Momentan sterben israelische Zivilisten in, wie zu befürchten ist, großer Zahl und, wie den ersten Videosequenzen zu entnehmen ist, auf barbarische Weise. Die Antwort Israels wird schnell und heftig erfolgen. Meine Gebete werden sie begleiten.
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„Morgen findet in Hessen und Bayern ein großer öffentlicher Intelligenztest statt.”
(Netzfund)
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„Links zu sein, bedarf es wenig”, pflegte Johannes Gross zu sagen oder gar zu trällern. Das stimmt natürlich, links und dumm, links und jung, links und illusionsbedürftig, links und glaubensdurchglüht, das passt gut zusammen. Die linke Selbstherrlichkeit beruht auf der Anmaßung, die Gesellschaft aus dem kommoden Wolkenkuckucksheim linker Zukunftsverheißungen zu kritisieren, die sich an keiner Realität messen lassen müssen; Linke sind Ankläger, Miserabilisten, „Notsüchtige” (Nietzsche), die das Paradies versprechen, aber nie auch nur das Ticket dorthin verkaufen. Ich bin nach meinen 61 Erdenjahren zu dem Schluss gelangt, dass dem Linkssein ein Charakterdefekt innewohnt, der sich noch nicht zwingend zeigt, wenn Linke gegen ein offenkundiges Unrecht rebellieren, aber sofort zutage tritt, wenn sie irgendwo herrschen, sei es in einem Land oder nur in einer Redaktion. Der Linke ist gemeinhin überzeugt davon, im Recht zu sein, er argumentiert nicht analytisch, sondern moralisch, er lebt bevorzugt im Optativ und kriminalisiert diejenigen, die anderer Meinung sind. In den sozialistischen Staaten hat man es studieren können (auch wenn Linke stets behaupten, dort, wo Linke geherrscht haben, sei der „wahre” Sozialismus gar nicht errichtet, sondern verraten worden).
Heute vollzieht sich diese Herrschaft in der politischen, kulturellen, universitären, pädagogischen und neuerdings auch kirchlich-theologischen Sphäre, nicht in der ökonomischen, weil es keine linke Ökonomie gibt, wie man am verlässlichen Zusammenbruch der linken Staaten gesehen hat und immer sehen wird. Der linke Impuls in den modernen westlichen Gesellschaften resultiert nicht aus der Tatsache eines Unterdrückt‑, sondern aus dem Gefühl des Zukurzgekommenseins. Linke können kein Geld erwirtschaften, weshalb sie es anderen wegnehmen müssen. Der Linke fühlt sich immer unterschätzt und unterbezahlt. In seine Anklage der Gesellschaft mischt sich gewöhnlich der Seufzer des Selbstmitleides. Zum Selbstmord indes sind Linke in der Regel nicht imstande.
Die schlimmste Eigenschaft des Linken ist nämlich sein gutes Gewissen.
PS: „Ihr kurzes Psychgramm der Linken darf ich mir erlauben, um ein nicht unwesentliches Merkmal zu ergänzen”, schreibt Leser ***. „Ein gewisser Asfa-Wossen Asserate hat vor schätzungsweise 20 Jahren ein sehr lesenswertes Buch über Manieren geschrieben. Ich wette, Sie kennen es. In Rubriken unterteilt erwähnt er u.a. das Vulgäre und benennt als basalen Pöbelreflex die Unfähigkeit zur Bewunderung verbunden mit der Unterstellung, dass hinter allem Großen, Schönen und Gelungenen stets nichts weiter stecke als ein fauler Trick, das ganze in Verbindung mit einem ‚Sich-im-Recht-fühlen’ per se, was wiederum eine völlig enthemmte Schamlosigkeit zur Folge hat. Das ist jetzt frei aus dem Kopf ‚zitiert’, aber ich denke im wesentlichen richtig. Fest steht, der Linke kann nicht bewundern, sondern nur beschmutzen, er kann nichts errichten, sondern nur zerstören.”
