Ein Dresdner Bekannter sandte mir einen Artikel aus dem Magazin „Leben in der Frauenkirche”, dessen Titel meine Altgier weckte.
Der Verfasser, ein Musikwissenschaftler, der zum poetischen Thema „The influence of musical rhythm on cardiovascular, respiratory, and electrodermal activity” promoviert wurde, will angesichts der Umfrageergebnisse der Schwefelpartei, „einmal im Parteiprogramm der AfD nachforschen, was uns sächsische Kulturliebhaber da eigentlich ab Herbst an kulturpolitischen Alternativen so erwarten könnte”. Was er finden wird, weiß Herr Morgenstern bereits vorher, weshalb er „empörten Leserinnen und Lesern, die sich sogleich fragen, warum ich an dieser Stelle auch noch Werbung ausgerechnet für diese Partei mache”, gleich zu Beginn versichert: „Eine Werbung sind meine Befunde mitnichten.”
Puh, das ging ja noch mal gut. Der Autor ist also erkennbar um Ausgewogenheit bemüht und will sich nicht parteipolitisch instrumentalisieren lassen.
Bei der Überschrift handelt es sich natürlich um einen sogenannten Hingucker. Doch welche Themen oder Ziele verbinden das politische Projekt AfD mit Richard Wagner? Die Erlösung durchs Weib? Wohl eher nicht. Leitmotivik? Höchstens Leitkulturmotivik. Die Abschaffung des Geldes und des Eigentums (außer für Linke wie Wagner selbst)? Ach was. Die Regeneration der Menschheit durch kollektiven Vegetarismus und Alkoholabstinenz? Erst recht nicht. Wenigstens die Revolution und der Sturz der bürgerlichen Gesellschaft? Das weiß der Höcke! Worin soll die Verbindung denn nun bestehen?
Wir ahnen es und werden nicht enttäuscht. Herr Morgenstern, an mehreren Universitäten dressiert, weiß, was er zu apportieren hat: den Wagnerschen Antisemitismus selbstverständlich. „Persönlich”, schreibt er, und er meint dieses „persönlich” ungefähr so persönlich wie die Makrele im Schwarm, „persönlich war ich durch das Geraune rund um ‚die deutsche Sprache als Zentrum unserer Identität’ (so ist ein ganzer Absatz des Parteiprogramms betitelt) sofort an Richard Wagners unter Pseudonym in der ‚Neuen Zeitschrift für Musik’ veröffentlichten Artikel ‚Das Judenthum in der Musik’ erinnert.”
Die Anspielung auf Wagner führt allerdings nur dorthin, wohin in altägyptischen Herrschergräbern die Scheintüren führten. Tatsächlich hat der Gevatter, dessen Werdegang, Profession und Gesinnung nahelegen, dass er ohne Stipendien und andere Steuermittel nicht recht zu leben wüsste, nur Bammel davor, dass eine AfD-Regierung die Kultursubventionen streichen könnte. Sein gesamtes Soziotop plumpste in die Bedeutungslosigkeit. Darum und um nichts anderes geht es in seinem Artikel (der tatsächlich ein überlanger Kommentar ist).
Zur Verheißung der Überschrift gleich. Zunächst zitiert Herr Morgenstern eine Studie der zwar grünen, aber radikalobjektiven Heinrich-Böll-Stiftung, welcher zufolge Kunst und Kultur „unter der AfD politisch instrumentalisiert und staatlicher Zensur unterworfen werden” würden – also ganz anders als unter den Grünen (und Roten), die nie darauf kämen, Kultur zu instrumentalisieren oder zu zensieren –, und zwar fatalerweise „in dem Sinne, dass Museen, Orchester und Theater verpflichtet werden sollten, einen ‚positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern’ ”. Statt einen negativen. Da die AfD im Gau Sachsen ausweislich ihres Wahlprogramms „jegliche Instrumente der Kulturförderung” abschaffen und „die Kulturproduktion und kulturelle Entwicklung allein den Spielkräften des Marktes” überlassen wolle, werde es unter einer Regierung der Rechtspopulisten zu einer Preisexplosion für Besuche von Kulturveranstaltungen kommen. Ergo: Die AfD betreibe „Kulturpolitik nur für Wohlhabende”.
