Das heutige Datum ist ein guter schlechter Anlass, daran zu erinnern, wie sehr die sogenannte Vergangenheitsbewältigung die Deutschen zu einem Volk von habituellen Polynesiern gemacht hat, welches, elanlos zwar, aber sturheil seine Totems umtanzt und heiligschreckhaft vor den dazugehörigen Tabus erstarrt. Magisches Denken besitzt die Eigenart, dass Begriff und Gegenstand in eins gesetzt werden, es ist das Denken von Primitiven, die nicht zwischen beidem unterscheiden können (oder wollen), weshalb heute derjenige mit einer Maßregelung, Abmahnung, Kündigung, Exmatrikulation oder dem Gecanceltwerden rechnen muss, der coram publico einen „inneren Reichsparteitag” erlebt zu haben bekundet oder an der falschen Stelle „Autobahn” sagt. Oder „Alles für Deutschland!” Oder „USA”.
Als ein mit Richard Wagner und nolens volens auch mit dessen Bayreuther Sippe (aus der Ferne) halbwegs vertrauter Mensch habe ich schon lange darauf gewartet, dass endlich einmal jemand den 1945ff. im Hause Wahnfried von Winifred und ihren Gästen verwendeten Code für den dahingegangenen prominentesten Hausgast, ja ‑freund – Unser Seliger Adolf – triumphierend in die Öffentlichkeit schalmeit und an die Seite der Autokennzeichen HH oder AH 18–88 (und weiß die antifaschistische Geierin, welcher noch) stellt.
Zu den numerologischen Tabus zählt auch das heutige Datum. Eines meiner Kinder ist mit seinem Erscheinen hienieden um genau einen Tag an Satans Wiegenfeste vorbeigeschrammt, ein zweites um eine Woche – das ging noch mal gut –, aber ein Freund hat heute Geburtstag, was mitunter zu ulkigen Verrenkungen führt (ich erinnere mich des ungeahnt komischen Vorschlags der IT-Abteilung, sein Geburtsdatum als Kennwort zu verwenden). Am Landgericht Halle findet derzeit ein Prozess statt, an dessen Ende der deutsche Tabuwald entweder noch dichter und unwegsamer oder ein bisschen lichter sein wird. Dort muss sich bekanntlich der Unhold vom Dienst gegen die Anklage verteidigen, er habe in einer Rede bewusst, vorsätzlich und auf die historischen Tiefenkenntnisse seines eigentlich ja strunzblöden Publikums vertrauend eine NS-Parole verwendet. Von der hatte ich zum Beispiel keine Ahnung, bis mir ein (obendrein noch jüdischer) Militaria-Sammler einen Dolch mit den in die Klinge gravierten Worten „Alles für Deutschland” und dem damaligen Hoheitszeichen des Reichs am Griff in die Hand drückte.
Es soll sich bei diesen drei Worten also um einen oder den Slogan der SA handeln. Zugleich geht es aber um die Verwendung eines allgemein nationalen, im Grunde unpolitischen Mottos, das mit seiner Inanspruchnahme durch eine Organisation des Dritten Reichs keineswegs den Charaker einer legitimen Willensbekundung verloren hat. Die Formulierung war und ist gewöhnlich, sie war sowohl vor 1933 gebräuchlich als auch später in der Bundesrepublik, wo sie beispielsweise einem Fußballnationaltrainer unbeanstandet über die Lippen ging oder sogar dem Spiegel unterlief, und wenn der Richter seine fünf Sinne beisammen hat, wird er erklären, dass es nicht die Aufgabe der Justiz sein kann, triviale Aussprüche zu bestrafen, weil dieselben Worte auch von den Nationalsozialisten verwendet wurden – was im Falle der ebenfalls inkriminierten Formulierung „Jedem das Seine” („Suum cuique”) ganz besonders beknackt ist, weil sie bereits von Platon und Cicero gebraucht wurde und später als Devise den höchsten Orden zierte, den der König von Preußen verlieh; setzte man sie auf den Index, spräche man den Nazis eine besondere Dignität zu, indem man ihnen gewissermaßen das letzte Wort zur statthaften Verwendung von Klassikerzitaten erteilte.
