Warum Inflation? Das Klimaproblem. Also sprach Frau Lagarde.
Warum zuvor Deflation? Nun, aus demselben Grund.
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Ostdeutsche! Habt mehr Verständnis mit all den Toren im Westen!
Wisset, das Grüne Reich ist ihre Erstdiktatur.*
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Gläubige! Macht Proselyten! Zerschlagt die weiße Gesellschaft!
Wer vor Allah noch nicht kniet, hüpfe fürs Klima derweil.
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Zwei mal zwei ist gleich vier. – Wer behauptet so etwas? – Ein Rechter.
Von der Mathematik nehmen wir Abschied sogleich!
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* Einschaltung für Esel: In Rede stehen alle Toren ab ca. Jahrgang 1940.
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Raten Sie mal, wo.
Im Bendlerblock.
Der Weg vom heiligen (geheimen?) zum bunten Deutschland wird allenfalls dereinst einmal der vom freiwilligen zum unfreiwilligen Opfergang gewesen sein. Für die Fahne des bunten Totalitarismus dürfte jedenfalls niemand freiwillig sein Leben aufs Spiel setzen. Warum nur?
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Darf man, fragt Freund ***, die Krawalle in Frankreich eigentlich als „Rassenunruhen” bezeichnen?
Ja, aber nur, wenn man, wie Buffalo Bill einstmals sagte, ein schnelles Pferd hat.
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Das Zentralorgan der SED teilt mit:
Ich zitiere:
„Verstehe einer die Ossis, diese rätselhaften Wesen, die zwischen der Ostsee und Sonneberg hausen. Sie wählen Nazis und liegen nackt am Strand, um ihre Nazi-Tattoos zu präsentieren. Obwohl Bananen keine Mangelware mehr sind, haben sie schlechte Laune und zünden Flüchtlingsheime an. Dabei haben sie doch alles, was sie sich 1989 so sehr wünschten: Golf GTI, Videorekorder (sic!) und die Freiheit, die sie berechtigt, bei freien Wahlen auch mal Faschisten zu wählen.
Es ist ein undankbarer Haufen.”
Ähnliches konnte, wer denn unbedingt wollte, im Neuen Deutschland auch um die Jahreswende 1989/90 lesen. Damals ließen die Lautsprecher der realsozialistisch erweiterten Humanität allerdings ihren tiefenrassistischen Antirassismus noch nicht so hemmungslos von der Leine.
„Wäre es da nicht besser, man verwendete statt des O‑Wortes lieber einen historisch unbelasteten Begriff wie ‚Zonenmongos’?”
So nennt mich denn Zonenmongo. (Gute Romananfangsadaption.)
„Hat es einen genetischen Grund, warum die O‑Wortler so geworden sind? Sie sind ja nicht nur Nazis, sondern Russenfreunde, Abendlandpatrioten, Monarchisten, Impfgegner und Windradhasser.”
„Russenfreunde” als Schmähbegriff im Neuen Deutschland: Für ein Zonenkind wie mich wäre das ein echter Paradigmenwechsel, wenn ich nicht im Laufe meines Erdenwandels gelernt hätte, dass Tendenzkonformität die vermeintliche Gesinnung nicht nur so verlässlich übertrumpft wie das Terroir die Rebsorte, sondern, zumindest unter Mollusken, vollumfänglich ersetzt. „Nicht nur Nazis, sondern Russenfreunde, Monarchisten und Impfgegner”? Wenn das der Führer wüsste!
„40 Jahre DDR reichten anscheinend dafür aus, dass sich hinter der Mauer, im abgeschlossenen Habitat, eine genetische Variation etablieren konnte, die ihre Träger sonderlich werden lässt.”
Interessant, dass diejenigen, die beharrlich darauf insitieren, dass alle Konflikte soziale Ursachen hätten, auf einmal die Genetik entdecken. Werfen wir doch einmal, aus dieser überraschenden Warte, einen Blick nach Frankreich. In die Banlieues sind auch Milliarden geflossen…
PS: „‚Obwohl Bananen keine Mangelware mehr sind, haben sie schlechte Laune und zünden Flüchtlingsheime an.’ – Die anderen EU-Länder machen es sich da einfacher: Die halten steuerzahlerseits gar keine Unterkünfte plus Versorgung vor. In Frankreich kampieren die sogenannten ‚Geflüchteten’ in Paris oder am Strand von Calais wild in Zelten. In Ländern, wo es gar keine Flüchtlingsheime gibt, können natürlich auch keine angezündet werden. Deswegen stehen die Franzosen ‚image-mäßig’ auch besser da als die Deutschen.”
