7. Oktober 2024

Heu­te ist der Jah­res­tag des Hamas-Mas­sa­kers im Süden Isra­els, über des­sen Ver­gel­tung sich der­zeit die hal­be Welt und auch die Halb­welt empört.

In die­sem Kon­text fällt bis­wei­len auch der Begriff „Völ­ker­mord”. Mit Völ­ker­mord ken­nen wir Deut­schen uns bekann­ter­ma­ßen aus, Deut­sche haben nicht nur jenen an den Juden ver­übt, son­dern sogar den ers­ten des 20. Jahr­hun­derts bzw. über­haupt, an den Here­ro in Deutsch-Süd­west­afri­ka näm­lich, auch wenn die das damals nicht so emp­fan­den und spä­ter von Wei­ßen dar­über belehrt wer­den muss­ten, was ihnen wider­fah­ren war.

„Für vie­le der tra­di­ti­ons­be­wuss­ten alten Here­ro, die zum Teil noch mit ‚dabei gewe­sen’ waren, war der Krieg mit den Deut­schen nach ihrem Abzug von Hama­ka­ri und den Durst­trecks vom Sand­feld­rand zu Ende gegan­gen. Über einen Gene­ral von Tro­tha und einen Völ­ker­mord hat­ten sie erst zwei Gene­ra­tio­nen spä­ter von Rück­keh­rern oder Ein­wan­de­rern gehört, die im Aus­land die­se Geschichts­kennt­nis­se erwor­ben hat­ten”, notier­te Hin­rich R. Schnei­der-Water­berg, ein deutsch­stäm­mi­ger Far­mer, Poli­ti­ker und His­to­ri­ker aus Nami­bia. „Die mys­ti­fi­zie­ren­de Ver­wand­lung einer kom­ple­xen Rei­he von Abläu­fen, die eini­ge Her­ero­tra­di­tio­nen stolz als Sie­ge ver­kün­den, in ein Schreck­bild einer die Here­ro zer­mal­men­den, kalt­blü­ti­gen und super­tüch­ti­gen Arier­kriegs­ma­schi­ne muss einer gan­zen Gene­ra­ti­on unkri­ti­scher Wis­sen­schaft­ler und Schrift­stel­ler – vie­le von ihnen West­deut­sche – zur Last gelegt werden.”

Die His­to­ri­ke­rin Bri­git­te Lau, Lei­te­rin des nami­bi­schen Natio­nal­ar­chivs in Wind­hoek, erklär­te, sie habe auf einen Arti­kel, in dem sie ihre Sicht der Ereig­nis­se von 1904 dar­leg­te, zwei extre­me Arten von Reak­tio­nen erhal­ten. Die ers­te sei von Sei­ten der Here­ro gekom­men, „von Men­schen, die wirk­lich inter­es­siert und in zwei Fäl­len tief gerührt waren”. Dar­un­ter habe sich ein Brief von einem sehr alten Here­ro befun­den, „in dem die schreck­lichs­ten Details die­ser Flucht wie­der­ge­ge­ben wur­den: von Frau­en, die ihre Säug­lin­ge töte­ten, um ihren Män­nern die Milch ihrer Brüs­te zu über­las­sen, von Män­nern, die das Blut toter Rin­der tran­ken, von Men­schen, die selbst das Blut ande­rer Men­schen, die gera­de ver­hun­gert oder ver­durs­tet waren, nicht ver­schmäh­ten. Es war, als ob der Arti­kel bei nami­bi­schen Lesern Schleu­sen geöff­net hät­te. West­deut­sche Leser hin­ge­gen waren empört über die Anfech­tung der ‚wah­ren Leh­re’, die gewis­ser­ma­ßen auf dem Image des all­mäch­ti­gen deut­schen kai­ser­li­chen Mili­tärs beruh­te, das die Here­ro wie Unge­zie­fer ver­nich­tet habe.”

Aber wenn man eine Ent­schä­di­gung, wofür auch immer, so auf dem Sil­ber­ta­blett prä­sen­tiert bekommt, sagt man nicht Nein.

Kei­ne wei­te­ren Fra­gen, Euer Ehren.

