28. September 2024

Damit das inne­re Kind lebe, muss der inne­re Jugend­li­che sterben.

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Sie sind die zweit­schöns­te Frau, die ich jemals gese­hen habe: Wel­che Maid wür­de sich die­ses Kom­pli­ment bie­ten lassen?

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Der Titel eines einst­mals berühm­ten und heu­te noch rest­be­kann­ten Auf­sat­zes soll­te geän­dert wer­den in: „Das Kunst­werk im Zeit­al­ter sei­ner Repro­du­zier­bar­keit als Selfie-Hintergrund”.

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Eine kur­ze Bemer­kung zum Thü­rin­ger Volkstheater.

Aus den Wahl­er­fol­gen der AfD kann es nur eine Kon­se­quenz geben: Die Demo­kra­tie gehört abge­schafft und durch unse­re Demo­kra­tie ersetzt. Unse­re­de­mo­kra­tie folgt inso­fern den Dis­kurs­re­geln des Genos­sen Haber­mas, als sie eine strik­te Vor­auswahl der zuge­las­se­nen Dis­kurs­teil­neh­mer vor­nimmt. Wer nicht zuge­las­sen ist, hat als Dis­kurs­feind zu gel­ten und ver­fällt der Demo­kra­tie­acht. Jener ver­fällt des­glei­chen, wer sich gegen das genann­te Ver­fah­ren ausspricht.

Ist das erst ein­mal ver­stan­den wor­den, nutzt den in Acht und Bann Geta­nen auch kein Insis­tie­ren auf den Rechts­staat mehr. Ich habe es schon oft gesagt: Ein gene­rel­les Ver­trau­en in das Recht ist blind und illu­so­risch. Die Juris­te­rei ist kei­ne exak­te Wis­sen­schaft, son­dern eine Mischung aus Phi­lo­so­phie, Theo­lo­gie, Dro­hung und Gebrauchs­an­wei­sung. Ihre Para­gra­phen bedür­fen einer stän­di­gen Exege­se. Die herr­schen­de poli­ti­sche Ten­denz wird sich immer auch in der Jus­tiz durch­set­zen, und zwar voll­kom­men unab­hän­gig vom Wort­laut der Geset­zes­tex­te, denn Juris­ten sind mehr­heit­lich Oppor­tu­nis­ten wie die Ange­hö­ri­gen ande­rer Bran­chen auch. Poli­ti­sche Macht sticht am Ende immer das Recht. Man soll gar nicht erst ver­su­chen, die Rechts­la­ge zu ändern, oder über angeb­lich oder tat­säch­lich gebro­che­nes Recht zu dis­ku­tie­ren, son­dern sich auf die Ver­än­de­rung der poli­ti­schen Macht­ver­hält­nis­se kon­zen­trie­ren. Es gibt kein Gesetz, das nicht der jewei­li­gen Poli­tik ange­passt wer­den könn­te, not­falls ändert man das Grund­ge­setz oder schreibt irgend­ei­ne Ergän­zung in einen Para­gra­phen, mit der bereits bestehen­de Para­gra­phen ein­ge­schränkt oder Son­der­fäl­le ein­ge­führt wer­den; ein Blick auf die Ver­än­de­run­gen an § 130 StGB genügt als Exempel.

Natür­lich ist die­se Ent­schei­dung von den Medi­en ten­den­zi­ös prä­sen­tiert wor­den. Leser ***, Jurist im Staats­dienst, schreibt mir: „Nach dem, was ver­öf­fent­licht ist, ist die Ent­schei­dung kor­rekt. Aller­dings heißt es auch: ‚Einen Teil der ande­ren Anträ­ge hat der Thü­rin­ger Ver­fas­sungs­ge­richts­hof abge­lehnt.’ Bei der AfD wür­den die Medi­en berich­ten. ‚AfD schei­tert mit Kla­ge. Nur ein Teil wur­de anerkannt.’ ”

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Gehen wir per­so­nell in medi­as res.