Leser ***)
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Andererseits, Proteus, Klassische Walpurgnisnacht, leicht abgewandelt:
So etwas freut mich alten Fabler!
Je sonderlicher, desto respektabler.
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Ein Buch mit dem unverfänglichen Titel „Deutsche Orginalität. Fünftausend und ein paar zerquetschte Phrasen, Sprüche und Sentenzen” fand seinen Weg zu mir. Der Name des Autors – ein Nom de plume – kam mir bekannt vor, und mein Gedächtnis hatte mich, wie man sagt, nicht getäuscht: Ich habe vor 25 Jahren ein Buch von ihm für den Focus rezensiert, namens „Kurze Einführung in den Juristenhumor”. Darin versammelte der Pseudonymus Heinrich Stader, Jurist – ein Anwalt, wenn ich mich recht entsinne –, kuriose, groteske, amüsante und anmaßende Einlassungen von Berufskollegen, meistens von Richtern und aus Urteilsbegründungen. Die Rezension ist online nicht mehr auffindbar (viele meiner Artikel lassen sich nach wie vor im Focus-Archiv abrufen, andere wiederum nicht, es scheint weder System noch Absicht dahinterzustecken), weshalb ich mich auf meine Erinnerung verlassen muss, wenn ich Beispiele anführe, etwa den Gramesseufzer eines süddeutschen Amtsrichters für Verkehrssachen, er habe schon tausende Fälle verhandelt, aber noch nie einen Unfallbeteiligten erlebt, der schuld gewesen wäre. Oder, auch eine Verkehrsangelegenheit, diesmal zu Köln, wo an Weiberfastnacht einem Auto die Vorfahrt genommen wurde, „obwohl die Fahrerin ein Mädchen war”; außerdem hatte der Delinquent nach links geblinkt, aber nach rechts die Spur gewechselt, was, so das Gericht, „im Raum Köln nur bei Tieffliegerangriffen gestattet” sei (ich zitiere aus dem Kopf). Und dergleichen ernste Scherze mehr.
Nun also hat sich der Kuriositätensammler vom Konkreten einer Berufssparte ins Allgemeine eines Volkes begeben. „In diesem Büchlein ist gesammelt, was unsere Landsleute so reden, den ganzen lieben, langen Tag”, hebt die Einleitung an. Abgebildet werde das „Spektrum zwischen hohlster Phrase, banalster Platitüde, abgeschmacktestem Kalauer und den Glanzlichtern deutscher Spruchbeutelkunst”. Mit einem Wort: „Volksgut”. Vom diesem ist der Weg nicht weit zum „Volksgeist”, der es hervorbrachte und ‑bringt; dem deutschen sei es eigentümlich, so Stader, „auch noch dem letzten Elend eine Pointe abzupressen”. (Mir fiele spontan der Anfang 1945 kurzzeitig geläufige ostpreußische Stoßseufzer ein: „Wenn sie nicht so sehr mit unserem Mobiliar und unseren Frauen beschäftigt wären, könnten sie schon in Berlin sein!” Und zeitparallel dazu der in Berlin verbreitete Abschiedsgruß: „Bleiben Se übrig!”)
Daneben pflege der besagte Volksgeist, so unser Grimm-Fortschreiber, „einen gewissen nivellierenden Effekt” sowie „einen Widerwillen gegen alles Distinguierte”. Das scheint mir ebenfalls unstrittig zu sein – die deutsche Seele ist sozialdemokratisch. Staders präludierendes Resümee lautet: „So nämlich ist er, unser Humor, unser Thesaurus an Sprüchen: glanzlos, aber praktisch, voller Biedersinn und Treuherzigkeit, wo nicht gemütlich, dann doch immerhin sympathisch gemütlos; alles in allem eher Kunsthandwerk als Kunst. Mehr ist mit seinen Hauptzutaten – Kalauer, Ausscheidungen, Bier, Ressentiment, Vorurteil und Schadenfreude – an Niveau wohl auch gar nicht herzustellen.”
Der Sprüche- und Sentenzensammler versieht Teile seiner 350seitigen Anthologie mit einem zeitgemäßen, aber nicht bierernst gemeinten Warnhinweis (typischerweise taucht er auch an den beiden Stellen auf, wo unsereins zitiert wird).