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Man muss es verspotten.
Der Witz besteht darin, dass es gewisse Überschneidungen zwischen den Ansichten eines durchschnittlichen SA-Mannes und jenen vieler Allah-Anhänger geben dürfte. (Wie verhielte es sich übrigens, wenn ein Clan-Chef heute die Devise ausgäbe: Alles für …?)
Ich habe einige Alternativen zusammengeklaubt.
– Alles für ’schland!
– Alles für die 16 Bundesländer! (Netzfund)
– Alles für OstMitteldeutschland! (Kein Revanchismus!)
– Alle (!) für Deutschland!
– Alle nach Deutschland!
– Alles für dich, du mieses Stück Scheiße!
– Alles fürs Klima!
– Alice für Deutschland! (Netzfund)
– Alle Wege führen nach Deutschland!
– Aglio e olio für alle!
(Wer jemals die Diabelli-Variationen gehört hat, weiß, wie weit sich der Variierer vom Original hinwegvariieren kann.)
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Nach dem justiziablen „Misgendering” ist die Etablierung von „Misaging” und „Misracing” nur eine Frage der Zeit.
„You’re Korean? I thought you were Nigerian. Sorry for misracing you.”
„See you in court!”
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– Haben Sie ein Problem damit, dass ich trans (schwarz, lesbisch etc.) bin?
– Wieso sollte ich ein Problem damit haben? Ich bin doch nicht trans.
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„Wer das Volk verhöhnt, muss es mit einem starken Volk zu tun bekommen.”
(Netzfund)
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Sieben ist die Zahl der Todsünden, aber auch der Weltwunder, Schwaben, Zwerge und Samurai. Die großzügigen Erteiler der folgenden Lektionen mögen indes eher das Motto des tapferen Schneiderleins im Sinn gehabt haben.
„Verfassungsrechtler warnen”, schreibt der Süddeutsche Beobachter, „dass die in Teilen rechtsextreme Partei in Thüringen demnächst das demokratische System lahmlegen könnte – und empfehlen erstmals konkret, was dagegen zu tun ist.” Diese „Verfassungsrechtler” sind es nur zum Teil, aber sie scheinen immerhin gründlicher mit der Verfassung vertraut zu sein als Annalena mit dem Völkerrecht. Es handelt sich um eine erschütternd homogen weiße Truppe von Juristen, die sich um Maximilian Steinbeis, den Gründer des Verfassungsblogs, schart. Steinbeis hat zwar Jura studiert und beide Staatsexamen abgelegt, danach aber vor allem als Journalist und Autor gearbeitet. Er schrieb unter anderem an den Büchern „Mit Rechten reden. Ein Leitfaden” (2017) und „Die Zauberlehrlinge. Der Streit um die Flüchtlingspolitik und der Mythos vom Rechtsbruch” (2019) mit. Aus dem Titel des Letzteren wäre zu folgern, dass er die Masseneinwanderung 2015 ff. für rechtens hält.
„Steinbeis’ Essay ‚Ein Volkskanzler’ (September 2019), in dem gezeigt wird, dass mit Geschick und Intelligenz und ohne bestehende Rechtsnormen und Gesetze zu brechen, eine Unterminierung von Verfassungsorganen und eine Umwandlung der deutschen Demokratie in ein System mit diktatorischen Grundzügen möglich ist, hat für viel Aufsehen gesorgt und wird – nach entsprechender Umformung – vielfach als Theaterstück aufgeführt”, vermeldet die Schrottsammelstelle. Das ist er übrigens, der Gevatter Steinbeis.
