Unter meinen näheren Zeitgenossen beneide ich zwei: Henryk M. Broder dafür, dass ein Asteroid nach ihm benannt worden ist, und Hadmut Danisch, weil er keinen Wikipedia-Eintrag hat.
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„Gibt es irgendeinen Sänger”, frug mich gestern Abend ganz unverhofft und noch kurz vor der Genderfreigabe mein Weib, während wir in der arte-Mediathek der Mailänder Neuinszenierung des „Don Carlos” folgten, „für den du 3000 Euro bezahlen würdest?”
Der sogenannte Hintergrund der Frage war dieses Ticket, das uns ein Bekannter geschickt hatte, der die Veranstaltung live erlebte.
Zufälligerweise hatte ich mir tags zuvor Verdis düsterschönes Opus magnum mit Samuel Ramey als Philipp II. und Luciano Pavarotti als Carlos angehört (stimmlich noch eindrucksvoller in der Rolle des Philipp waren Nicolai Ghiaurov und Cesare Siepi, während Carlo Bergonzi der für meine Begriffe beste Interpret der Titelrolle gewesen ist); im Vergleich dazu schmierten die Herren der aktuellen Mailänder Produktion naturgemäß ziemlich ab, während die Damen – die Netrebko und Elīna Garanča – in gewohnt hoher Qualität ablieferten und die Konkurrenz mit den Altvorderen nicht hätten scheuen müssen. Aber, um auf die Frage zurückzukommen, dafür 3000 Euronen?
Der einzige Sänger, der mir in den Sinn kam, war Fritz Wunderlich; für den würde ich wohl drei Riesen hinblättern. Vielleicht Caruso, das Geheimnis zu ergründen, ob man begeistert oder desillusioniert wäre …? Nicht zögern würde ich allerdings, wenn ich einmal Chopin am Flügel hören dürfte, auch Liszt. Aber es würde uferlos, wenn man hier weiterspönne.
Überraschenderweise wurde diesmal in Mailand die Regie ausgebuht, obwohl die Inszenierung Scala-typisch konventionell war; die Italiener sind ja recht immun gegen eine ästhetische Zumutung namens Regietheater. Der Gedanke liegt nahe, dass es sich um Proteste „von links” handelte, aber dagegen sprachen die Eintrittspreise. Andererseits ist die Schickeria heute ja nahezu geschlossen woke, also links; insofern könnte es doch stimmen. Vor dem ersten Takt Verdi spielte das Orchester die Nationalhymne, „Il Canto degli Italiani”, auch „Inno di Mameli“ (nach dem Komponisten) oder „Fratelli d’Italia” (nach der ersten Textzeile) genannt. „Die Eröffnung der Opernsaison an der Mailänder Scala ist immer eine Haupt- und Staatsaktion”, kommentierte die Welt. „Führende Rechtspopulisten saßen friedlich neben führenden Grünen.”– Hierzu muss angemerkt werden, dass ein „führender Grüner” in Italien deutlich unterhalb eines „führenden Sozialdemokraten” in Bayern rangiert, derweil „führende Rechtspopulisten” oder noch schlimmere Führende derzeit Italien regieren. – „Liliana Segre, 93-jährige Holocaust-Überlebende und Senatorin auf Lebenszeit, sitzt in der gleichen ersten Reihe der blumengeschmückten Königsloge wie der postfaschistische Senatspräsident Ignazio La Russa und der linke Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala”, fährt der Welt-Opernrezensent fort. Noch vor der Nationalhymne „schreit es aus einer Loge ‚No al fascismo’ und hinterher aus einer anderen ‚Viva l’Italia, viva l’Italia antifascista’. Politisches Paradox als Normalzustand.”
Nun, wie wir spätestens seit Don Camillo und Peppone wissen, sind unsere südlichen Herzensnachbarn und Sehnsuchtslandbewohner bei politischen Differenzen nicht halb so tischtuchzerschneidungswillig wie die Fundamentalisten weiter nördlich, denn sie verstehen ja zu leben, sie sind auch weit weniger sentimental, weil es sie schon so lange gibt; insofern finde ich eher die Deutschen paradox und die Besetzung der Loge angelegentlich der Saisoneröffnung in der Scala vorbildlich. Die Plärrer in den anderen Séparées scheinen mir indes die Vermutung zu bestätigen, dass Wokeness und Geld immer mehr zusammenfinden, sogar in Ländern, die man dagegen gefeit wähnte.