Was den angeb­li­chen Völ­ker­mord in Nah­ost betrifft:

Ein Völ­ker­mord, dem nicht die Absicht zugrun­de­liegt, ein Volk zu mor­den, ist keiner.

PS: „Sie wis­sen sicher selbst”, schreibt Leser ***, „dass die hohe Repro­duk­ti­ons­ra­te eines Vol­kes nicht den Straf­tat­be­stand eines Völ­ker­mor­des nach UN-Defi­ni­ti­on abmil­dert. War­um also die­se wider­li­che Gegen­über­stel­lung? Ist die nur noch pein­li­che Nibe­lun­gen­treue gegen­über den Ver­bre­chen des zio­nis­ti­schen Regimes bei Kon­ser­va­ti­ven gene­tisch bedingt oder ist es schlicht ethi­sche Ver­kom­men­heit? Klä­ren sie mich auf!”

Ich über­ge­he die Invek­ti­ven und ver­wei­se, was die UN-Defi­ni­ti­on betrifft, auf mei­nen Ein­trag vom 8. Dezem­ber 2023. Nach den Kri­te­ri­en wäre sogar Samu­el Mahere­ros Befehl „Tötet alle Deut­schen!” ein Auf­ruf zum Völ­ker­mord gewe­sen. Die­se Defi­ni­ti­on ist schlicht unsinnig.

Zur Situa­ti­on in Gaza äuße­re ich mich nicht, einer­seits weil ich par­tei­isch bin, ande­rer­seits weil ich noch weiß, was eine Tra­gö­die ist.

Es geht um Kriegs­ver­bre­chen. Nicht um Völkermord.

***

Übri­gens.

(Link)

PS: „Wer­ter Herr Klo­novs­ky, mit 14 Jah­ren Kapo? Ich traue Herrn Sor­os eini­ges zu, aber soweit ich mich an mei­ne Jugend­zeit erin­ne­re, haben selbst die Ver­we­gens­ten unter uns in dem Alter höchs­tens einen Kau­gum­mi­au­to­ma­ten erbrochen.”

PPS: Leser schickt mir „einen Screen­shot zum The­ma, mehr als Kau­gum­mi­au­to­ma­ten kna­cken könn­ten Vier­zehn­jäh­ri­ge nicht. Was Herr Sor­os mit 14 Jah­ren gemacht hat, weiß ich aller­dings nicht, und even­tu­ell hat sich die Jugend seit­her ein­fach auch weiterentwickelt.”

Aber wahr­schein­lich ist das mit dem Kapo nur meta­pho­risch gemeint.

***

Der MDR macht sich tief­schür­fen­de Gedan­ken zu einer Peti­tes­se aus der Rassenlehre.

Der ursprüng­li­che Titel, der geän­dert wur­de, „um Pau­scha­li­sie­run­gen und Indif­fe­ren­zie­run­gen aus­zu­schlie­ßen”, wie der Sen­der stein­mei­ert (Stein­mei­ern: Form der unei­gent­li­chen Rede, aber stets uniro­nisch; Ver­ant­wor­tungs­ver­kleis­te­rung; habi­tu­el­le Wei­ge­rung, jemals Ross und Rei­ter zu nen­nen), der ursprüng­li­che Titel also war jener:

Da fehl­te womög­lich ein „immer noch”. Ansons­ten hat der Redak­teur (m/w/d), dem das „man­che” erst ins und dann aus dem Gedan­ken­fach rausch­te, den Böh­mer­mann beim nächs­ten Rund­funk­staats­preis prak­tisch jetzt schon geschlagen.

Tusch!

***

Es zeigt sich immer mehr, dass die Wah­len in den USA im Novem­ber auf eine Ent­schei­dung zwi­schen Frei­heit und Unter­drü­ckung, zwi­schen Krieg und Frie­den, zwi­schen Engeln und Teu­feln hinauslaufen.

Wer wür­de sich bei­spiels­wei­se nicht gern von die­ser sym­pa­thi­schen, ver­trau­ens­er­hei­schen­den, auch spi­ri­tu­ell inspi­rie­ren­den Lady bei allen sei­nen öffent­li­chen Äuße­run­gen recht­lei­ten (vul­go: kon­trol­lie­ren) lassen?

