Auf mehrfachen Wunsch veröffentliche ich den Text meines ersten Podcasts (zu sehen ist er nach wie vor hier, ab Min. 18.00).
Bevor wir über Verschwörungstheorien sprechen, müssen wir die Frage klären: Was ist eine Verschwörung?
Für eine Verschwörung brauchen wir zunächst eine Gruppe von Personen, die ein gemeinsames Ziel haben und einen Plan, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Das passiert ständig, der FC Bayern München zum Beispiel hat das Ziel, deutscher Meister zu werden, und einen Plan dafür, der sogar verlässlich funktioniert. Allerdings ist das kein Geheimnis. Ganz wichtig in unserem Zusammenhang ist, dass sowohl das Ziel als auch der Plan geheim bleiben, wie auch die Mittel, die zu dessen Durchsetzung eingesetzt werden. Die Öffentlichkeit darf nichts erfahren.
Verschwörungen im Sinne von Intrigen, geheimen Absprachen, Propaganda, organisierter Irreführung der Öffentlichkeit gehören zur Politik und überhaupt zum gesellschaftlichen Leben wie Partnerschaften und Eifersucht. Das ist allgemein unstrittig. Es gibt keine Politik ohne Verschwörungen. Julius Caesar ist das berühmteste Opfer einer Kabale gewesen, und hätte Stauffenberg seine Aktentasche besser postiert, gäbe es einen womöglich noch berühmteren Fall.
Wenn das Hauptmerkmal einer Verschwörung ihre Geheimhaltung ist, folgt daraus zweierlei. Erstens: Eine nicht unerhebliche Zahl von gelungenen Verschwörungen wird nie bekannt. Zweitens: Das Offenbarwerden einer Verschwörung beweist in der Regel, dass sie gescheitert ist.
Was den zweiten Punkt betrifft, muss man inzwischen allerdings relativieren. Die Eliten des multimedialen Zeitalters haben gelernt, dass verdammt wenig verborgen bleibt, und sich für eine neue Strategie entschieden. Sie geben ihre Pläne der Öffentlichkeit mehr oder weniger bekannt. Der „Great reset“ des Weltwirtschaftsforums wird so offiziell verkündet wie die „Große Transformation“ unserer Industriegesellschaft oder der „Global Compact for Migration“. Wer diese Pläne allerdings für bare Münze nimmt und die Folgen allzu genau abzuwägen versucht, bekommt zu hören, er sei ein Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger, der alles verzerre und falsch verstehe.
Selbstverständlich gibt es auch närrische Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger. Mit dieser Klientel framen Journalisten gern Zeitgenossen mit plausiblen, aber unerwünschten Argumenten, um sie gemeinsam für unzurechnungsfähig zu erklären. Zum Beispiel, indem sie Gegner der Coronaimpfung in einem Atemzug mit Menschen nennen, die glauben, die Erde sei eine Scheibe oder sie sei erst 6000 Jahre alt.
Verschwörungstheorien sind zunächst einmal lediglich der mehr oder weniger intelligente Versuch, undurchschaubare politische und wirtschaftliche Prozesse zu erklären. Sie folgen dem Motto: Keine Wirkung ohne Ursache, kein Rauch ohne Feuer. Allerdings geschehen viele Dinge einfach ungeplant und chaotisch. Alles ist eine Folge von irgendetwas, soviel ist klar, aber es bieten sich unendlich viele Ursachen an. Wenn Sie sich zum Beispiel den Bundestag ansehen, könnten Sie leicht auf den Gedanken kommen, es habe eine Verschwörung der Schlechtgekleideten zum Nachteil des deutschen Ansehens in der Welt stattgefunden. Aber ich kann Ihnen versichern: Die meisten Abgeordneten bemerken es nicht einmal. Anton Hofreiter etwa, der nun wirklich wie der Kopf dieser Verschwörung aussieht, würde gar nicht verstehen, wovon ich rede.
Andere sogenannte Verschwörungstheorien sind lediglich Vermutungen oder Gerüchte, und die können sogar untertrieben sein. Wenn ich das, was ich in meinen knapp dreißig DDR-Jahren an Gerüchten über die Stasi gehört habe, im Nachhinein mit der Wirklichkeit vergleiche, dann war die Wirklichkeit dem Gerücht um Längen voraus.