Das Besondere und bei fortdauernder Lektüre allmählich regelrecht Verblüffende an diesen „fünftausend und ein paar zerquetschten” stehenden Wendungen, die kapitelweise nach Lebensbereichen (Kleidung, Getränke, Ehe, Politik etc.) bzw. Gemütszuständen (Freude, Zweifel, Fatalismus etc.) geordnet sind, besteht darin, dass man mindestens viertausendachthundert davon nicht nur kennt, sondern viele davon x‑mal selbst verwendet hat und nach wie vor verwendet. Diese Formulierungen sind kollektive Sprachgewohnheiten geworden. In Fragen der daseinskommentierenden Alltagsoriginalität sprechen wir öfter im Chor, als uns bewusst sein mag. Ein paar beliebige Beispiele:
Wie soll’s einem schon groß gehen?
Ich mach mich vom Acker.
Man tut, was man kann.
Und ich Trottel fall auch noch darauf rein!
Machen wir uns doch nichts vor.
Alter Schwede!
Wird schon schiefgehen.
Da bleibt kein Auge trocken.
Wäre auch das geklärt.
Auch wieder wahr.
Das Leben ist kein Ponyhof.
Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Einmal ist keinmal.
Ich kann mir das ja nicht aus den Rippen schneiden.
Wie ein begossener Pudel.
Ich krieg die Krise.
So viel Zeit muss sein.
Das hat man nun davon.
Das kann ja jeder behaupten.
Es bleibt einem nichts erspart.
Was glaubt denn der, wer er ist?
Das wäre ja noch schöner.
Andere wären froh.
Dass mir keine Klagen kommen!
Wie geil ist das denn!
Komm du mir nach Hause!
Da haben sich zwei gefunden.
Ganz großes Kino.
Hier werde ich nicht alt.
Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?
Ich kann mich ja nicht in Stücke reißen.
Erzählt hier einen vom Pferd.
Nicht schön, aber selten.
Ich fall’ vom Glauben ab.
Wollen wir hier Wurzeln schlagen?
Grüner wird’s nicht.
Das hab ich im Urin.
Ist hier der Wohlstand ausgebrochen?
Und fertig ist die Laube.
Ach, daher weht der Wind!
Auch kein Kind von Traurigkeit.
Das verstehe, wer will.
Holla, die Waldfee!
Was ist denn in den gefahren?
Mir kommen gleich die Tränen.
Ein Griff ins Klo.
Du kriegst die Tür nicht zu.
Alles Scheiße, Deine Elli.
Bei aller Liebe.
Nur über meine Leiche.
Heul doch!
Als ob es kein Morgen gäbe.
Und als Krönung und Katharsis, diese Wirkung freilich nur nach der Artillerievorbereitung durch mindestens tausend andere geläufige Sprüche erzielend:
Na toll.
Ich gestehe: Mir war vorher nicht aufgefallen, dass diese beiden in lakonischer Uneigentlichkeit verbundenen Worte zu den komischsten Hervorbringungen des Deutschen gehören.
Wer sich vergewärtigt, dass jede dieser Wendungen einen konkreten, wenn auch namenlosen Erfinder hat, der sie erstmals aussprach und somit prägte, bevor sie, millionenfach wiederholt, zur geflügelten Platitüde wurde, der wird einräumen müssen, dass der titelgebende Terminus „Originalität” wirklich zutrifft. Das war alles einmal original und originell.
Wie eingangs mit dem Verweis auf das Vorgängerbuch über den Juristenhumor angedeutet, ist der Pseudonymus Stader ein Pointensammler. Einem solchen Menschen genügt das Alltägliche nicht, er sucht zugleich das Außergewöhnliche. Im vorliegenden Buch finden die Ergebnisse dieser Suche vor allem im großzügigen Fußnotenapparat Platz. Das sieht zum Beispiel so aus, dass auf die stehende Wendung „Bin halt auch nicht mehr der Jüngste” die Alias-Version „Alter Mann ist kein D‑Zug” folgt, und als Appendix: „Ernst Jünger mit 102 im Interview: ‚Man ist halt auch nicht mehr hundert.’ ”
Das Angebot reicht von Kalauern – „Und immer eine Handbreit Wasser im Bidet”; „Beim Barte des Proleten!” – und verballhornte Zitaten – „Wenn die letzte Bohrinsel versenkt und die letzte Tankstelle geschlossen ist, werdet ihr merken, dass Greenpeace nachts kein Bier verkauft”; „Ich liebe den Geruch von Angstschweiß im Büro” –, über, da ist er wieder, Proletenscherze – „Bei uns nimmt meine Fau das Viagra, damit sie länger in der Küche stehen kann” – und Sexualfrustkompensationsbonmots – „Gestern mal wieder Aids keine Chance gegeben” – bis zur Dating-Bitternis: „ ‚Ich suche nichts Festes’. – ‚Da werden dir meine Oberschenkel gefallen.’ ”
Ein Teil der Weisheiten kommt gar gereimt daher. Etwa:
„Wer nix kann und wer nix ist,
der wird Klimaaktivist.”
