Es gibt keineswegs nur zwei Geschlechter.
Sondern immerhin.
Ohne die Zweigeschlechtlichkeit – den sogenannten Dimorphismus – hätte sich, dies da capo geflötet und getrommelt, das menschliche Gehirn niemals so weit entwickeln können, dass es sogar Theorien wie jene zu ersinnen vermochte, die Geschlechter seien ein soziales Konstrukt.
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Gecancelt zu werden, ist kein zwingender Beweis dafür, dass man die Wahrheit sagt. Aber nicht gecancelt zu werden ist ein Beweis, dass man nicht die ganze Wahrheit ausspricht.
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Die Opposition sollte im Bundestag ein Verbraucherschutz-Gesetz einbringen, das den Banken eine Begründungspflicht bei Kontenkündigungen auferlegt.
Ich möchte gern die roten und grünen Reden dagegen hören.
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Und wenn sie sich auf die Teufelsinseln verfügt bzw. geflüchtet hätte, die Lumpenpresse hätte einen „Urlaub” daraus gemacht.
Themistokles machte Urlaub in Persien, Ovid machte Urlaub in Dakien, Averroes machte Urlaub in Lucena, Dante machte Urlaub in Verona und Treviso, Chateaubriand und später Marx urlaubten in London, de Maistre standesgemäß in Lausanne, Venedig und St. Petersburg. Ludwig der XVIII., dieser mobile Schlemmer, machte Urlaub in Koblenz, Hamm, Turin, Blankenburg, Mitau und Aylesbury, Heine in Paris, und unser vorerst letzter Kaiser im Haus Doorn, Utrechtse Heuvelrug.
Nicht zu vergessen die zahlreichen an Leib und Leben bedrohten Syrer, Afghanen, Iraner, Ukrainer, Schwerttänzer und Klingonen, die derzeit in ’schland Urlaub machen.
Andere hätten es vielleicht tun sollen.
Der Bub hatte vorher gepostet, die AfD-Frontfrau habe ihren Wahlkampfauftritt nicht wegen der Bedrohungslage abgesagt, sondern weil sie Urlaub mache.
Hätte Gevatter Chrupalla vielleicht auch tun sollen.
Apropos Ovid:
Peter Hacks nahm an einer Unterhaltung teil, in der darüber gesprochen wurde, ob das Exil der Kunst dienlich sei. „Als man die großen Verbannten durchging, überzeugte man sich: Marx hatte das ‚Kapital’, Heine das ‚Wintermärchen’, Thomas Mann ‚Doktor Faustus’, Lion Feuchtwanger ‚Die Füchse im Weinberg’ und Brecht ‚Mutter Courage’ im Exil geschrieben. Nur bei Ovid stimmte die These nicht, seine schöpferische Kraft hatte im Exil nachgelassen. Man stellte Vermutungen über die Gründe an.
Hacks meinte: ‚Er ist wirklich die Ausnahme, aber 20 Jahre Rumänien, das hält keiner aus.’ ”
(Aus: „Gott hält viel aus. Zweihundert Anekdoten über Peter Hacks”)
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Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, findet, dass Zensur lediglich „ein Angebot, kein Dogma” sei. Damit widerspricht sie ihrem indirekten Amtsvorgänger Klaus Höpcke (Original-SED). Jeder Verlag entscheide das für sich selbst, sagte sie der Osnabrücker Zeitung. “Genauso wie der eine gendert, der nächste nicht.”
Nannte ich das „Sensitivity Reading” Zensur? Na wie denn sonst! Es handelt sich um einen Eingriff in die Autorenautonomie, sogar rückwirkend in die Werke der Toten, und das ist Zensur. Die neuen, diesmal woken Zensoren überprüfen literarische Texte auf „sexistische oder rassistische Stereotype”; wenn sie fündig werden, dann streichen sie oder ersetzen alte schlimme „Stereotype” durch neue stubenreine und meistens sterile (ich habe einen exemplarischen Fall hier geschildert; ein bisschen scrollen). Die literarische Qualität sinkt dadurch so verlässlich wie kontinuierlich. Klassische Werke erhalten Kommentare, praktisch Warnhinweise, sie werden „eingeordnet”, denn in den Schulen und Universitäten tummelt sich heute – angeblich – eine intellektuell betreuungsbedürftige Generation von hochemotionalen Halbanalphabeten, die nicht wissen, dass früher früher war und man über viele Dinge anders dachte als sie selbst, so wie die nächste Generation über die momentane anders denken wird, als diese Schneeflöckchen auch nur, sofern überhaupt, ahnen.
