9. Juni 2024

„Die Rechts­extre­men haben einen Wahl­kampf gegen Euro­pa gemacht”, „Es herrscht Euro­pa­ver­dros­sen­heit”, „Die euro­pa­kri­ti­sche Par­tei liegt vorn” etc. ad nau­seam pp.: Man soll­te am Tag der Euro­pa­wahl dar­an erin­nern, dass „Euro­pa” inzwi­schen ein fes­ter Bestand­teil der poli­ti­schen Gau­ner­spra­che gewor­den ist. Was sich der durch­schnitt­li­che Euro­krat oder der Aller­welts-Ampel­par­tei­ler unter dem Kon­ti­nent vor­stel­len, der in den ver­gan­ge­nen 500 Jah­ren in jeder Hin­sicht den Lauf der Welt präg­te und den Namen jener Maid trägt, mit wel­cher Zeus die EU-Unter­welts­kom­mis­sa­re Minos und Rha­da­man­thys zeug­te, will man sich am bes­ten gar nicht aus­ma­len. Eine der zahl­rei­chen Kam­pa­gnen im soge­nann­ten Vor­feld der Wah­len gibt einen hilf­rei­chen Wink.

„Was hat Euro­pa für mich getan?”, schie­ne mir zwar die weit inter­es­san­te­re Fra­ge zu sein, doch in die­sem Zusam­men­hang wäre das seman­ti­sche Buben­stück des Ineinsset­zens eines Kon­ti­nents mit einer zen­tra­lis­ti­schen poli­ti­schen Struk­tur, die über­dies nicht ein­mal des­sen geo­gra­phi­sche Hälf­te umfasst, auch noch den Vor­letz­ten auf­ge­fal­len („Was hat Euro­pa für mich getan? Urlaub auf Mallorca”).

„Ein bil­li­ge­res Lock­an­ge­bot als abge­schaff­te Roa­ming­kos­ten, um bei der Euro­pa­wahl ‚EU-freund­lich’ zu wäh­len, kann ich mir kaum aus­den­ken”, notiert Leser ***, der mir das Foto sand­te. „Drol­lig fin­de ich auch den Gedan­ken, ohne die EU sei ein Urlaub in Mal­lor­ca nicht ohne ein Visum mög­lich. Ich fra­ge mich, für wie intel­li­genz­be­freit das Bahn­un­ter­neh­men eigent­lich sei­ne Kun­den hält, und vor allem, war­um ein Bahn­un­ter­neh­men, fast wie in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam, Wer­bung für die EU macht.”

Nun, viel­leicht sol­len sich die Pas­sa­gie­re ein paar süd­son­ni­ge Gedan­ken machen, wäh­rend sie auf den wie gewohnt ver­spä­te­ten ICE war­ten? Ansons­ten dürf­ten die drei Kri­te­ri­en offe­ne Gren­zen, Ein­heits­wäh­rung, kein Aus­lands­auf­schlag beim Mobil­funk mit hoher Wahr­schein­lich­keit das nahe­zu kom­plet­te Euro­pa­bild der Gene­ra­ti­on Fes­ter-Lang-Küh­nert reprä­sen­tie­ren. Ich ent­sin­ne mich, dass Robert Habeck ein­mal auf die Fra­ge, was Euro­pa für ihn bedeu­te, irgend­ein grenz­über­schrei­tend gül­ti­ges Bahn­ti­cket nannte.

***

Wirk­lich erhei­ternd sind die enor­men Zuwäch­se der Blau­en und Ver­lus­te der Grü­nen bei den 16- bis 24jährigen. Im irri­gen Wäh­nen, das Jung­volk sei per se grün, haben sie lan­ge dafür getrom­melt, dass auch Min­der­jäh­ri­ge wäh­len dür­fen, und nun das! Tja, gera­de die Jun­gen machen in der Schu­le, auf den Stra­ßen und mit der Par­ty- und Event­sze­ne ihre ein­schlä­gi­gen Erfah­run­gen, die sie kon­ser­va­tiv stim­men. Gelie­fert wie bestellt.