PPS: Auf das Nachbohren eines anderen Lesers hin suchte und fand ich die Stelle im Buch „Manieren”, das ich selbstverständlich gelesen habe (S. 134):
Leser *** hat sich also richtig erinnert, allerdings schreibt Asserate diese Charakteristika – er fügt noch die Unfähigkeiten hinzu, sich schuldig zu fühlen sowie den Rang eines anderen zu erkennen – nicht den Linken zu – eine so konkrete wie pauschale Zuordnung hätte er wohl für unmanierlich gehalten –, sondern eben den vulgären Menschen. Links und vulgär haben natürlich eine riesige Schnittmenge.
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Schauen wir am DDR-Geburtstag auf einige Exempel linken Treibens, Anklagens, Posierens und Sichtollfühlens.
Aus sogenanntem aktuellen Anlass möchte ich zuerst die Blicke der geschätzten Eckladenbesucher auf die Leserschaft eines Hamburger Zentralorgans der tätigen Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit lenken, die in ihren Kommentaren zum mutmaßlichen Angriff auf den Chef der Schwefelpartei einen ergreifenden Einblick in die linke Gemütslage gewährt (ich habe meiner sensiblen Nüstern wegen nur die ersten beiden Seiten angeklickt).
Man ahnt entzückt, dass in Teilen dieses Volkes, sogar dort, wo man sie am wenigsten vermutet hätte, noch eine gewisse – zumindest verbale – Pogromgeneigtheit lebt. Und in seinen journalistischen Beobachtern die Bereitschaft zur Problemtoleranz.
Wenn ein Björn Höcke im aufgeklärtesten Deutschland aller Zeiten ohne seine zahlreichen Personenschützer in der Öffentlichkeit auftauchte, deutsche Gut- und Bessermenschen würden über ihn herfallen und ihn wie die Bakchen den Pentheus in Stücke reißen. Guten Gewissens.
PS: Nur als Option.
(Quelle: das Schwurblerportal Deutschlandfunk.)
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Wechseln wir in die Sphäre des öffentlich-zulässigen Humors. Die Frankfurter Rundschau überrascht mich gelegentlich mit der Tatsache ihrer fortdauernden Existenz.
Der Name ist in der Überschrift falsch geschrieben, aber wer kann sich heutzutage schon Korrektoren leisten. Welches Problem hat nun Frau Echart?
„Bei ‚Nuhr im Ersten’ teilt sich die 30-jährige Poetry Slammerin das Publikum sehr gerne mit ihrem TV-Ziehvater Dieter Nuhr. Und das passt gut zusammen: Die Witze beider zünden – wenn überhaupt – vor allem bei einem konservativen Publikum, das, den Fernsehbildern nach zu urteilen, vornehmlich bio-deutsch und über 50 Jahre alt zu sein scheint.”
Das mag, verglichen mit dem Publikum der Rundschau, zwar durchaus juvenil anmuten, doch der FR-Leser hat ja überhaupt nichts zu lachen. Wir registrieren: Wenn sich Biodeutsche jenseits der 50 amüsieren, besteht ein „ernstes Problem”. Denn diese genetisch benachteiligten, aber der Inklusion unwürdigen Toren lachen über die „unoriginellsten der gängigen Klischees” – woraus Sie folgern dürfen, dass es sowohl originelle als auch nichtgängige Klischees gibt, wenngleich nicht ganz klar ist, wie sie es dann zum Klischee schaffen konnten (ich wäre nicht so pingelig, wenn nicht unter dem Artikel stünde, dass dessen Verzapfer für die Titanic schreibt). Als Beispiel nennt der Autor „eine wirklich sehr flache Pointe, die über den Wortwitz ‚Angriffsminister statt Verteidigungsminister’ funktionieren soll”, der ja gut ist und den ich erstmals von meinem Jüngsten, damals sieben oder acht, hörte; er fragte, als er in den TV-Nachrichten vom deutschen Verteidigungsminister hörte, sehr gescheit: Und wer ist zuständig für Angriff?
„Die Beobachtungen von Lisa Eckhart sind trivial. Die Witzkonstruktionen sind durchschaubar. Die Pointen derart unoriginell, dass sie sich nur noch für mittelklassige Fastnachtssitzungen in provinziellen Bürgerhäusern mit einem schon reichlich vom Alkohol angeheitertem Publikum eignen.”