Auf dieses Muster werden wir immer wieder stoßen, nicht nur in den „sieben Lektionen”: Die Demokratie ist einzig von rechts bedroht, das Gespenst einer rechten Machtübernahme prangt dräuend an der Wand, gern mit Verweisen auf die polnische PiS und den schlimmen Orbán (oder den Gottseibeiuns Donald), aber der umgekehrte Fall einer schleichenden Machtübernahme von Links durch die Unterwanderung der Ministerien, Behörden, Instanzen und Gerichte existiert nicht. Dabei agiert die Regierung Tusk weit autoritärer und undemokratischer, als die PiS es je tat, um Polen auf EU-Linie zu bringen und die Gebote der Wokeness durchzusetzen, von der Öffnung des Landes für Migranten über die Legalisierung der Abtreibung und den LGBTQ-Kult bis zur Entpolonisierung der Geschichte und Entchristlichung der Öffentlichkeit.
Alexander Wendt hat in diesem Zusammenhang auf das Buch „Twilight of Democracy. The Seductive Lure of Authoritarism“ – deutsch: „Die Verlockung des Autoritären” der Historikerin Anne Applebaum hingewiesen, das ein typisches Pars pro toto für „Dutzende ähnlicher Bücher, die vor der Demokratiebedrohung warnen, vor Viktor Orbán, der PiS-Partei und nun wieder Donald Trump” sei, aber alle diese Bücher kennten in ihrem „Konzept von Autoritarismus” einzig die traditionelle Form der charismatischen, in der Regel rechten oder rechtspopulistischen Führerfigur, die, gestützt auf eine relative oder absolute Mehrheit, ihren Willen durchsetzt. „Die Machtausübung von wohlorganisierten, mit kulturellem Kapital ausgestatteten Minderheiten kommt bei Applebaum und verwandten Autoren nicht vor.” Dabei besitze gerade diese Variante einen enormen Vorteil für die Machtausübenden: Sie können nicht einfach abgewählt werden. „Klassische Herrschaftskritik an den Handelnden und ihren Methoden fällt in diesem Modell sehr viel schwerer. Es gibt nicht das eine Gesicht der Macht, es existiert keine Zentrale mit Straße und Hausnummer. Darin ähneln die Bewegungen der Wohlmeinenden in bemerkenswerter Weise den zentrumslosen sozialen Netzwerken, ohne die es diese neuzeitlichen Machtkonglomerate nicht oder wenigstens nicht in dieser Form geben würde.” Die woke Revolution hat das zuletzt von den Linken favorisierte revolutionäre Subjekt durch den Schwarm, die Zivilgesellschaft, den tiefen Staat ersetzt (ausführlich dazu hier oder hier).
Damit wären wir beim Verfassungsblog und den „sieben Lektionen” gegen die Schwefelpartei. Die meisten Autoren des Verfassungsblogs gehören einer Kohorte an, für die sowohl 68er Lehrer als auch die EU transzendentale Voraussetzungen ihres juristischen Denkens bzw. Empfindens sind und die vom Realsozialismus kaum mehr etwas mitbekommen haben. Anna Notz beispielsweise, Jahrgang 1984, ist die Ehefrau des grünen MdB Konstantin von Notz, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, Vorstandsmitglied im Studienzentrum der EKD „für Genderfragen in Kirche und Theologie” (die Mystik lebt im Christentum!), stellvertretende Vorsitzende des Bundesschiedsgerichts der Grünen und Richterin am Sozialgericht Berlin. Anna Katharina Mangold, Jahrgang 1977, ist Co-Autorin des „Handbuchs Antidiskriminierungsrecht. Strukturen, Rechtsfiguren und Konzepte” und Mitglied der Berliner Expertenkommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“. Anuscheh Farahat lehrt als Professorin Öffentliches Recht, Migrationsrecht und Menschenrechte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Buch „Progressive Inklusion: Zugehörigkeit und Teilhabe im Migrationsrecht” (erschienen ein Jahr vor der Flut) wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Diese Beispiele mögen genügen.
