31. Dezember 2023

Vor­schlag zur Gestal­tung der Jahresabschlussfeierlichkeiten.

Ich habe kei­ne Ahnung, ob der­glei­chen jemals irgend­wo Brauch war, noch ob es über­haupt prak­ti­ka­bel ist; man über­le­ge nur, wie lan­ge man­che Maid in die­ser Stel­lung aus­har­ren müss­te, bis sie end­lich zum Schluss gekom­men ist. Aber sym­pa­thisch ist die Idee schon.

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Nach­dem das bes­te Deutsch­land, das es je gab, dazu über­ge­gan­gen ist, das Weih­nachts­fest aus Grün­den der Kul­tur­sen­si­bi­li­tät in „Lich­ter­fest” umzu­be­nen­nen – Umbe­nen­nun­gen sind über­haupt die heim­li­che oder unheim­li­che Lei­den­schaft Best­deutsch­lands –, soll­te auch Sil­ves­ter einen neu­en Namen erhal­ten: „Will­kom­mens­fest” zum Bei­spiel böte sich an. Seit der spon­ta­nen Unter­wä­sche­par­ty am Jah­res­wech­sel 2015/16 zu Köln ist die­ses Datum schließ­lich von den Will­kom­me­nen besetzt bzw., wie aus­län­der­feind­li­che rechts­extre­me Nazi­po­pu­lis­ten und ver­schwö­rungs­nar­ra­tiv­an­fäl­li­ge Kli­ma­leug­ner sagen, geka­pert wor­den. Zuletzt stieg die gro­ße Jah­res­end­sause vor allem in Ber­lin, aber auch in Essen und Han­no­ver fei­er­te die Par­ty- und Event­sze­ne in unbe­schwer­ter Ausgelassenheit.

Was und war­um die­se Racker genau fei­ern, dar­über ist sich die deut­sche Öffent­lich­keit uneins. Wähend die einen mei­nen, sie ver­lie­hen ihrer Freu­de über pünkt­lich erstat­te­te Sozi­al­hil­fe Aus­druck, brin­gen ande­re die Allü­ren klei­ner Paschas oder krie­ge­ri­sche jung­männ­li­che Initia­ti­ons­ri­tua­le ins Spiel, die irgend­wo aus­agiert wer­den müss­ten; wie­der ande­re sagen, mit der­glei­chen Satur­na­li­en kom­pen­sier­ten „Grup­pen” eine tie­fe Frus­tra­ti­on wegen ihrer täg­li­chen Dis­kri­mi­nie­rung, auch das Schick­sal soge­nann­ter Brü­der in Gaza soll neu­er­dings ein The­ma sein; wenn die IDF in all­zu gro­ßer Fer­ne ope­rie­ren, müss­ten die Buben sich halt eine Ret­tungs­sa­ni­tä­te­rin oder einen Feu­er­wehr­knilch als Adres­sa­ten ihrer Gau­di suchen.

Die Zeit­geistschrott­sam­mel­stel­le erwei­ter­te das Moti­v­an­ge­bot noch um einen über­ra­schen­den Aspekt. „Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen”, heißt es dort über die letzt­jäh­ri­ge Kir­mes, „ste­hen im zeit­li­chen und poli­ti­schen Zusam­men­hang zum am 2. Janu­ar eröff­ne­ten Wahl­kampf zur Wie­der­ho­lungs­wahl zum Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus.” Womög­lich auch mit der ange­kün­dig­ten Schlie­ßung der Gale­rie Lafay­et­te? Wozu eine Koin­zi­denz akzep­tie­ren, wenn eine behaup­te­te eine uner­wünsch­te Kau­sa­li­tät ver­drän­gen kann? Immer­hin: „Jen­seits der Aus­schrei­tun­gen ent­stan­den in Ber­lin kei­ne grö­ße­ren Sach­schä­den” (noch­mals die online-„Enzyklopädie”). Jen­seits des Erd­be­ben­ge­bie­tes blie­ben alle Häu­ser ste­hen. Schau an.

Was eine Kau­sa­li­tät im Unter­schied zu einer Koin­zi­denz ist, erklä­ren recht erschöp­fend die­se bei­den Fotos.

(„Das ers­te Ereig­nis fand nicht 2015 statt, son­dern 2016”, kor­ri­giert Leserin ***.)

