Zu den bleibenden Verdiensten von Annalena Baerbock wird man rechnen, dass sie den Blondinenwitzen den Todesstoß versetzt hat.
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Da kannst du als Satiriker einpacken.
Das war übrigens drei Monate vor dem TV-Stilvergleich mit diesem, diesem, wie heißt er doch gleich…? Keine Ahnung, wie die New York Times die Sache heute sieht.
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„Man soll die Vielfalt nicht vorm Halbfinale loben”, sprach Bernd Zeller launig. Die Zeitschrift Tumult twitterte nach der deutschen Viertelfinalniederlage gegen Spanien, „unserer Demokratie” seien nun leider „die Mannequins des Deutschen Fußball-Bunds als Werbeträger für Vielfaltskitsch” verlorengegangen. Jenem die Mannschaft betreffenden Vielfaltslob ist nach deren Ausscheiden nun ein Diminuendo beschieden, das sich auf ungefähr zwei Jahre erstrecken dürfte; ansonsten aber wird dieses Lob unseren Alltag weiterhin so begleiten wie das Amokgendern (hier: Berliner Verkehrsgesellschaft).
Und wie die Warnung vor der düsteren, aber notwendigen Kehrseite der Vielfalt, dem Rassismus. Auch ein „Nachrichtenkanal” darf sich aus der gesellschaftlichen Alarmierungsverantwortung nicht davonstehlen.
Dieser kriegsbemalte Alman zeigt, um wessen Rassismus es geht und von Anfang an ging (ob auch kulturelle Aneignung mit im Spiel ist, muss die taz beantworten). Zwar ist der deutsche Anfeuerungsrassismus fürs erste gestoppt, doch der Rassismus selbst, dieser gute alte Planstellen- und Stipendienverschaffer, endet nimmermehr. Ethnisch-kulturelle Vielfalt und Rassismus gehören zusammen wie Yin und Yang oder Abwehr und Boss. Neuerlich n‑tv:
Deshalb gilt in der bunten Welt der Medien die Devise Unsere tägliche Schuld gib uns heute, wobei dieses unsere clevererweise die Schuldzuteiler ausschließt. Schuld geben ist bekanntlich seliger denn nehmen.
Der Fußballspieler Antonio Rüdiger ist mir, so weit ich das überhaupt beurteilen kann, nicht unsympathisch, die Aufregung über seinen Interviewsatz nach dem Spiel gegen die Dänen: „Was wir kritisieren können, ist, dass wir sie nicht früher getötet haben”, finde ich lachhaft. Diese Kicker reden ja heutzutage alle so unanstößig, als seien sie in einem Mädchenpensionat abgerichtet worden, da freut man sich doch geradezu, wenn mal einer wie auf’m Platz spricht. Inwieweit Rüdiger unter Rassismus zu leiden hat, vermag ich nicht zu beurteilen, auch der ntv-Artikel bringt keine Aufschlüsse. Der Mann verdient Millionen, ihm stehen alle Medien offen, er spielt in der Nationalmannschaft und ist beim Publikum sowie bei den Mitspielern beliebt, es kann also nicht ganz so schlimm sein. Jedenfalls wird er im Alltag sehr viel weniger diskriminiert als beispielsweise AfD-Funktionäre oder Martin Sellner. Mit acht Jahren, notiert der Journalist erschüttert, habe Rüdiger seinen Vater fragen müssen, was das Wort „Neger” bedeutet. Nun ja, Kinder unter sich sind nicht zimperlich, das erfahren die Almans, Kuffar bzw. Kartoffeln inzwischen ebenfalls auf ihren bunten Schulhöfen, alle fünfzig oder hundert Jahre werden die Spieße umgedreht, und dass es geschlagene acht Umläufe dauerte, bis sich der kleine Antonio erstmals mit dem „N‑Wort” konfrontiert sah, würde ich eher als einen Erfolg der wohlmeinenden Pädagogik werten.