Das Hauptargument gegen eine allzu stimmige Verschwörungstheorie besteht darin, dass sie die Intelligenz der Beteiligten überschätzt. Oft machen sich die Akteure nur eine günstige Lage zunutze, die ganz ohne ihr Wirken eingetreten ist. Karl Kraus hat einmal gesagt: Es ist nicht wahr, dass ich ihn an die Wand drücken wollte; es ist mir bloß gelungen.
Bei tatsächlichen Verschwörungstheorien handelt es sich um Theorien wie andere auch. Natürlich kann eine solche Theorie reiner Unsinn sein. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit den Ausmaßen der angeblichen Verschwörung sowie der Anzahl der Beteiligten. Nicht mal die Juden sind so schlau, wie es manche Antisemiten zugleich befürchten und gern hätten.
Interessant aber unbeantwortbar ist die Frage, ob es mehr Verschwörungen oder mehr Verschwörungstheorien gibt; jedenfalls gibt es nicht zu jeder Theorie eine Verschwörung und nicht zu jeder Verschwörung eine Theorie.
Soweit der theoretische Teil. Kommen wir zum praktischen.
Während die Existenz von Verschwörungen unbestritten ist, haben die Theorien darüber eine schlechte Presse. Der Begriff ist eindeutig negativ besetzt. Wer behauptet: Das ist eine Verschwörungstheorie, will sagen: Das ist Unsinn, das ist Schwurbelei, das ist böse, und Nancy Faeser würde hinzufügen: Das ist staatsfeindliche Hetze.
Deswegen ist die Verschwörungstheorie in der Medienöffentlichkeit auch schon zum „Verschwörungsmythos“ und zur „Verschwörungserzählung“ degradiert worden, und daraus, wie die Genossen Medienschaffenden bei der Umbenennung kollektiv mitziehen, könnte man schon wieder eine Verschwörungstheorie stricken, wenn es sich nicht bloß um die normale Verhaltensweise eines Sardinenschwarms handeln würde. Ich bleibe aber heute der Einfachheit halber beim Begriff Verschwörungstheorie. Gerade der linke Mainstream hat in den vergangenen Jahren ganze Theoriemüllhalden aufgehäuft, und ich finde, dass solche Leute nicht das Recht haben, dem Begriff der Theorie nun eine besondere Seriosität abzuverlangen.
Wer jemandem unterstellt, er verbreite Verschwörungstheorien, beendet die Debatte. Ich weiß, dass da draußen viele Narren und Spinner unterwegs sind, die tatsächlich davon überzeugt sind, dass geheime Gesellschaften mit sinistren Motiven die Welt regieren und mit denen sich zu unterhalten ein dickes Fell oder ein gewisses Quantum Humor voraussetzt – sinister heißt übrigens lateinisch „links“, immerhin das Motiv würde also stimmen. Der Trick der Medien und anderer Abwehrzauberer besteht aber darin, bereits die Benennung von Tatsachen oder das Stellen von Fragen mit dem Attribut „verschwörungstheoretisch“ zu stigmatisieren.