„Sensitive Reading” ist das Ende des freien Autorentums, nicht allein eine Zensur der vorliegenden Texte, sondern zudem ein Eingriff in jede künftige Themenwahl, denn von allen Gegenständen, Problemlagen, Charakteren, Handlungsverläufen, die als „rassistisch” oder „sexistisch” gelabelt werden könnten, werden die meisten Autoren ihre Finger lassen. Alle Verlage, die bei diesem kollektiven Geßlerhutgrüßen noch nicht mittun, werden sich stetig unter Druck gesetzt sehen, bis sie nachgeben und sich der Herde anschließen, um ihre Ruhe zu haben. Wer sich als Autor sträubt, tut das nur einmal. Der Oberzensor ist immer die Angst.
„Wohin das Ganze führt, man mag es sich nicht ausmalen”, schreibt Leser ***, Lektor im Ruhestand. „Wenigstens gibt es noch einige Verlage, die sich dem Verein nicht angeschlossen oder ihn rechtzeitig verlassen haben. Die Reaktionen (oder auch Nicht-Reaktionen) der Mitglieder werden zeigen, wohin es mit dem Verlagswesen gekommen ist. Neu ist das alles ja nicht mehr. Spätestens nach dem allgemeinen Beschweigen des Vandalismus gegen den Manuscriptum-Stand 2017 hätten alle Alarmglocken schrillen müssen. Vielleicht spiegelt das folgende Distichon, von dem Sie nach Gutdünken gern Gebrauch machen können, etwas von der Situation:
Einstmals waren Zensoren vom Staat ausgehaltene Büttel. / Verlage setzen sie heut selber in Lohn und Brot.”
Ich weiß gar nicht, was die Maid will, der Geist der 68er herrscht doch. Das Canceln von Falschmeinern unter den Proffs war damals fast so gebräuchlich wie heute. Es ist erstaunlich, dass man vielen Leuten im Namen des nächsten linken Blödsinns immer wieder einreden kann, ihre Freiheiten aufzugeben.
„Die Freiheit des Buchdrucks ist die erste Forderung der entstehenden und das erste Opfer der reifen Demokratie.”
Don Nicolás
PS: Leserin *** sendet mir einen Link, unter welchem „anschauliche Beispiele der Verschlimmbesserung von Roald Dahls wunderbaren Kinderbüchern” durch Sensitive Censorship zu finden sind.
„Vorsicht – es tut weh! Wir lernen, Feinfühligkeit bedeutet heutzutage:
– Bei der Beschreibung jeder erdenklichen körperlichen Beeinträchtigung muss durch verbale Gratissolidarität sichergestellt sein, dass Erniedrigte & Beleidigte in unserer all-inclusive-Welt nicht mehr vorkommen.
– Berufe wie Sekretärin oder Supermarktkassiererin sind absolutes Loser-Level, und man sollte Frauen in schriftstellerischen Werken keinesfalls mit ihnen in Verbindung bringen, wenn man sich nicht misogynen und antifeministischen Gedankenguts verdächtigen lassen will (zum Thema ‚top scientists’ will ich mich jetzt nicht weiter äußern).
– Die Klassiker können auf den Schrott, die kennt eh keiner mehr. Und die Gratwanderung zwischen den Steilhängen ‚Diversity’ und ‚Neokolonialismus’ verlangt dem sensitive re-writer so einige Verrenkungen ab.
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Leser ***
War schneller:
Der arge Schelm mit dem ganz unvergleichlich dicken Portemonnaie verbreitet nämlich – und zwar keineswegs nur zur Mutter aller Pandemien –, na was schon:
Zitat: „Musk hat am Freitagnachmittag auf X, ehemals Twitter, einen Post eines Accounts verbreitet, der die Rolle von deutschen Seenotrettern im Mittelmeer kritisiert. ‚Derzeit sind acht deutsche NGO-Schiffe im Mittelmeer unterwegs, um illegale Einwanderer einzusammeln, die in Italien ausgeladen werden sollen’, heißt es in dem Post. ‚Diese NGOs werden von der deutschen Regierung subventioniert. Hoffen wir, dass die AfD die Wahlen gewinnt, um diesen europäischen Selbstmord zu stoppen.’ Elon Musk fragt: ‚Ist das der deutschen Öffentlichkeit bewusst?’ ”
Bekannt, aber nicht bewusst, denn wenn es ihr bewusst wäre, befänden wir uns ja mitten in den Verschwörungsmythen, ‑erzählungen und ‑narrativen.