Es handelt sich um Vertreter einer Generation von Juristen, die eine andere, linkere, weniger deutsche, wokere Republik wollen. (Frau Mangold hat immerhin in einem juristischen Gutachten die Ausgangssperren während des Corona-Regimes für „unverhältnismäßig” erklärt.) Wie ich hier gelegentlich – ein Qualitätsjournalist würde schreiben „gebetsmühlenartig” – vor mich hinmurmelte, kann man mühelos mit dem Grundgesetz DDR und mit der DDR-Verfassung Demokratie spielen, die Juristerei ist immer mehr Zeitgeist als exakte Wissenschaft, und was als rechtens gilt, entscheiden weniger die Gesetze als der Zeitgeist und die ihm folgenden Juristen. Das betrifft insbesondere all die elastischen, immer wieder ergänzten Paragraphen zur Meinungsfreiheit („Volksverhetzung”) und zu anderen Grundrechten, die durch Popanze wie den Klimawandel, den Antirassismus und die Bekämpfung von angeblichen Demokratiefeinden bzw. Staatsdelegitimierern (früher: Opposition) in ihrer ursprünglichen Geltung bedroht sind. Derzeit wird der „Kampf” gegen „Rechts” in die Gerichte getragen, und ich wage die These, dass je jünger der Richter oder, wahrscheinlicher, die Richterin ist, desto schlechter die Chancen für die Rechten stehen. Vielleicht irre ich mich auch, und die progressistisch-globalismuskonforme Minderheit hat der Mehrheit der nachwachsenden Juristen nicht das bürgerliche Rechtsverständnis austreiben können. Jedenfalls gehört die Warnung vor einer rechten Machtübernahme verlässlich zum Begleitlärm der Etablierung linker Strukturen. Weshalb auch der Süddeutsche Beobachter seine „sieben Lektionen” explizit als „Warnungen” an den Leser (m/w/d) bringt.
„Erste Warnung: Das Landesverfassungsgericht sei eine offene Flanke der Demokratie in Thüringen – es sei ein naheliegender Angriffspunkt für autoritäre Populisten (…). Derzeit werden Richterinnen und Richter mit zwei Dritteln der Stimmen im Landtag gewählt. Deshalb könnte die AfD mit einer ‚Sperrminorität’ künftige Ernennungen verhindern. Die Fachleute des Verfassungsblogs empfehlen: Um die Arbeitsfähigkeit des Gerichts sicherzustellen, sollte notfalls der Verfassungsgerichtshof in Weimar selbst seine neuen Mitglieder vorschlagen – und das Parlament diese auch mit einfacher Mehrheit wählen dürfen.”
Der juristische Laie begreift: Um die bisherige Praxis der Block‑, Alt- oder Kartellparteien bei der Besetzung von Verfassungsrichtern nach Parteiproporz auch im Falle eines Regierungswechsels fortführen zu können, sollen sie sich bei den Abstimmungen darüber im Parlament, wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit wahrscheinlich nicht mehr gegeben ist, künftig mit einfacher Mehrheit gegen die AfD durchsetzen können; notfalls sollen die von den Alt- bzw. Kartellparteien bereits installierten Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs die neuen Kandidaten selbst vorschlagen, damit sich kein von der AfD aufgestellter Kandidat darunter befindet. Einen Regierungswechsel im Sinne einer echten politischen Richtungsänderung empfänden unsere Warner als total undemokratisch.
„Zweite Warnung: Derzeit kann der Thüringer Ministerpräsident vollkommen eigenständig Verträge kündigen, zum Beispiel den Rundfunkstaatsvertrag. Die Folge wäre, dass Mitarbeitende von ARD, ZDF und MDR entlassen werden müssten, warnen die Autorinnen und Autoren. Sie empfehlen: Man solle den Artikel 77 der Thüringer Verfassung ändern, um bei solchen Entscheidungen stets den Landtag einzubinden.”
