Aus ethologischer Sicht besteht eine grundlegende Gemeinsamkeit zwischen Menschen, die sich folgsam der Gendersprache bedienen, solchen, die einen Penisbesitzer wie Tessa Ganserer für eine Frau halten – beziehungsweise es öffentlich fingieren – , sowie jenen, die einwandernde Gewalttäter und Sozialhilfeabgreifer zu einer kulturellen Bereicherung ihres Landes erklären, wobei dieses Gemeinsame mitnichten in einer vermeintlichen Weltoffenheit oder Toleranz zu suchen ist, sondern in ihrem Dressiertsein.
Das Wesen der Dressur ist die ritualisierte Gewöhnung des Probanden an unnatürliche, seinen Instinkten oder Interessen zuwiderlaufende Handlungen, für deren folgsame Ausführung er eine Belohnung erhält, während Widerspenstigkeit eine Bestrafung nach sich zieht. Irgendwann erreicht sein erzwungenes Verhalten einen Grad von Selbstverständlichkeit, der es ganz natürlich erscheinen lässt.
Ist es aber nicht. Und deshalb schreib ich’s wieder und wieder.
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– Warum sollten wir diese Meinung veröffentlichen?
– Aus dem einzigen Grund: weil es nicht Ihre ist.
Wäre ein solches Gespräch zwischen einem Autor und einem Chefredakteur oder leitenden Redakteur in einer deutschen Redaktion denkbar?
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Der ägyptische Fußballer Mohamed Salah, der beim FC Liverpool spielt, ist einer der besten Stürmer der Welt. In der Weihnachtszeit wurde er im Netz beschimpft, obwohl er noch am 23. Dezember den Ausgleich gegen den Tabellenführer Arsenal London erzielt hatte.
Es ging um etwas anderes.
Salah ist Moslem – man erkennt muslimische Fußballer übrigens bei der enthemmten Version des Torjubels oder beim Trikottausch daran, dass sie nicht tätowiert sind, denn sie haben Allah ihren Leib unverändert bzw. unverschandelt zurückzuerstatten –, und als ein solcher hat er nach der Ansicht vieler anderer Moslems keinen Weihnachtsbaum aufzustellen und das Ding erst recht nicht noch obendrein auf Instagram zu posten. Dabei ist der Baum nicht mal ein christliches Wahrzeichen, sondern ein Relikt der heidnischen Wintersonnenwendfeier. Man kann durchaus sagen, dass es sich um ein kulturelles und kein religiöses Symbol handelt. Überdies lebt Salah in England, also in Europa. Seine Frau zeigt sich aber in der Öffentlichkeit stets mit Kopftuch, auch auf einem älteren Foto vor dem Weihnachtsbaum übrigens. Es ist den Frommen nicht genug, sie müssen ihresgleichen kontrollieren und ins Kollektiv pressen. „Ein jeder von euch ist ein Hirte, ein jeder ist für seine Herde verantwortlich“, gebietet ein Hadith.
Salah bekam natürlich auch positive Kommentare, sicherlich überwiegend von europäischen Europäern. Der Zufall wollte es, dass ich parallel zu dieser Nachricht in Karlheinz Weißmanns Weihnachtsepistel „Kulturkampf um den Weihnachtsbaum” ein bemerkenswertes Zitat las, das diesen Symbolkonflikt auf den Punkt bringt. Es stammt von einem bayerischen Unternehmer mit türkischen Wurzeln namens Mustafa Isik, der von seiner Familie folgendes berichtet hat (in Weißmanns Worten): „Da gab es die religiöse Reserve seiner Mutter gegenüber dem christlichen Weihnachtsbaum und den eher linken Unwillen seines Vaters und die Gedankenlosigkeit vieler in seiner community, die Weihnachten feiern wollten wie alle, und den eigenen hinhaltenden Widerstand, bis die eingeborene Ehefrau sich beklagte und die Kinder zur Welt kamen und zuletzt das Eingeständnis, daß der Weihnachtsbaum das Symbol ist, ‚an dem sich alles kristallisiert, was Integration betrifft: Hast du einen, bist du dabei.’ ”
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Derselbe Kulturkampf, ein anderer Ort.
Weihnachten im besten Deutschland, das es ja gab.
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Das ging schnell.
Auch Polen hat sich entschieden, das beste Polen, das es ja gab, werden zu wollen.
Und wo Woke hobeln, fallen eben Späne.
Die Globalistenmarionette Tusk (englisch: Stoßzahn, Hauer; nein Luisa, die Globalisten sind nicht die Juden, sondern die Globalisten) und seine Coterie haben es anscheinend sehr eilig mit dem Köpferollenlassen, weil sie wissen, dass sich diese unnatürliche Koalition beim erstbesten Anlass zerstreiten und auseinanderlaufen wird.
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Hin und wieder verschränkt sich die andressierte Akzeptanz für kulturelle Bereicherung mit den andressierten Geboten der Oppositionsbekämpfung zu einem beinahe formvollendet kontrapunktischen Zusammenspiel.
Hossa!