***

Eigent­lich woll­te ich heu­te über die so pene­tran­te wie stu­pi­de Wahl­wer­bung schrei­ben, mit der die Euro­pa­wah­len ange­kün­digt bzw. flan­kiert wur­den, doch nun hat es Alex­an­der Wendt bereits und mit der ihm eige­nen Gründ­lich­keit getan, wes­halb ich’s las­sen kann. Gleich ihm fiel mir auch die immer auf­dring­li­che­re Duze­rei auf, mit der sich das Estab­lish­ment, egal über wel­che Mit­tels­men­schen, ans Volk wendet.

Von der Umkeh­rung der Tat­sa­chen im Lan­de der Haus­durch­su­chun­gen und der Gesin­nungs­kon­trol­le abge­se­hen: „Das Duzen”, schreibt Wendt, „bewährt sich als wich­ti­ges Stil­mit­tel, wenn jemand Bür­ger anzu­spre­chen wünscht; bei die­sem Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Du han­delt es sich um die zeit­ge­mä­ße Vari­an­te des Er im Sin­ne von: Höre Er jetzt gut zu.)”

Bezie­hungs­wei­se: „Das trau­li­che Du wird immer noch/ An das alte Er erin­nern” (Hei­ne, „Win­ter­mär­chen”, Caput III).

Mir fiel außer­dem auf, dass über­wie­gend Frau­en auf den Pla­ka­ten für Euro­pa wer­ben, zum Bei­spiel die­se bei­den höchst­re­prä­sen­ta­tiv diver­sen Mäg­de­lein, die sich auf irgend­ei­nem Hügel die wär­men­de EU-Fah­ne umhän­gen, weil es zur Zeit wegen der Kli­ma­ka­ta­stro­phe hier­zu­lan­de erfri­schend frisch ist.

Dass die­ses EU-Euro­pa sich vor­wie­gend weib­lich lesen lässt, fin­de ich inso­fern nicht ver­wun­der­lich, als es ja auch künf­tig nach dem Wil­len der Pro­gres­sis­ten Afri­ka und dem Ori­ent die Bei­ne öff­nen soll.

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Die pracht­volls­te Kam­pa­gne aber kommt aus dem Land, in dem der Geß­ler­hut erfun­den, des­sen Krea­teur aber auch vor­zei­tig in die ewi­gen Hatz­grün­de gesandt wur­de (zu Bern wird der Pas­sant eben­falls geduzt).

Also das hängt doch sehr von den Brüs­ten ab. In kri­tisch-abschät­zi­ge Gesprä­che wür­de ich mich als wohl­erzo­ge­ner Sexist nie­mals einmischen!

Wer kennt sie nicht, die Wür­ge­ge­räu­sche jun­ger Paa­re bzw. Grup­pen neben Schwu­len, die sich küs­sen! (Mit­un­ter machen auch afgha­ni­sche oder ara­bi­sche Pär­chen Wür­ge­ge­räu­sche, aber dann ist meis­tens Ruhe.)

Das ist mir zu ras­sis­tisch. Viel­leicht möch­te der Pas­sa­gier nur sei­nen Will­kom­mens­dank zum Aus­druck bringen.

Na klar, in einem sol­chen Fall muss man hel­fen; wenn ein Zeit­ge­nos­se auf dem ero­ti­schen Holz­weg ist, soll man es ihm mitteilen.

Tusch!

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Ist Ihnen, by the way, auf­ge­fal­len, dass das aktu­el­le poli­ti­sche Per­so­nal zwar gern von Men­schen­rech­ten redet, und zwar des­to ger­ner, je grü­ner, aber man kaum mehr irgend­wo das Wort „Bür­ger­rech­te” hört und auch mit den „Grund­rech­ten” äußerst spar­sam han­tiert wird? Mit den Men­schen­rech­ten geht es dem Demos an den Kra­gen. Die Men­schen­rech­te sind das Schwert, mit wel­chem die Bür­ger­rech­te ent­haup­tet wer­den sollen.