Doch bevor der Kommentator über das schnöde Geld redet, das die Rechten der überwiegend linken Kulturszene wegnehmen wollen, nachdem die es jahrelang den Steuerzahlern weggenommen hat, versucht er, die Schwefelparteiler so anzubräunen, dass jede weitere Erörterung nur zu deren Ungunsten ausfallen kann. Der Passus, aus dem ich eben den Kernsatz zitierte, lautet im Ganzen:
„In überraschend rumpligem Deutsch schürt das Parteiprogramm von 2021 Verlustängste: ‚Die AfD wird nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz vor dem Islam [sic) seine tradierte Kultur verliert.’ Diese Drohkulisse lässt vor dem inneren Auge zuverlässig bekannte Feindbilder auferstehen. Persönlich war ich durch das Geraune rund um ‚die deutsche Sprache als Zentrum unserer Identität’ (so ist ein ganzer Absatz des Parteiprogramms betitelt) sofort an Richard Wagners unter Pseudonym in der ‚Neuen Zeitschrift für Musik’ veröffentlichten Artikel ‚Das Judenthum in der Musik’ erinnert. Darin legte ein gewisser ‚K. Freigedank’ dar, warum es Juden nicht vermögen, wahre Kunst zu schaffen, selbst wenn sie Deutsche sind: ihnen fehlt gewissermaßen das schöpferische Gen, das Biodeutsche mit der Muttermilch aufnuckeln – die deutsche Sprache.”
Herr Morgenstern fühlt sich also durch die Betonung der deutschen Sprache im Programm der AfD an Richard Wagner erinnert, allerdings nicht an Wagners Libretti, sondern an sein Judenpamphlet. Daran erkennt der kundige Leser (toxisch/reizend/gestört), dass er an eine Kulturpersönlichkeit geraten ist; der brave Mann, dessen Verhältnis zur deutschen Sprache ein erkennbar heikles ist, hätte sich schließlich auch gleich an den Führer erinnert fühlen können. Von der rechtspopulistischen „Drohkulisse” gegenüber jener Religion, in deren Namen täglich Menschen umgebracht werden und deren Unvereinbarkeit mit der westlichen Zivilisation man in nahezu sämtlichen westeuropäischen Städten studieren kann, zuletzt in Hamburg, kommt der Gevatter über „bekannte Feinbilder” stracks zu Wagners Judenfeindschaft. Was will er uns damit sagen? Dass nach seiner Ansicht die Muslime die Juden von heute sind. Und die Schwefelparteiler folglich die Nazis von heute.
Also das „bekannte Feindbild” wäre bei Wagner „der” Jude und ist bei der AfD „der” Moslem, und wir wissen ja, wohin das geführt hat. Jetzt wäre der Vergleich zwischen Juden (damals) und Moslems (heute) fällig. Quantitativ ist er leicht zu haben. Juden im Reich 1933: etwa 500.000, Muslime in ’schland 2024: offiziell etwa 5,5 Millionen, wahrscheinlich mehr. Was den qualitativen Vergleich betrifft, können wir die Nobelpreisträger, überhaupt Wissenschaftler, Unternehmer, Professoren, Ärzte, Verleger, Schriftsteller, Künstler, Theaterdirektoren, Schauspieler etc. durchaus in absoluten Zahlen gegenüberstellen, beim Anteil der Messerstecher, Vergewaltiger, Sozialhilfeempfänger, Terroristen und anderer militanten Glaubensverbreiter ließen sich die Zahlen auch in Relationen setzen, damit es nicht ganz so übel aussieht; beides zusammen belehrt uns, dass der Vergleich grässlich hinkt und nur ein Kretin oder ein Mensch mit Interessen, im deutschen Idealfall beides in einer Person, ihn heraufbeschwören kann. Den Begriff „Islamophobie” hat ja nicht zufällig, sondern sehr gezielt der schlaue Ajatollah Chomeini geprägt, fest auf den Kollektivkretinismus des Westens vertrauend.