Übersetzt in die Sprache der Menschen: So lange der Thüringer Ministerpräsident die alternativlose Politik der Alt- bzw. Kartellparteien exerzierte, war an seinen Befugnissen nichts auszusetzten. Vor der Wahl eines falschen Ministerpräsidenten müssen diese Befugnisse aber prophylaktisch eingeschränkt werden. Da die Alt- bzw. Kartellparteien im Landtag stets eine Mehrheit haben werden, soll die Landesverfassung so geändert werden, dass sie den Ministerpräsidenten überstimmen können, zum Beispiel wenn er den Rundfunkstaatsvertrag kündigen und damit die einseitige mediale Unterstützung der Alt- und Kartellparteien durch die öffentlich-rechtlichen Medien beenden will. Denn wenn sich die Mitarbeiter von ARD, ZDF und MDR am Markt bewähren müssten, wären sie zunächst formell und dann faktisch keine Mitarbeitenden mehr.
„Dritte Warnung: Gleich in der ersten Sitzung des Landtags ist ein Landtagspräsident beziehungsweise eine Landtagspräsidentin zu wählen, das Vorschlagsrecht hierfür haben die stärkste Fraktion und, vom dritten Wahlgang an, der Landtagsälteste. In Thüringen könnte es leicht passieren, dass damit die AfD diese Frage unter sich ausmacht. Um das zu vermeiden, lautet der Vorschlag: Die Geschäftsordnung des Landtags sollte geändert werden. ‚Alle Fraktionen’ sollten Kandidaten vorschlagen dürfen.”
Das Muster ist klar und setzt sich nurmehr lediglich fort: Die AfD soll als eventuelle Regierungspartei in Thüringen die Alt- bzw. Kartellparteien nicht so undemokratisch behandeln dürfen, wie es zum Beispiel die Alt- und Kartellparteien im Bundestag mit der AfD tun. Die Frage, ob sie dies überhaupt vorhat, verbietet sich aus Gründen der gebotenen gesamtgesellschaftlichen Verdachtsdurchseuchung.
„Vierte Warnung: Die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung ist derzeit nirgends gesetzlich verankert, deshalb könnte eine neue Landesregierung sie auch ‚mit einem Federstrich’ auflösen, wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Ihre Empfehlung: Um dies zu verhindern, sollte die Institution gesetzlich abgesichert werden – als ‚teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts’.”
Heißt: Die nächste von den Steuerzahlern (inclusive der AfD-Wähler) finanzierte publizistische Vorfeldorganisiation der Alt- bzw. Kartellparteien soll ihre alimentierte Existenz „demokratisch” garantiert bekommen.
„Fünfte Warnung: Ein ‚autoritär-populistischer Ministerpräsident’ hätte nach derzeitigem Recht die Möglichkeit, die Chefs von Polizei und Verfassungsschutz sofort aus dem Amt zu werfen, denn beides sind sogenannte politische Beamte. Das heißt, sie sind vom Wohlwollen der jeweils Regierenden abhängig. ‚Diese beiden Ämter sollten aus der Kategorie der politischen Beamten herausgenommen werden, da bei ihrer Ausübung die politische Neutralität besonders wichtig ist’, heißt es deshalb.”
Ungefähr so, wie Merkel den Maaßen aus dem Amt warf? Und schwebt den Verfassungsschützern vom Verfassungsblog eine politische Neutralität vor, wie sie Nanny Faeser und Diederich Haldenwang in Wort und Tat engagiert ausleben?
„Sechste Warnung: Eine AfD-Regierung könnte in Thüringen Volksbefragungen abhalten, die ihren Gesetzesvorhaben eine höhere Legitimation verschaffen, ‚an den demokratischen Institutionen vorbei’, wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Ein Vorbild sehen sie in Viktor Orbáns ’nationalen Konsultationen’, und sie halten das für eine derart große Gefahr für die Demokratie, dass sie empfehlen, solche Volksbefragungen ausdrücklich in der Thüringer Verfassung zu verbieten. ‚Die direktdemokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger bleiben dabei unangetastet.’ ”
Das Verbot von Volksbefragungen ist der Schlussstein der Demokratie – das hätte Erich der Einzige nicht anders gesehen. Zugleich bleiben die direktdemokratischen Rechte – also Volksabstimmungen, die nicht von der möglichen Regierungspartei AfD angeregt werden – unangetastet. Wie das? Fragen Sie nicht.