„Seine gesamte Karriere begleitet Rüdiger, dessen Mutter in Sierra Leone geboren ist, Rassismus”, seufzt der ntv-Journalist. Seine „schwierigste Erfahrung” (da steht wirklich „schwierigste”) habe der schwarze Deutsche als Spieler bei Chelsea London gemacht, „2019, kurz vor Weihnachten. Bei einer Ecke machten Fans von Tottenham Hotspur Affenlaute in seiner Nähe. Die Schmähungen trafen ihn tief. Er habe sich gefühlt, ‚als wäre ich kein Mensch, als wäre ich ein Tier. Ein Affe’, erzählte er damals dem Spiegel. ‚Ich glaube, dass sich niemand in diese Situation reinfühlen kann, der das noch nie erlebt hat.’ In diesem Moment habe er sich unfassbar allein gefühlt.”
Allerdings ist auch das kein Beleg für Rassismus. Rassismus ist Abwertung des Fremden oder Andersartigen. Die Bevorzugung des Eigenen im Sinne des ethnisch Ähnlichen aber ist eine evolutionäre Grundtatsache und nichts Schlimmes oder Böses. Einzig der Zeitgeist (im Westen) gebietet es, Fremdheit grundsätzlich als Bereicherung zu werten und diejenigen, die sich nicht darein fügen wollen, zu kriminalisieren. Der Wunsch nach einer „weißeren” Mannschaft ist aber genauso legitim wie der nach einer „bunteren”. Es handelt sich außerdem um eine deutliche Minderheit, die diesen Wunsch verspürt, womit die Rassismus-Unterstellung auch im quantitativen Sinne eher widerlegt als bestätigt wäre. Völker, die so wenig rassistisch sind wie die Deutschen, muss man im Jammertal der Erde wohl mit der Laterne suchen, weshalb man uns mit vergleichbaren Umfragen aus anderen Ländern nicht behelligt.
(Netzfund)
Fassen wir zusammen: Rassismus ist empörend, aber keineswegs alles ist Rassismus, was die Vielfaltspropagandisten dafür halten bzw. zu halten fingieren. Der Rassist will sein Gegenüber erniedrigen, ihm die Zugehörigkeit zur Gesellschaft absprechen und ihn aus dem Diskurs ausschließen; genau dasselbe will der „Antirassist” auch.
Und überhaupt apropos Rassismus: Warum soll man sich, mit Nietzsche gesprochen, Begriffe aufzwingen lassen, denen von vornherein eine verleumderische Absicht eingeprägt ist?
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„Wir”.
Liebe Bürger und Wähler in der DDR: Wer mit Katrin Göring-Eckardt ein Wir hat, den müssen Sie leiderleider auch wie Katrin Göring-Eckardt behandeln.
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Daniel Kehlmann, Autor gehobener und nicht ohne Talent fabrizierter Unterhaltungsliteratur, agiert, wenn er sich politisch äußert, stets so zeitgeistkonform und vergangenheitsdienstbeflissen, dass man glauben könnte, er bewerbe sich um ein staatliches Kulturstipendium oder seinen allerersten Literaturpreis. Dabei verkauft sich sein Kunstgewerbe wie geschnitten Brot, und man hat ihn mit Auszeichnungen behängt wie einen Weihnachtsbaum mit Lametta: Er ist, unter anderem, Träger des Kleist‑, Hölderlin‑, Heimito-von-Dorderer- und Thomas-Mann-Preises. (Dass er die beiden Erstgenannten angenommen hat, zeugt, wie auch die Tatsache, dass er sich auf dem Rücken eines Essay-Bändchens mit Proust und Nabokov auf eine literarische Ebene hieven ließ, von einer gewissen betriebsnudelhaften Schamferne, aber was soll’s, der Mensch ist schwach und Eitelkeit ein immerhin geselliges Laster.) Er hätte es also nicht nötig, sich beim Establishment anzudienen. Den Schluss, dass Überzeugung aus ihm spricht, hielte ich allerdings für nicht zwingend, letztlich geht es den Buben meistens darum, eingeladen zu werden, dazuzugehören und ausschließlich in Gefilden zu verkehren, wo sogenannte soziale Probleme – tatsächlich handelt es sich ja meist um Probleme mit Asozialen – allenfalls in Gestalt eines bereits gefilterten Hörensagens vorstellig werden.
Nun hat Kehlmann den Ludwig-Börne-Preis erhalten. Ein Preisträger hält gemeinhin eine Dankesrede, und jene (hinter der Bezahlschranke verborgene) verdient eine Notiz in meiner peniblen Chronik des best- und besserdeutschen Epöchleins.
