Die westliche Kultur ist bekanntlich die einzige Kultur, die sich selbst kritisiert und infrage stellt. Die anderen Kulturen, präzisiert der Althistoriker Egon Flaig im Gespräch, kennten nur eine Art Binnenschuld; man werde dort schuldig vor Gott oder den Vorfahren, aber ausschließlich Weiße empfänden sich schuldig vor den Angehörigen anderer Kulturen.
Die weiße Kultur ist auch die einzige, die sich für andere Kulturen interessiert; so war es immer deutsche Leitkultur, andere Kulturen zu erforschen (und sich widerrechtlich anzueignen, wie heutige Spezialbegabte sagen), wofür Männer wie Herder, Alexander v. Humboldt und Goethe stehen. Mit dem Ende der weißen Kultur wäre wohl auch das besiegelt.
Kennen Sie Denis Scheck? Hier können Sie ihn anstaunen. Ein Mannsbild, athletischer als Tom Wolfe, dessen Kleidungsgeschmack er generös adaptiert, viril, schneidig, mit einem Römer‑, jedenfalls Charakterschädel, in seiner Physiognomik dank beeindruckender Gesichtsmuskulatur beinahe dem Haldenwang ebenbürtig und wert, von Breker in Marmorpudding gemetzt zu werden. In vier Minuten erschlägt und begräbt dieser hehrste Recke der neueren deutschen Literaturkritik ein 1200-Seiten-Buch, das er offenbar nie gelesen hat, auf dem Heldinnenfriedhof seines „Anti-Kanons”: Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes”. Denn dieser Spengler sei ein schlimmer Rassist gewesen.
Die Rasse des Denis S. ist ersichtlich, man mag es bedauerlich finden, die weiße. Spengler würde das nicht weiter interessieren, der brave Oswald hat sich wenig um Zoologie gekümmert; Rasse ist man nicht, Rasse hat man (oder eben nicht), dekretierte er. Rasse haben bedeutete für ihn, jenes Schicksal auf sich zu nehmen, welches die historische Weltstunde dem jeweiligen Menschen zugedacht hat. Hat Denis S. Rasse? Wir melden Zweifel an.
„Alle Kunst und Kultur entstehen aus Vermischung, sie sind ein Bastard”, meint etwas ungelenk der weißgewandete Blütenweiße, sie sei „Ergebnis von Verunreinigung, nicht von Reinheit.” Das stimmt und zugleich auch nicht; das „alle” ist falsch, die frühen Hochkulturen waren doch ziemlich rein. Es ist auch egal – außer, jemand behauptet apodiktisch das eine oder das andere. Scheck hat den als „wenig hilfreich” geltenden Spengler ersichtlich nicht gelesen, aber womöglich Thomas Manns Aufsatz über dessen Lehre aus dem Jahr 1924, in dem sich der Dichter über das Dekret des Geschichtsmorphologen mokiert, Kulturen existierten nur isoliert nebeneinander und könnten einander nicht befruchten, ungefähr wie Denis S. und die Frauen. (Als Gegenbeispiel führte Mann übrigens Hans Bethges Nachdichtungen in der „Chinesischen Flöte” und die Vertonung von sechs Gedichten daraus in Mahlers „Lied von der Erde” an.)
Scheck spricht von Spenglers „groteskem Nationalismus” und erklärt erschüttert, der Autor des „Untergangs” denke „in den Kategorien von Blut und Boden, Rasse und Volk, Nation und Schicksal”, um den Autor nachträglich anzubräunen. Dessen Lehre vom zwangsläufigen Aufstieg und Niedergang der Kulturen habe „dem Rassenwahn und der völkischen Ideologie des Nationalsozialismus” – und nun frage ich Sie, geneigte Leserin –
a) den Weg gebahnt,
b) den Boden bereitet,
c) die Steigbügel gehalten oder
d) Wasser auf die Mühlen geleitet?