„Jörg Gei­bert, gebo­ren am 20. Febru­ar 1963 in Mari­en­berg (Wes­ter­wald), ist ein deut­scher Jurist, Poli­ti­ker (CDU). Er war von 2010 bis 2014 Innen­mi­nis­ter des Frei­staa­tes Thü­rin­gen und von 2014 bis 2019 Mit­glied des Thü­rin­ger Land­ta­ges. Dort war er ab 2018 Par­la­men­ta­ri­scher Geschäfts­füh­rer der CDU-Land­tags­frak­ti­on. Seit 2022 ist er Rich­ter am Thü­rin­ger Ver­fas­sungs­ge­richts­hof”, liest man in der Wiki­pe­dia. „Sein Sohn, Lenn­art Gei­bert, wur­de bei der Land­tags­wahl 2024 in den Thü­rin­ger Land­tag gewählt.”

Der Fili­us dient ori­gi­nel­ler­wei­se in der­sel­ben Par­tei wie sein Vater. Ich weiß nicht, ob Gei­bert seni­or beim aktu­el­len Ent­scheid über die Geschäfts­ord­nung des Land­tags mit­ge­barmt, mit­ge­kun­gelt und zynisch mit­ge­lä­chelt hat, aber das ist ja gleich, das sind doch alles Seri­en­mo­del­le, das ist ver­läss­li­che mensch­li­che Fließ­band­wa­re aus dem VEB „Unse­re Demo­kra­tie”. Die Par­tei­en haben sich den Staat zur Beu­te gemacht und ver­tei­di­gen ihren Fang heu­te gegen einen neu­en Kon­kur­ren­ten, der ihr poli­ti­sches Ver­sa­gen the­ma­ti­siert und ihre mate­ri­el­le Exis­tenz bedroht; den Kon­kur­ren­ten nen­nen sie des­halb „rechts­extrem” und „Nazis”, und sich selbst ver­pas­sen sie das Label „Demo­kra­ten”.

Eine ver­gleich­ba­re Kar­rie­re wie Gei­bert hat bekannt­lich, eine Eta­ge höher, sein Par­tei-Gevat­ter Har­barth gemacht: Er war von 2009 bis 2018 MdB, Mit­glied des CDU-Bun­des­vor­stands und stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der CDU/C­SU-Bun­des­tags­frak­ti­on, seit 2020 ist er Prä­si­dent des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und für des­sen obrig­keits­staat­li­ches Ein­schwin­gen auf die Fre­quenz des glo­ba­lis­ti­schen Schwar­mes mit­ver­ant­wort­lich.

Don’t come bet­ween the old par­ties and their prey!

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Noch zum Vorigen.

Soll das ein Scherz sein?”, fragt die Ost­thü­rin­ger Zei­tung in ihrem Kom­men­tar. „Ver­mut­lich ist es wie­der eine geziel­te Pro­vo­ka­ti­on. Dass Wieb­ke Muh­sal (AfD) aus Jena von ihrer Par­tei zur Wahl der Land­tags­prä­si­den­tin vor­ge­schla­gen wird, zeigt ein­mal mehr, wie unwich­tig der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen sind.” Frau Muh­sal hat­te 2014 den Arbeits­ver­trag einer Mit­ar­bei­te­rin um zwei Mona­te vor­da­tiert und mit dem Gehalt, das die Land­tags­ver­wal­tung für die bei­den fik­ti­ven Mona­te über­wies, ihre Büro­aus­stat­tung und ihren Inter­net­auf­tritt finanziert.

Das klingt tat­säch­lich eher so, als soll­te sie eine Kar­rie­re in der EU anstre­ben, dort fällt das nicht wei­ter auf.

Aber als Minis­ter­prä­si­dent scheint ein – hier noch: mut­maß­li­cher – Betrü­ger in Thü­rin­gen zu tau­gen (viel­leicht auch, weil der Genos­se Ramel­jow beim intel­lek­tu­el­len Lim­bo die Lat­te so tief gelegt hat).

Ich fra­ge mich manch­mal, wie jemand die­sen Staat – gemeint ist ja: des­sen Regie­rung – über­haupt „dele­gi­ti­mie­ren” soll. Bezie­hungs­wei­se war­um. Es sind die bes­ten Leu­te, die die Par­tei­en haben.

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Immer noch zum Vorigen.