Da ich mich in diesem Diarium vornehmlich mit dem deutschen Narrenfest beschäftige, lenke ich Ihr Augenmerk, geschätzte Leserin, auf den Premierenbericht einer kanzleramtsnahen Berliner Zeitung.
Die rechtsextreme Partei, welcher der mit seiner Anwesenheit „für Empörung sorgende” Senatspräsident angehört und deren Name die ersten Worte der Nationalhymne zitiert, regiert wie gesagt in Bella Italia derzeit, zu ihren Mitgliedern gehört die zumindest in Berliner Gazetten regelmäßig für Empörung sorgende Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Ich zitiere mit Erlaubnis der Bundestagspräsidentin aus dem Tagesspiegel: „Es gab schon Jahre, in denen die Ehrengäste in der Königsloge empathischeren Beifall erhielten als die Künstler auf der Bühne. Für Verdis ‚Don Carlo’, mit dem das berühmteste Opernhaus Europas nun seine Spielzeit traditionell am Tag des heiligen Ambrosius eröffnete, hatte der viel bejubelte Staatspräsident Sergio Mattarella seine Teilnahme allerdings demonstrativ abgesagt. Grund dafür war wohl das unerwünschte Erscheinen des Senatspräsidenten Ignazio La Russa, Mitglied der rechtsextremen Partei Fratelli d’Italia, sowie des stellvertretenden rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Matteo Salvini und des Kulturministers Gennaro Sangiuliano. Allen voran gegen La Russa, dessen politische Karriere in den frühen 1970er Jahren in der neofaschistischen Movimento Sociale Italiano begonnen hatte, erhoben sich im Saal Stimmen der Empörung, provoziert von dem Umstand, dass der sich nicht scheute, neben der 93-jährigen Senatorin Liliana Segre Platz zu nehmen, die als Kind den Holocaust knapp überlebte.”
Allein für dieses „knapp” möchte man glatt einen Journalistenpreis ausloben! (Das Gegenteil, wir befinden uns ja in sechs Kilometer Luftlinie Entfernung zu San Siro, wäre dann wahrscheinlich „deutlich überlebt”.) Knapp preisverdächtig ist die Aussage, der Senatspräsident habe sich nicht gescheut, neben einer Holocaustüberlebenden Platz zu nehmen; immerhin hätte er sich ja weigern können. Nicht übel finde ich überdies die Formulierung, Salvini sei der „stellvertretende rechtspopulistische” Ministerpräsident, denn es gibt ja auch einen stellvertretenden linkspopulistischen Ministerpräsidenten. Bzw. sollte es zumindest. Wann genau Staatspräsident Sergio Mattarella „viel bejubelt” wurde – a) nach seiner demonstrativen Absage, b) bereits davor, c) eigentlich immer, vor allem wenn er doch erschienen wäre –, muss bitte jeder selbst gugeln.
Halten wir fest: Die Qualitätsjournalistin aus der Hauptstadt der DDR 2.0 will ihren Lesern weismachen, dass es skandalös wäre, wenn sich Bärbel Bas und Robert Habeck bei einer Premiere in der Loge der Lindenoper tummeln.
Ihre maximale Schamferne erreicht die Rezensentin in diesem Passus: „Aus der dunkel ausgeleuchteten Inszenierung ragt in der Szene vor dem Autodafé einzig ein goldener Altar heraus, der die Hierarchie plastisch aufzeigt: Ganz oben thront der Großinquisitor, Königin und König stehen darunter. Vor ihren Augen werden der Reihe nach halbnackte, malträtierte, vermeintliche Ketzer in ein Loch geworfen. Was wohl der Auschwitzüberlebenden Segre dabei durch den Kopf ging?”
Ja, was mag der Auschwitzüberlebenden durch den Kopf gegangen sein, als sie eine Operninszenierung sah, in der Opfer der Inquisition dargestellt werden, weil das Opus im Spanien des 16. Jahrhunderts spielt? Womöglich ging ihr leider nicht die Frage durch den Kopf, was wohl einer deutschen Leidenspornographin durch den Kopf gehen mag, wenn sie feststellt, dass eine Auschwitzüberlebende eine Inszenierung sieht, in der Opfer der Inquisition dargestellt werden. Ob sich diese Journalistin später wohl auch gefragt hat, wie sich eine Auschwitzüberlebende am Büfett fühlt? Bevor sie selbst richtig zulangte?