Der Kon­troll­ver­lust durch free speech scheint ein ende­mi­sches Pro­blem zu sein.

Vor dem Welt­wirt­schafts­fo­rum in Davos sag­te der Poli­ti­ker der Demo­kra­ti­schen Par­tei, ehe­ma­li­ge Außen­mi­nis­ter und Bera­ter der Biden-Regierung:

“You know, there’s a lot of dis­cus­sion now about how you curb tho­se enti­ties in order to gua­ran­tee that you’re going to have some accoun­ta­bi­li­ty on facts, etc. But look, if peo­p­le only go to one source, and the source they go to is sick, and, you know, has an agen­da, and they’re put­ting out dis­in­for­ma­ti­on, our First Amend­ment stands as a major block to be able to just, you know, ham­mer it out of exis­tence. (…) So what we need is to win the ground, win the right to govern, by hop­eful­ly win­ning enough votes that you’re free to be able to imple­ment change.”

In Ger­man, aber ohne das wie­der­hol­te you know (der gan­ze Saal saß ja vol­ler Weknows): „Es wird der­zeit viel dar­über dis­ku­tiert, wie man die­se Unter­neh­men ein­dämmt (Es geht um die sozia­len Medi­en – M.K.), um sicher­zu­stel­len, dass es eine gewis­se Rechen­schafts­pflicht für Fak­ten usw. gibt. Aber sehen Sie, wenn die Leu­te nur zu einer Quel­le gehen, und die­se Quel­le ist krank und hat eine Agen­da, und sie ver­brei­ten Des­in­for­ma­ti­on, dann ist unser ers­ter Ver­fas­sungs­zu­satz ein gro­ßes Hin­der­nis dafür, das ein­fach aus der Welt zu schaf­fen. (…) Was wir also brau­chen, ist, Boden zu gewin­nen, das Recht zu regie­ren zu gewin­nen, indem wir hof­fent­lich so vie­le Stim­men gewin­nen, dass wir die Frei­heit haben, Ver­än­de­run­gen durch­set­zen zu können.“

Ker­ry fuhr fort: “Demo­cra­ci­es around the world now are strugg­ling with the absence of a sort of truth arbi­ter, and there’s no one who defi­nes what facts real­ly are.” – „Demo­kra­tien auf der gan­zen Welt (wie Chi­na, die Tür­kei, Weiß- und Kern­russ­land, der Iran – M.K.) kämp­fen der­zeit mit dem Feh­len einer Art von Wahr­heits­rich­ter, und es gibt nie­man­den, der defi­niert, was Fak­ten wirk­lich sind.“

Was Ker­ry „Wahr­heits­rich­ter” nennt – man könn­te auch „Wahr­heits­schieds­rich­ter” über­set­zen –, ent­spricht in die vor Esprit und Ergeb­nis­of­fen­heit vibrie­ren­den deut­schen Debat­ten­leid­kul­tur der Figur des Dis­kurs­li­ni­en­rich­ters, wie ich sie zu nen­nen belieb­te (wor­auf­hin eini­ge eben erst Sobenams­te sofort mit der Fah­ne zu wedeln began­nen und ‚Abseits!’ riefen).

In dem Arti­kel wer­den, apro­pos ende­misch, außer­dem zitiert: die Jura­pro­fes­so­rin und MSNBC-Kom­men­ta­to­rin Bar­ba­ra McQua­de aus Michi­gan, die die Rede­frei­heit als Ame­ri­kas „Achil­les­fer­se“ bezeich­net hat (wenn das der aga­mem­no­pho­be Pel­ide wüss­te!), und Jura-Pro­fes­sor Tim Wu, ein ehe­ma­li­ger Bera­ter des Wei­ßen Hau­ses unter Biden, der erklär­te: „Der ers­te Ver­fas­sungs­zu­satz ist außer Kontrolle.“

Aber genau das ist sein Sinn. Und des­we­gen gibt es den zwei­ten Ver­fas­sungs­zu­satz, der den ers­ten schützt.

God bless America!

 

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