Spengler, das kann nicht mal ein Widerständler der zweiten nachgeborenen Generation leugnen, sei zwar kein Nazi gewesen, aber „Rassist, Chauvinist und Antisemit”.
Die Sache hat nur einen Haken. Spengler denkt nicht in diesen Kategorien – das Schicksal ausgenommen –, sondern konstatiert lediglich, dass die Geschichte in diesen Kategorien verläuft oder sich hegelianisch ihrer bedient. Da für ihn alle Kulturen in ihrer Eigenschaft als Organismen gleichwertig sind, sind auch alle sie tragenden „Rassen” gleichwertig bzw. ‑gültig. „Blut” interessiert ihn nicht, deswegen hat er die Nazis verachtet. Im „Untergang” – dieser stets missverstandene Begriff bedeutet tatsächlich so viel wie Vollendung seines Schicksals – stellt der Geschichtsdenker ja die verschiedenen Kulturen gemäß der jeweils erreichten Stunde ihres historischen Welttages gegenüber. Rassismus ergibt in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Sinn, die verschiedenen Rassen sind wie verschiedene Premiers Grands Crus, doch Parkerpunkte sucht man bei Spengler vergeblich. Auch Chauvinismus, Nationalismus und alles Völkische existieren für Spengler innerhalb jeder Kultur, gerade in deren zivilisatorischer Spät- und Niedergangsphase. In gewisser Weise könnten sich die Tumultanten der „Identity Politics” auf ihn berufen.
Nicht nur die Künste – da steht es ja außer Zweifel –, sondern sogar die Naturwissenschaften seien Spengler zufolge von der Nationalität der Forscher determiniert, graust es den Scheck, aber er kommt nicht auf den Gedanken, diese Behauptung mit jener der Indentitätspolitiker kurzzuschließen, für die sogar die Mathematik und die Physik „weißengemacht” und also „rassistisch” sind; er kommt überhaupt nicht auf Gedanken, die seinem nächsten Scheck als Lohn für linientreue Literaturkritiksimulation im Wege stehen könnten. „Nicht ohne Schaudern vernimmt man das Echo, das der ‚Untergang des Abendlandes’ in heutigen Einlassungen rechter Hetzer von der AfD oder der Werteunion findet“, schließt unser literarischer Bernardo Gui seine Ausführungen. Das ist immerhin deutsch, gut deutsch, kern- und knalldeutsch, maulkorbfromm und denunziationsbeflissen sturheildeutsch.
Und dass die anderen Nationen ein „ständiges Geheimnis und die Quelle beständiger folgenschwerer Irrtümer“ sind, wie Scheck den deterministischen Gelehrten so indigniert wie ahnungsarm zitiert, weiß jeder, der mit einer Ausländerin liiert ist.
Es gibt Spengler-Exegeten, die meinen, dass sich der Westen heute auf derselben Stufe befindet wie die Römische Republik in ihrer Spätzeit (und nicht kurz vor Adrianopel anno 37x, wie Unken meines gemütvollen Schlages wähnen). Dass der eigenbrötlerische Wahl-Münchner einer der Denker für unsere Weltstunde ist, begreift jeder, der sich die Mühe macht, nur das Kapitel über die Stadt in der Spätzivilisation zu lesen. Dass Kulturen ihre Zeit haben und irgendwann sterben – jedem Volk sei seine Frist gesetzt, sagt schon der Prophet Mohammed bzw. Allah durch dessen Mund – ist eine Tatsache, zu der Politologen, Soziologen, Sozialpsychologen und andere Schamanen der Dekadenz außer erwünschten Illusionen wenig mitzuteilen haben. Sie beten nur still, dass eine Weltzivilisation entstehen möge, ein globaler Leviathan, aber die Kräfte des Behemoth sind einstweilen ungebrochen. Tag für Tag triumphiert das zyklische Geschichtsbild über die Mär des Fortschritts. – –
Die Spätzivilisation ist laut Spengler die Stunde des Fellachen, des ort‑, kultur- und rasselosen Menschen. „Wir sind Fellachen de luxe”, höhnte Günter Maschke, er ruhe in Frieden, unlängst noch. Damit wäre auch der Stand der Literatur und ihrer brav die Triggerworte des Zeitgeistes apportierenden Kritiker trefflich beschrieben.
