Heute ist der Jahrestag des Hamas-Massakers im Süden Israels, über dessen Vergeltung sich derzeit die halbe Welt und auch die Halbwelt empört.
In diesem Kontext fällt bisweilen auch der Begriff „Völkermord”. Mit Völkermord kennen wir Deutschen uns bekanntermaßen aus, Deutsche haben nicht nur jenen an den Juden verübt, sondern sogar den ersten des 20. Jahrhunderts bzw. überhaupt, an den Herero in Deutsch-Südwestafrika nämlich, auch wenn die das damals nicht so empfanden und später von Weißen darüber belehrt werden mussten, was ihnen widerfahren war.
„Für viele der traditionsbewussten alten Herero, die zum Teil noch mit ‚dabei gewesen’ waren, war der Krieg mit den Deutschen nach ihrem Abzug von Hamakari und den Dursttrecks vom Sandfeldrand zu Ende gegangen. Über einen General von Trotha und einen Völkermord hatten sie erst zwei Generationen später von Rückkehrern oder Einwanderern gehört, die im Ausland diese Geschichtskenntnisse erworben hatten”, notierte Hinrich R. Schneider-Waterberg, ein deutschstämmiger Farmer, Politiker und Historiker aus Namibia. „Die mystifizierende Verwandlung einer komplexen Reihe von Abläufen, die einige Hererotraditionen stolz als Siege verkünden, in ein Schreckbild einer die Herero zermalmenden, kaltblütigen und supertüchtigen Arierkriegsmaschine muss einer ganzen Generation unkritischer Wissenschaftler und Schriftsteller – viele von ihnen Westdeutsche – zur Last gelegt werden.”
Die Historikerin Brigitte Lau, Leiterin des namibischen Nationalarchivs in Windhoek, erklärte, sie habe auf einen Artikel, in dem sie ihre Sicht der Ereignisse von 1904 darlegte, zwei extreme Arten von Reaktionen erhalten. Die erste sei von Seiten der Herero gekommen, „von Menschen, die wirklich interessiert und in zwei Fällen tief gerührt waren”. Darunter habe sich ein Brief von einem sehr alten Herero befunden, „in dem die schrecklichsten Details dieser Flucht wiedergegeben wurden: von Frauen, die ihre Säuglinge töteten, um ihren Männern die Milch ihrer Brüste zu überlassen, von Männern, die das Blut toter Rinder tranken, von Menschen, die selbst das Blut anderer Menschen, die gerade verhungert oder verdurstet waren, nicht verschmähten. Es war, als ob der Artikel bei namibischen Lesern Schleusen geöffnet hätte. Westdeutsche Leser hingegen waren empört über die Anfechtung der ‚wahren Lehre’, die gewissermaßen auf dem Image des allmächtigen deutschen kaiserlichen Militärs beruhte, das die Herero wie Ungeziefer vernichtet habe.”
Aber wenn man eine Entschädigung, wofür auch immer, so auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, sagt man nicht Nein.
Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Was den angeblichen Völkermord in Nahost betrifft:
Ein Völkermord, dem nicht die Absicht zugrundeliegt, ein Volk zu morden, ist keiner.
PS: „Sie wissen sicher selbst”, schreibt Leser ***, „dass die hohe Reproduktionsrate eines Volkes nicht den Straftatbestand eines Völkermordes nach UN-Definition abmildert. Warum also diese widerliche Gegenüberstellung? Ist die nur noch peinliche Nibelungentreue gegenüber den Verbrechen des zionistischen Regimes bei Konservativen genetisch bedingt oder ist es schlicht ethische Verkommenheit? Klären sie mich auf!”
Ich übergehe die Invektiven und verweise, was die UN-Definition betrifft, auf meinen Eintrag vom 8. Dezember 2023. Nach den Kriterien wäre sogar Samuel Mahereros Befehl „Tötet alle Deutschen!” ein Aufruf zum Völkermord gewesen. Diese Definition ist schlicht unsinnig.
Zur Situation in Gaza äußere ich mich nicht, einerseits weil ich parteiisch bin, andererseits weil ich noch weiß, was eine Tragödie ist.
Es geht um Kriegsverbrechen. Nicht um Völkermord.
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Übrigens.
(Link)
PS: „Werter Herr Klonovsky, mit 14 Jahren Kapo? Ich traue Herrn Soros einiges zu, aber soweit ich mich an meine Jugendzeit erinnere, haben selbst die Verwegensten unter uns in dem Alter höchstens einen Kaugummiautomaten erbrochen.”