Leser *** „dach­te spon­tan an die Kom­mu­nis­tin Cla­ra Zet­kin, die als Alters­prä­si­den­tin den Reichs­tag 1932 eröff­ne­te. Damals war die NSDAP die stärks­te Frak­ti­on. Bei Wiki­pe­dia fin­det man dazu fol­gen­den schö­nen Ein­trag: ‚Den Pflich­ten einer Alters­prä­si­den­tin ent­spre­chend lei­te­te sie die Wahl Her­mann Görings (NSDAP) zum Reichs­tags­prä­si­den­ten und über­gab anschlie­ßend die Sit­zungs­lei­tung an ihn. Die NSDAP hör­te eben­so wie alle ande­ren Frak­tio­nen Zet­kins Rede ohne Zwi­schen­ru­fe oder sons­ti­ge Stö­run­gen an. Die­se Sit­zung ist die ein­zi­ge erhal­te­ne Ton­auf­nah­me aus dem Reichs­tag, in der Zet­kin zu hören ist.’“

Hun­de, die bel­len, bei­ßen nicht – womög­lich ist das der tref­fen­de Kom­men­tar? Anders for­mu­liert: Wer sei­nem poli­ti­schen Kon­kur­ren­ten ruhig zuhört, der bringt ihn am Ende auch um. Hm?

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Die Neue Zür­cher Zei­tung als „Haus­pos­til­le der Faschis­ten” zu bezeich­nen, zeugt von einem der­ma­ßen ins Gesicht sprin­gen­den Schwach­sinn und einer sämt­li­che Bögen über­span­nen­den Maß­lo­sig­keit, dass es unmög­lich ernst gemeint sein kann. Wer schreibt so etwas offen­kun­dig Unsin­ni­ges – und warum?

Der Genos­se Bautz ist Mit­grün­der des deut­schen Attac-Kom­mis­sa­ri­ats und Geschäfts­füh­rer von Cam­pact – nicht Com­pact! –, eines „Ver­eins, der online-Kam­pa­gnen orga­ni­siert” (Wiki­pe­dia). Die­se Kam­pa­gnen sind selbst­ver­ständ­lich links, sonst wären sie ja unter­sagt oder min­des­tens umstrit­ten. „Cam­pact”, meint Cam­pact über Cam­pact, „setzt sich ent­schlos­sen für pro­gres­si­ve Poli­tik ein und ver­tei­digt unse­re Demo­kra­tie“ – also nicht die Demo­kra­tie, geneig­te Lese­rin­nen, son­dern unse­re, also deren Demo­kra­tie. Inzwi­schen ist die­ser Trup­pe, die der deut­schen Gesell­schaft unge­fähr so viel Gewinn beschert wie der Trau­ben­wick­ler dem Wein­bau, immer­hin der Gemein­nüt­zig­keits­sta­tus ent­zo­gen wor­den. Die sind also sogar ihren Gesin­nungs­freun­den zu unseriös.

Gleich­wohl erfül­len sol­che Agit­prop-Vuvuz­el­a­trö­ter ihren Zweck. Die Sache ist sogar ganz ein­fach und funk­tio­niert in den Medi­en seit min­des­tens 30 Jah­ren nach dem­sel­ben Mus­ter. Man wirft nicht so hys­te­risch mit Unflat, weil irgend­je­mand die­sen Dreck glaubt, son­dern weil man auf eine Wir­kung im Umfeld der mit Schmutz bewor­fe­nen Per­son hofft. Eine sach­li­che Kri­tik wür­de dort wenig bewir­ken, aber wenn ein Mit­glied der eige­nen Redak­ti­on der­art maß­los geschmäht wird, fan­gen zumin­dest die Lau­en dort an zu flüs­tern: Das ist zwar unsach­lich, aber irgend­was muss ja dran sein, sonst wür­den die nicht so über­re­agie­ren. Außer­dem färbt das letzt­lich auf uns alle ab. Der oder die soll­te sich mal ein biss­chen mäßi­gen… Der ver­schärf­te Ton, der nach der aktu­el­len Debat­ten­tek­to­nik immer nur gegen Rechts ange­schla­gen wer­den kann, soll bei der media­len Mit­te eine vor­aus­ei­len­de Zen­sur aus Angst davor aus­lö­sen, vor aller Welt Ohren noch unsach­li­cher ange­pö­belt zu werden.