Als wir sag­ten: „Sie wer­den nichts besit­zen und glück­lich sein” („You will own not­hing and be hap­py”), ver­ga­ßen wir hin­zu­zu­fü­gen: außer Ihren Men­schen­rech­ten natür­lich; die sind ja unveräußerlich.

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„Die­je­ni­gen, die an 72 Geschlech­ter glau­ben, ebnen jenen den Weg, die an 72 Jung­frau­en glauben.”
(Netz­fund)

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Mono­to­no­the­is­mus: Das schö­ne Wort von Nietz­sche, man ver­steht es ange­sichts der Levan­ti­sie­rung ’schlands täg­lich mehr.

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Indem die Bun­des­re­gie­rung der Ukrai­ne Aber­mil­li­ar­den Euro zahlt, unter­stützt sie ein Land, des­sen Regie­rung einen Volks­be­griff ver­tritt, der in Deutsch­land zur Über­wa­chung durch den Ver­fas­sungs­schutz, zur Ein­stu­fung als rechts­extre­mis­tisch und gesell­schaft­li­chen Äch­tung füh­ren würde.

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Vor einem Café in der Karls­ru­her Innen­stadt haben meh­re­re Ver­mumm­te ver­sucht, zwei Karls­ru­her AfD-Stadt­rä­te mit Base­ball­schlä­gern anzu­grei­fen. „Nur durch beherz­tes Ein­grei­fen von Sicher­heits­per­so­nal, das am Neben­tisch saß, konn­te Schlim­me­res ver­hin­dert wer­den. Der Poli­zei gelang es, eini­ge der Angrei­fer fest­zu­neh­men” (hier).

Erin­nern wir uns: Frau Kün­ast – das ist die jun­ge attrak­ti­ve Frau, deren Ant­litz wie das eines älte­ren Man­nes aus­sieht, der einen Anti­fa-Angriff erlei­den muss­te – hat im Bun­des­tag beklagt, dass die Anti­fa end­lich „ver­läss­lich” mit Steu­er­gel­dern geför­dert wer­den müs­se, und auch die sou­ve­rä­ne Zweit­plat­zier­te im Erich-Hon­ecker-Ähn­lich­keits­wett­be­werb hat sich zu den Schlä­gern bekannt.

Ber­lin ist aber nicht Wei­mar. Dafür sind die Rech­ten zu zahm.

***

Will­kom­men und Abschied.

Im „Blei­bergs”, dem ers­ten kosche­ren Restau­rant Ber­lins, blei­ben seit dem 7. Okto­ber die Gäs­te aus. „Plötz­lich waren die Räu­me ein­fach leer”, sagt der Betrei­ber. „Deutsch­land ist kein siche­rer Ort mehr für jüdi­sche Men­schen.“ Aber auch Ber­li­ner hät­ten seit dem 7. Okto­ber zum Teil Angst, in ein israe­li­sches Restau­rant zu kommen.

Es gibt für Anti­se­mi­ten gute Grün­de, die Ampel­par­tei­en zu wählen.

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Netz­fund.

Was ist eigent­lich inno­va­tiv dar­an, die Woh­nungs­tür abzu­schlie­ßen, Drei-Liter-Die­sel­mo­to­ren mit Dop­pel-Tur­bo zu bau­en, Tho­ri­um- oder Flüs­sig­s­alz­re­ak­to­ren zu benut­zen, um den bil­ligs­ten und umwelt­ver­träg­lichs­ten Strom zu erzeu­gen, oder Kin­der mit Mut­ter und Vater (statt mit zwei Vätern oder gar kei­nem Vater oder vier Co-Eltern) auf­wach­sen zu lassen?