Herr Morgenstern dürfte seinerseits nicht unglücklich darüber sein, dass er im Dresdener Kulturbetrieb in einer der muslimfreiesten Zonen der Erde sein Tagwerk verrichtet und sich mit den Sitten und Gesellschaftsvorstellungen dieser toleranten Zeitgenossen nicht beschäftigen muss. Sein einstweilen nur ökonomischer Überlebensinstinkt wendet sich deshalb nicht gegen die Ausbreitung eines Glaubens, der, wenn er an die Macht käme, sowohl der westliche Kultur als auch dem westlichen Rechtsstaat den Garaus machen würde – wofür bereits heute im besten Deutschland ever schon genügend kampffähige junge Männer bereitstünden, die umfragenmehrheitlich ein Kalifat schicker fänden als die profane Bundesrepublik –, sondern trendkonform gegen „Rechts”; den Mann verlangt es schließlich nach Subventionen. Mit Juden und Moslems haben wir, wie gesagt, nur einen sogenannten Nebenkriegsschauplatz betreten. (Beiseite gesprochen: Natürlich werden die Moslems die Subventionen für linksdekadenten westlichen Kulturschrott auch sofort abschaffen, wenn sie diese Leute nicht mehr als nützliche Idioten und Toreöffner benötigen, aber bis dahin hofft Herr M., längst bei den Huris zu weilen.)
Ein unaufhebbarer, den Kommentator auch kardiovaskulär und respiratorisch in Wallung versetzender Widerspruch besteht nach seiner Ansicht darin, dass die „Knallchargen” der Schwefelpartei einerseits die deutsche Orchesterlandschaft fördern, andererseits die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks beenden wollen. Denn „ARD, ZDF und die Rundfunkeinrichtungen der Länder” finanzierten „bundesweit zehn renommierte Orchester, fünf professionelle Chöre und vier Big Bands und die Rundfunk-Orchester-und-Chöre GmbH Berlin mit den Gesellschaftern Bund, Land Berlin, RBB und Deutschlandradio weitere zwei Orchester und zwei Chöre (Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Rundfunkchor Berlin, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Rias-Kammerchor)” – nur der Herr und der Herr Morgenstern kennen sie alle beim Namen. Ich gestatte mir wiederholt den Hinweis, dass ARD, ZDF etc. überhaupt nichts finanzieren, sondern komplett vom Steuerzahler alimentiert werden, weshalb es weit einfacher wäre, sie aus dem System herauszunehmen, auf dass ihre Mitarbeiter die Gelegenheit erhalten, ihre Fähigkeiten am Markt unter Beweis zu stellen, während der Steuerzahler, der sie nicht mehr versorgen muss, gewiss gern einen nunmehr weit kleineren Teil seiner Abgaben direkt an die genannten Klangkörper erstattete. Deal? Auch wenn man beispielsweise sämtlichen Stiftungen und NGOs die Mittel für den „Kampf” gegen „Rechts” striche, käme einiges Klimpergeld zur Unterstützung der Orchester zusammen, und zwar keineswegs nur der deutschen; ein, sagen wir aus nigerianischen Einwanderern bestehendes Streichquartett, das die universelle Botschaft in Beethovens späten Quartetten entdeckt hat – denn die steckt darin –, käme unter einem klugen rechtspopulistischen Kultusminister ebenfalls in den Genuss von Fördermitteln.
Um es noch einmal für die Knallchargen zusammenzufassen: Man kann durchaus Orchester subventionieren und zugleich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht.