Also ich finde die Eckhart höchst amüsant (und darf mir auch ins Kerbholz schneiden, sie schon vor vielen Jahren für die Acta „entdeckt” zu haben), damit stünde es schon 1:1. Wo sie auftritt, sind die Säle voll. Im Gegensatz zu FR, Titanic und diesem Namenlosen hat sie ein Publikum.
„Wieso die ARD die Österreicherin aber immer wieder als Höhepunkt des wöchentlichen Kabarett-Formats ‚Nuhr im Ersten’, das ohnehin schon genug unter seinem Gastgeber Dieter Nuhr zu leiden hat, präsentiert, fragen sich nicht wenige und auch nicht erst seit Kurzem.”
Fragen sich nicht wenige und auch nicht erst seit Kurzem im Falle Welkes und Böhmermanns ebenfalls.
„Mit der Provokation als Stilmittel sicherte sich Eckhart die Lacher des reaktionären Publikums, das der Meinung ist, dass man heute ja nicht mehr sagen dürfe, und war sich somit des Applauses aus der rechten Ecke sicher.”
Die „Provokation als Stilmittel” rügt ausgerechnet ein Linker. Dieser nicht allein charakterlich defizitäre Menschenschlag kann es nicht leiden, wenn sich Nichtlinke amüsieren; tun die Tumben es doch, ist der linke Rezensent halb beleidigt, halb indigniert; mehr steht nicht drin in dem Artikel. Der Bub ist seinerseits tumb genug, sein Geschmacksurteil als irgendwie maßgeblich verkaufen zu wollen, ohne dem Leser auch nur irgendein Pläsier zu bereiten, das mit den Sottisen der Eckhart konkurrieren könnte. Das einzig Witzige an seinen Behauptungen ist, dass sie aus dem Glashaus der Frankfurter Rundschau in die sich lichtenden Reihen des vornehmlich biodeutschen Publikums geworfen werden und ein Titanic-Autor solch uninspiriertes Zeug schreibt; kein Wunder, dass der Laden pleite ist. Beziehungsweise nicht pleite, er muss nur bald mit dem Produzieren aufhören.
„Lisa Eckhart beherrscht schlicht ihr Handwerk nicht.”
Doch, das tut sie. Vielleicht versucht es unser Fatzke mal mit einem Kontostandsvergleich – im Gegensatz zu Welke und Böhmermann ist die Gute nicht auf Zwangsbeiträge angewiesen. Wobei dieser Vergleich ja in nahezu jeder linken „Kritik” mitschwingt, was die typische Mischung aus Gehässigkeit und Wehleidigkeit erklärt.
PS: „Muss ich das verstehen, warum sogar ein belesener Mann wie Sie, die Qualität eines Künstlers daran bemisst, wie erfolgreich er ist?”, rügt Leser *** meinen Hinweis, dass bei Lisa Eckhart die Säle voll seien. „Und das Niveau der FR runterzieht, weil die Verkaufszahlen überschaubar sind? Diese Argumentationskette ist komplett für die Tonne, es sei denn man wollte jenen in die Karten spielen, die behaupten: Der Erfolg gibt einem Recht. Das tut er nicht, der Erfolg gibt einem nicht Recht und er sagt null Komma nichts darüber aus, ob jemand es verdient, gehört oder gelesen zu werden.”
Zu 51 bis 75 Prozent hat Leser *** recht. Es gibt auch unglaubliche Schwachköpfe, die Erfolg haben, speziell in der Zeitvertreibsbranche, auch in den Künsten, und gerade der Durchschnittskomödiant füllt die Säle des Durchschnittspublikums. (Johannes Gross hat vor ungefähr 30 Jahren geschrieben, die Geschichte der Fernsehunterhaltung vollziehe sich in drei Stufen: Kluge machen Fernsehen für Kluge, Kluge machen Fernsehen für Dumme, Dumme machen Fernsehen für Dumme; und er wähnte uns damals beim Übergang von Stufe zwei zu Stufe drei.) Ich habe mich hinreißen lassen, weil das Erfolgsargument bei Linken fast immer zwischen die Hörner trifft. Aber es ist andererseits nicht wahr, dass Erfolg nichts aussage; im Gegenteil, Erfolg und Talent korrelieren, aber nur Gott weiß, wie.