„Die schönsten Verse des Menschen
sind die Gottfried Bennschen.”
„Woran ich immer denke
sind Weiber und Getränke.”
In Kürzestform:
„Vater lötet,
Familie betet.”
In deutschen Landen und Gauen wird der Alltags(galgen)humor an irgendeiner Stelle mit Notwendigkeit regional.
„Gott erschuf in seinem Zorn
Bielefeld und Paderborn.”
„Man muss Gott für alles danken,
auch für Ober- und Mittelfranken.”
„Vom Ernst des Lebens halb verschont
ist der schon, der in München wohnt.”
„Wo Kind und Hund Palukes würgen,
ist meine Heimat Siebenbürgen.”
(Palukes ist eine Art Polenta.)
Oder, weg von der Heimat und hin zur Berufswahl:
„Karohemd und Samenstau,
ich studier’ Maschinenbau.”
Unvermeidlich sind Schüttelreime:
„Jetzt geh ich in den Birkenwald,
denn meine Pillen wirken bald.”
„Er ging mit seiner Dicken fort,
sie sind im Wald und …”
Von Thomas Kapielski fortgeschrieben:
„Nicht nur, dass ich Schinken heiße,
ich finde auch mein Hinken scheiße.”
Bekanntlich sind Verballhornungen ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Zeitvertreibs Talking Nonsens. In der Rubrik „Zusammengesetztes aus den Feuilletons” finden sich folgende Schöpfungen: „Pastoralverkehr”, „Randgruppenreisen”, „Wohnmobilmachung”, „Zeitraubtier”, „Indiskretin”. Sowie „Derridada. Lacancan. Heidegguerre.” Auch: „gendersternhagelvoll”. Zuletzt: „Riefenstählern und zusammengebrekert” – Letzteres hier allerdings nur zitiert, damit ich den Kalauer „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Ihren Arzt oder Arno Breker” anbringen kann, den mir ein echtes bzw. rechtes Nachwuchstalent offerierte, wobei ich nicht weiß, ob der junge Mann auch das Copyright auf den Scherz besitzt bzw. Wert darauf legt (schreiben Sie’s mir!).
Das Missing Link vom Feuilleton zur nächsten Rubrik heißt: „Warten auf Merlot”. In Rede stehen boshafte Entstellungen der Weinsprache wie „Rinnsteiner Pennertod”, „Zuspätlese”, „Grand vin misérable”, „Château Migraine”, „Appelation souterraine” et ainsi de suite. Kein Grund, der Maxime „Wir müssen aufhören, weniger zu trinken” abzuschwören – oder, wie es der neiderregend häufig zitierte Kapielski tiefsinnig formulierte: „Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein.”
Naturgemäß, auch wenn es gerade zu Ende zu gehen scheint, gehört ein Kapitel dem deutschen Fußball, beginnend mit der Mutter aller Kommentatorensätze:
„Der Unparteiische schaut schon auf die Uhr.”
Selbstverständlich kommt auch der Kaiser Franz Beckenbauer zu Wort: „Die Schweden sind keine Holländer, das hat man ganz genau gesehen.” Und der pointensicherste aller deutschen Kicker, Jürgen „Kobra” Wegmann, desgleichen: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.” Den Spitznamen verdankte Wegmann übrigens seiner Bemerkung: „Ich bin giftiger wie die giftigste Schlange!” (Seinen allerbesten Scherz machte er allerdings in Richtung der gegnerischen Trainerbank, nachdem er gegen Ende der zweiten Halbzeit das 4:0 geschossen hatte: „Also hoch gewinnt ihr heute nicht mehr!”)
So, genug zitiert, diese Auswahl müsste genügen. Wer das Buch bestellen mag, zur Webseite des Verlages geht es hier.
Na gut, einer noch: „Man kann ja von Dschingis Khan sagen, was man will, aber damals in der Mongolei konnte eine alte Frau nachts noch sicher über die Straße gehen.”
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Ein Dialog via Twitter.
Ja, es kann zur Marotte werden. Doch, wie Marc Pommerening schreibt:
„Dichten tut er jetzt auch, sein Distichon klingt elegisch.
Fraglos, die klassische Form immunisiert gegen Quatsch.”