Das weiß unser Musenstiefsohn mit Frauenkirchenabindung bestimmt selbst. Er will aber dezidiert die Subventionierung der linken, der woken Kulturszene am Leben erhalten. Deswegen moniert er, dass die sächsische AfD-Fraktion „die streng protektionistische Pflege des deutschen kulturellen Erbes in den Mittelpunkt (ihrer Kulturpolitik) gestellt” habe, was er der programmatischen Aussage entnimmt: „Die AfD erachtet es als eines ihrer vorrangigen politischen Ziele, dieses große Kulturerbe für die kommenden Generationen nicht nur zu bewahren, sondern es im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung weiterzuentwickeln und seine unverwechselbaren Eigenheiten zu erhalten.” Kommentar Morgenstern: „Nanu – ist das die Einsicht, dass Kunst- und Kulturschaffende auf ihre jeweiligen Zeiten reagieren, ergo das eigene ‚kulturelle Erbe’ mit heutigen Herausforderungen in einer globalen Welt in Beziehung setzen müssten?
So weit denkt man bei der AfD aber nicht.”
Nein, so weit denken nur Gevatter Morgenstern und seine Coterie. Schon vor der letzten Landtagswahl, rügt er, habe die schlimme Partei nämlich gegen das Programm des „Europäischen Zentrums der Künste” in Hellerau agitiert, ein typisches linkes, also weit gedachtes, durchdiversifiziertes, durchgegendertes, intellektuell barrierefreies „Projekt”, das, so die Kritik von rechts damals, „importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt”. Morgenstern, jeder Zoll ein Sportsmann, kommentiert: „Solcherlei moralischen Landesverrätern soll in einem AfD-regierten Sachsen zukünftig der Geldhahn abgedreht werden. Stattdessen soll im deutschen Volk, etwas schwurbelig formuliert, ‚ein Bewusstsein gestärkt werden, welches kulturelle Verbundenheit wahrnimmt, fördert und schützt’. Wie sich eine solche Kulturförderung mit der grundgesetzlich festgeschriebenen Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3) vereinen ließe, führt der sächsische Landesverband indes nicht aus.”
Merke: Förderung des Eigenen ist Abwertung des Fremden. Das erinnert wahlweise an Schmitts Carl oder an den jüdischen Witz, wo die Mutter ihrem Sohn zum Geburtstag zwei Pullover schenkt, einen blauen und einen roten, und als der Sohn am nächsten Morgen mit dem blauen am Leibe aus seinem Zimmer kommt, fragt sie: Der rote gefällt dir wohl nicht?
Merke, zum zweiten: Wenn Linke Kultur fördern – was immer heißt: Das Steuergeld der Bürger dafür ausgeben –, ist das in Ordnung. Wenn Rechte es täten, vertrüge es sich nicht mit der Kunstfreiheit. Deswegen wäre das „Drehen” an jenen „Geldhähnen”, aus denen Mittel in politisch missbrauchte Kulturstätten fließen, eine durchaus anmutige Bewegung.
Merke, zum dritten: „Wer die Kultur fördert, schwächt sie.” (Don Nicolás)
Zurück zu den Subventionen. Seit Jahren wird der Kultur- und Kunstbetrieb immer stärker politisiert und gegen Teile der Gesellschaft in Stellung gebracht. Die linken Kulturszene boykottiert, denunziert und cancelt, was ihr nicht in den Kram passt. Von der Initiative „Die Vielen“ bis zu den aktuellen Demonstrationen gegen die Opposition zieht sich eine Spur von Propaganda, Spaltung und moralischer Erpressung – und alles steuerfinanziert. Gerade in den neuen Bundesländern, wo viele Menschen sich noch gut an die Ergebenheitsadressen der Kulturschaffenden an die SED-Führung erinnern, besteht eine besondere Sensibilität für die Instrumentalisierung der Kultur durch die Politik. Nicht zuletzt deshalb liegt die AfD dort in den Umfragen vorn.
Nach meiner Kenntnis ist es kein politisches Ziel der Schwefelpartei, auch nur ein Orchester oder Theater oder welche Kultureinrichtung auch immer zu schließen. Ihr geht es lediglich um die Rückverwandlung von subventionierten Propagandaorten für eine linksgrüne Klientel in Kulturstätten für die Allgemeinheit. Wer dabei nicht mitspielen will, soll sich halt selbst finanzieren – oder sich einen Mäzen suchen. Richard Wagner hat es vorgemacht.