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Freund ***, gewisser masochistischer Neigungen nicht gänzlich unverdächtig, liest jeden Tag nach dem Aufwachen die „Lage am Morgen” auf der Webseite des Spiegel – ich schrieb schon einmal kopfschüttelnd darüber –, weil er meint, dass diese Kolumnen als notorische Assemblage aus politischem Konformismus, den Leser ankumpelnder Befindlichkeitsausstülpung und sprachlicher Limitiertheit zum Blödesten gehörten, was der deutsche Journalismus zu bieten habe, und er sich das als Kulturmensch so wenig entgehen lassen dürfe wie ein Pianomane zum Beispiel die Meisterwerke des Hip-hop. Findet er eine „Morgenlage” ganz besonders herausragend, sendet er mir den Link, begleitet von enthusiasmierten Ausrufen. Manchmal falle ich darauf herein und klicke ihn an. So auch heute.
Aus dem zwanghaft oder auch zwangsarbeiterhaft persönlich gehaltenen Teil, der sich diesmal mit dem „Zauber der letzten Tage im Jahr” beschäftigt, rücke ich hier zwei Absätze ein:
„Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Lage am Morgen ausgeschlafen am Mittag lesen. Weil Sie die letzte Woche im Jahr frei haben, noch im Pyjama, mit dem zweiten Kaffee in der Hand, auf dem heimischen Sofa Ihre Basis chillend. Glauben Sie mir: Sie haben es verdient. Ich hoffe, dass Sie Zeit haben, das Jahr zu verdauen. Und halbwegs gedanklich abzuschließen.
Für viele Menschen mögen die Weihnachtstage die Gelegenheit sein, etwas abgeschottet von der aktuellen Weltlage ‚mal in Ruhe’ nachzudenken. Ich sehe das anders – und setze da voll auf die Magie in den ‚Tagen dazwischen’. Wenn der Weihnachtsstress vorbei, der ihn (in vielen Fällen) auslösende Familienbesuch abgereist ist und man mit der eingeübten Vorfreude auf Silvester blickt.”
An der Relotiusspitze scheint es niemanden mehr zu geben, der Artikel gegenliest; wahrscheinlich weil alle damit beschäftigt sind, den jeweils nächsten zu klonen. Unsere Autorin sitzt also im Pyjama auf dem heimischen Sofa und „chillt” ihre „Basis” – ich nehme an, sie meint den Hintern*. Und während die Maid sich um die Entspannung ihres Wurzelchakras kümmert, „verdaut” sie das verstrichene Jahr. Bei dieser schönen Gelegenheit bescheinigt sie dem virtuellen Gesamtleser mit dem gönnerischen Charme einer Elle-Kolumnistin, er habe es sich verdient, ein Gleiches zu tun. Natürlich lässt sie sich die nicht direkt vom Presseamt angeordnete, aber innerjournalistisch ungemein angesagte Klage über den angeblichen Familienweihnachtsstress nicht entgehen (wieder zwei Zeilen geschunden). Im alten Spiegel hätte Hans Detlev Becker den Text mit einem Begleitzettel zurückgehen lassen, auf dem zu lesen stünde: „Ist der Mensch, der das geschrieben hat, noch bei uns beschäftigt?”
Das Fräuleinwunder hat übrigens die Axel Springer Journalistenschule „mit Stationen bei Hörzu, Hamburger Abendblatt, Welt am Sonntag und Bild” besucht, dann wurde sie Politikredakteurin bei der Zeit „mit den Themenschwerpunkten Außen- und Sicherheitspolitik”. Sie ist „Ensemblemitglied der antirassistischen Lese- und Bühnenshow ‚Hate Poetry’ ”, also wenn sie nicht daheim im Pyjama chillt, ist sie obendrein im Widerstand aktiv. Beim Spiegel fungiert sie als stellvertretende Ressortleiterin Ausland.
Ihr Werdegang demonstriert nicht nur die inzwischen über sämtliche Redaktionen und Verlage sich erstreckende beliebige Austauschbarkeit der Redakteure – die aktuelle Chefredakteurin des Focus etwa, die so unbekannt ist wie alle Chefredakteure heutzutage, war vorher fast zwanzig Jahre beim stern, einer linken Gesinnungspostille mit Unterhaltungsteil; es ist egal –, sondern auch deren inhaltliche Flexibilität, weshalb sie Texte produzieren, die einander gleichen wie ein Borken‑, Mai- oder Mistkäfer dem anderen. Sofern nur Gesinnung, Haltung und Jahresendverdauung stimmen, führt ein gerader Weg von der Hörzu zur Außenpolitik und von Springer zum Spiegel.
Was sie nicht mehr können müssen, liegt auf der Hand: schreiben.
* „Eigentlich sagt man ’seine Base chillen’ ”, unterweist mich Freund ***, als Mittzwanziger für Ausläufer der Spätpubertät noch erreichbar, „aber die Autorin ist Jahrgang ’77 und wohl schon zu alt für zwei Anglizismen in einem Halbsatz, sie ist auf halbem Wege steckengeblieben.”
Es handelt sich also nicht nur um ein Ranwanzen an den Leser als solchen, sondern speziell und besonders schmierig an den juvenil-senilen Benutzer einer sogenannten Jugendsprache.