„Warnung Nummer sieben: Wenn der Thüringer Ministerpräsident weiterhin geheim gewählt wird, dann könne es so laufen wie im Februar 2020, als die AfD die demokratischen Parteien FDP und CDU mit einem Trick hereinlegte und vorführte. Damals hatte die AfD vorgetäuscht, sie wolle im dritten Wahlgang ihren eigenen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs wählen. Aber dann hatte sie insgeheim doch geschlossen für den Kandidaten der FDP gestimmt, Thomas Kemmerich, und diesen damit kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gemacht. ‚Um derartige Szenarien in Zukunft zu vermeiden und die Transparenz der Wahl zu erhöhen, sollte die Wahl offen erfolgen’, heißt es in dem Papier.”
Der Skandal bestand nicht in der Wahl Kemmerichs, sondern in ihrer durch die Kanzlerin verfügten Rückgängigmachung, flankiert von der Terrorisierung des gewählten Landesvaters und dessen Familie durch den linken Straßenmob (ach hätte er diese Figuren einlochen lassen, er war doch der Ministerpräsident!), aber es wundert mich nicht, dass Juristen, die das millionenfache Eindringen teilweise gefährlicher, dem deutschen Steuerzahler in erheblichem Ausmaße auf der Tasche liegender Fremder auf deutsches Staatsgebiet für rechtens halten, auch mit der Korrektur unerwünschter Wahlergebnisse sympathisieren, solange sie linksgrüne Mehrheiten erhalten – die Merkel-CDU ist eine grüne Partei, eine Figur wie Hendrik Höfgen, quatsch: Wüst ist ein mit dünner schwarzer Tünche überzogener Grüner (Blackfacing!). Überhaupt erwarte ich, dass demnächst sämtliche Wahlen, auch die des Bundestags, öffentlich und ohne falsche Geheimniskrämerei stattfinden. Man muss den Feinden der Demokratur die Larve vom Gesicht reißen! Jeder anständig gebliebene Alman hat ein Recht darauf zu erfahren, ob in seinem Haus/seiner Nachbarschaft ein AfD-Sympathisant lebt.
Fassen wir zusammen: Um die Demokratie vor der AfD bzw. dem Demos zu retten, empfehlen die Fachleute vom Verfassungsblog ein wenig Demokratieabbau. Sie gleichen Kleptomanen, die „Haltet den Dieb!” rufen. Fern am Horizont erscheint als ein neues irdisches Jerusalem die Bananenzivilgesellschaft.
PS: „Die meisten Vorschläge des Verfassungsblogs gehen von der sehr unwahrscheinlichen Variante aus, dass die CDU (teilweise) einen AfD-Ministerpräsidenten mitwählt, aber anschließend (teilweise) mit den Linksparteien zusammen eine Landtagsmehrheit bildet. Das alles ist so wenig wahrscheinlich, dass man sich nicht ernsthaft damit beschäftigen muss”, meint Leser ***. „Wirklich vergiftet ist der Vorschlag, die Verfassungsrichter mit einfacher Landtagsmehrheit zu wählen. Das kehrt zur Diktatur der ‚Nationalen Front’ zurück, und zwar im ursprünglichen Sinn als gemeinsame Diktatur aller Linksparteien unter Einschluss des linksprotestantischen Klerus – das ursprüngliche Modell, zu dem die meisten Linken 1989 zurückkehren wollten und dem sie heute noch nachtrauern!
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Vorhersehbar wie ein Azorenhoch (ich meine nicht Vogt und Nylund).