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Kommen wir zum linken Rassismus, gemeinhin gelabelt als „Antirassismus.”
Da die Suche nach einem weißen bildungsbürgerlichen Verlag wirklich arg lange dauern kann, würde ich vorschlagen, es in einem schwarzen, indianischen, schariatischen oder geriatrischen zu versuchen.
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An dieser Stelle ist ein Einschub fällig. Frank Böckelmann, ein ehemaliger, in den Jahren der Reife zur Vernunft gekommener Linker und Herausgeber der deutschen Zeitschrift mit dem originellsten Untertitel, hat ein Interview mit der deutsch-afghanischen Schriftstellerin Mariam Kühsel-Hussaini geführt. Kühsel-Hussaini nähere sich in ihren Romanen „Emil” und „57” – ich habe sie noch nicht gelesen und kannte die Dame bislang nicht – „dem Nationalsozialismus und dem Versinken Deutschlands in einem Abgrund der Schuldigkeit und Selbsterniedrigung auf unerhörte Weise”. Hauptfigur in beiden Romanen ist Rudolf Diels, der erste Chef der Gestapo, Gegner Himmlers und Heydrichs, Zeuge in den Nürnberger Prozessen, Autor und Freund des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein. „Mariam Kühsel-Hussaini kämpft mit einer Unbefangenheit, zu der kein Autor deutscher Abstammung fähig wäre, furios gegen das Abgleiten der Deutschen ‚in die totale Unmündigkeit’ ”, notiert Böckelmann und bescheinigt ihr, sie schreibe „entfesselt, geradezu ekstatisch”. Die Sätze „dampfen, sind aufgeladen mit verwegenen Bildern, Vergleichen und Assoziationen”. Ihre Prosa sei „kraftstrotzend” und ereigne sich „in einer Sphäre chronischer Hochgestimmtheit”. Was ja schon mal interessant klingt.
Auch im Interview – Sie finden es hier – schlägt die Maid einen außergewöhnlichen Ton an:
„Sehr willkommen sind mir Ihre Worte jenseits von sich anmaßend breitmachendem Seichttum, jenseits von Angst, jenseits der verstörenden Zurückhaltung tausender Stimmen da draußen, die im Wort nicht die Aufgabe der Suche nach der zerstörten Wahrheit sehen, sondern die bezahlte Einladung zum schriftstellerischen Schweigen.”
Ich kann, wie gesagt, kein Urteil abliefern außer jenem, dass ich das Gespräch spannend finde, weshalb ich kommentarlos ein paar Auszüge einrücke:
„Meine einzige Droge fern meiner körpereigenen, afghanisch aufgeladenen, zentralasiatisch dionysisch-göttlichen Offenbarungen (ist) der Kampf gegen das Schaukeln in die totale Unmündigkeit, durch längst bräsig verfaulte Narrative in der Deutschen Geschichte. Sie hat es verdient, ab 1945 in einem Licht der Besinnung geheilt zu werden. Kampf gegen Narrative, das ist auch ein Kampf gegen die gezielten Begrenzungen unseres Geistes, ein Kampf für die Wahrheitssuche der freien Menschen dieser Welt, ein Kampf gegen Wikipedia, ein Kampf gegen gekaufte Politikwissenschaft, ein Kampf gegen tote Sprache, ein Kampf gegen Moralismus und Alarmismus. Ich habe weder etwas übrig für Zerstörer, die vorgeben, Deutschland durch ein anachronistisch verewigtes Wirtschaftswunder zu retten, und doch nur keifen auf ihren Plattformen der Weltverhetzung – noch für eine grüne Deutschland-Kastrierung, die ernsthaft glaubt, der Schwachsinn ihrer Selbstzerstörung würde nicht durchschaut und entschlüsselt. Nein, dieses Land braucht Balsam, Trost und Hoffnung und es muss wieder lernen, Glück zu empfinden, beim Gedanken an sich selbst.”
„In diesem Land ist seit 1945 die Seele futsch. Gerechtigkeit hat sich in Unterstellung und Hetze verwandelt, Poesie und Geschichtshoheit hingegen gelten als das Böse schlechthin. Warum? Weil Quellenwissen uns aus historischen Zäsuren befreit. Weil Sprache befreit. Weil beides Freiheit ist. Die hiesigen Menschen aber sollen nicht frei, sie sollen geistig unterdrückt, in aufgeklärter Atmosphäre beschnitten werden.”