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Im aktuellen Schamlosigkeitslimbo ist der Gevatterin gleichwohl ein frühes Ausscheiden sicher.
(Netzfund)
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Das wurde aber auch Zeit.
National Geographic hat dort recherchiert, wo es auch noch nachträglich wehtut. Die nächsten Folgen: Räuchermännchen und Rassengesetze. Lebkuchenunwertes Leben. Der Schwibbogen im Totalen Krieg.
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„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”, sprach bekanntlich der Sowjetniederreißer M. Gorbatschow. Das ist freilich nur ziemlich exakt die halbe Wahrheit; auch wer zu früh Bescheid weiß oder gar jemandem stößt, wird gemeinhin bestraft, mit einem hier gelegentlich zitierten Bonmot von Antoine de Rivarol gesprochen: „Wer vierundzwanzig Stunden vor allen anderen recht hat, wird vierundzwanzig Stunden lang für einen Narren gehalten.”
Das wiederum rauschte mir als einem DDR-Schnapslagerüberlebenden durch die Rübe, da ich bei Hadmut Danisch Folgendes las: „Auf einmal schwenkt die Presse um und schreibt Artikel über Migration, für die sie andere bis kürzlich noch als ‚rechtsextrem’ gebrandmarkt hat. Irgendwer sagte über einen Artikel im erzlinken Spiegel, dass man für diesen Text neulich noch als zu rechts aus der AfD ausgeschlossen worden wäre. Jahrzehntelang haben die alles auf linksextrem geprügelt, und kaum merkt die Presse, dass das jetzt so anbrennt, dass man das nicht mehr flachhalten kann und man sich nur noch zum Clown macht, wenn es wirklich nicht mehr links weiter geht, schwenken die um und ändern die Ausrichtung.”
Dazu postete der achtbare Blogger diesen Tweetwechsel.
Nachdem er noch einige Passagen aus Poschardts nicht ganz unpeinlichem Sermon genüsslich zitiert, folgert Danisch: „Bleibt die Erkenntnis, dass ‚rechte Blogger’ einfach nur Leute sind, die 10 Jahre schneller kapieren. Ich hatte ja auch schon beschrieben, dass der Unterschied zwischen Linken und ‚Rechten’ ist, dass die Prognosen und Warnungen der ‚Rechten’ eingetreten sind, die Versprechungen der Linken dagegen nicht. Bonus-Sahnehäubchen: Auch die ‚Verschwörungstheorien’ sind eingetreten und haben sich als richtiger erwiesen als das, was die Presse sagte. Und die Fakten waren auch richtiger als die Faktenchecker.
Schon weit leichtere Formen dessen, was man heute Journalismus nennt, nannte man früher ’schwer von Begriff’.”
Ja. Und nein. Das Lösungswort heißt schließlich: Opportunismus. Beim Tweet des WeltN24-Chefredakteurs fehlt deshalb auch nicht die beflissene Rückversicherungsdistanzierung von der Schwefelpartei. Der Opportunist tritt niemals zu früh in Erscheinung – sondern höchstens, wenn er ein besonders mittelmäßiger Opportunist ist, viel zu spät. Meistens ändert er seine Meinung so termingerecht, wie früher die Bahn fuhr, woraus zu folgern sein dürfte, dass er gar keine hat. Demjenigen, der eher recht hatte, gilt gleichwohl seine beharrliche Missgunst.
Die Meinungen und Verhaltensweisen eines Menschen sind ja ohnehin zu einem sehr erheblichen Teil von der ihn umgebenden Gruppe, von der ihn prägenden Kultur und vom Zeitgeist geprägt; wirklich selbsterworbene, selbsterdachte Anschauung ist nur ein Bruchteil dessen, was den Leuten im Kopf herumgeht. Es handelt sich um einen wirklichen Luxus, und die meisten Menschen verfügen nicht über auch nur einen Prozent eigenen Meinungsanteils, sondern ihr sogenanntes Denken und Meinen ist nur eine Collage aus übernommenen Ansichten und Reflexen, sie adaptieren die allgemeine Stimmung und deren Umschwünge, wie die Sardine auf die Richtungsänderung des Schwarms reagiert. Deswegen sind Opportunisten auch so unglaublich langweilig, man kann sie keine zwanzig Zeilen lesen, ohne in schweres Gähnen zu verfallen. Alles, was sie schreiben, kennt man schon.
