Neues Delikt: Illusionsverweigerung. Wird ähnlich geahndet wie Toleranzkraftzersetzung.
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Plakat in der Theatergarderobe im Schloss Albrechtsberg, Dresden. (Wo sonst?)
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Kommen ein zionistischer und ein antizionistischer Jude in eine Bar. Was sagt der Barkeeper zu den beiden?
„Wir bedienen keine Juden!”
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Gestern vermeldete die Welt Erschütterndes.
„Für den von der Staatskanzlei in Auftrag gegebenen ‚Thüringen-Monitor’ untersucht die Universität Jena seit dem Jahr 2000 jährlich die Entwicklung der politischen Einstellungen zu Demokratie, Rechtsextremismus und Antisemitismus.”
Damit ist Objektivität garantiert. Allein die Definition von „Populismus” bestätigt das: „So stimmen unter anderem fast zwei Drittel der Befragten der Aussage zu, dass die ‚Herrschenden und Mächtigen in unserer Gesellschaft gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung’ handeln.”
Ist das zu glauben? Robert der Dreitagebärtige, Annalena v. Völker-Recht, Magda Strack-Zimmermann und Nanny Faeser-Paus sollen gegen die Interessen der Bevölkerung handeln, nur weil sie die deutsche Wirtschaft, die innere Sicherheit, die bürgerlichen Freiheiten und die Kartoffeldemographie im Namen des Klimas, Blackrocks und der Schwangerschaftsstreifen von Tessa Ganserer ein bisschen schleifen – aus dem Schlieffenplan ist der Schleifungsplan geworden –, aber ’schland nach fast achtzig Jahren Erschlaffung wieder kriegstüchtig machen wollen?
Bald wird ’schland aber einen vorderen Platz unter den Schwellenländern einnehmen. Die Letten werden die Esten sein!
(Bernd Zeller)
„85 Prozent glauben”, fahren die Populismusdetektoren fort, „dass sich die Politiker immer dann einig sind, ‚wenn es darum geht, ihre Privilegien zu schützen’.”
In diesem Fall machen mir eher die 15 Prozent Sorgen.
„Auch die migrantenfeindlichen und antimuslimischen Einstellungen stiegen nach einem Rückgang in den Corona-Jahren. So äußern 59 Prozent der Befragten, dass ‚die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet’ sei. Die Hälfte meint, dass ‚die Ausländer nur hierherkommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen’. Der deutliche Anstieg entspricht den Ergebnissen bundesweiter Untersuchungen.”
Eben. Die Migrantenfeindlichkeit ist kein Thüringer Spezifikum wie das Mettbrötchen, sondern ergreift längst sogar manches Epizentrum der Progressivität.
Wobei die meisten populistisch eingestellten Thüringer wahrscheinlich überhaupt kein Problem damit hätten, wenn Migranten auf dem Gelände der Freien Universität Berlin untergebracht würden!
Die Stichhaltigkeit der Ansicht, dass viele der sogenannten Flüchtlinge der Sozialhilfe wegen kämen, ließe sich am besten experimentell durch eine Aussetzung der Zahlungen veri- bzw. falsifizieren. Vielleicht sollte mit dem Experiment aber so lange gewartet werden, bis die Bundeswehr einsatzfähig ist.
„Insgesamt zeigt sich, dass die Thüringer Bürger mit dem gegenwärtigen Funktionieren der demokratischen Praxis unzufrieden sind. So vertrauen nur noch 17 Prozent der Befragten der Bundesregierung und 30 Prozent der Landesregierung. Die Demokratie als Staatsform wird aber weiterhin von 88 Prozent unterstützt.”
Sie verstecken sich hinter der Demokratie, um den Staat zu delegitimieren. Haldenwang?
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Mit ebenfalls erschütternden Neuigkeiten beschert die Zeit den Kaffeekränzchen ihrer Leser*innen (wie Tessa/w/d) den unentbehrlichen Kitzel.
Im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der Partei mit dem kryptischen C im Namen hatte es geheißen: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.” Daraus wurde nun: „Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft.” Allein für den Zusatz „und unserer Gesellschaft” möchte man die Programmkommission der Christlich Demokratischen Union unserer Gesellschaft knuddeln. Bereits an diesem Passus nahm der Vorsitzende des „Zentralrats der Juden von heute” (Alexander Wendt) Anstoß, vor allem aber an jenem Satz, der danach von den Ungläubigen eingefügt wurde: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.” Damit werde eine einzelne Religionsgruppe herausgegriffen, um sie „negativ zu markieren”, klagte Mazyek. Diese selektive Vorgehensweise bediene „antimuslimische Ressentiments und Stereotypen”. Ohne die CDU-Programmkommission wüsste sonst kaum jemand, dass in ’schland überhaupt Moslems leben.