Das aktuelle Stichwort dafür heißt: Corona. Die letzte große verschwörungstheoretische Welle vor Corona rollte übrigens nach den Anschlägen vom 11. September durch die westliche Welt. Ich will es gleich vorausschicken, dass die sogenannte Covid-19-Pandemie für meine Begriffe keinem Verschwörungsszenario folgte, sondern unter die Rubrik „Gelegenheit macht Diebe“ fällt. Wenn Sie so wollen, war die Verschwörung nicht die Ursache der Pandemie, sondern ihre Folge. Dafür spricht, dass Staaten unterschiedlichster Struktur und verschiedensten Autoritätsgrades ähnlich auf das Virus reagiert haben, und zwar wie Staaten eben zu reagieren pflegen: mit spontanen robusten Schutzmaßnahmen. Sie müssen handeln, Nichthandeln wird in Krisen sofort als Zögern interpretiert und mit Schuldzuschreibungen verbunden. Da es immer Geschädigte gibt, hat der Handelnde bessere Argumente als der Handlungsverweiger, denn er kann behaupten, ohne sein entschiedenes Tätigwerden wäre alles viel schlimmer gekommen; wir werden diese Story demnächst noch oft hören. Ob die Entschlüsse richtig oder falsch waren, entscheidet der liebe Gott und irgendwann vielleicht ein Historiker. Aber wenn ein Staat erst einmal seine Macht ausgedehnt hat, zieht er sich ungern wieder zurück. Das meinte ich mit der Formulierung, die Verschwörung sei eher eine Folge der Pandemie. Auch die angeblich demokratischen Staaten des Westens – ich verwende den Begriff „demokratisch“ nie ohne Ironie – haben in den Coronajahren autoritäres Blut geleckt, die Herrschenden haben Geschmack daran gefunden, von oben durchregieren zu können, ohne durch Opposition und Widerspruch behelligt zu werden. Einer durch gelenkte Medien verängstigten Gesellschaft konnte man erschütternd leicht die praktische Abschaffung der Gewaltenteilung und die eingeschränkte Geltung der Grundrechte verkünden. Von Polizisten aufgelöste Kindergeburtstagsfeiern, Verweilverbot auf Parkbänken, Hausdurchsuchungen bei unbotmäßigen Richtern, vom Bundesverfassungsgericht abgesegnete Grundrechtseinschränkungen im Namen der Volksgesundheit und der Klimarettung, die Abschaffung des Souveräns des Grundgesetzes ebenfalls mit dem Segen der Karlsruher Richter – wer hätte sich das vor zwanzig Jahren alpträumen lassen?
Corona wird nach meiner, aber keineswegs nur meiner Ansicht die Blaupause für künftige Grundrechtseinschränkungen bei der Durchsetzung der globalistischen Agenda sein. Internationale Organisationen ohne Legitimation werden auf diesem Wege das Selbstbestimmungsrecht der Völker immer weiter demontieren. Man wird sich zum Zwecke einer sogenannten Klimarettung all der Restriktionen erinnern, die bei Corona zwar vielleicht nicht geholfen, aber Wirkung gezeigt haben. Sie werden bei der Klimarettung auch nicht helfen, aber die Macht der Eliten stärken. Doch darüber ein andermal.
Vieles von dem, was die Kritiker der Corona-Bekämpfungsmaßnahmen vorbrachten, denen man bald den Kosenamen „Schwurbler“ verlieh, sollte sich schließlich als ganz oder teilweise richtig erweisen. Was anno 2020 in den Medien als Verschwörungstheorie verächtlich gemacht wurde, war ein Jahr später Regierungshandeln oder zumindest anerkannte Tatsache. Zum Beispiel die als absurdeste aller Querdenkerschwurbeleien abgetane Impfpflicht. Ob nun die lange verleugneten erheblichen Nebenwirkungen der Impfstoffe, ihre relative Wirkungslosigkeit beim Ansteckungsschutz, ob die nicht unwahrscheinliche Herkunft des Virus aus einem chinesischen Labor, ob die zu keiner Zeit an ihrer Überlastungsgrenze belegten Intensivstationen, die Dramatisierung der Statistik durch die Nicht-Unterscheidung zwischen an und mit Covid Verstorbenen, die Ungefährlichkeit des Virus für junge und gesunde Menschen, die Nutzlosigkeit von Lockdowns, die Geschäfte der Pharmakonzerne mit nicht einmal lizensierten Stoffen, das etwas kleinere Geschäft mit den Masken, die Beliebigkeit der Testergebnisse, die letztlich nur herbeigetestete Pandemie – alles ist zuerst von den Schwurblern thematisiert worden. Aufs Ganze gesehen, haben sich die Querdenker gar nicht schlecht geschlagen. Sie dürften sogar nach Punkten gewonnen haben. Aber wie Antoine de Rivarol schrieb: „Wer dreißig Minuten vor den anderen die Wahrheit sagt, gilt 30 Minuten lang als närrisch.“
Das hängt einerseits mit der unglaublich dummen Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und der kanzleramtsnahen Medien zusammen. Obwohl sie mehr oder weniger im Blindflug unterwegs waren, und zwar ohne Leitstrahl, und sich zum Teil auf groteske Weise selbst widersprachen, haben Regierungsvertreter zwei Jahre so getan, als wüssten sie alles besser und hätten die Lage im Griff. Die Berichterstattung der Medien über die Kritiker wiederum war unseriöser als die Kritiker selbst. Deutsche Medien würden Kassandra heute als „Schwurblerin“ bezeichnen. Tatsächlich muss man den sogenannten Impfverweigerern dankbar sein, denn durch sie haben wir eine Kontrollgruppe. Stattdessen hat man sie ausgegrenzt, öffentlich beschimpft, diskriminiert und in Berlin mit Wasserwerfern bestrichen.