Ist das aber ein Argument gegen Opportunismus? Hat man sich nicht vielmehr den Opportunisten als glücklichen, im Kollektiv aufgehobenen, dort gern gesehenen Menschen vorzustellen?
Der philosophische Autor und stolze Einzelgänger Frank Lisson hat in seinem Buch „Mythos Mensch” den Opportunisten geradezu zum Paradeexemplar der Evolution erhoben. „Je weniger der Mensch an sich und an der von seinesgleichen errichteten Welt zweifelt, desto glücklicher bewegt er sich durchs Leben – und desto mehr Nachkommen wird er zeugen. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass der Skeptiker gegen den Mitmacher evolutionär keine Chance hat”, statuiert der Gattungsverhaltensbegrübler. „Tatsächlich”, fährt er in seiner süffisanten Anthropodizee fort, „wird man niemanden als degeneriert abqualifizieren dürfen, der als Resultat des Zeitgeistes wie zufällig gerade diejenige Haltung einnimmt, die ihm in seiner Umgebung die meisten Vorteile verschafft.”
Wo Mitmachen Erfolg und damit das „schöne Leben“ verspreche, seien Zweifel, Skepsis oder Gewissensnöte „das klare Anzeichen eines ungesunden Gemüts. – Loben und feiern wir also die Geschickten und Gewieften, die Arrivierten und klugen Taktiker”. Denn sie, so das Resümee, „sind die vor Gesundheit strotzenden Alphatiere des Lebens”.
Zweifellos gehört die Fähigkeit, sich wechselnden Herrschaftsverhältnissen ebenso anzuschmiegen, wie unsere jagenden und sammelnden Uraltvorderen sich der Natur anpassten, zu den Grundvoraussetzungen des Überlebens. Nicht-Opportunisten lebten (und leben) gefährlich, man macht gern kurzen Prozess mit ihnen, auch wenn zumindest in unserem Weltteil inzwischen die soziale Isolation – in Extremfällen auch die soziale Vernichtung – die physische Beseitigung ersetzt hat. Natürlich bestand für alle halbwegs Exponierten bisweilen die Möglichkeit, die Seiten zu wechseln, was sie aber von der Klugheit des sich-Anpassens an die neue Linie nicht entband. Es gibt eine köstliche Anekdote über eine französische Gesellschaftsdame, der Name ist mir entfallen, die sich erst Napoleon andiente, ihn nach seiner Absetzung und Verbannung 1814 verfluchte, den Bourbonen ewige Treue schwur, nach der Rückkehr des Korsen von Elba vor ihm auf die Knie sank und um Vergebung bat, um schließlich nach Waterloo die ganze Charade noch einmal vor Ludwig XVIII. zu wiederholen. Da Bonaparte sie nicht geköpft, sondern allenfalls ignoriert hätte, bewegte sich die Dame mit ihren Exaltationen in den Regionen der Peinlichkeit. Ihr Bäumchen-wechsle-dich-Spiel vollzog damals aber fast die gesamte Pariser Gesellschaft mit. Wie auch anders?
Wenn Sie – es folgte eine Abschweifung – einen aktuelle Opportunistenlebenslauf lesen wollen, empfiehlt sich jener des thüringischen VS-Präsidenten Stephan Kramer. Der Schlingel hat keinen Studienabschluss (* keinen juristischen, siehe Fußnote), dürfte also diesen Job eigentlich nicht ausüben, was er durch besondere Aggressivität bei der Tendenzvollstreckung auszugleichen versuchte; wie man sieht, war es erfolgreich. Über Thilo Sarrazin etwa erklärte er im Jahr sechs vor der Großen Flut, er erweise „mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler” – in dieser Reihenfolge! – „große Ehre”. Soeben erklärte der Oberste Spitzel des einzigen SED-regierten Bundeslandes gegenüber dem Handelsblatt: „Islamisten haben stets auch Fluchtrouten und Fluchtbewegungen genutzt, um potenzielle Kämpferinnen und Kämpfer nach Europa einzuschleusen“, daher „sei es wichtig, möglichst viele Einreisende unverzüglich zu kontrollieren und Identitäten festzustellen, nicht erst, wenn Sozialleistungen beantragt würden.“ Die AfD ließ er vorher wegen solcher Forderungen als Rassistenpartei und Islam‑, also Grundgesetzfeinde beobachten. Und was das „stets” in Kramers Statement betrifft, muss jetzt wohl der Genossen Heiko aufstehen, statt sich wegzuducken.