Kehlmann wandelt in der Nachfolge von Robert „dem Nachdenklichen”, der im vergangenen Jahr dekoriert wurde, denn die Auszeichnung soll schließlich „deutschsprachige Autoren ehren, die im Bereich des Essays, der Kritik und der Reportage Hervorragendes geleistet haben” (unser Wirtschaftstransformationsminister Habeck war nominiert für die Kategorie „Hervorragendes”). Ich finde es völlig angemessen, wenn Autoren des deutschen Vormärz als Namensgeber für aktuelle Literaturpreise fungieren – firmieren? jedenfalls dienen –, meinetwegen auch für in die Politik entsprungene Kinderbuch-Coautoren, von denen vorschlagsberechtigte FAZ-Herausgeber im Gegenzug ein bisschen staatliches Sponsoring erhoffen; das passt schon zusammen, auch im Sinne der sprachlichen Reiseflughöhe. (Wie alle Solitäre gehört Heine nirgendwo hin, und Goethe ist nur deshalb „Klassik”, weil er sie quasi allein verkörpert.) Was die Sache mit dem aktuellen Namenspatron betrifft, steht unser Preisträger vor dem Problem, dass Börne, man halte von ihm, was man will, sich seinerzeit gegen die Obrigkeit gestellt hatte und ins Exil gegangen war, während Kehlmann ihr nach dem Munde redet wie nur je eine Hof- oder Bundestagsschranze. Allerdings pflegt man diese Dissonanz gemeinhin mit der Behauptung wegzumoderieren, dass die Obrigkeit im besten Deutschland aller Zeiten – das Beste kommt bekanntlich immer zuletzt – keine mehr sei, sondern als demokratisch gewählte Regierung den Willen aller Deutschen, nein, aller Bürger, nein, auch nicht, der Menschen da draußen im Land und aller, die noch kommen wollen, vertrete. Und überdies das Vermächtnis aller Obrigkeitsbekämpfer, pardon: ‑bekämpfenden, und Standesschrankenschleifenden der deutschen Geschichte erfülle. Mit einem Wort: Zu Börnes Zeiten war die Obrigkeit böse, und heute ist sie gut, weshalb heute Opposition gegen die Obrigkeit so verwerflich ist, wie sie weiland angezeigt war.
Der „deutsch-österreichische Schriftsteller” (Wikipedia) Kehlmann hält den Vormärz und den Börne mittenmang für so etwas wie die geistige Gründung der Bundesrepublik oder jedenfalls „unserer” Demokratie. In seinem kindlichen Verständnis gibt es am Vormärz nichts Ambivalentes oder Tiefendämliches, außer vielleicht in Gestalt Heines, welcher, „ausgestattet mit größerem Genie und schlechterem Charakter”, für Börnes „Nachruhmkatastrophe” verantwortlich war, die er mit „zuweilen verleumderischen Mitteln” herbeigeführt bzw., wie es heute hieße, -gehetzt hatte, obwohl er doch eigentlich Börnes „politischer Bundesgenosse” gewesen sei.
Also, liebe Kinder, merkt euch: Vormärz gut, Börne toll, Heilige Allianz gaanz schlecht, weil reaktionär (was mich betrifft: einen Metternich-Preis thät’ ich annehmen), Heine so lala, aber insgesamt auf der richtigen Seite. In Kehlmanns oberstufentauglichen Worten: „Wir verwenden gerne das Geschichtsbuchlabel Restauration, aber was heißt das? Es heißt Folgendes: Die Welt hat eine gewaltige Revolution gesehen und dann einen Herrscher, der deren Errungenschaften mit siegreichen Heeren durch Europa getragen hat: Der ‚Code Napoleon’ hat die Gleichstellung der Juden bewirkt, hat aufgeklärtere Gesetze gebracht, und er hat vor allem endlich die feudalen Fürsten entmachtet. Und jetzt – wird die Uhr zurückgestellt. Einfach so. Es wird erklärt, dass nichts von dem, was geschehen ist, geschehen ist. (…) Der Fortschritt kann einfach so aufgehoben werden, von einem Tag zum nächsten; wenn man will und die Macht hat, dann geht das.”