PPS: Leser schickt mir „einen Screenshot zum Thema, mehr als Kaugummiautomaten knacken könnten Vierzehnjährige nicht. Was Herr Soros mit 14 Jahren gemacht hat, weiß ich allerdings nicht, und eventuell hat sich die Jugend seither einfach auch weiterentwickelt.”
Aber wahrscheinlich ist das mit dem Kapo nur metaphorisch gemeint.
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Der MDR macht sich tiefschürfende Gedanken zu einer Petitesse aus der Rassenlehre.
Der ursprüngliche Titel, der geändert wurde, „um Pauschalisierungen und Indifferenzierungen auszuschließen”, wie der Sender steinmeiert (Steinmeiern: Form der uneigentlichen Rede, aber stets unironisch; Verantwortungsverkleisterung; habituelle Weigerung, jemals Ross und Reiter zu nennen), der ursprüngliche Titel also war jener:
Da fehlte womöglich ein „immer noch”. Ansonsten hat der Redakteur (m/w/d), dem das „manche” erst ins und dann aus dem Gedankenfach rauschte, den Böhmermann beim nächsten Rundfunkstaatspreis praktisch jetzt schon geschlagen.
Tusch!
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Es zeigt sich immer mehr, dass die Wahlen in den USA im November auf eine Entscheidung zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen Krieg und Frieden, zwischen Engeln und Teufeln hinauslaufen.
Wer würde sich beispielsweise nicht gern von dieser sympathischen, vertrauenserheischenden, auch spirituell inspirierenden Lady bei allen seinen öffentlichen Äußerungen rechtleiten (vulgo: kontrollieren) lassen?
Der Kontrollverlust durch free speech scheint ein endemisches Problem zu sein.
Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte der Politiker der Demokratischen Partei, ehemalige Außenminister und Berater der Biden-Regierung:
“You know, there’s a lot of discussion now about how you curb those entities in order to guarantee that you’re going to have some accountability on facts, etc. But look, if people only go to one source, and the source they go to is sick, and, you know, has an agenda, and they’re putting out disinformation, our First Amendment stands as a major block to be able to just, you know, hammer it out of existence. (…) So what we need is to win the ground, win the right to govern, by hopefully winning enough votes that you’re free to be able to implement change.”
In German, aber ohne das wiederholte you know (der ganze Saal saß ja voller Weknows): „Es wird derzeit viel darüber diskutiert, wie man diese Unternehmen eindämmt (Es geht um die sozialen Medien – M.K.), um sicherzustellen, dass es eine gewisse Rechenschaftspflicht für Fakten usw. gibt. Aber sehen Sie, wenn die Leute nur zu einer Quelle gehen, und diese Quelle ist krank und hat eine Agenda, und sie verbreiten Desinformation, dann ist unser erster Verfassungszusatz ein großes Hindernis dafür, das einfach aus der Welt zu schaffen. (…) Was wir also brauchen, ist, Boden zu gewinnen, das Recht zu regieren zu gewinnen, indem wir hoffentlich so viele Stimmen gewinnen, dass wir die Freiheit haben, Veränderungen durchsetzen zu können.“
Kerry fuhr fort: “Democracies around the world now are struggling with the absence of a sort of truth arbiter, and there’s no one who defines what facts really are.” – „Demokratien auf der ganzen Welt (wie China, die Türkei, Weiß- und Kernrussland, der Iran – M.K.) kämpfen derzeit mit dem Fehlen einer Art von Wahrheitsrichter, und es gibt niemanden, der definiert, was Fakten wirklich sind.“
Was Kerry „Wahrheitsrichter” nennt – man könnte auch „Wahrheitsschiedsrichter” übersetzen –, entspricht in die vor Esprit und Ergebnisoffenheit vibrierenden deutschen Debattenleidkultur der Figur des Diskurslinienrichters, wie ich sie zu nennen beliebte (woraufhin einige eben erst Sobenamste sofort mit der Fahne zu wedeln begannen und ‚Abseits!’ riefen).
In dem Artikel werden, apropos endemisch, außerdem zitiert: die Juraprofessorin und MSNBC-Kommentatorin Barbara McQuade aus Michigan, die die Redefreiheit als Amerikas „Achillesferse“ bezeichnet hat (wenn das der agamemnophobe Pelide wüsste!), und Jura-Professor Tim Wu, ein ehemaliger Berater des Weißen Hauses unter Biden, der erklärte: „Der erste Verfassungszusatz ist außer Kontrolle.“
Aber genau das ist sein Sinn. Und deswegen gibt es den zweiten Verfassungszusatz, der den ersten schützt.
God bless America!