Christlich Demokratische Union Deutschlands, 2023
(Leser ***)
Doch welcher törichte Mensch mengte beides in eins?
„Gute Aussichten für neue Kriminalisierungen. (…) Sichert Euch rechtzeitig die Position des Anklägers!“
Carl Schmitt, ewiggültig am 5. Januar 1948
Sind meistens Nervensägerinnen
„Die öffentliche Debatte um das Gendern spiegelt also nicht den aktuellen Forschungsstand wider. ‚Der öffentliche Eindruck ist sehr verzerrt’, betont auch Müller-Spitzer. Aktuell Forschende und Lehrende stünden Gendern offen gegenüber.” Schließlich sind Gendersternchen keine Rechtschreibfehler!
Der öffentliche Eindruck mag in der Tat verzerrt sein, weshalb ich, als bescheidener Vorarbeiter im Weinberg der Sprache, meinen Teil zur Entzerrung beisteuere. Die Verzerrung besteht darin, dass unsere linguistischen Jakobiner einfach behaupten, die paar Hanseln, die ihre Ansicht teilen, seien repräsentativ, weil sie den „aktuellen Forschungsstand” verkörperten. Als ob irgendein Forschungsstandsinhaber, also eine Art semantischer Hausbesetzer, darüber befinden könne, wie Deutsch gesprochen werden müsse. Als ob überhaupt irgendein „Forschungsstand” zum guten Deutsch existiere, der das orthographisch-grammatikalische Regelwerk übersteigt, das durch die Sprachklempner, Sprachpantscher, Sprachverhunzer, Sprachvergewaltiger und Sprachmanipulateure der Rechtschreibreform schon genug ramponiert worden ist. Woher nehmen solche tristen Figuren die Dreistigkeit, darüber zu befinden, wie die Menschen reden und schreiben sollen? Die Sprache entsteht im Volk und erblüht im Munde der Dichter. Politiker und Ideologen, die ihr das Mieder lockern und sich an ihr vergehen wollen, gehören aus den Schulen, Universitäten und Akademien vertrieben, notfalls mit tempelreinigendem Furor. Die Genderei ist nicht allein grammatikalisch unsinnig, aufdringlich und tendenziell totalitär, sie ist vor allem: hässlich.
Wer auf die Situation der beiden konkurrierenden deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung zurückschaut, erblickt auf der einen Seite die wirtschaftlichen Sieger mit einem politisch-moralischen Minderwertigkeitskomplex (wegen des Dritten Reichs), während sich die anderen zumindest in der offiziellen Rhetorik als die politisch-moralischen Sieger der Geschichte (über das Dritte Reich) fühlten, aber mit guten Gründen einen gewaltigen wirtschaftlichen Minderwertigkeitskomplex mit sich umherschleppten. Die einen fuhren dicke Autos und trugen schicke Klamotten, waren aber sozusagen am gesamten Leib mit moralischen Hühneraugen übersät – oder benahmen sich, als ob sie es wären, weil das zum Komment gehörte –, auf die nur jemand drücken musste, um reflexhafte Bücklinge auszulösen; die anderen schämten sich ihrer schlechten Kleidung und lächerlichen Autos, empfanden aber gerade wegen ihrer miserablen materiellen Situation keine besondere existentielle Schuld, sei es nun gegenüber den Opfern des NS oder den Bewohnern der Dritten Welt.
Der Unterschied folgte aus der Qualität der Gehirnwäsche; sie war im Westen, wie nahezu alles, einfach besser, und da sie sich mit ökonomischem Erfolg und den Freiheiten des Konsums verband, vertraute im Westen ein großer Teil der Gesellschaft auf die atropäische Wirkung jener Lippenbekenntnisse zur deutschen Schuld, die im Osten die Mehrheit eben nicht glaubte. Das heißt, dass im Westen sowohl der Wohlstand als auch die Schuld weit größer ausfielen als bei den Brüdern und Schwestern auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. BRD, das hieß: gesellschaftlicher Wohlstand und öffentliche Schuldbekenntnisse gehören zusammen wie Talentmangel und Quoten, aber dieser waltete über das gesamte Jahr, jenen oblag die sündenstolze Gemeinde nur an hohen weltlichen Feiertagen.
Günter Maschke hat die Mentalität, die im Westen nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs entstand bzw. erzeugt wurde, scharfsinnig beschrieben; in seinem 1985 veröffentlichten Essay „Die Verschwörung der Flakhelfer”, einem Höhepunkt der Aufklärung in der Geistesgeschichte der BRD, notierte er: „Der neue, demokratische, mündige, kommunizierende und konsumierende Bürger wurde in nuce mit der Entnazifizierung geschaffen. Die Beziehung zwischen Gesinnung und Brotkorb wurde den Geschlagenen deutlich eingeschärft, und so verloren sie den letzten Rest an Zivilcourage, falls ihnen davon der Nationalsozialismus etwas übrig gelassen hatte. Demokratie und Heuchelei gingen eine Verbindung ein, die heute vollkommen naturhaft wirkt. Ich war nicht dabei, ich war immer dagegen, ich war nicht dafür, ich wußte von nichts, ich hatte eh nichts zu sagen, ich kann mich an nichts mehr erinnern. Damit die Umzuerziehenden die Gefilde der Demokratie betreten durften, mußten sie möglichst erfolgreich lügen. Und so wurde die Lüge das Fundament der bis dahin ja in Deutschland unbekannten ‚Freiheit’.”
An die Stelle des „sich verantwortlich fühlenden Ichs” sei ein neues, geläutertes Ich getreten, „das, geldgierig, sanftmütig und schlau, von nun an mit seinem Interessenverband in der monotonen Steppe des Pluralismus heulte. Dieses befreite, demokratische, von Vorurteilen erlöste, aufbauende und sich jedes autoritären Gedankens entschlagende Ich kennt so viele Denk-Tabus, daß sie nicht mehr zu zählen sind, und es ist so kritisch und mündig, daß es glaubt, es sei frei. (…)
Heute aber hat sich dieses Objekt durchgesetzt und das Ineinander von Zerknirschung und Genußsucht (wobei die Zerknirschung die Genußsucht häßlich macht und die Genußsucht die Zerknirschung verewigt) zeichnet sich längst nicht nur auf den Gesichtern unserer Elite ab.”
Dass unter solchen Bedingungen ein zwar cleverer, aber nicht besonders ehrlicher und gerader Menschenschlag heranwächst, der sich letztlich jeder Autorität fügt, wenn sie nur seine Triggerpunkte traktiert, ist nicht überraschend. Umgekehrt wirkte die plumpe und in ihren Korruptionsofferten überaus beschränkte Zonendressur bei vielen „Ossis” wie eine Immunisierung.
Abschließend möchte ich betonen, dass unsere Diskussion heute keine endgültige Entscheidung darstellt, sondern vielmehr den Auftakt für einen offenen Dialog über das Thema ‚Hütchenspiel’ bildet. Wir möchten verschiedene Perspektiven einbeziehen und eine breite gesellschaftliche Debatte anregen, um schließlich zu einer ausgewogenen und verantwortungsvollen Lösung zu kommen.”