Der Spiegel weiter: „Das Auswärtige Amt von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reagierte am Nachmittag auf den Post. ‚Ja, das nennt man Leben retten’, schrieb die deutsche Behörde auf Englisch.”
Nehmt das, Verschwörungsmythologen!
Dabei verhält es sich eigentlich ganz simpel: Seenotretter ist, wer die Migranten an die afrikanische Küste bringt; Schlepper ist, wer sie an die europäische schifft.
Verschwörungsmythen, so weit das Auge blickt.
Und das noch!
Auch Nius hat zu diesem Thema etwas mitzuteilen:
KGE kann also gar nicht so unhelle sein, wie ich einst mutmaßte, sie betreibt eben ihr Geschäft, indem sie sich dumm stellt, was ja schon wieder ziemlich gescheit ist. Man soll nicht so schnell an seinen Mitmenschen zweifeln. Eher verzweifeln.
Wie man jemanden nennt, der an einer Sache beteiligt ist, die „was von Invasion hat” bzw. eine ist? Zu Risiken und Nebenwirkungen einer ehrlichen Antwort fragen Sie Ihren Anwalt oder Arno Breker.
Oder Tim Kellner.
(Mehr dazu hier.)
Hintergrund ist die mehr oder weniger klandestine Erweiterung des bislang auf die Person des Bundespräsidenten beschränkten Tatbestands der Majestätsbeleidigung, genauer: das im April etablierte neue „Gesetz zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität”, nomen est omen.
Der speziell die Bewohner der „Ehemaligen” heimatlich anwehende Paragraph 188 StGB wurde um das Delikt der Beleidigung erweitert, wobei es hier ausschließlich um „im politischen Leben des Volkes stehende Person(en)” geht und das politische Leben des Volkes „bis zur kommunalen Ebene” reicht. Die besagte Beleidigung muss öffentlich und aus Beweggründen begangen werden, „die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen”, und überdies „geeignet” sein, „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren”. Dann sind für echte Schmäh-Talente bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe drin. Was eine Beleidigung ist, lässt sich juristisch nicht wirklich fassen, weshalb es sich empfiehlt, die Klappe zu halten und sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht übermäßig zu strapazieren.
Schlank ist die Ricarda, gescheit unsre Katrin, genial Annalena:
Hüte die Zunge, Läst’rer, Justitia stopft dir das Maul!
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Und noch ein Verschwörungsmythos vom Elon.
Das ist aber der bzw. das Letzte für heute.
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Von der anderen Seite des großen Teichs betrachtet, sieht die Migrationskatastrophe übrigens so aus.
Auch dort: Fragen über Fragen.
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Man sollte mal diesen fünfzehnjährigen deutschen Buben im angeblich so ausländerfeindlichen Sachsen fragen, was er von den offenen Grenzen und Mittelmeerschleppern hält.
Drei Migranten gegen einen Blonden: die Normalverteilung der Zukunft. Haupttäter übrigens ein „einschlägig u. a. wegen Körperverletzung vorbestrafter 14-jähriger Iraker”. Die Polizei führte eine „Gefährderansprache” durch. Jetzt können alle wieder ruhig schlafen, speziell die grünen Gauner, bei denen eine Gefährderansprache wohl angezeigter wäre.
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„Sie haben mir heute schon am Morgen den Tag gerettet”, schreibt Leser *** zur Acta vom 3. Oktober, „und zwar hiermit, letzter Eintrag:
Wir waren vor einigen Wochen im Spreewald, und ich kann bestätigen, dass die Kontinuität auch über dreißig Jahre gewahrt bleibt. Hier sehen Sie ein Bild vom Gesinnungs-Supermarkt, in den Farben der Bewegung:
Man freut sich doch über gewisse Konstanten im Volkscharakter.