„Er hat Parteien gewechselt und das religiöse Bekenntnis, dies alles muss für ihn als ein Zuwachs an Nützlichkeit erschienen sein. Er ist zum Judentum konvertiert, möglicherweise aus anderen als religiösen Motiven, darüber haben wir nicht zu befinden und können es nicht. Er kann aber nicht zurück und schon gar nicht zu einer anderen, einer im Kommen begriffenen, Religion konvertieren”, schreibt Bernd Zeller im aktuellen Rentnerischen Akrüzel über Kramer. „Er war zum obersten Thüringer Verfassungsschützer gemacht worden, weil er als so links erschien, dass Rotrotgrün ihm als die Mitte erscheinen müsste, und so war es wohl. Nun kritisiert er die Bundesampel dafür, dass sie zu wenig gegen Islamismus täte. Ihm ist die linke Sicht auf den Islamismus verbaut, er kann sich in diesem Punkt nicht mehr dummstellen. Der Islam passt bestens zur grünlinken Niedertracht, das Judentum nicht. Es wird nur soweit geduldet, wie es sich unterordnet. Der größere Teil dieser Erfahrung steht dem Herrn Verfassungsschützer noch bevor. Es wird demnächst wieder ruhiger um ihn, und er kann sich als verdienter Beschirmer der Partei aussuchen, in welcher Position. Fehlt nur, dass er der Delegitimierung des Staates bezichtigt wird.”
Ende der kleinen Abschweifung.
Gründe für den Opportunismus existieren in verschiedenen Stufen und Schweregraden, von Angst und Not über Karrierismus bis zu Anbiederung und Speichelleckerei. Da wir gerade bei den Bourbonen waren: Ludwig XV., der Großvater des XVIII., erkundigte sich bei einem Höfling, wie spät es sei. „So spät, wie es Eurer Majestät beliebt”, erwiderte dieser.
Opportunismus, sage ich immer, ist ein Menschenrecht. Niemand ist auf Widerstand zu verpflichten, wo ihm eine Tyrannei mit Strafe droht. Es kann auch niemand darauf verpflichtet werden, sich ausschließen zu lassen, wenn es sich nur um eine Tyrannei der Mehrheit, der „Zivilgesellschaft”, der Partei, der Gruppe, des „Teams” handelt. Wenn Opportunismus sich nicht lohnen würde, würde es ja nicht dermaßen viele Opportunisten geben. Andererseits stellen sich auch unter den Opportunisten sofort wieder Begabungshierarchien her. Damit halb verbunden und halb unabhängig davon ist die Peinlichkeitshierarchie, die aber meistens finanziell und durch Karriereoptionen ausgeglichen wird, sofern eben hinreichend viel Begabung vorhanden ist. Die Entscheiung darüber liegt ja bei jedem selbst.
Natürlich ist kein Querulant wirklich allein, er wechselt nur von einem größeren, anerkannten Kollektiv in ein kleineres, weniger anerkanntes. Die wenigsten genießen das unverdiente Glück, wirklich alle Welt gegen sich zu haben.
Es ist letztlich eine ästhetische Entscheidung, sich für oder gegen die herrschende Mehrheit zu stellen, vor allem wenn sie zur Meute wird.
* „Obacht: Der Schlingel hat einen Studienabschluss, jedoch nur in Sozialpädagogik. Angezeigt wäre natürlich einer in Jura. In der Sozialpädagogik, könnte argumentiert werden, gibt es auch Rechtsanteile. Bei der Anna Gallina, Justizsenatorin in Hamburg, das wissen Sie sicher, liegt die Sache ähnlich.”
(Leser ***)
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Wenn wir gerade bei der Welt und ihrem Opportunistengeschwader sind: „Hat der Kollege ein Alkoholproblem?”, fragt Leser ***.
Ach was, der hat ganz andere Probleme (der Physiognomist spricht).
