des gestor­ben war. Der Flucht­grund exis­tier­te ja nicht mehr. Kein Wun­der, dass die­se urchrist­lichs­te aller Fami­li­en den meis­ten aktu­el­len soge­nann­ten Flücht­lin­gen wenig vor­bild­haft erscheint.

Unse­re oft mit Steu­er­gel­dern finan­zier­ten Lai­en­pre­di­ger in den Medi­en nut­zen die schwin­den­de Bibel­fes­tig­keit der Almans, indem sie ihnen ein­zu­re­den ver­su­chen, der Hei­land sei ein Flücht­lings­kind gewe­sen, das gewis­ser­ma­ßen täg­lich in deut­schen Asy­lan­ten­hei­men wie­der­ge­bo­ren wird, oft sogar unter dem Namen des Sie­gels der Pro­phe­ten. Zeit­ge­nos­sen, die mit dem Chris­ten­tum unge­fähr soviel am Hut haben wie Anton Hof­rei­ter mit klas­si­scher Her­ren­mo­de, benut­zen eine zen­tra­le Geschich­te der Chris­ten­heit, um für die Ein­wan­de­rung von immer mehr Men­schen nach Euro­pa zu agi­tie­ren, in deren Län­dern Chris­ten ent­rech­tet und ver­folgt wer­den und von denen vie­le das hier gern fort­set­zen wol­len. Von der Peti­tes­se ganz abge­se­hen, dass das Per­so­nal der Weih­nachts­ge­schich­te kom­plett aus Juden besteht und die aktu­el­len soge­nann­ten Flücht­lin­ge aus der ara­bi­schen Welt ein äußerst heik­les Ver­hält­nis zu den Kin­dern Isra­els haben.

Sogar Bischö­fe tun bei die­sem Will­kom­mens­sab­bat mit, wie etwa der Kar­di­nal Woel­ki, der im Mai 2016 ein angeb­li­ches Flücht­lings­boot gefalls­süch­tig zum Altar weih­te, direkt vor dem Por­tal des Köl­ner Doms, genau dort, wo es fünf Mona­te zuvor an Sil­ves­ter zu gewis­sen Zwi­schen­fäl­len mit den Insas­sen sol­cher Boo­te gekom­men war und wo inzwi­schen Poli­zei dar­über wacht, dass nicht die Ver­tre­ter des ein­zig wah­ren Glau­bens im Viel­falt­s­tem­pel etwas kaputt machen oder Falsch­gläu­bi­ge aus der Welt mes­sern. Die Berich­te, dass recht­gläu­bi­ge „Flücht­lin­ge” christ­li­che Insas­sen sol­cher Boo­te bei der Über­fahrt ein­fach über Bord war­fen, sind dem Köl­ner Kapaun offen­bar gleich­gül­tig. Es han­del­te sich ja um Einzelfälle.

An die­ser Stel­le muss wohl die Fra­ge gestellt wer­den, wie es sich mit dem Gebot der christ­li­chen Nächs­ten­lie­be ver­hält und ob sich ein Chris­ten­mensch nicht gera­de am Geburts­tag des Hei­lands an die­se Mah­nung erin­nern und der Will­kom­mens­kul­tur öff­nen soll­te. Das mag sein, sofern sei­ne Nächs­ten­lie­be nicht miss­braucht wird. Es las­sen sich zum Bei­spiel aus kei­ner Zei­le der Evan­ge­li­en Grün­de dafür her­lei­ten, dass ein Land sei­nen alten Men­schen ihr Erspar­tes für deren Lebens­abend in Pfle­ge­hei­men weg­nimmt, aber Mil­li­ar­den Euro gegen­leis­tungs­lo­ses Bür­ger­geld an Migran­ten ver­teilt, die hier nie einen Cent in die Kas­sen ein­ge­zahlt haben.

