Das Werk des Jürgen Habermas wurde in alle großen Weltsprachen übersetzt. Außer ins Deutsche.
Insofern ist diese Überschrift fast rührend.
Was der Doyen des linksdeutschen Gouvernantentums tatsächlich beklagt, ist ein Kontrollverlust. Der Diskurs wird ihm zu unübersichtlich und zu herrschaftsfrei. Er sehnt sich nach der Zeit der Druckplatten und der Gazetten zurück, als linke Journalisten „Gatekeeper” waren und bestimmen konnten, worüber berichtet wird und worüber nicht, wer zu Wort kommen darf und wer nicht, welche Ansichten zulässig sind und welche unterdrückt werden müssen, nach den goldenen Zeiten, in denen er, St. Jürgen, mitentscheiden durfte, wer zum diskursiven Mahle überhaupt zugelassen wurde, bevorzugt über Intrigen und Denunziationen. Nach den Zeiten, in denen er und seinesgleichen eine Art Mentalitätsherrschaft ausübten, und zwar mit der kuriosen Behauptung, wenn sie nicht über Deutschland wachten, kehre der Führer wieder. Mit einem Wort: nach der Zensur.
Natürlich ist das Internet eine Klowand. Aber immerhin – noch – eine halbwegs unzensierte Klowand.
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Zu meinen gestrigen Einlassungen das Oktoberfest betreffend bemerkt Leser ***:
„Vorweg: Ich mag die Wiesn nicht. Ich war vor gut 15 Jahren zweimal da: zu laut, zu teuer, zu ordinär, zu besoffen. Nichts für mich. Der Grundgedanke, den Sie in Ihrem Tagebuch aufgreifen, stimmt deswegen trotzdem. Sie stellt ‚in den Festzelten temporär jene klassen- und völkerübergreifende Gleichheit her’, die einmalig ist.
Ich habe einige Jahre in München gearbeitet und dabei die Biergartenkultur schätzen gelernt. Da ich Eingeborene kannte und mit diesen arbeitete, bekam ich auch so machen Tipp, wo man hingehen kann und wo man besser fernbleiben soll. Bei meinen Erlebnissen im Biergarten kam ich zu dem Schluss, dass dieser die einzige Form des Sozialismus ist, die funktioniert.
Zum einen die Gleichheit des Ansehens. Man sitzt zusammen und nicht getrennt nach Stand und Rang (wie z.B. im Wirtshaus). Inzwischen sitzt man zusammen, egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder Religion (bis auf eine natürlich: vielleicht passt der Islam auch deshalb nicht zu Deutschland, weil er nie Teil der Biergartenkultur werden kann). Zum anderen die soziale Gerechtigkeit: Wer sich ‚auswärts essen’ nicht leisten kann, bringt seine Brotzeit mit und ist doch ‚auswärts essen’. Ich habe Familien gesehen, die mit zwei oder drei Kindern und ihrem Brotzeitkorb kamen, und bestellten zwei Bier für Papa, ein Radler für Mama und Limo für die Kinder. An der frischen Luft, mit gutem Essen und Trinken für (relativ) wenig Geld. ‚Essen gehen’ in einem Restaurant hätten sich diese Menschen nicht leisten können. Aber den Biergarten!
Also: Ein Hoch auf die Wiesn (trotz allem), ein Hoch auf den Biergarten!”