Mitunter ist es nicht leicht zu entscheiden, was eine ernstzunehmende Aussage und was hysterischer Nonsens ist. Nehmen wir ein Beispiel. Dr. Andrew Bostom, ein amerikanischer Epidemiologe, hat auf Twitter eine wissenschaftliche Studie gepostet, die zeigen soll, dass mRNA-Injektionen sich negativ auf die Spermienqualität – inzwischen muss man aus Gründen der Toleranz sagen: auch auf die Spermienqualität von Frauen – auswirken sollen. Twitter sperrte ihn dauerhaft; der Mann hatte 47.700 Follower. Bei Gettr wäre ihm das nicht passiert.
Aus verschwörungstheoretischer Warte ist der Fall nicht uninteressant. Mr. Bostom könnte die Theorie verbreiten wollen, die globalen Eliten um das WEF arbeiteten gezielt daran, die Zahl der Bewohner dieses Planeten zu reduzieren, um das Ökosystem Erde zu retten. Und nun bedienten sie sich dafür der Impfung gegen das Coronavirus. Solche Theorien kursieren tatsächlich, und die elaborierteren behaupten sogar, dass diese Eliten das Virus dafür extra in die Welt gesetzt haben. Hier sind wir auf einer Ebene, wo die Schwurbelei der Klimax entgegenstrebt.
Die Ergebnisse der von Mr. Bostom verbreiteten Studie könnten natürlich einfach wahr sein. Oder Mr. Bostom erzählt Bullshit. Allerdings ist Bullshit von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wenn es sich um linken Bullshit handelt, wird er gemeinhin auch nicht gelöscht. Die Löschzüge, die inzwischen bei Twitter, bei Facebook und vor allem bei Youtube zum Einsatz kommen, nähren die Theorie, dass die gesamte westliche Öffentlichkeit inklusive der online-Giganten den woken Globalisten in die Hände gefallen ist.
Ich bin kein Freund von Verschwörungstheorien, sofern sie aufs Großeganze, womöglich Planetarische zielen, doch ist mir, wie gesagt, klar, dass Gelegenheit Diebe macht. Und Covid-19 war eine phantastische Gelegenheit. Das heißt, die Verschwörung bestand nicht im weisen Planen, sondern im instinktiven Zupacken und nicht-wieder-Loslassen.
Ich kann mich zum Beispiel der Theorie oder These nicht verschließen, dass die Pandemie von den Finanzeliten dahingehend ausgenutzt wird, den bereits bestehenden Makrotrend der Geldmengenausweitung zu beschleunigen und gleichzeitig inflationäre Schäden hinauszuschieben. Die Fed, die EZB und die anderen Zentralbanken der Welt haben ein Meer von Liquidität geschaffen und damit ihre Währungen zum Nachteil der Bevölkerungen abgewertet. Nun droht eine gefährliche Rezession. Was tun? Ein Notfall, lautet die Verschwörungstheorie, ist in solchen Situationen immer hilfreich. Corona diene dazu, die Bevölkerungen stillzuhalten und über die Einführung von digitalem Geld in Verbindung mit einer digitalen Identität eine neue Qualität der Kontrolle über sie zu erlangen. Das alles laufe auf eine Art kybernetisch organisierte, monetäre Leibeigenschaft hinaus. Die Spaltung der Bevölkerung auf der Grundlage des Impfstatus sei ein epochaler Schritt auf diesem Wege gewesen. Wenn der Widerstand gebrochen sei, werde ein obligatorischer digitaler Ausweis eingeführt, der die „Tugendhaftigkeit“ unseres Verhaltens erfasse und unseren Zugang zur Gesellschaft regle. Covid sei das trojanische Pferd für diesen Durchbruch gewesen.
