„Lieber Herr Klonovsky, als ich Ihr Interview mit David Engels auf Youtube sah, dachte ich: Um Gotteswillen! Sie sind ja offenbar noch ‚defätistischer’ als ich in meinen schlimmsten Anwandlungen, wenn der Weinkeller nichts Vernünftiges mehr enthält! Ich bitte Sie! Lassen wir die Kirche doch im Dorf!
Es ist das typische Syndrom der Nähe: Vor lauter unmittelbar uns bedrängenden Themen sehen wir das große Ganze nicht mehr. Aber wenn wir wirklich die Geschichte anschauen: Was war denn mit der großen griechischen Zivilisation? Sie verloren um 1200 v. Chr. sogar ihre Schrift. War damit alles verloren? Kam nichts danach? Nun also!
Was war mit Rom? Eine Weile nach 450 führten die Germanen in Rom sogar noch die römische Kultur weiter, reparierten sogar fleißig die antiken Gebäude. Erst mit der byzantinischen Wiedereroberung (Gotenkriege, Narses) kam der Niedergang. Kam danach nichts mehr? Na also! Auch die Ägypter hatten teilweise zwischen ihren Reichsperioden Zeiten, in denen die Kultur darniederlag.
Was war denn mit dem Mittleren Osten? Eine Wiege unserer Kultur, der Schrift allgemein. Sicher, es hat gedauert, bis die nächste Hochkultur kam – aber sie kam. Sie wurde erst von den Mongolen zerstört. Na also.
Muss ich China erwähnen? Die hatten eine der großartigsten Kulturen der Menschheitsgeschichte und versanken für längere Zeit, nach dem ‚Jahrhundert der Schande’, im Morast der Bedeutungslosigkeit. Bis sie wenigstens ökonomisch auferstanden – und meine Frau (Sinologin chinesischer Herkunft) versichert mir, dass es durchaus hervorragende zeitgenössische chinesische Literatur gibt, obwohl das meiste davon nicht übersetzt sei.
Sie meinen, es ist nichts Neues, qualitativ Hochwertiges abzusehen, das aus unserer dekadenten Zeit erwachsen könnte? Glauben Sie denn, Cimabue, Giotto und Konsorten hätten einen Michelangelo, einen Leonardo kommen sehen? Oder hätte Gesualdo sich träumen lassen, dass es einmal einen Vivaldi, einen Verdi geben könnte?
Die Zukunft hat nun einmal die unangenehme Eigenschaft, dass wir sie nicht kennen – verzeihen Sie mir diese Banalität, aber es ist hier einfach nötig, sie in Erinnerung zu rufen. Die meisten Kulturen der Geschichte legen ‚Pausen’ ein, in denen sie tot scheinen – und erstehen dann oft (nicht immer) wie Phoenix aus der Asche. Diese ‚Asche’ ist die Erinnerung an vergangene Großartigkeiten – nur so ist unsere Renaissance ja erklärbar.
Gewiss, es gibt großartige Kulturen, die für immer untergehen. Aber das ist nicht der Normalfall.
Die Frage ist, wie lange wird es dauern, bis wir die gegenwärtige Dekadenz überwunden haben? Es kann sein, dass ich das nicht mehr erlebe, ich bin gerade 71 geworden. Aber Sie sind doch um einiges jünger als ich. Und Sie haben doch die DDR erlebt! Hätten Sie damit gerechnet, dass dieses Regime so schnell den Bach heruntergeht? Sicher nicht, vermute ich mal. Selbst die CIA hatte ja keine Ahnung, wie es um die Sowjetunion wirklich stand, und demzufolge auch nicht um die DDR. Der BND, diese Witz-Organisation, natürlich schon gar nicht.
Es hat keinen Sinn, die Hoffnung zu verlieren. Das wäre irrational. Peak Woke scheint überschritten. Selbst in den schlimmsten Woke-Ländern. Der schlimmste Wokie des Westens, Kanadas Trudeau, sieht seine Beliebtheitsrate tief im Keller, die USA haben immerhin ihren Trump, selbst wenn er die nächsten Wahlen nicht gewinnen sollte.
Unser größter Verbündeter im Kampf gegen die woke Unkultur sind – die Woken. Sie sind außerstande, etwas Positives zu schaffen, sie können nur zerstören. Gottseidank erstreckt sich ihre ‚Zerstörungskreativität’ auch auf die Wirtschaft. Und das ist eine Sprache, die die ‚grass roots’- Wähler verstehen. Jeder versteht, wenn der Geldbeutel leise säuselt: ‚Ich bin leer.’ Es ist ja im Grunde wie Kommunismus Nr. 2. Die Leute werden es – da bin ich sicher – relativ schnell begreifen.
Und bitte, verfangen Sie sich nicht in der Idee, das Beharrungsvermögen des gegenwärtigen Regimes sei so stark, dass es Veränderungen unmöglich machen würde. Wir haben in Europa genügend Beispiele, dass sich Dinge sehr stark verändern können – schauen Sie sich das italienische Parteiensysem an. Es ist noch gar nicht lange her, dass wir Berlusconi, Spadolini, Berlinguer, etc. hatten. Das kommt uns heute vor, als sei es Mittelalter gewesen. Das französische Parteiensystem ist auch in Auflösung (schönstes Beispiel: die Républicains). Nur scheint es keiner zu registrieren, obwohl es sich doch vor unseren Augen abspielt. Und Osteuropa muss ich gar nicht beschreiben.
Kopf hoch, Herr Klonovsky! Wenigstens Sie werden die Selbst-Demontage der woken Irren noch erleben.
Mit aufmunternden Grüßen,
Leser ***”