Es gibt frei­lich Redak­tio­nen, in denen der­glei­chen pole­mi­sches Unmaß zur inter­nen Soli­da­ri­sie­rung und empör­ten Reak­tio­nen führt; bei Cice­ro scheint das der Fall zu sein.

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„Que­er” ist anschei­nend ein Syn­onym für: pein­lich, hohl, absto­ßend, lächerlich.

Schau­en Sie sich das mal an. Wir befin­den uns im deut­schen Par­la­ment, im Haus des Gesetz­ge­bers, und hos­pi­tie­ren einem Land beim mäh­li­chen Verrücktwerden.

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Wie­der eine Woche in Ber­lin ver­bracht, dank der kon­stan­ten Ver­ab­fol­gung gekel­ter­ter und auf Fla­schen gezo­ge­ner Nar­ko­ti­ka sowie fröh­li­cher Zech­ka­me­ra­den halb­wegs fro­hen Gemüts. Wel­ches frei­lich nicht dar­über hin­weg­täu­schen oder gar ‑hel­fen kann, dass der Ber­lin­gast am Exem­pel der Haupt­stadt den Nie­der­gang Deutsch­lands anschau­lich vor Augen gestellt bekommt. Die Zahl kaput­ter Typen scheint von Besuch zu Besuch zuzu­neh­men. Sogar in Ber­lin-Mit­te stin­ken vie­le der ohne­hin düs­te­ren und ver­rot­te­ten Bahn­sta­tio­nen nach Urin, lie­gen Pen­ner oder Betrun­ke­ne her­um, über­all Dreck, Sperr­müll, Hun­de­schei­ße, Graf­fi­ti, Bil­lig­lä­den, und in jeder zwei­ten Bahn wird man ange­bet­telt. Stän­dig auf­pas­sen, wo man bes­ser nicht hin­ein­tritt. Der zen­tra­le Platz Ost­ber­lins der pure Siff und ab Ein­bruch der Dun­kel­heit bes­ser zu mei­den. Mensch­li­che Kaputt­heit ist ein zen­tra­les Merk­mal die­ser Stadt: Typen, die mit sich selbst reden oder her­um­schrei­en, über­zeu­gungs­häss­li­che Frau­en mit pfund­wei­se Blech im Gesicht und am Leib, tei­gi­ge schlaf­fe Ker­le mit Zöpf­chen, Nasen­ring und schrill gefärb­ten Haa­ren – man muss in Ber­lin unter­schei­den zwi­schen den sozi­al Ver­wahr­los­ten und den Gesin­nungs­ver­wahr­los­ten; über­haupt scheint jeder zwei­te bio­deut­sche Jüng­ling als Kari­ka­tur sei­ner selbst unter­wegs zu sein –, im Müll wüh­len­de Pen­sio­nä­re, wir­re Grei­se, Jun­kies, und alles ein­ge­bet­tet in das düs­te­re Nibe­lun­gen­heer der Funk­ti­ons­kla­mot­ten und Ruck­sä­cke tra­gen­den Arbeits­gän­ger. Sel­ten mal eine ele­gant geklei­de­ter Herr oder eine zurecht­ge­mach­te Frau. Die Gra­zi­en sind längst aus die­ser Stadt geflo­hen. Statt­des­sen sieht man vie­le graue, teil­nahms­lo­se, lebens­un­fro­he Gesich­ter. Dazwi­schen immer wie­der – und, wie es scheint, immer wei­ter in die „bes­se­ren” Bezir­ke aus­grei­fend – Mäd­chen und Frau­en mit Kopf­tuch oder noch stär­ker ver­hüllt sowie bär­ti­ge Buben mit dunk­len Augen und raum­grei­fen­dem Auf­tre­ten. Je wei­ter man sich von Mit­te aus Rich­tung Süden bewegt, des­to mehr wer­den es, wobei in sol­chen Stadtei­len die Zahl der Pen­ner abnimmt, unter den Depra­vier­ten, die auf der Stra­ße leben, befin­det sich kein Mos­lem, unse­re mos­le­mi­ni­schen Mit­bür­ger bzw. das Sozi­al­amt bzw. die mus­li­mi­schen Mit­bür­ger im Sozi­al­amt küm­mern sich näm­lich um ihre Leu­te. Natur­ge­mäß fla­nie­re ich nicht in jenen Gefil­den, wo auch die Mes­ser spa­zie­ren­ge­tra­gen wer­den, zehn Atta­cken pro Tag sol­len es sein, aber das fällt doch kaum auf unter mehr als drei­ein­halb Mil­lio­nen Ein­woh­nern. Wäh­rend das Gros der Bio­deut­schen sich eher im bereits gesetz­ten Alter befin­det, sind die Migra­ti­ons­hin­ter­grund­s­ver­edel­ten eher jung. Ohne die zahl­rei­chen Tou­ris­ten, die meis­tens aus west­li­chen Län­dern kom­men und nur als Asia­ten ein­deu­tig zu unter­schei­den sind, wür­de man den Alters­un­ter­schied der Bevöl­ke­rungs­seg­men­te viel deut­li­cher bemer­ken. Was die Tou­ris­ten in die­ser Stadt zu fin­den hof­fen, weiß ich nicht.