Gevatter Kehlmann gehört nämlich selbst zum Fortschritt – Nachtbuben, ick hör euch schon trapsen –, weshalb er eine Petitesse wie das Preußische Judenedikt von 1812 mal eben ignorieren kann, denn wo fortschrittsthesentauglich gehobelt wird, da fallen auch schon mal die Gleichstellungsedikte der Falschen als Späne. Wer an dieser Stelle der Rede angekommen ist, kann sich ohne Mühe ausmalen, wie es weitergeht. Wieder will eine finstere Macht, praktisch eine neue Heilige Allianz – und zwar keineswegs jene mit dem Zentrum Mekka (bzw. dem Blick dorthin) –, den Fortschritt einfach aufheben, die Zensur wiedereinführen, Meinungskorridore verengen, aktuelle Vormärzler, Dekabristen u.ä. canceln, entrechten, verfolgen, womöglich einsperren. Den Fortschritt verkörpern heute offenbar die Ampelparteien (in allen europäischen Ländern), die EU, die UNO, die WHO, bestimmt auch Philanthropen und Menschheitstränentrockner wie der Schwabklaus, Billyboy und Gevatter Soros. Wer aber sind die Finstermänner und reaktionären Aufhalter (Katechonten) der anderen Seite?
Bei Kehlmann liest sich das so: „Kurz vor seinem Tod schreibt der kranke Exilant in Paris die Schrift, von der er weiß, dass sie sein Vermächtnis sein wird und seine abschließende Botschaft an die Zukunft. Selbst Heine nennt sie ‚einen klaren See, worin der Himmel mit allen Sternen spiegelt, und Börnes Geist taucht hier auf und unter wie ein schöner Schwan.’ Tatsächlich schleudert diese letzte Schrift, so wieder Börne selbst, ‚eine Fackel unter die Nachtbuben’ in Deutschland – und man sollte sich dieses Wort ‚Nachtbuben’ merken, sollte es heute wieder so häufig verwenden, dass ihm Flügel wachsen: Steve Bannon, Roger Köppel, Alex Jones, Jürgen Elsässer, Tucker Carlson, Götz Kubitschek und natürlich die vielgestaltigen Fratzen von Rupert Murdochs Lügenarmeen, all die stolzen Worthelfer von Unrecht und Korruption, nennen wir sie doch auch ‚Nachtbuben’, und danken wir Ludwig Börne für diese schöne Prägung.”
Steve Bannon, Roger Köppel, Tucker Carlson und Götz Kubitschek: Man sieht, Kehlmanns Weltbild ist ungefähr so manichäisch wie das des Preisnamensgebers (aber auch seines Preisträgervorgängers), weshalb er kein Problem damit hat, Börne als Streiter gegen Fürstenherrschaft, Willkür und Zensur zu preisen, zugleich aber vermittels eines recht beliebigen Name droppings Publizisten als dunkle Gestalten anzuprangern, von denen sich die meisten gegen die Zensoren der Gegenwart, den Import atavistischer religiöser Sitten und die oligarchisch-neofeudale Verkrustung gerade in den westlichen Ländern wenden, wo sich eine globalistische Klasse zur Weltbeplanung rüstet und ein durchaus feudalistisch organisiertes Sinnstiftermilieu ihnen zuarbeitet.
Ich gestatte mir eine kleine sachdienliche Abschweifung. „Zu den öffentlich am wenigsten besprochenen gesellschaftsprägenden Phänomenen gehört die Tatsache, dass gerade in der Sinnproduktion eine feudale Klassengesellschaft herrscht”, notiert Alexander Wendt in seinem Buch „Verachtung nach unten. Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir sie verteidigen können”, einer aufklärerischen Streitschrift (meine Rezension finden Sie hier). „Ob Hochschulen, öffentlich-rechtliche Sendeanstalten oder große Medienhäuser allgemein, im Politikzuarbeiterbetrieb oder in den NGOs, überall bestimmt eine Dreiteilung die Struktur des Ganzen. Hoch oben, gewissermaßen auf dem Sonnendeck, befindet sich die Fürstenklasse, ob nun die Leitungsebene der Sender, die Chefredaktionen der Medien, die Professorenebene der Hochschulen, die Häupter der großen Kirchen oder die Spitzen großer, mit staatlichen und privaten Geldern durchfinanzierten Stiftungen. Wer zu diesem Kreis gehört, erfreut sich meist langfristiger, hoch bezahlter Verträge mit diversen Extras, genießt einen fast unbeschränkten Zugang zu öffentlichen Podien, im Fall von beamteten Professoren nahezu vollständigen Kündigungsschutz, in den anderen zumindest die Sicherheit, bei einem Sturz finanziell sehr weich zu fallen. Kein Beamter, kein Intendant und kein Bischof hängt außerdem – auch das gehört zu den strukturbildenden Bedingungen – in seinem Alterswohlstand von der staatlichen Rentenkasse ab. Für sie existieren ungleich besser ausgestattete Sondersysteme.