Klassik begeistert. Der Klassik-Blog nennt sich die Webseite, auf der ein Connaisseur des Ordnungschaffens frohlockt: „Der Skandalregisseur Calixto Bieito leistet auch beim Berliner Lohengrin eine spektakuläre Regie- und Aufräumarbeit und legt die Schattenseiten dieser Oper auf den Tisch.”
Angesichts des gedanklichen und tatsächlichen Sperrmülls auf hiesigen Bühnen und in Theaterblogs – „er legt die Schattenseiten auf den Tisch” – hielte ich Aufräumen, gerade in manchen Schädeln, für keine üble Idee. Wer oder was aber soll im Falle von Wagners romantischster Oper „zurück zu den Schatten” (Gandalf) bzw. auf den Tisch? Die oben abgebildete kolorierte Maid vielleicht? Oder Elsa? (Die Stimme von Klaus Florian Vogt, um den Scherz von Kamerad *** zu perpetuieren, gibt ja hinreichend Antwort darauf, warum in der Brautnacht nichts passiert.)
„Eine gegen alle: In einem zutiefst patriarchalisch aufgestellten Gerichtsaal muss sich Elsa von Brabant völlig ausgegrenzt gegen die absurden Vorwürfe des Brudermords wehren. Calixto Bieito scheint verstanden zu haben, dass diese Denkweise keinesfalls ein Relikt der mittelalterlichen Vergangenheit, sondern vielmehr von brennender und besorgniserregender Aktualität ist. Herr Bieito haut mal wieder alle Schattenseiten dieser Oper auf den Tisch, die Handlung spielt hier und jetzt!”
Es hieße, das im Kleinen Eckladen herrschende semantische Niveau zu überschreiten, würde ich den Unterschied zwischen auf den Tisch „gelegten” und „gehauenen” Schattenseiten analysieren, und das intellektuelle Niveau wiederum, widmete ich mich der brennenden und besorgniserregenden Trivialität, dass die Klassiker „heute noch aktuell” seien. Um der reinen Fairness der Wagnerschen Handlung gegenüber sei indes angemerkt, dass Elsa von Brabant nur förmlich von einem Mann angeklagt wird, während die tatsächliche Klägerin, Intrigenhaupteinfädlerin und Bruderverwünscherin eine Frau ist, die als solche gelesene Ortrud.
„Das gewaltverherrlichende Männlichkeitsbild eines schwertschwingenden Helden wirft er ebenso Hals über Kopf über Bord wie euphemistische Märchenwelten und fantasievolle Schwan-Szenen.”
Eben noch erfreute sich die arme Elsa, ausgegrenzt und allein gegen alle, der Anteilnahme des Autors, doch ihr ritterlicher Beschützer entspringt einem gewaltverherrlichenden Männlichkeitsbild und gehört über Bord seines Kahns geworfen. Solidaritätsbekundungen genügen.
„Stattdessen steht ein bibeltreuer Telramund stets mit dem heiligen Buch vor seinem Weib und dessen gefühlt fünfzehn Kindern, während der wahre Held der Geschichte kein Schwert zur Hand nimmt und seine Kämpfe blutlos ohne Todesfolge erledigt. Diese Regie befreit wieder mal eine Oper von rückwärtsgewandten Gesellschaftsbildern und räumt die Handlung ordentlich auf. Wunderbar!”
Wunderbar, in der Tat, bar jedes Wunders, wunderlos. Warum aber „bibeltreu”? Das ist doch mittelalterlich und rückwärtsgewandt! Diejenigen, die heute, in den Zeiten der Buntheit, der Vielfalt und der Hl. Diversity, „gefühlt” fünfzehn Kinder haben und auch – nicht ganz „blutlos” – jene Gebiete besiedeln, in denen die Handlung der Schwanenrittersage spielt, tragen doch allesamt eine andere heilige Schrift mit sich oder wenigstens Brocken davon im Kopf.
Aber „Hals über Kopf über Bord”, das passt.
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