Was jetzt, am Tag eins nach der Negativmarkierung, losgehen wird, kann sich jeder ausmalen: Schändung von Moscheen, aggressive Gruppengebete von Christen in der Öffentlichkeit, Angriffe auf Imame während des Gottesdienstes, Gruppenvergewaltigungen von Kopftuchmädchen, Messerattacken auf Gebetsmützenträger, Teppichdiebstähle, stereotyper Alkoholausschank.
Wie man sich indes ein Auftauchen aus den „trüben Gewässern”, in welchen die Union zu fischen versucht, vorzustellen hat, illustriert vielleicht diese Kurzpredigt.
Die Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehöre, wird nur so lange umstritten sein, bis der umgekehrte Fall eingetreten ist, wofür zu beten uns allen obliegt. Dann ist auch Schluss mit Stereotypen und Ressentiments.
Die einzige offene Frage nach der Herstellung der oben beschriebenen frommen Zustände lautete: Wer baut dann die Händis, die Autos, die Flugzeuge, die Wohnungen, die Kraftwerke?
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Leser ***, Jurist im Staatsdienst, verweist auf einen recht neuen Paragraphen des Strafgesetzbuchs.
Er notiert dazu: „Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches vom 04.12.2022 (BGBl. I S. 2146), in Kraft getreten am 09.12.2022. Dieser bisher nicht verbreitete Erguß ist mir erst seit heute bekannt. Ist natürlich gegen jede Form der Opposition gegen die jeweils polit-medial ausgegebene Ideologie gerichtet und als absolute Silikon-Vorschrift endlos dehnbar und dichtet alle Fugen ab. Allerdings besteht eine Schwachstelle, die eine Bumerang-Wirkung entfalten kann: Was ist, wenn die Justiz bei der Anwendung – eigentlich logisch zwingend – eine Partei als eine ‚durch ihre Weltanschauung definierte Gruppe’ einstuft? Bisher hat die Rechtsprechung das bei § 130 StGB zu vermeiden gewußt. Dort ist die Weltanschauung als Merkmal nicht enthalten. Vielleicht hat man bei § 192a nicht hinreichend aufgepaßt oder sich zu sicher gefühlt?”
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Unsere Klimaner drehen wahrlich durch.
Ich danke Leser *** für die Zusendung.
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Das im Greifswalder Dom zum Ruhme Caspar David Friedrichs zugesperrte Fenster (Acta vom 14. April) nimmt Leser *** zum Anlass, auf einen ähnlichen, wenn auch weniger monochromen Fall hinzuweisen; er schreibt: „Nachdem der Kunstkritiker vor gut 100 Jahren flugs die Fronten gewechselt hat, nämlich vom Lager des Betrachters ins Lager des Künstlers, wurde er vom Kritiker der Kunst zu deren Apologeten. Kunstkritik ist seither Aufgabe des Volksmundes und dies, indem er in Windeseile Spitznamen vergibt. Das Richterfenster im Hohen Dom zu Köln wurde vom ersten Tag an ‚Lappenclown in Aspik’ genannt. Präziser geht es nicht.”
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In meiner Acta-Notiz vom 5. Juli 2018 widmete ich mich mit allem gebotenen Respekt der Rede, die Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung des Thomas-Mann-Hauses in Pacific Palisades gehalten hatte, um unter anderem festzustellen, dass zwar der Bundespräsident bzw. sein Redenschreiber den „Zauberberg” herbeizitierten, aber augenscheinlich keiner von beiden das Buch gelesen hat. Sonst hätten sie nicht den Satz verzapft, Thomas Mann lasse in besagtem Roman „das Aufgeklärt-Rationale des Settembrini und das Völkisch-Irrationale des Naphta zum imaginären Wettstreit um die ‚deutsche Seele’ Hans Castorps antreten”.