„Das geheime Deutschland heute spiegelt sich in der ungebrochenen Sehnsucht und dem geistigen Einsatz für eine freie Menschenklasse. Kollektivismus und Geschichtsverstümmelung müssen endlich aufgegeben werden. Schuld an die Menschenwürde des Schuldigen angepasst sein. Der Überstaat wieder zum Staat aus der Ordnung seiner einzelnen Persönlichkeiten erblühen. Einsamkeit ist der Weg zum Einzelnen, ist der Pfad zu einer gemeinsamen Gesinnung der Freiheit. Deutschland hat genug gelitten, von den Affekten, die der grobe Versailler Vertrag auslöste, bis hin zu ihrem Massenselbstmord, als sie sich für Hitler entschieden, bis hin zur Stunde null, die hinter den Trümmerkulissen bereits auf Jahrzehnte eingespielt wurde, bis hin zur heutigen politisch-gesellschaftlichen Einstellung durch ans Ruder gelangte Bonzinnen. Deutschland ist nicht verflucht. Ich plädiere dafür, den auswendig gelernten Schuldpegel herunterzudrehen, damit ein neuer Morgen am Horizont erwachen kann und das Erpressen ein Ende hat.”
„Herrlich, wie der ‚Erzjude’ Jacob Taubes hier die Bestie Ernst Nolte als eine der wahrhaftigsten Ausnahmen unter den Historikern feiert! Wer weiß, wie lange die Antistil-Geisteszwerge bei Merve so hochgefährliches Zeug noch in den legendären Regalen belassen. Wenn ihnen die gigantische deutsche SCHULD genommen würde – was bliebe ihnen dann noch als Eigenes?”
„Die deutsche Schuld hat Deutschland klein gehalten, und noch kleiner wird es werden, wenn es nicht die letzte Kammer seiner Persönlichkeit betritt: jene goldene Kammer, die keine Angst mehr hat, die Welt jenseits des transatlantischen Tumors zu berühren.”
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Leser *** stößt sich an meiner Bemerkung, dass bereits den 68ern der prä-woke Geist der „Cancel Culture” innewohnte (Acta vom 5. Oktober):
Als Konstante hat der Münchner Politologe Franz Schneider eine „Reservatio mentalis“ ausgemacht, das heißt: „zwar gesellschaftliche Akzeptanz des Systems als zurzeit unumstößlich, aber verinnerlichte Ablehnung desselben (ohne sinnvolles Ersatzangebot) sowie abrufbare Aggressionsbereitschaft bei punktuellen Anlässen“.
Die Frage, was die 68er politisch überhaupt wollten, ist bis heute unbeantwortet. Was ihre Aktivisten von sich gaben, war oft staunenswerter Unsinn. Beispielhaft sind die Vorstellungen über die Zukunft Westberlins nach dem Sieg der Revolution, vorgetragen im Oktober 1967 von drei Vordenkern der Bewegung unter der Moderation von Hans Magnus Enzensberger. „Ein Großteil der Bürokraten“ werde „nach Westdeutschland emigrieren müssen“, hieß es da, es werde „einen obersten Städterat“ geben, dessen einzelne Räte „jederzeit wählbar und abwählbar“ seien, ferner „Räteschulen“, deren Lehrpläne von „Vollversammlungen der Betriebe“ bestimmt würden, „ganz Berlin wäre eine Universität“. Was sie abschaffen wollten, war eindeutiger: die Familie, den Parlamentarismus, Eliten, die bürgerlichen Konventionen vom „Sie“ bis zum Talar, die Sekundärtugenden und natürlich das alte Bildungs- und Erziehungssystem. Und sie sind durchaus weit gekommen.