Und über­haupt, was ist inno­va­tiv am Zäh­ne­put­zen? Am Tra­gen von Schu­hen? Am Woh­nen in Häusern?

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Lese­rin *** möch­te zu mei­nem Ein­trag ange­le­gent­lich der „Flut­ka­ta­stro­phe” (Acta vom 5. Juni) „noch anmer­ken, dass Kli­ma­wan­del nicht immer nur schlecht sein müs­sen. Der Mensch ist im All­ge­mei­nen klug genug, das Bes­te aus sei­ner Situa­ti­on zu machen, und so zu han­deln, dass es für ihn prak­ti­ka­bel ist.
Ich las kürz­lich ein tol­les Buch: ‚Bier. Eine Geschich­te von der Stein­zeit bis heu­te’, von zwei deut­schen His­to­ri­kern geschrie­ben. Ein Kapi­tel wid­met sich dem Kli­ma­op­ti­mum (unge­fähr vom 9.-11 Jahr­hun­dert). In die­sen ca. 250 Jah­ren wur­de es in Mit­tel­eu­ro­pa auf ein­mal schlag­ar­tig wär­mer, und zwar um meh­re­re Grad Cel­si­us. Die Durch­schnitts­tem­pe­ra­tu­ren in Deutsch­land lagen damals sogar höher als heut­zu­ta­ge. Bis zum 9. Jahr­hun­dert hat­te sich die Bier­braue­rei bereits über das Gebiet des heu­ti­gen Deutsch­lands ver­brei­tet. Es gab Brau­ver­ei­ne und Kom­mu­nen, die Brau­li­zen­zen beka­men und die Bevöl­ke­rung mit mehr oder weni­ger gutem Bier ver­sorg­ten. Die­se gan­ze Ent­wick­lung des Brau­we­sens kam dann, bedingt durch die plötz­li­che Erwär­mung, zum Still­stand. Denn es gab ja damals kei­ne Kühl­tech­nik. Es wur­de zu warm, um Bier zu brau­en. Es gab noch kei­ne Eis­kel­ler wie in Fran­ken, und Kühl­an­la­gen schon gar nicht.
Die Leu­te haben es sich damals von der Bevöl­ke­rung süd­lich der Alpen abge­schaut und began­nen mit dem Wein­an­bau. Das ist bis heu­te so geblie­ben. Die ers­ten Wein­an­bau­ge­bie­te an der Mosel oder in Baden ent­stan­den damals. Man konn­te es also auch als Fort­schritt betrach­ten, denn die Bevöl­ke­rung muss­te die Tech­ni­ken des Wein­an­baus erler­nen und kul­ti­vie­ren! Ab dem 11. Jahr­hun­dert kam es wie­der zur Abküh­lung der Tem­pe­ra­tu­ren. Sofort haben die Men­schen wie­der das Bier­brau­en auf­le­ben las­sen, es ent­stan­den eini­ge Klos­ter­braue­rei­en, u.a. auch die bis heu­te bestehen­de ältes­te Klos­ter­braue­rei der Welt, im Klos­ter Wel­ten­burg, und es begann der Auf­schwung der Bier­braue­rei in Bayern.”

Ich bin ganz Ihrer Mei­nung, gnä­di­ge Frau! Wenn die Erwär­mung, sofern sie denn tat­säch­lich ein­tritt, die Deut­schen etwas süd­län­di­scher stimm­te, ihnen den klem­mär­schi­gen Säku­lar­pro­tes­tan­tis­mus aus­trie­be und zu mehr Desin­vol­tu­re ver­hül­fe, wäre doch kul­tu­rell eini­ges gewonnen.

***

Wet­ter ist so lan­ge Wet­ter, bis zu oft Wet­ter ist; dann ist es Kli­ma – ist das jetzt end­lich ver­stan­den worden?

 

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