Davon abgesehen, dass auch die Figur des Settembrini ironisch gebrochen gezeichnet wird – der Italiener ist ja ein Tugendterrorist par excellence –, ist Leo Naphta ungefähr so völkisch wie Trotzki oder Mohammed. Der im Kapitel „Noch jemand” eingeführte neue Zauberberggast ist ein von frommen galizischen Juden abstammendes und zum Katholizismus konvertiertes Mitglied des Jesuitenordens. Naphta plädiert für den revolutionären „Terror” und die Diktatur des Proletariats als Purgatorium auf dem Weg zum urkommunistisch organisierten Gottesstaat. An Naphtas weltanschaulicher Einordnung ist deshalb schon mancher Interpret gescheitert, aber um ihn „völkisch” zu nennen, bedarf es schon, neben gewaltiger Lektürelücken, eines veritablen Vergangenheitsbewältigungsdachschadens.
Gleichwohl erschienen mir die Ansichten des scharfzüngigen Jesuiten mit der blitzenden Brille bei der Lektüre schon arg disparat und konstruiert. Das mag damit zusammenhängen, dass, wie ich damals schrieb, diese Figur ein Gruß aus einer Zeit ist, als die Menschen, um ein Bild Gómez Dávilas zu gebrauchen, noch auf dem Bahnsteig darüber diskutierten, wohin die Reise gehen soll, während alle heutigen Debatten nur noch Gespräche im selben Zug sind. Naphta ist eine schillernde, ja schrille Figur. Aber das heißt ja nicht, dass es sich um eine unrealistische Figur handelt.
In Eckart Peterichs großartigem Italienbuch (Band 3, S. 352) stieß ich nun, im Kapitel über Lokris, auf diesen Einschub.
Ich schlug im Lexikon nach und erfuhr, dass Tommaso Campanella der Autor des Buches „La città del Sole” ist (Civitas solis, „Die Sonnenstadt”, auch: „Der Sonnenstaat”), geschrieben 1602, eine der weiland gängigen Utopien – die namensgebende des Thomas Morus war 1516 erschienen –, welche im Falle Campanellas lauter scheinbare Unvereinbarkeiten zusammenführte: die spanische Universalmonarchie, den Katholizismus, den Sozialismus bzw. Kommunismus und Platons „Staat”. Campanella ist ein Vorläufer Rousseaus, er führt alle sozialen Missstände auf das Privateigentum zurück, welches im Sonnenstaat folgerichtigerweise abgeschafft wird. Das Leben der Menschen ist gemeinschaftlich organisiert, das Kollektiv beherrscht sämtliche Lebensbereiche, und es gibt auch eine Art früher Planwirtschaft, an der sich die Produktion der notwendigen Güter orientiert. Die Familie als Institution und Quelle des Privategoismus ist aufgelöst, die Kinder werden kollektiv erzogen. Im „Sonnenstaat“ spielt das Individuum keine Rolle mehr; es muss sich, wie reichlich anderthalb Jahrhunderte später bei Rousseau, der volonté générale unterwerfen. Wie später der französische Charakterlump stand auch der charakterlich weit standhaftere Italiener vor dem Problem, wer in einer solchen Gesellschaft von Gleichen regieren solle. Campanella schwebte so etwas wie ein Universalpapsttum vor; im „Sonnenstaat“ herrscht eine priesterartige Hierarchie.
Die Zutaten dieses Weltanschauungscocktails erinnern durchaus an Leo Naphta, und ich meinte, dass Thomas Mann das Werk des italienischen Dominikaners gewiss gekannt hat. Allerdings fand ich seinen Namen nicht im Register des „Zauberberg”-Kommentarbandes der Großen Kommentierten Frankfurter Ausgabe.
Übrigens: Dem Oberhaupt von Campanellas Idealstaat, „Sonne” geheißen, obliegt das letzte Wort in allen Fragen des öffentlichen Lebens. Dennoch herrscht er nicht als Tyrann, denn er berät sich über alle Entscheidungen mit den drei ranghöchsten Fürsten oder Wesiren Pon, Sin und Mor, die Triumvirn genannt. Sämtliche Belange des öffentlichen Lebens sind unter diesen dreien aufgeteilt (bei Rousseau herrscht ein Komitee weiser Gesetzgeber). Pon steht für Macht; er befiehlt das Militär. Sin bedeutet Weisheit; er steht den Wissenschaften vor. Mor steht für Liebe; er regelt u. a. die Fortpflanzung der Bewohner.
Wie schnell die beiden realen Triumvirate im alten Rom zerfielen, war dem Sonnenstaatsträumer bekannt. Die Trias „Macht“, „Weisheit“ und „Liebe“ erinnert an die Orwellschen Ministerien. Campanella starb 1639 im Pariser Exil. Sein Grab fiel 1795 den Wirren der Französischen Revolution zum Opfer.
Mitunter fressen die Revolutionen neben ihren Kindern auch die Gräber ihrer Ahnen.