Unter dem Sonnendeck liegen die Kabinen der angestellten Dozenten, Verwaltungsmitarbeiter, Redakteure, Kirchenbedienstete, fest angestellte NGO-Mitarbeiter, gewissermaßen die Kleinadligen. Hier gibt es zwar keine üppige, aber meist einigermaßen auskömmliche Bezahlung und nicht immer, aber meist länger laufende Arbeitsverträge, die den materiellen Druck mildern. Darunter beginnen die Abteile der dritten Klasse. Hier werkeln Mitarbeiter des akademischen Unterbaus streng befristet auf halben, manchmal sogar auf Viertelstellen, bieten freie Journalisten ihre Erzeugnisse zu demütigenden Preisen an, hangeln sich Speaker von einer schlecht bezahlten Einladung zu einer Konferenz zur nächsten. Bei vielen reicht es nur mit ergänzenden staatlichen Transferleistungen zu einem Leben, das ihnen – da es sich bei diesem Milieu möglichst in einer Großstadt abspielen muss – nicht die kleinste Freiheit lässt. Nicht finanziell, erst recht nicht im Verhalten.”
Und draußen – der Rest. Ende der Abschweifung.
„War Deutschland je Börnes würdig?”, fragt unser Börnepreisgewürdigter. Die Antwort gibt er nicht direkt, aber sie liegt auf der strebsam geöffneten Hand: Erstens nein, zweitens: Dächte in Deutschland jedermensch so wie die Mondialisten in Brüssel, Washington und dem Silicon Valley, wie die Grünen, Habermas und Kehlmann, dann könnte man diese Frage endlich bejahen und Börne postum aus seinem Exil heim ins woke Reich holen. Die „Nachtbuben” und „wir” lautet die Überschrift, dieses „wir” sind dann wohl die Tagbuben, versammelt unter der autoritären Floskel „unsere Demokratie”. Helldeutschland versus Dunkeldeutschland, man kennt das, gerade als Hölderlinpreisträger. Dabei ist es keineswegs sicher, auf welcher Seite Börne – und erst recht Heine – heute stünden, gerade in ihrer Eigenschaft als Juden und angesichts willkommenskultureller Antisemitenimportexzesse. Schwer vorstellbar, dass die beiden den woken Neorassismus und Neotribalismus gebilligt hätten, das Niederbrüllen von Professoren, die Sprachzensur, das Umschreiben von Klassikern wegen böser Worte, die Anprangerung der westlichen Kultur als rassistisch, sexistisch, ableistisch, die Förderung von Dummköpfen im Namen ihrer Gruppenzugehörigkeit und das Herostratentum allüberall. Womöglich wären die beiden weißen Männer heute große Fans des Benziners (Cabrio) und noch größere Verspotter der Islamisten, der Feministen und – Heine! – der LGBTQ-Wichtigtuer. Und wenn Kehlmann den „Universalismus” auf dem Grunde von Börnes (und Heines) Gesinnung findet, sähe man den braven Baruch doch gern mal im Gespräch mit Universalisten wie Uschi von der Leyen oder Hunter Biden und den Heine zu Gast bei den Moralgiganten auf den WEF-Treffen zu Davos. Was der große Weiberanharfer aus Düsseldorf zu einem Deutschland gesagt hätte, in dessen Städtchen jeden Tag im Schnitt zwei Mädels von Gästen der Fortschrittsregierung gruppenvergewaltigt werden, male sich jeder selbst aus.
Ich will dem Kehlmann zuletzt noch anhand von einigen zufällig ausgewählten Exempeln erklären, wer heute die wirklichen „Nachtbuben” sind.