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Die Gethsemanekirche – ich wohnte direkt gegenüber – war in der DDR ein Ort der Opposition.
Das darf sich in der DDR 2.0 nicht wiederholen.
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(Gerhard Polt)
Ihre Bundeszentrale für politische Bildung.
Bis alles vor Hitze zerfällt.
Mag uns die Sonne auch blenden,
Wir Deutschen retten die Welt.
„Warum”, fragt Leser ***, „wird moniert, wenn Habeck die Hymne nicht mitsingt? Der Mann ist ein wandelndes Paradigma für diejenigen, die durch ihre Nichtsnutzigkeit im Leben einen tief selbsthassenden Ekel in sich entwickelt und aufgebaut haben und diesen auf die Menschheit bzw. in diesem Fall auf ihr Land loslassen. Habeck tritt von einem dem Bürger-auf-den-Kopf-spuckenden-Gesetz ins nächste und sitzt immer noch im Stuhl. Der Mann, mitsamt seinen Konsorten, ist verachtungswürdig. Er sollte Ekel bei jedem würdigen Charakter hervorrufen, von solchen Gestalten sollte man sich abgestoßen fühlen, somit ist das Gegenteil der Fall: Ich hätte moniert, wenn er seine Brust gebläht hätte und nur eine einzige Strophe der Hymne über seine verlogenen Lippen gerutscht wäre.”
„Eine Frage — nicht an Sie — muß ich los werden: Wer, zum Geier, ist des Herrn Süskinds ‚Wir’? Über welches ‚wir’ innerhalb der westdeutschen Jugend der 60er und 70er Jahre glaubte dieser Mensch eine derart apodiktische Behauptung aufstellen zu können? Er formuliert das tatsächlich in einer Form, als ginge es um ‚die Jugend’ an sich! In welcher Blase lebte der?
„Bei der Berichterstattung zum 17. Juni wird gerne übersehen, dass es 1948 einen Generalstreik in der Bizone gab, an dem 9,25 Millionen Arbeitnehmer teilnahmen. Die Amerikaner setzten damals in Stuttgart Panzer und Tränengas gegen 30.000 Demonstranten ein. Für diese ‚Vorkämpfer’ gibt es keine Festreden, sie werden ausgeblendet (siehe hier, hier und hier).Dass dazu in den Archiven der damals noch lizensierten Qualitätsmedien – zumindest mit Google – keine Artikel zu finden sind, liegt u.a. an der Kontrollratsdirektive Nr. 40. Diese fehlt leider – rein zufällig – sowohl in der Wikipedia, als auch bei verfassungen.de. Selbst in der Bibliothek des US-Kongresses liegt sie nur in teilverdeckter Form vor. Die entscheidende Passage lautet: Mitglieder der deutschen politischen Parteien und die deutsche Presse müssen sich aller Erklärungen, der Veröffentlichung oder Wiedergabe von Artikeln enthalten, die:
a) dazu beitragen, nationalistische, pangermanistische, militaristische, faschistische oder antidemokratische Ideen zu verbreiten;
b) Gerüchte verbreiten, die zum Ziele haben, die Einheit der Alliierten zu untergraben oder welche Mißtrauen oder Feindschaft des deutschen Volkes gegen eine der Besetzungsmächte hervorrufen;
c) Kritiken enthalten, welche gegen Entscheidungen der Konferenzen der Alliierten Mächte bezüglich Deutschlands oder gegen Entscheidungen des Kontrollräte gerichtet sind;
d) die Deutschen zur Auflehnung gegen demokratische Maßnahmen, die die Zonenbefehlshaber in ihren Zonen treffen, aufreizen.