Hal­ten wir jeden­falls fest: In der Weih­nachts­ge­schich­te gibt es kei­ne Flücht­lin­ge. Und unge­fähr jeder zwei­te, der dem Publi­kum so etwas ein­zu­re­den ver­sucht, will Deutsch­land in ein Sied­lungs­ge­biet ver­wan­deln, in dem Weih­nach­ten der­einst ein völ­lig mar­gi­na­li­sier­tes Fest sein wird. Wir leben inzwi­schen ohne­hin in einem Land, das sei­ne christ­li­che Prä­gung ver­leug­net oder voll­ends abwirft, ohne im Gegen­zug etwa lai­zis­tisch zu wer­den. Ein Land, in dem Behör­den Kreu­ze abhän­gen, Weih­nach­ten zum Lich­ter­fest down­ge­gra­det und das Sankt-Mar­tins-Fest in „Son­ne-Mond-und-Ster­ne-Fest“ umbe­nannt wird, in dem Kitas auf christ­li­che Sym­bo­le ver­zich­ten, damit Abdel­ka­rim und Fati­ma sich hier nicht aus­ge­grenzt füh­len, wäh­rend neben­an der aus­gren­zen­de Ruf des Muez­zins erklingt und vom Estab­lish­ment wohl­wol­lend begrüßt wird. Die­se Kul­tur­ver­leug­nung geschieht angeb­lich aus Grün­den der Kul­tur­sen­si­bi­li­tät. Die Fra­ge, war­um die Eltern von Abdel­ka­rim und Fati­ma in ein christ­li­ches Land ein­wan­dern, wenn sie sich von christ­li­chen Sym­bo­len und Bräu­chen aus­ge­grenzt füh­len, wäre gesi­chert frem­den­feind­lich. Zucker­fest und Rama­dan sind toll, die Medi­en und die kom­plet­te Bun­des­re­gie­rung spre­chen den Mos­lems jedes Jahr dazu ihre Glück­wün­sche aus, aber Ostern und Weih­nach­ten sind irgend­wie von ges­tern und voll pein­lich. Die Kul­tur­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, Clau­dia Roth, fin­det die Inschrift an der Kup­pel des Ber­li­ner Stadt­schlos­ses skan­da­lös, denn dort ste­hen Wor­te aus der Bibel, näm­lich: „Es ist in kei­nem andern Heil, ist auch kein ande­rer Name den Men­schen gege­ben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Got­tes des Vaters.“ Das ist im Duk­tus qua­si das­sel­be, was der Muez­zin ruft. Dage­gen hat Fräu­lein Roth übri­gens nichts.

Denn: „Ihr Leu­te der Schrift! Treibt es in eurer Reli­gi­on nicht zu weit und sagt gegen Allah nichts aus, als die Wahr­heit! Chris­tus Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesand­te Allahs (…). Dar­um glaubt an Allah und sei­ne Gesand­ten und sagt nicht von Allah, dass er in einem drei sei! Hört auf so etwas zu sagen! Das ist bes­ser für euch. Allah ist nur ein ein­zi­ger Allah. Geprie­sen sei er! Er ist dar­über erha­ben, ein Kind zu haben.” (Sure 4,Vers 171)

Ich weiß nicht, was schlim­mer ist: dass aus­ge­rech­net die­ses lus­ti­ge Per­son gewor­de­ne kul­tu­rel­le End­sta­di­um vor­na­mens Clau­dia als Kul­tur­be­auf­trag­te amtiert oder dass es im eins­ti­gen Land der Dich­ter und Den­ker so eine Funk­ti­on über­haupt gibt.

Wie auch immer, vie­le Laut­spre­cher des Zeit­geis­tes schei­nen es dar­auf abge­se­hen zu haben, den Deut­schen Weih­nach­ten madig zu machen, so wie sie ihnen auch Ostern, Sil­ves­ter oder das Okto­ber­fest madig machen wol­len, und eini­ge beson­ders expo­nier­te der unter ihrem Applaus zu uns geschnei­ten Okzi­den­to­pho­bi­ker prak­ti­zie­ren die Weih­nachts­kri­tik auf den – noch – gleich­na­mi­gen Märkten.

Oder wie soeben in Magdeburg.

Der Täter von Mag­de­burg mag ein exo­ti­scher Fall sein, aber er stammt aus dem Mor­gen­land und meu­chel­te Abend­län­der. Das ist eine Kon­stan­te, wes­halb Weih­nachts­märk­te mitt­ler­wei­le zwar nicht wirk­lich gut, aber bes­ser geschützt wer­den als die deut­schen Gren­zen. Die Weih­nachts­a­ver­si­on der Wort­füh­rer die­ses Lan­des ist ver­gleich­bar kon­stant, kos­tü­miert sich aller­dings jede Sai­son anders. Vor genau einem Jahr schrieb ich hier über das damals merk­wür­dig kon­zer­tier­te Stre­ben deut­scher Medi­en, das Christ­fest zu einer Art „Hart, aber fair”-Ableger zu degra­die­ren, indem man die jün­ge­re Gene­ra­ti­on auf­for­der­te, ras­sis­ti­sche Onkels und kli­ma­wan­del­leug­nen­de Opas zu iden­ti­fi­zie­ren und den jun­gen Leu­ten Rat­schlä­ge erteil­te, wie mit die­sen Stö­ren­frie­den umzu­ge­hen sei. Heu­er beschäf­ti­gen sich die­sel­ben Medi­en weni­ger mit dem Weih­nachts­ras­sis­mus, als viel­mehr mit dem „Degrowth unterm Nicht­baum”, wie Alex­an­der Wendt beob­ach­tet hat. Also mit Kon­sum­kri­tik. Das ist kein wirk­lich neu­es Phä­no­men; neu ist das Kli­ma­schutz­eti­kett, Weih­nach­ten als Koh­len­stoff­di­oxid­schleu­der. Zuvor hat­te man das Fest jah­re­lang damit zu dis­kre­di­tie­ren ver­sucht, indem man es als see­len­lo­se Kon­sum­or­gie dar­stell­te. Also prak­tisch als ein Hoch­amt des Kapi­ta­lis­mus. Was mich betrifft, ich fin­de Kon­sum gut. Ich schen­ke gern und las­se mich gern beschen­ken, spe­zi­ell wenn das Wein­gut und der Jahr­gang stim­men. Kei­nen Kapi­ta­lis­mus hat­te ich 28 Jah­re lang, das genügt mir fürs gan­ze Leben. Der Weih­nachts­kri­tik eines Kon­sum- oder Kapi­ta­lis­mus­ver­äch­ters wür­de ich erst mei­ne Auf­merk­sam­keit schen­ken, wenn er zuvor ein Stu­di­en­jahr in Vene­zue­la absol­viert hat.