Schwurbelei? Ich zitiere ein paar Meldungen. Die Deutsche Bank hat im Juni angekündigt, demnächst in ihren Filialen kein Bargeld mehr anzubieten. „Wir wollen Impfausweis und Personalausweis zusammenführen“, erklärte der CEO der Luca-App, Patrick Hennig, im Januar 2022. Aus Schweden kam die Meldung, dass sich die ersten Probanden Gesundheitschips unter die Haut implantieren lassen haben. Der Pfizer-CEO Albert Bourla verriet den Wirtschaftseliten auf dem WEF-Forum in Davos, dass seine Firma Pillen herstelle, in denen sich ein Chip befinde, der ein Signal an die zuständigen Behörden sende, sobald die Pille verdaut wurde *. In China nutzt die Regierung den obligatorischen digitalen Gesundheitsstatus der Bürger, um deren Verhalten zu lenken. Ohne einen grünen Code auf ihrer Smartphone-App verlieren die Bürger den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Räumen wie Restaurants und Einkaufszentren, sowie das Recht, durch das Land zu reisen. Im Juni wurde ein geplanter Protest von Hunderten von Bankeinlegern in Henan, Zentralchina, die Zugang zu ihren eingefrorenen Geldern haben wollten, auf diese Weise vereitelt. Die App sprang bei der Einreise einfach bei allen auf rot. Brave New World.
Auch in diesem Spiel liegen die Schwurbler mit ihren Gerüchten und Verdächtigungen also vorn. Und das ist noch gruseliger als im Falle von Corona. Ja, aber das ist China, sagen die Optimisten. Das historische Gedächtnis der meisten Menschen reicht nicht tiefer als ein paar Jahre. Die naheliegendste Lektion aus der deutschen Geschichte wollen offenbar nur wenige lernen. Sie lautet: Der Staat ist nicht Ihr Freund.
Die zweite Verschwörungstheorie, auf die ich eingehen möchte, ist der sogenannte „Große Austausch” („Grand Remplacement”), starkdeutsch auch „Umvolkung” genannt. Auf Wikipedia lesen wir, es handle sich um einen „politischen Kampfbegriff der Neuen Rechten, mit dem Einwanderung von Nichtweißen und Muslimen auf eine angebliche Verschwörung mit dem Ziel zurückgeführt wird, die weißen Mehrheitsbevölkerungen zu ersetzen. Als Urheber des angeblichen Plans werden etwa die Globalisten, die Eliten, die Privatwirtschaft, die Juden, Multikulturalisten oder supranationale Organisationen wie die EU oder die Vereinten Nationen genannt. Dieses gilt als rassistische und antisemitische Verschwörungstheorie.“
Der Witz bei dieser Darstellung besteht darin, dass die Passagiere der „Titanic“ zwar durchaus zur Kenntnis nehmen dürfen, wie stark das Vorderdeck bereits überspült ist, aber nicht das eindringende Wasser und der drohende Untergang soll sie interessieren, sondern dass es Leute gibt, die behaupten, die ganze Sache sei von vornherein geplant gewesen. Dabei war der Kapitän nur unvorsichtig, und der Reeder wollte einen Preis gewinnen.
