„Wenn der ÖRR meint, seine Zuschauer für dumm verkaufen zu müssen, wenn der Kanzler vor einem Rechtsruck in Brandenburg warnt, wenn die Faktenfinder eine Desinformation nach der anderen raushauen, um die public opinion zu shapen, dann hat das auch was Gutes. Es heißt nämlich, dass es in der Bundesrepublik immer noch freie Wahlen gibt.”
(Leser ***)
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Die bündigste Erklärung, wie sich Ressentiment äußert, brachte der Philosoph Max Scheler in seiner Schrift „Das Ressentiment im Aufbau der Moralen” (1912) zu Papier. In der bekannten, dem Äsop zugeschriebenen Fabel „Der Fuchs und die Trauben” erklärt Freund Reineke, nachdem er mehrfach vergeblich nach den zu hoch hängenden Früchten gesprungen ist, sie seien ihm viel zu sauer – und trollt sich ungelabt. Um dieser Aussage die Wendung ins Ressentiment zu geben, so Scheler, hätte er obendrein sagen müssen: Süß ist schlecht.
Dieser Tage löste ein Video auf X viel Hohn und Heiterkeit aus, in dem sich mehrere der SPD noch eindeutiger als dem schönen Geschlecht zuordenbare Maiden über ein Phänomen beschweren, das seit ca. dreißig Jahren ausgestorben ist, womöglich aber als Nebenfolge der Willkommenskultur da und dort wieder auflebt: das sogenannte Catcalling. Die Damen im Video dürften freilich weder über die eine noch die andere Version im empirischen Sinne Auskunft zu erteilen imstande sein, denn sie gehören eher nicht in die Kategorie von Frauen, denen Männer auf der Straße nachpfeifen oder deren weiblich gelesene Körperdetails mehr oder weniger kenntnisreich kommentieren.
Es sind kernige deutsche Frauen, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten und sich erfolgreich dagegen zur Wehr setzen, als Sexobjekte betrachtet zu werden, wozu sie aber nicht viele Worte hätten machen müssen.
Meine Damen, auch Belästiger haben Rechte! 89 Prozent aller Frauen hätten schon mal Catcalling erlitten, erklärt eine der Grazien, die eher zu den elf Prozent gehören dürfte. Das wäre an sich nicht weiter schlimm, jeder Topf findet irgendwo seinen Deckel, das Leben geht weiter, und wer nichts abbekommt von irgendeinem Kuchen, mag sich mit denen mitfreuen, die besonders große Stücke zu scheffeln das Glück haben. Wenn der böse Gott eine Frau so geschaffen hat, dass sich ihre Attraktivität in Grenzen hält – beispielsweise den deutschen von 2024 –, dann ist das für die Betroffene wie für die unansehnlichen Weiber aller Zeiten und Völker zwar nicht angenehm, aber zugleich ist es weder gut noch schlecht, sondern vollkommen egal oder meinethalben phänomenal; wie die Intelligenz ist die Anziehungskraft auf das andere Geschlecht ungleich verteilt, und keine Quoten werden daran je etwas ändern. Immerhin können die Mädels durch Maßhalten beim Nachtisch, tägliche Leibesübungen, Charme und Gutgekleidetsein gottbewirkte Makel in einem gewissen Umfang ausgleichen (das ist bei den Kerlen ja nicht anders). Auf diese Weise vermag sich frau wenigstens aus jener Klientel herauszumendeln, die der Volksmund in seiner unsensiblen Derbheit ungefickt nennt.
Aber wer, obwohl er bzw. sie selbst nicht in Betracht kommt, ein Filmchen gegen das Belästigtwerden der Anderen dreht, in welches die allzeit Unbelästigten und Unkomplimentierten Hashtags wie #StopBelästigung oder #KeinKompliment einfügen, stellt sein Ressentiment auf eine dermaßen billige Art zur Schau, dass sich in das unvermeidliche Hohngelächter eine Spur Mitleid mischt. – Keine attraktive Frau hat sich je gegen Komplimente ausgesprochen, und jede der Schönen weiß, dass man die Avancen der Plumpen, der Verklemmten, der Holzköpfe eben mit in Kauf nehmen muss. (Wie haben wir nur früher leben, lieben und uns paaren können in diesem Pfuhl aus Anmache, Hinterherpfeifen, sexueller Belästigung und Unterdrückung?)
Eine Kampagne unter dem Motto Kein Kompliment! ist nichts als barbarisch, es ist ein – von seiten dieser Klientel gottlob aussichtsloser – Angriff auf die schöne Gewohnheit des Flirtens, des wechselseitigen Anlockens und Begehrens, des gesamten Spiels der Geschlechter, und alles dargeboten von Mägden, die selbst für dieses Spiel kaum in Betracht kommen. Wie billig. Wie peinlich. Um im Land der täglichen Gruppenvergewaltigungen überhaupt eine Petitesse wie das unter dem Terminus Catcalling zusammengefasste verbale Angemachtwerden auf der Straße zum Angstfaktor aufzublasen, muss man außerdem wohl eine gestandene Sozialdemokratin sein, die Parteipropaganda als Libidoersatz begreift *.