„Nachtbuben”, das sind zum Beispiel die Spitzel und Rufmörder von Correctiv, die von der Obrigkeit dafür bezahlt werden, dass sie Oppositionelle denunzieren und deren berufliche Existenz vernichten, zum Beispiel indem sie ein konservatives Allerweltstreffen mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausleuchten, zum „Geheimtreffen” und zur „Wannseekonferenz 2.0” umlügen, volksverhetzende Falschinformationen über dort angeblich besprochene Deportationspläne verbreiten, sie in einer konzertierten Aktion unter Benutzung sämtlicher Medienkanäle und ein aus Lügengespinsten fabriziertes Theaterstück über das ganze Land verbreiten, was dazu führt, dass Hunderttausende Manipulierte gegen einen Popanz wie von der FDJ organisiert auf die Straße gehen, die meisten Teilnehmer dieses Treffens ihre Jobs verlieren, attackiert werden etc. und das Hotel keine Besucher mehr hat. Inzwischen sind nahezu alle Anschuldigungen widerlegt worden, und einige Gäste der inkriminierten Gesprächsrunde haben sich vor Gericht erfolgreich gegen ihre Kündigung gewehrt.
„Nachtbuben” sind jene Mimen des Berliner Ensembles, die bei dem Rufmord mitgemacht haben – „Hitler sprach zu Goebbels das:/Auf die Künste ist Verlass!” (Peter Hacks). „Nachtbuben” waren jene, die in den Coronajahren über die Impfunwilligen Sätze wie „Möge die ganze Republik mit dem Finger auf sie zeigen” schrieben, und eine ganz spezielle Nachtbübin – Nachtschwester wäre die falsche Assoziation – darunter ist jene Frau Bosetti, die sämtliche Kritiker der Coronadiktatur mit Blinddärmen – „überflüssig und rechts unten” – verglich. Ein „Nachtbube” par excellence ist der Unionsabgeordnete Marco „running gag” Wanderwitz, ein knalldeutsch-autoritärer Charakter, der gern die antiautoritäre Opposition verbieten, enteignen, ja „auslöschen” würde, weil er keine Argumente gegen sie vorzubringen vermag.
„Nachtbuben” sind jene Lemuren, die solche Denunziationsportale betreiben, solche „Visitenkarten” verteilen und die ganze Chose „Demokratie leben” nennen:
„Demokratie leben” hieß früher „Schild und Schwert der Partei”. Das weiß unser preisbehängter Tagbube natürlich selbst.
Kehlmann beginnt seine Rede mit dem Frankfurter Zensor Johann Joseph Sever, der mit Börne sympathisierte und deshalb seinen Job hinschmiss (man hat das damals anders fomuliert), eine Geste, die heute wohl auf Rechtspopulismus hinausliefe. Wenn man dermaleinst als wiederholt auffällig gewordener Falschmeiner einfach nur noch gelöscht und mitsamt seinem virtuellen Alias für immer aus dem Netz getilgt wird, dann werden einem die Zensoren aus der Zeit der Restauration wie temperierte, mitfühlende Wesen erscheinen.
Sela, Psalmenende.
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Apropos tatsächliche „Nachtbuben” bzw. soziale Probleme bzw. Probleme mit Asozialen (und den Ausweg, der sie vorsätzlich und amtseidbrüchig importierenden Obrigkeit so nach dem Mund zu reden, dass man selbst davon einstweilen noch verschont bleibt): Bei Danisch stieß ich auf den Brief einer jungen Französin, der geradewegs aus der Zukunft kommt und beschreibt, was vielen weißen westlichen Frauen bevorsteht, wenn die falschen „Nachtbuben” nicht bald an die Macht gelangen und dieser Entwicklung ein Ende setzen. Ich zitiere:
„Ich bin 26 Jahre alt, Französin, blond und helläugig. Ich habe immer in Lyon 6eme gewohnt, dem sogenannten bürgerlichsten Viertel von Lyon, und mein Alltag in dieser Stadt ist immer unerträglicher geworden. Ich erzähle Ihnen das, weil ich vor zehn Jahren abends zu jeder Stunde mit meinen Freunden ausgehen konnte, ohne angepöbelt, beleidigt, verfolgt oder mit einem Messer angegriffen zu werden. Ich erwähne das Messer, weil mein Freund und zwei seiner Freunde vor drei Jahren auf dem Heimweg von einer Männerbande angepöbelt, umzingelt und einem der drei das Handy geklaut wurde. Sie wehrten sich, und mein Freund, der vom Körperbau wie ein Rugbyspieler aussah, wurde mit einem Messer in den Arm gestochen, mit welchem er seinen Hals schützte. Man hat versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden.