Wenn die AfD irgendwo regiert, werden solche Statements zwar nicht verschwinden, aber im Ton immer milder werden. Im Falle indes, irgendwer verwandelte diese Republik in eine Diktatur, vernähme man von solchen Würstchen keinen Mucks mehr – außer natürlich dann als dessen Mitläufer und umgedrehte Jubelperser.
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Und apropos Bernd Zellers Akrüzel:
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Der Vernichtungsfeldzug gegen den Berufsstand des deutschen Satirikers wird allerdings täglich erbarmungsloser.
Die Technische Universität habe sich „mit den Biografien von Clan-Mitgliedern beschäftigt und mit zehn (sieben von ihnen waren bereits straffällig) gesprochen”, meldet die BZ. „Die Wissenschaftler fanden ihre Interviewpartner unter anderem vor Moscheen und in Shisha-Bars” – falls jemand meint, sie hätten sich im Grünen Gewölbe verbarrikadiert. „Nach mehr als drei Jahren Recherche und mit drei Millionen Euro Fördergeld vom Bundesministerium für Bildung und Forschung” – Hervorhebung von mir; wir nannten das damals bei der Presse „Info-Honorar” – gelangten die Forscher zur einer „einmütige(n) Meinung: Die Gesellschaft ist am kriminellen Werdegang von Clan-Angehörigen schuld! TU-Kriminologe Dr. Robert Pelzer behauptet: ‚Die Befragten kommen alle aus Familien, in denen Kriminalität abgelehnt wurde. So war das kriminelle Umfeld der Interviewten durchweg nicht durch Familienangehörige dominiert.’ Stattdessen sehen die Wissenschaftler als Auslöser für die kriminellen Laufbahnen ‚Fluchterfahrungen’, ‚traumatische Erlebnisse’, ‚massive Probleme in der Schule’, fehlende Abschlüsse und Berufsausbildungen! Außerdem wirke sich „das Label des ‚Clan-Angehörigen‘ negativ auf individuelle Entfaltungsmöglichkeiten aus. Es besteht vor allem die Gefahr, dass es Teil des Selbstbildes wird.“
Die nächste Studie soll sich, bei geringerem Finanzmitteleinsatz, der Frage widmen, warum so wenige täglich als „Nazis” gelabelte AfD-Politiker dieses Selbstbild annehmen. Immer noch nicht.
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Neueste Nachrichten aus Wokistan.
Hier übrigens eine Gegenposition aus womöglich aufgeklärteren Gefilden.
Der Sultan sagt, sie, die Araber, werden nicht aus den fossilen Energien aussteigen, weil sie nicht in die klimaneutralen Höhlen zurückkehren wollen.
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Ich hatte lange nichts mehr zur Hl. Impfung im Sortiment. Allmählich geht es schließlich wieder los, die Reichsnotsirene beginnt, sich einzustimmen. (Sie ahnen schon, was unsere Nachkommen einmal über uns denken werden angesichts des Personals, von dem wir uns haben regieren lassen?)
Natürlich muss der Kalle die vielen Impfdosen loswerden, die derzeit irgendwo lagern bzw. verrotten.
Aber es ist nicht soo schlimm.
Außer für Menschen, die sich biologisch definieren lassen.
(Link zur Studie)
PS: „Sehr geehrter Herr Klonovsky, die zitierte Studie zeigt, dass es keinen statistisch relevanten Unterschied zwischen ungeimpften und geimpften Schwangeren gab (sieht man daran, dass die hazard ratio praktisch 1 ist und auch daran, dass das CI, das Konfidenzintervall, die 1 umfasst bzw miteinschließt (‚confidence interval [CI] 0.91–1.07) and 1.00 (95% CI 0.93–1.08’). Ich habe mir gerade den Volltext angeschaut und dort wird auch zwischen induzierter Abtreibung und Fruchttod differenziert, was das Ergebnis nicht ändert. Es war trotzdem eine Coronadiktatur und Schande über alle Verantwortlichen. Dennoch, wir müssen ja korrekt bleiben. Gruß, *** (Internist und Kardiologe)”
PPS: „Sehr geehrter Herr Klonovsky, vorweg: ich bin sowohl was Statistik als auch Medizin anbelangt, Laie, aber ich vertraue Herrn Homburg mehr als dem Leser, der sich Ihnen als Internist und Kardiologe vorstellt. Zitate aus der Studie, automatikübersetzt: ‚Die Hauptexposition von Interesse war die erste SARS-CoV-2-Impfung, die zeitlich variierend gehandhabt wurde.’ Mein Kommentar: nach meinem Kenntnisstand nimmt die Gefahr von Impfnebenwirkungen mehr als linear zu mit der Zahl der Impfungen, warum nur Erstgeimpfte erfasst?