Ein haupt­städ­ti­scher Klas­si­ker ist die vol­le S‑Bahn, in der ein Wag­gon voll­kom­men men­schen­leer ist, weil drin­nen ein Bür­ger in sozia­len Schwie­rig­kei­ten bzw. in sei­nen Exkre­men­ten liegt oder sich über ande­re Kör­per­öff­nun­gen Dis­trak­ti­on ver­schafft hat. In Ber­lin kann man spät­abends übri­gens noch die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel benut­zen, zumin­dest die zen­tra­len Lini­en, nicht unbe­dingt in den Rand­be­zir­ken, weil die Bah­nen immer ziem­lich voll sind und die gro­ße Zahl mög­li­cher Zeu­gen wahr­schein­lich eine schüt­zen­de Wir­kung ent­fal­tet. Was nicht heißt, dass eine abend­li­che Fahrt einem kei­ne sozi­al­en­to­mo­lo­gi­schen Milieu­stu­di­en bescher­te. Die Ver­kehrs­be­trie­be haben sich den demo­gra­phi­schen Wan­del bei der Rekru­tie­rung ihrer Kon­trol­leu­re zunut­ze gemacht; ich hat­te mehr­fach den Ein­druck, es sei­en Typen zuge­stie­gen, die Ärger machen wer­den, und immer wur­den bloß die Fahr­kar­ten kontrolliert.

Zu den kaput­ten Typen wür­de ich auch die Rie­sen­schar unfrei­wil­li­ger Sin­gles rech­nen, die die west­li­chen Groß­städ­te inzwi­schen bevöl­kern und der Alters­ein­sam­keit ent­ge­gen­le­ben. Beson­ders trist: die gebil­de­ten oder wenigs­tens stu­dier­ten Frau­en jen­seits der vier­zig, die kei­nen Mann fin­den oder fan­den, der mit ihnen Kin­der haben will (man erkennt sie). Ein Freund hat­te vor ein paar Tagen ein Date mit einer sol­chen Kan­di­da­tin, Leh­re­rin in irgend­ei­ner Pro­blem­schu­le – in Ber­lin grenzt der Begriff Pro­blem­schu­le an einen Pleo­nas­mus –, und er kehr­te bei­na­he geknickt zurück; die Tris­tesse, die von dem, wie er ver­si­cher­te, sehr ansehn­li­chen Frau­en­zim­mer aus­ging, habe ihm jeg­li­chen Ver­füh­rungs­im­pe­tus ausgetrieben.