Ich meinerseits werde sehr regelmäßig verfolgt und beschimpft, weil ich nicht antworte oder weil ich antworte, dass ich einen Freund habe. Einmal wurde ich sogar angespuckt. Immer häufiger werde ich angepfiffen, wie man nach Hunden pfeift (…). Vor sechs Monaten haben wir ein Hundebaby adoptiert. Eines Abends ging mein Freund um 21 Uhr mit ihm spazieren, und drei Jugendliche versuchten, das Tier zu stehlen. Seitdem gehen wir nur noch zu zweit abends mit ihm raus, wobei ich immer ein Pfefferspray in der Tasche habe. Um unser Haus herum wird ununterbrochen gedealt. Am Tag und in der Nacht. Das hat zur Folge, dass Männer in unserem Haus herumlungern, schreien, meistens unter Drogen, und sich an Leute, vor allem an Frauen, heranmachen. All diese Aktionen (es ist nur ein Teil dessen, was wir erleben) gehen von Männern aus, die eingewandert sind oder einen afrikanischen oder nordafrikanischen Migrationshintergrund haben. Noch nie hat sich ein weißer Mann mir gegenüber so verhalten wie sie.
Ist es rassistisch, wenn ich anprangere, wie der Alltag aufgrund der Einwanderung für eine Frau geworden ist? Ist meine Realität, mein Alltag rassistisch? Bin ich nicht legitimiert wie jede andere Person, all diese erlittene und traumatisierende Gewalt anzuprangern, nur weil sie von ausländischen Männern oder Männern mit Migrationshintergrund ausgeübt wird? Ich weise darauf hin, dass ich nicht von Männern im Allgemeinen spreche, sondern von Männern und manchmal Minderjährigen, die eingewandert sind oder einen Migrationshintergrund haben.
Jetzt, und das seit mittlerweile etwa vier Jahren, habe ich meine Lebensweise, ob Zuhause oder draußen, verändert und an diese Unsicherheit angepasst. Ich lebe mit einem Pfefferspray, einem Elektroschocker und einer Pistolenattrappe, die ich nach einem versuchten Einbruch erhalten habe. Wir haben unsere Haustür mit einem Doppelschloss nachrüsten lassen. In unserer Wohnung gibt es eine Überwachungskamera. In meiner Handtasche habe ich ein zweites Pfefferspray und einen Schlagring, der an meinen Schlüsseln hängt. Ich betrete nie ein Gebäude, ohne zu überprüfen, ob mir ein Mann folgt. Ich verweigere Augenkontakt mit Sie-wissen-schon-wem. Ich wechsle ständig den Bürgersteig. Ich gehe nach 21 Uhr nicht mehr allein aus dem Haus oder lasse mich nach Hause bringen. Ich benutze keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr. Ich weigere mich, einen Fuß in bestimmte Viertel von Lyon zu setzen. Ich habe Angst, wenn ich allein zu Hause bin. Ich habe Angst, wenn ich draußen bin. Ich habe ständig Angst.
Ich will diese Zukunft nicht für meine Kinder, die zum Glück noch nicht da sind, und ich verstehe diejenigen nicht, die nicht sehen, dass Frankreich wegen der männlichen Einwanderer zur Wiege der Unsicherheit wird. Für die Frauen, aber auch für die Männer.
Also für Ihre Zukunft und die Ihrer Kinder oder zukünftigen Kinder: Stimmen Sie gut ab.”
Hier ist das Original.
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Einen Netzfund hab’ ich noch.
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Der wohl- und hochedelgelahrte David Engels hat ein vierteiliges Gespräch mit mir geführt, das auf der Webseite Der Sandwirt erscheint, im Wochenabstand, wenn ich recht informiert bin. Der erste Teil ist jetzt online – hier –; wenn die drei weiteren folgen, werde ich jeweils darauf hinweisen.