Doch über­las­sen wir die Moti­ve sowie gewis­se Her­kunft­s­ka­la­mi­tä­ten den Leit­ar­tik­lern, sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Kaf­fee­satz­le­sern und taz-Redak­teu­sen, wen­den wir uns den Mit­teln zu, den Tat­werk­zeu­gen der Jah­res­end-Tumul­tan­ten sozu­sa­gen, den Rake­ten und Böl­lern. Eini­ge Medi­en schei­nen sich ent­schlos­sen – ver­schwo­ren? – zu haben, die­se Sil­ves­ter­freu­den­spen­der aus dem deut­schen Brauch­tums­schatz zu entfernen.

Was den Lau­sern in Ber­lin-Neu­kölln der in die Front­schei­be des Kran­ken­wa­gens geflank­te Feu­er­lö­scher ist, bedeu­tet dem Hal­tungs­jour­na­lis­ten ein Kom­men­tar unter dem Mot­to „Wir brau­chen”: Es ist eine Kom­bi­na­ti­on aus Initia­ti­ons­ri­tu­al und Mut­be­weis. Dass Gevat­ter Kat­twin­kel mit kei­ner Sil­be andeu­tet, wel­che Kli­en­tel da Men­schen ver­letzt (und Tie­re ver­schreckt), gehört eben­so zur Mut­kost­pro­be wie sein Hin­weis dar­auf, dass Kriegs­flücht­lin­ge, nein, es ist ja ein Hal­tungs­jour­na­list, er schreibt „Kriegs­ge­flüch­te­te” aus der Ukrai­ne oder Syri­en „durch lau­tes Knal­len retrau­ma­ti­siert wer­den kön­nen”. Sofern sie zu den­je­ni­gen gehö­ren, bei denen es tat­säch­lich zuvor jemals geknallt hat. Recht hat der Bra­ve; schließ­lich ist es in den fort­schritt­li­chen Tei­len der Welt üblich, dass Län­der, die Kriegs­ge­flüch­te­te auf­neh­men, ihre Fei­er­ge­pflo­gen­hei­ten ändern, damit nie­mand retrau­ma­ti­siert wird und dann womög­lich aus­ras­tet. (Es gibt sogar ein apo­kry­phes Mär­chen der Geschwis­ter Grimm dar­über: „Der Geflüch­te­te auf der Erb­se”.) Die böl­ler­süch­ti­gen Asia­ten brau­chen wahr­schein­lich mal wie­der einen ernst­haf­ten Krieg, damit auch dort Ver­nunft und Sil­ves­ter­ru­he einkehren.

Die Welt sekun­diert den Ham­bur­ger Kol­le­gin­nen jeder­lei Geschlechts (außer einem).

Hät­te man recht­zei­tig alle Last­kraft­wa­gen ab, sagen wir: zehn Ton­nen ver­bo­ten, wären eini­ge uner­freu­li­che Lkw-Zwi­schen­fäl­le, etwa in Ber­lin oder Niz­za, nicht pas­siert. Doch war­um nur ein Böl­ler­ver­bot? Wie wäre es mit einem Aus­geh- oder über­haupt Sil­ves­ter­ver­bot? Einem „Gute-Alman-daheim-Gesetz”, wie jemand twit­ter­te? Fällt dem Deutsch­mi­chel viel­leicht noch etwas ein, das ver­bo­ten wer­den müss­te, damit zu Sil­ves­ter weni­ger Ran­da­le stattfindet?

Wenn der Mar­tin und der Peter erfah­ren, dass sie die Bul­len bzw. Sani­tä­ter gar nicht mit Rake­ten beschie­ßen und mit Böl­lern bewer­fen dür­fen, da die jetzt ver­bo­ten sind, wer­den sie seuf­zend Fla­schen und Stei­ne neh­men, und allen ist gedient, spe­zi­ell den Trau­ma­ti­sier­ten (und den Tieren).

Ja, Hoch­was­ser kann man die Sache meta­pho­risch auch nen­nen. Für Ber­lin klang ja bereits die Ver­si­on „wegen Wahl­wie­der­ho­lung” an. Alter­na­tiv böte sich an: „wegen Plus­gra­den”, „wegen U‑Bahn-Sanierung”,„wegen Höcke”, „wegen Stich­waf­fen” oder „wegen Oran­gen­ern­te auf Sizilien”.

Aus­ge­rech­net in der kanz­ler­amts­na­hen Hauptslum­pres­se schim­mert die Ursa­che sogar durch die Schlagzeilen.

Die Ber­li­ner Poli­zei, die im Novem­ber 2020 vor dem Bran­den­bur­ger Tor fried­li­che Demons­tran­ten gegen die staat­li­chen Coro­na-Maß­nah­men, dar­un­ter Frau­en, Kin­der, Alte, mit Was­ser­wer­fern bestrich, darf sich aber ledig­lich eines maß­vol­len Mit­ge­fühls erfreuen.