Ein ande­rer Freund ver­brach­te soeben eine Woche in Mos­kau und kam zurück als ein Mensch, der zwi­schen­zeit­lich aus allen Wol­ken gefal­len ist. Es sei, erzählt er, wie eine Rei­se von Ost­ber­lin nach West­ber­lin in den spä­ten 1980ern gewe­sen (er durf­te damals schon rei­sen). Nach dem Dreck­loch Ber­lin habe er Mos­kau als Kul­tur­schock erlebt: eine unfass­bar sau­be­re Stadt mit gemäh­ten Rasen­flä­chen und gepfleg­ten Rabat­ten, wo weder Fla­schen noch Becher und nicht ein­mal Ziga­ret­ten­kip­pen her­um­lä­gen, er habe auch kei­ne Obdach­lo­sen, Jun­kies, Pen­ner und Bett­ler gese­hen. Jede Metro­sta­ti­on sei ein unter­ir­di­scher Palast, Bau­stel­len sei­en auf den acht‑, zehn- und zwölf­spu­ri­gen Stra­ßen, die jeden Abend mit Was­ser gesprengt wür­den, eine Sel­ten­heit. Vie­le Häu­ser sei­en mit gro­ßem Auf­wand saniert wor­den. Das Ange­bot in den Super­märk­ten habe ihn genau­so über­wäl­tigt wie die Dich­te der Ster­ne­re­stau­rants und der Limou­si­nen mit maxi­ma­lem Hub­raum. Bus­se und Bah­nen sei­en sau­ber und meis­tens neue­ren Fabrikats.

Obwohl die eth­ni­sche Viel­falt im Mos­kau­er Stadt­bild jener Ber­lins ähne­le, sto­ße man nir­gends auf Ver­wahr­lo­sung oder aggres­si­ves Ver­hal­ten. Frau­en wer­de all­ge­mein mit Zuvor­kom­men­heit begeg­net, wobei – was jetzt kommt, ist klar: Die Schön­heit der rus­si­schen Frau­en und ihre natür­li­che Weib­lich­keit sind oft geprie­sen wor­den, und jeder, der dort war, kommt zurück mit der Erkennt­nis, dass der Femi­nis­mus ein Res­sen­ti­ment auf dem Holz­weg ist.

Zurück in den „Reichs­hauptslum”, wie Don Alphon­so Ber­lin so treff­lich nann­te. (Das mag die Tegern­see-Per­spek­ti­ve sein – wel­che mei­ner ähnelt –, gegen die sich ein­wen­den lie­ße, dass in Ber­lin ein paar inter­es­san­te­re Leu­te leben als am Alpen­rand, aller­dings eben auch sehr vie­le unan­ge­neh­me und lang­wei­li­ge, und wer sich in der sple­ndid iso­la­ti­on mit Büchern, Wei­nen und Kom­pen­sa­ti­ons­rad­stre­cken oder wahl­wei­se mit Old­ti­mern, Vin­ta­ge-Rädern, Tafel­sil­ber und geba­cke­nem Nasch­werk völ­lig aus­rei­chend mit Rei­zen ver­sorgt weiß, kann natür­lich dar­auf ver­zich­ten, mit ver­spä­te­ten Bah­nen durch ver­kom­me­ne Gebie­te zu rei­sen, um viel­leicht inter­es­san­te Men­schen zu tref­fen.) Die­ser Tage hat die Gale­rie Lafay­et­te in der Fried­rich­stra­ße für immer dicht­ge­macht, was inmit­ten der all­ge­mei­nen kuli­na­ri­schen Öde, von guten, aber teue­ren Aus­nah­men wie dem „Gany­med” abge­se­hen, ein wirk­li­cher Schlag für unser­ei­nen ist; man muss sich vor­stel­len, dass es im Radi­us von einem Kilo­me­ter um mein Bun­des­tags­bü­ro nir­gend­wo mehr eine pas­sa­ble Aus­wahl guten Weins zu kau­fen gibt, womit ich übri­gens nicht mehr mei­ne als das, was ein belie­bi­ger Lidl in Süd­frank­reich anbie­tet, und auf Épois­ses, Bril­lat-Sava­rin und gute Baguettes muss ich nun auch noch ver­zich­ten. Wie soll man da die­se Regie­rung und die­ses Per­so­nal ertra­gen? Was für ein Elend.

In einem rot-grün-schwar­zen Kli­ma­deutsch­land wird es wohl wie­der, wie in der DDR, kei­ne Süd­früch­te geben, kein gutes Rind­fleisch (außer in den Migran­ten­vier­teln), kei­ne Mee­res­früch­te und kei­nen guten Rot­wein. Kos­tet alles nur Trans­port­ener­gie, pro­du­ziert CO2 und schafft fal­sche Distinktionsanreize.

Das Wet­ter.

 

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