Der Slogan „Mehr Bildung für alle“ etwa, Beton geworden in Form der Gesamtschule, war ein Generalangriff auf das Prinzip Leistung. So unfair es wäre, den deutschen Bildungsniedergang allein den 68ern zuzuschreiben, so auffällig ist es, dass Baden-Württemberg und Bayern, wo der „lange Marsch“ auf Widerstand stieß – bis die Grünen an die Macht kamen (armes BaWü) oder bis heute (felix Bavaria) –, mit den besten Resultaten aufwarteten bzw. aufwarten. Das Kursbuch 17 vermittelt einen Eindruck von den pädagogischen Vorstellungen der 68er: Die Mitglieder der Kommune 2, unter ihnen der spätere Terrorist Jan-Carl Raspe, zeigten sich darin überrascht über „die Zähigkeit, mit der die Familie im Spätkapitalismus sich erhält“. Die Zerstörung der Kleinfamilie sei aber ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum neuen Menschen. Das hatten schon Marx und Engels geschrieben, und ohne ein Zitat irgendeines linken Klassikers auf den Lippen galt man weiland nicht als satisfaktionsfähig.
Das nannte man dann später „Fundamentalliberalisierung“ (St. Jürgen Habermas) oder „Vertiefung des demokratischen Engagements“ (Richard von Weizsäcker). Tatsächlich galt „liberal“ in Frankfurter und Berliner Studentenkreisen als Schimpfwort („liberaler Scheißer“), konservative Professoren wurden zusammengebrüllt und terrorisiert (gecancelt). Der spätere bayerische Kultusminister Hans Maier schrieb in einem Brief an Heinrich Böll, späterer Träger des No-Böll-Preises, er könne allein aus seiner unmittelbaren Erfahrung politische Mobbing-Fälle anführen, „von denen drei mit Selbstmord endeten“. (Da müssen sich die aktuellen Canceler noch mehr Mühe geben!)
Die 68er waren – im Durchschnitt, es mag konkrete Ausnahmen gegeben haben – auch nicht antiautoritär, kritisch, freigeistig und aufgeklärt, wie gern behauptet wird. 68er sein, das hieß, hinter Plakaten von Polit-Idolen herzulaufen und Texte von philosophischen Gurus wie Katechismen zu zitieren. Typisch 68 war die Verharmlosung linker Diktatoren. „Je mehr die Unverzeihlichkeit der Untaten von rechts exponiert wurde, desto mehr verschwanden die der Linken aus der Sichtlinie“, notierte Peter Sloterdijk. Allein der Kult um den Massenmörder Mao Tse-tung – mit Mao-Bibeln, Mao-Plaketten, Mao-Postern – entlarvt das Aufgeklärtheitsgerede als Lüge. Im Kursbuch 13 von 1968 beschrieb Hans Magnus Enzensberger die Zustände in der Bundesrepublik mit den Worten: „Der neue Faschismus ist längst Wirklichkeit.“ Sagte er über das Bonner Auenland. Wie dumm kann man sein? Und: Wer von 68 redet, sollte vom Konformismus nicht schweigen.
Was die 68er und ihre Erben neben allerlei Rüpeleien und Konventionsbrüchen außerdem in die deutsche Politik einführten, war ein erpresserisch-moralisierender Ton. Pragmatismus gilt seither als amoralisch, Patriotismus steht unter Faschismusverdacht. Sie haben den Weg bereitet für jede Art von Political Correctness, für jene „Tabuzüchtung im Dienste der Aufklärung“, wie es Martin Walser nannte, die viele hiesige Debatten in emotionale Aufwallungswettbewerbe verwandelt. Und damit auch für die Wokeness. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Hugh, ich habe gesprochen.
Leser *** schreibt: „ ‚Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin’ – das ist ein westdeutscher Sponti-Spruch, deswegen auch das du. Ende der 80’er in der Grundschule gab es regelmäßig Luftschutzübungen. Sobald die Sirene heulte, ging es unter die Schulbank. In den 90’ern glaubte man den Feind besiegt. Irrtum.
Derzeit greift der Islam mit seinen Expansionsbestrebungen die christlichen Kernlande in Karabach an, die Armenier sind bereits vertrieben. Die Hamas greift den israelischen Staat an, und mehrere Millionen wehrfähige, junge muslimische Männer sind in Europa eingetroffen. Das ist nicht mehr jwd, das ist hier, bei uns. Was 1300 Jahre brauchte, erleben wir jetzt im Zeitraffer.
Haben Sie eine Erklärung für diese Ignoranz?”