Wie sehr sich der Zeitgeist in den vergangenen Dekaden gedreht hat, zeigt die Tatsache, dass immer mehr Mädels, die früher irgendwie gerade noch unter die Haube gekommen oder als alte Jungfern belächelt worden wären, sich heute trauen, sämtliche Schönheitskriterien für relativ oder sexistisch oder diskriminierend (was sie logischerweise sind) zu erklären – Ricarda Lang ist weder dick noch unattraktiv –, wozu eben inzwischen auch gehört, dass sich weibliche Wesen über sexuelle Belästigung beschweren, die man früher dafür einfach ausgelacht hätte wie einen Dicken, der behauptet, er sei ein Seriensieger im 100-Meter-Lauf. Es gibt ein witziges Foto (oder eine Fotomontage), auf dem ein sogenanntes weibliches Mauerblümchen ein Plakat mit der Aufschrift trägt: „Women are not sex objects.” Neben sie hat sich eine attraktive Blondine gestellt mit einem Schild: „Some”. Kürzer geht’s nimmer. Süß ist schlecht, sagt das Ressentiment, und deswegen wollen einige der Schlechtweggekommenen ihren Mitschwestern ganz unmitschwesterlich das Gefühl verschärften Begehrtwerdens verleiden. Der Feminismus war immer nur, in Nietzsches trefflichen Worten, der Kampf des missratenen Weibes gegen das wohlgeratene.
Dass so ein Filmchen aus Deutschland kommt, dem europäischen Epizentrum der Hässlichkeit (in sämtlichen Belangen: Architektur, Kleidung, Theater, Essen, Fernsehen, Alltagssprache und und und; der brave Deutsche findet es authentisch), ist nicht verwunderlich; die Französin, die Italienerin, die Slawin würde eher vor Scham im Boden versinken, als sich über falsche Komplimente zu beklagen.
Ein Leser sandte mir ein Video zu (ich kann es hier nicht einstellen), in dem eine für Moskauer oder Pariser Innenstadtverhältnisse normal gekleidete Schönheit durch die Straßen irgendeiner deutschen Stadt läuft und teils irritierte, teils indignierte Blicke auslöst **.
Sie flaniert gewissermaßen als ein Kontrastmittel durch eine Alltagsödnis, die den meisten Menschen schon gar nicht mehr auffällt und aus der auch die erwähnten Sozi-Harpyien ihre neidische Klage ertönen lassen.
Und ich geh jetzt auf die Wiesn, mir die feschen Dirndl-Maderln anschauen; mal sehen, ob sie mein Gepfeife bei dem Lärm überhaupt hören.
* Dieser Auftrieb deutscher Sozialdemokratinnen, dünkt mir (bzw. deucht mich), liefert zumindest so etwas wie eine Ahnung, warum hierzulande viele in die Jahre und aus der Form gekommene Weiber die Migration junger Männer aus dem Märchenland herbeilechzen, die es dank ihrer eminent schnackselfreudigen Virilität mit den Sexualpartnerwahlkriterien nicht ganz so genau nehmen wie der pingelige Alman.
** Die Schönheit in der Filmsequenz spaziert wohl, worauf mich Leser *** hinweist, „nach Kennern der Lokalität zu urteilen (man kann es auch selbst an den Schriftzügen vermuten) durch eine Stadt in Portugal. Mediterranes schützt nicht zwingend vor Zivilisationsbruch.”
Ich gebe auf, nehme aber nichts zurück.
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Deutscher Fernsehpreis 2024, Kandidaten.
Ohne Tritt marsch!
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PS: Prosit!
Auf eine sexistische Wiesn!
PS. Leser *** will mir’s so richtig geben und schreibt:
„Sehr geehrter Herr Klonovsky, zu 100% gehen ich mit Ihrem Artikel d’accord.
Und Ihr Horrorphoto zum Schluß: Wie habe ich mich geaalt! Ich kann mich immer noch nicht einkriegen. Die Sonnenbrille und dann vor allem die ‚Basecap’, dieses scheußlichste aller Kleidungsstücke: Die hat hinten übrigens ein Loch, damit das Hirn(?) schön herauslaufen kann.
Ihre Selbstironie bzw. das bildliche Kommentieren des Artikels: köstlich.
Welch Geschenk.
Danke.”
Ich danke für Ihre ausbaufähige ironische Fingerübung, geehrter Herr ***, aber kein Wort zu meinem wunderschönen Janker? Dem gestärkten Hemd? Die Lederhose können Sie ja nicht sehen, denn ich sitze drauf; außerdem sind Sie ausweislich Ihrer Adresse ein Nordlicht und wissen das womöglich gar nicht zu würdigen. Die Basecp, ein Unikat und Geschenk meines Sohnes, hat einen klaren Sinn: die Werbung darauf. Mit dieser Aufschrift ist sie ästhetisch allemal salviert. Ich mag Baseballmützen auch nicht unbedingt, eigentlich erst seit Trump (ich finde sie beim Radfahren im Regen enorm nützlich), aber noch weniger mag ich vollgermanische Basecap-Hasser.
Bei der Sonnenbrille handelt es sich um eine sogenannte optische; ich musste sie aufsetzen, sonst hätte ich unter der herrlichen süddeutschen Sonne nichts sehen können. Soviel Stilbruch hält der Bub aus.
Die flanierende Zirze und ich hätten also, was die Kleidung betrifft, ein nicht unbedingt zueinander passendes, aber stilistisch originelles und insofern harmonisches Paar abgegeben. Mein Gesicht muss natürlich in Abzug gebracht werden; inzwischen brauche ich schon an die fünfzehn Minuten, um es hinwegzuplaudern (ein empfängliches Gegenüber vorausgesetzt).
Klar soweit?
PS und apropos Faible für Basecaps seit Trump: So sah es beim etwas regnichten und saukalten Wiesn-Eröffnungssonntag vor zwei Jahren aus.
Ich finde daran nichts zu beanstanden. Sie?