Ich erle­be – also wirk­lich bewusst – unge­fähr mei­nen 55. Jah­res­wech­sel. Jedes Mal wur­de „geböl­lert”, und die Men­schen – so nennt man sie doch? – begrüß­ten das neue Jahr mit Rake­ten und Feu­er­werk. Nie fiel mir Igno­ran­ten auf, dass die Böl­ler ein Pro­blem dar­stell­ten. Erst im bes­ten Deutsch­land, das es je gab, wur­de mir bewusst, wie sehr sie den sozia­len Frie­den und das kul­tur­sen­si­ble Mit­ein­an­der gefährden.

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Apro­pos Böllerverbot.

Es gibt weit Gefähr­li­che­res als das biss­chen Feuerwerk.

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Im Gespräch äußer­te ich den Gedan­ken, dass wir 2024 ins mut­maß­li­che Tal­soh­len­jahr ein­tre­ten könn­ten. „Sie Opti­mist”, schalt mich dar­auf­hin ein Bekann­ter. Wor­an ich das fest­ma­chen wol­le?  Nun, an den fol­gen­den mög­li­chen vier Ereignissen.

Ers­tens: Die Wie­der­wahl Donald Trumps wird ver­hin­dert, indem man ihn von den Wah­len aus­zu­schlie­ßen sucht, obwohl gegen ihn in irgend­ei­nem straf­recht­li­chen Sin­ne nichts Belast­ba­res vorliegt.

Einst­wei­len wird das Obers­te Gericht die­se durch nichts legi­ti­mier­ten Ver­bo­te kas­sie­ren, aber man muss dar­über hin­aus mit Wahl­ma­ni­pu­la­tio­nen im gro­ßen Stil rech­nen, denn die Guten und Wohl­mei­nen­den sind ja der Ansicht, dass sie dies­mal, wäh­rend sie dem smar­ten woken Regime zuar­bei­ten, eine rechts­po­pu­lis­ti­sche Dik­ta­tur verhindern.

Zwei­tens: Es gibt kei­ne Frie­dens­ver­hand­lun­gen für die Ukrai­ne, statt­des­sen wird der Krieg fort­ge­setzt, mit immer mehr Toten auf bei­den Sei­ten und noch stär­ker auf die ukrai­ni­schen Städ­te über­grei­fend. Deutsch­land ist mit zwei­stel­li­gen Mil­li­ar­den­sum­men invol­viert. Einen Ein­satz von NATO-Trup­pen malen wir uns bes­ser nicht aus.

Drit­tens: Die ein­zi­ge Oppo­si­ti­ons­par­tei in Deutsch­land wird nach ihren deut­li­chen Wahl­sie­gen in Sach­sen, Thü­rin­gen und Bran­den­burg verboten.

Und zwar nicht, weil sie das Grund­ge­setz angreift.

Son­dern weil sie es mit­samt des­sen Sou­ve­rän wie­der in sei­ne Rech­te ein­set­zen will.

Vier­tens: Die EU-Kom­mis­si­on ver­bie­tet X, form­er­ly Twit­ter, in den Län­dern der EU – bezie­hungs­wei­se ver­pflich­tet das Por­tal zu rigi­den Zen­sur- und Löschmaßnahmen.

Par­al­lel dazu läuft der migra­ti­ons- und ener­gie­po­li­ti­sche Amok­lauf der Grün­ro­ten wei­ter, deut­sches Geld wird mun­ter in alle Welt ver­teilt, die nächs­te Groß­stadt von Sozi­al­fäl­len wan­dert ein, die nächs­te Groß­stadt von Gebil­de­ten wan­dert aus.

Wenn das alles zusam­men­trä­fe, wäre es wohl die Tal­soh­le. Wenn nichts davon geschieht, könn­te es sein, dass sie hin­ter uns liegt.

Die Hoff­nun­gen der frei­en Völ­ker Mit­tel­er­des ruhen auf der Wie­der­wahl Donald Trumps.

***

Leser *** sand­te mir die­se Mon­ta­ge zum neu­en Jahr, und ich ver­sprach ihm, sie heu­te online zu stellen.

Ich wün­sche allen Besu­chern des Klei­nen Eck­la­dens ein fro­hes, jeden­falls erträg­li­ches neu­es Jahr und möch­te die Gele­gen­heit nut­zen, mich herz­haft für die zahl­rei­chen, nicht sel­ten groß­zü­gi­gen Ver­gnü­gungs­zoll­ent­rich­tun­gen zu bedan­ken. Vergelt’s Gott!

Und jetzt gehe ich in die „Fle­der­maus”.

Pro­sit Neujahr!

 

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