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Dass die Semperoper zu Dresden den Vertrag mit ihrem Kapellmeister Christian Thielemann in diesem Jahr auslaufen lässt, wurde bereits 2021 bekannt, ich habe darüber in den Acta geschrieben (und in der morgen erscheinenden Ausgabe der JF die auf Berlin bezogene Fortsetzung). Ein von mir weiland vermuteter weiblicher Nachfolger wurde zu Dresden so wenig gefunden wie heuer in Berlin. Aber wie mir ein Dresdner Musiker schreibt, läuft auch sonst alles ziemlich anders, als man es sich wohl damals in einem kollektiven neomanischen Taumel vorstellte:
„Zu der mir und vielen anderen etwas unbegreiflichen Situation der Nichtverlängerung von Thielemanns Dresdner Vertrag wäre anzumerken, daß das Orchester mit der Wahl des von mir eher weniger (weniger als Thielemann auf jeden Fall) geschätzten Daniele Gatti die ‚woken’ Ministerinnenworte geradezu brüsk konterkariert. Nach meiner Einschätzung hat die – wie heutzutage offensichtlich eher die Regel als die Ausnahme – in ihrem Fachgebiet recht ahnungslose Ministerin dem offensichtlichen Wunsch wenigstens eines sich ihr gegenüber äußernden Teils des Orchesters entsprochen, Thielemann nicht
zu verlängern. Da sich dafür beim besten Willen keine wirklich tragfähigen Argumente finden ließen, schon gar nicht in der Abwägung der Positiva und Negativa auf künstlerischem Gebiet, wurde das Ganze als ‚auf die Zukunft gerichtete’ alleinige Entscheidung der Ministerin dargestellt, die mit dem mittlerweile üblichen ‚ewigmorgigen’ Geschwätz, quasi aufs Komma genau derselbe Mist, wie er vor der Berliner Entscheidung durch die dortige veröffentlichte Meinung geisterte, das nahezu völlige Fehlen künstlerischer Argumente zu überdecken versuchte.
Der Katzenjammer bei einem beträchtlichen Teil des Orchesters setzte durchaus zügig ein, man tat allerdings einerseits (von Seiten des Vorstands) so, als sei man von der Entscheidung aus dem Ministerium ‚kalt erwischt’ worden, rührte andererseits aber keinen Finger pro Thielemann und sah sich schnellstmöglich nach einem disponiblen ‚konservativen’ Ersatz um. Im Ergebnis hat man den im Kernbereich des romantischen deutschen Repertoires – was für die Sächsische Staatskapelle
ebenfalls das weltweit auf Tourneen und Festivals am besten vermarktbare ist – führenden Dirigenten ziehen lassen und eilig, um den Schaden wenigstens etwas zu begrenzen, durch einen in diesem Repertoire zwar durchaus kompetenten, aber definitiv nicht in derselben Liga spielenden Dirigenten ersetzt. Die von der Ministerin vorher geäußerten auf ‚Modernisierung’ gerichteten rhetorischen Versatzstücke haben dabei keinen Menschen interessiert.
Die Sächsische Staatskapelle hat in der Branche zwar seit Jahrzehnten den Ruf eines der weltbesten Orchester, speziell im romantischen und spätromantischen Repertoire und als Opernorchester, steht aber ebenfalls für strategisch des öfteren tollpatschiges Agieren in Bezug auf ‚marktrelevante’ Entscheidungen. Bedauerlich. Diversity, ‚Neues’ etc. sind trotzdem bei diesem Orchester eher nicht zu erwarten, und das ist ja ein kleiner Trost.”
PS: Zur Causa Thielemann wendet Leser ***, Dresdner mit familiären Verbindungen in die Staatskapelle, ein: „Ganz so, wie von Ihrem Zeugen, dem Musiker, geschildert, scheint es sich nicht zu verhalten. Hauptmotiv für die Querelen waren wohl enorme Geldforderungen seitens Thielemanns, die Kapelle wußte und weiß sehr wohl, was sie an ihm hat. Ich kann unsere sächsischen Regierungsverteter gewiß nicht leiden, aber hier, scheint mir, nimmt das Kultusministerium den schwarzen Peter an, um Thielemann nicht zu beschädigen. Die Äußerung zur Zukunft der Oper war natürlich grauenhaft.”
Ziemlich leserlastig heute der Eckladen. Aber gut!