Die­se Fest­ver­der­be­rei kommt ja fast aus­schließ­lich von Lin­ken. Von Leu­ten, die sich mora­lisch erha­ben und enorm fort­schritt­lich vor­kom­men. Das sind die­sel­ben Leu­te, die auch gen­dern, Mul­ti­kul­ti groß­ar­tig fin­den, den Weih­nachts­mann für einen Agen­ten des Patri­ar­chats hal­ten und in der Regel kin­der­los sind. Sie agi­tie­ren nicht nur gegen das Chris­ten­tum und die west­li­chen Tra­di­tio­nen, son­dern auch gegen die soge­nann­te tra­di­tio­nel­le Fami­lie. Wir sind in den letz­ten Jah­ren ja immer stär­ker mit soge­nann­ten alter­na­ti­ven For­men des Zusam­men­le­bens kon­fron­tiert wor­den. Gera­de an Weih­nach­ten ver­spü­ren unse­re Pro­gres­sis­ten offen­bar einen beson­ders star­ken Drang, den ande­ren ihr wokes Welt- und Fami­li­en­bild auf­zu­drän­geln bzw. den Anders­mei­nen­den ihres zu ver­mie­sen. Sie wol­len nicht, dass ein Volk sei­ne tra­di­tio­nel­len Fes­te fei­ert, son­dern dass es sie in Fra­ge stellt. Sie wol­len nicht, dass die Fami­lie die poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen über­brückt, son­dern dass die poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen die Fami­lie spalten.

Doch zu jedem Trend exis­tiert das Gegen-Meme.

Ich habe vor­hin Mar­xens Bemer­kung zitiert, die irdi­sche Fami­lie sei das Geheim­nis der hei­li­gen Fami­lie. Das war aber nur der hal­be Satz. „Nach­dem die irdi­sche Fami­lie als das Geheim­nis der hei­li­gen Fami­lie ent­deckt ist, muß nun ers­te­re selbst theo­re­tisch und prak­tisch ver­nich­tet wer­den”, heißt es in sei­ner vier­ten Feu­er­bach-The­se. Da die fami­liä­ren Struk­tu­ren – ich rede von bür­ger­li­chen Fami­li­en, nicht von Clans, wenn­gleich die fol­gen­de Aus­sa­ge auch auf Letz­te­re zutrifft – die kon­ser­va­tivs­ten, resis­ten­tes­ten, stör­rischs­ten, soli­da­rischs­ten und staats­ferns­ten aller gesell­schaft­li­chen Ingre­di­en­zi­en sind, ist und bleibt die Ver­ge­sell­schaf­tung der Fami­lie, die Her­aus­lö­sung der Kin­der aus der Tra­di­ti­on der Eltern, die Zer­stö­rung der inner­fa­mi­liä­ren Bin­dun­gen eine zen­tra­le poli­ti­sche Mis­si­on der Lin­ken. Des­halb ver­ach­ten lin­ke Ideo­lo­gen Weih­nach­ten, das Fest der Fami­lie und ein christ­li­ches obendrein.

In einem Land, in dem Weih­nachts­ab­leh­ner, ‑ver­äch­ter, ‑has­ser, ‑pho­bi­ker – neh­men Sie die Begrif­fe cum gra­no salis – das Wort füh­ren und immer mehr Weih­nachts­has­ser, ‑ver­äch­ter, ‑pho­bi­ker ein­wan­dern, bekommt das Weih­nachts­fest all­mäh­lich bei­na­he etwas Sub­ver­si­ves. Wenn­gleich die­se schein­ba­re Alli­anz an der Soll­bruch­stel­le Fami­lie zer­bre­chen wird.