‚Im Gegensatz zu ungeimpften Frauen war es wahrscheinlicher, dass die geimpften Frauen älter waren, in einem Gebiet mit höherem Einkommen wohnten und häufiger eine Unfruchtbarkeit diagnostizierten.’ Mein Kommentar: ist das nicht genau das, worauf ‚Climate realism’ hinweist: man rechnet die Rohdaten klein via ‚Modelllierung’?
‚Bei entfernt geimpften Frauen kam es zu induzierten Abtreibungen mit einer Rate von 7,7 pro 10.000 Personentagen, bei kürzlich geimpften Frauen mit 7,4 pro 10.000 Personentagen und bei ungeimpften Personen mit einer Rate von 4,2 pro 10.000 Personentagen.’ Mein Kommentar: darauf bezieht sich, glaub ich, Herr Homburg, während der Kardiologe u. Internist sich meines bescheidenen Wissens nach auf jene Daten bezieht, die nach Korrekturmodellierung übrigblieben.
Ich meine mich zu erinnern, dass das Impfen während der ersten Wochen der Schwangerschaft untersagt war. Wenn aber die größte Schädigung in den ersten Wochen der Schwangerschaft durch die Impfung auftritt, sind die geimpften Schwangeren tendenziell wie ungeimpfte Schwangere, da man nur die erstgeimpften Schwangeren als geimpfte Schwangere erfasst hat, also erst ab 28 Tage nach Schwangerschaftsbeginn. Wenn aber der Schädigungseffekt der Impfung über Monate anhält, also diese Exposition von Spikes, dann hätte man idealerweise 3‑fach Geimpfte, die, sagen wir, meinetwegen nach 2–5 Monaten nach der letzten 3. Impfung schwanger wurden, als Geimpfte Schwangere definieren und untersuchen müssen. Kurz: man hätte, um es in der Formulierung der Impfwerbung auszudrücken, voll- und dreifach-Immunisierte als Gruppe nehmen sollen. Das sage ich als mutmaßender Laie, und vielleicht habe ich unrecht. Aber ich mißtraue mittlerweile allen Studien, denn sie werden ja von jenen mitunter gemacht, die vor 3 Jahren das Behörden- und Journalversagen mitverschuldet haben. So kann man sich natürlich hervorragend in seiner Meinung immunisieren, aber was soll man machen, wenn um einen herum alles korrupt wird…”
Können wir uns darauf einigen, dass sich impfen lässt, wer will, und die anderen es unbehelligt nicht tun? Ist übrigens die Position der Schwefelpartei seit 2020.
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So begannen einmal Biographien:
„Für einen französischen Edelmann des 18. Jahrhunderts war die Kindheit im allgemeinen nicht der Lebensabschnitt, bei dem er später mit liebevollen oder sehnsüchtigen Gedanken verweilte. Der Satz, daß die Eltern um ihrer Kinder willen da sind, galt zu jener Zeit noch nicht, und die liebende Sorgfalt und nimmermüde Aufmerksamkeit, die man heute den Kindern widmet, wäre damals vernünftigen Leuten lächerlich vorgekommen. Rousseau, der erste Anwalt der Empfindsamkeit, gab alle seine Kinder, eines nach dem anderen, dem Schicksal namenloser Findlinge preis: und man fand sein Verhalten wunderlich, aber nicht niederträchtig. Der Erbe des reichsten französischen Herzogtums wurde, wie er selbst berichtet, einem von seines Vaters Lakaien zu Erziehung anvertraut, der – zufällig – lesen konnte; man zog dem Knaben prächtige Kleider an, wenn er ausgehen sollte, aber daheim ließ man ihn nackt und hungrig: und so sah, sagt er, das Schicksal aller Kinder seines Alters und Standes aus. Das heutige Verfahren steht freilich den Eltern vorteilhafter zu Gesicht; aber es ist noch keineswegs hinlänglich erwiesen, daß dadurch ein höherwertiger Menschentyp gezüchtet wird.”
Wer errät, um wen es geht?