***

Weih­nach­ten fei­ert die Chris­ten­heit die Geburt des Erlö­sers. Obwohl mein Glau­be an den Hei­land nicht sehr gefes­tigt ist, wenn auch womög­lich nicht ganz so wenig gefes­tigt wie der von Herrn Bedford-Strohm, neh­me ich an der Fei­er sei­ner Geburt inner­lich teil. Das Abend­land ist ein christ­li­cher Abdruck auf grie­chi­schen Lehm, schrieb mein Haus­hei­li­ger Nicolás Gómez Dávila. Das freie Indi­vi­du­um ist das Kind die­ser Ver­bin­dung. Kei­ne ande­re Kul­tur kennt es. Ohne die christ­li­che Idee der unsterb­li­chen und der Erlö­sung offe­nen See­le wäre es nicht zur Welt gekom­men. Kein Ein­fluss hat unse­ren Welt­teil stär­ker geprägt als das Chris­ten­tum. Als die katho­li­sche Kir­che gegrün­det wur­de, regier­ten noch die römi­schen Cäsa­ren. Fast zwei­tau­send Jah­re lang haben sich alle Dich­ter, Künst­ler, Phi­lo­so­phen und Gelehr­ten, über­haupt alle intel­li­gen­ten und gebil­de­ten Men­schen inner­halb der west­li­chen Kul­tur mit dem Gott der Bibel und sei­nem ein­ge­bo­re­nen Sohn in irgend­ei­ne Bezie­hung gesetzt, wobei es gleich­gül­tig ist, ob sie dies als Gläu­bi­ge, als Skep­ti­ker, als Kri­ti­ker, ja als Athe­is­ten taten: Sie ver­lie­ßen das Kraft­feld nicht. Ent­fern­te man alle Wer­ke, die aus dem Chris­ten­tum wuch­sen, alle Archi­tek­tur, alle Male­rei, alle Lite­ra­tur, alle Musik aus Euro­pa, was blie­be übrig? Sich aus die­sem Zusam­men­hang lösen zu wol­len, schrieb Nor­bert Bolz, wäre „geis­ti­ger Selbstmord”.

Indem wir das Weih­nachts­fest fei­ern, wie­der­ho­len wir ritu­ell das Grün­dungs­er­eig­nis der west­li­chen Kul­tur. Ich lie­be die­ses Fest und habe es immer geliebt. Mir wird ganz sen­ti­men­tal zumu­te, wenn ich durch die Stra­ßen gehe und die Lich­ter der Weih­nachts­bäu­me durch die Fens­ter strah­len sehe, und in man­chen Momen­ten emp­fin­de ich die unge­heu­re Hoff­nung, die auf die­sem Abend liegt. In jener Nacht wur­de also der wun­der­li­che Wan­der­pre­di­ger und Spuck­e­hei­ler (Mar­kus 8, 22–26) gebo­ren, der „Mensch­heits­rab­bi“, wie Tho­mas Mann ihn nann­te, ein sanf­ter und zugleich wohl äußerst cha­ris­ma­ti­scher Mensch, der in merkwürdigen Gleich­nis­sen rede­te, zugleich aber Sät­ze von majes­tä­ti­scher Grö­ße sprach wie: „Kommt zu mir, die ihr mühselig und bela­den seid“ oder „Him­mel und Erde wer­den ver­ge­hen, mei­ne Wor­te aber wer­den nicht ver­ge­hen.“ Der die dro­hen­de Stei­ni­gung einer Ehe­bre­che­rin mit dem unsterb­li­chen Satz unter­band: „Wer von euch ohne Sünde ist, der wer­fe den ers­ten Stein.“ Der sei­ne Jün­ger auf­for­der­te: Lie­bet eure Fein­de; seg­net, die euch flu­chen; tut wohl denen, die euch has­sen; bit­tet für die, die euch belei­di­gen und ver­fol­gen. Mag sein, dass in die­ser Nacht, deren Wie­der­ho­lung wir heu­te fin­gie­ren, so etwas wie ein Lächeln über die Welt ging.

Fei­ern Sie also unbe­irrt das Weih­nachts­fest, das Fest der Fami­lie, hin­ter der sich das Geheim­nis der Hei­li­gen Fami­lie ver­birgt, das Fest einer unge­heu­ren Hoffnung.

Ich wün­sche allen Besu­chern des Klei­nen Eck­la­dens fro­he Weihnachten!

 

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