Gemessen an den Tatsachen ist der Aspekt der Planung in diesem Fall zunächst einmal recht nebensächlich. Die Abnahme des Anteils der Weißen bei gleichzeitiger Zunahme anderer Ethnien in den westlichen Ländern – und nur dort – lässt sich schlechterdings nicht leugnen. Es bedarf dafür keiner Theorie und auch keiner theoretischen Unterfütterung, es genügt vollauf, sich in deutschen Innenstädten umzuschauen – oder, wer ganz weit in die Zukunft blicken will, in Schulen und Kindergärten.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis in allen größeren Städten Menschen mit Migrationshintergrund die Bevölkerungsmehrheit stellen. In Frankfurt am Main war es bereits 2017 so weit. In Offenbach haben über 60 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund. In Stuttgart fast 60 Prozent der unter 18jährigen. „Die ethnischen Deutschen werden bald zu einer Minderheit neben anderen“, sagte der Migrationsforscher Jens Schneider im Juli 2019 im Spiegel. Der Berliner Migrationsforscher Herbert Brückner prognostizierte im Mai 2021, dass bis zum Jahr 2040 in Deutschland der Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln auf 40 Prozent steigen werde.
Im November 2015, die Flut stand gerade am höchsten, sagte die grüne Abgeordnete Stefanie von Berg vor der Hamburger Bürgerschaft: „Unsere Gesellschaft wird sich ändern, unsere Stadt wird sich radikal verändern. Ich bin der Auffassung, dass wir in 20, 30 Jahren gar keine ethnischen Mehrheiten mehr haben in unserer Stadt. Und ich sage Ihnen ganz deutlich, gerade hier in Richtung rechts: Das ist gut so.“ Niemand außerhalb des rechten Spektrums rügte die Grüne für dieses Ausplaudern der Wahrheit. Wer den Bevölkerungsaustausch begrüßt, darf ihn verkünden.
Yascha Mounk, deutscher Professor für Politik an der Harvard University, verkündete ein paar Sündenjährchen später in den Tagesthemen: „Wir wagen ein historisch einzigartiges Experiment“, nämlich „eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln“. Dabei werde es natürlich auch „Verwerfungen“ geben, aber er sei optimistisch, dass es gelingen werde. Klar, hätte er diesen Vorgang pessimistisch beurteilt, wäre er nicht in die Tagesthemen gekommen.
Bemerkenswert war, dass die Interviewerin, Caren Miosga, diesen Bescheid ohne jedes Nachhaken hinnahm. Sie hätte beispielsweise fragen können oder sogar müssen, wer eigentlich der Experimentator sei bei diesem historisch einzigartigen Experiment, und warum „wir“, wenn wir diesen Versuch schon über uns ergehen lassen müssen, nicht gefragt worden sind, ob wir das auch wollen. Und was genau mit „Verwerfungen“ gemeint sei? Die Silvesterkirmes von Köln? Der Lkw-Zwischenfall am Berliner Breitscheidplatz? Ich brachte später das Attentat von Hanau dafür ins Gespräch und wurde deshalb von einem FAZ-Herausgeber der Niedertracht und des Biologismus geziehen. Die journalistische Darmflora der Bundeskanzlerin funktionierte exzellent.
Halten wir jedenfalls fest: Wir wagen ein Experiment, das in den Tagesthemen verkündet wurde, und die Moderatorin nahm es als selbstverständlich hin. Ein Experiment passiert aber nicht einfach so. Irgendwer muss es planen, starten, begleiten, die Versuchsanordnung kontrollieren, am Ende alles auswerten. Auch der Harvard-Schelm hat also die rechte Verschwörungstheorie bestätigt.
Allerdings hat das sogar die Kanzlerin getan, unser Verhängnis im Hosenanzug, indem sie den „Global Compact for Migration“ unterzeichnete, in welchem ganz ungeniert erklärt wird, dass die globale Völkerwanderung nur eine Richtung kennt. Niemand will, dass Ghana weißer und die Türkei bunter wird; nur das arme alte Europa soll sich ethnisch wandeln, bis, ja bis, das fragt sich nicht, da sei der Haldenwang vor. Man muss natürlich zynisch und tiefenverlogen sein, offiziell von replacement migration – also Austausch- bzw. Ersatzmigration – und resettlement – Neuansiedlung – zu sprechen und zugleich zu behaupten, ein Austausch finde nicht statt. Und das ist UN-Sprech, das kommt nicht von den Identitären.
Peter Sutherland beispielsweise, der verstorbene erste Generaldirektor der Welthandelsorganisation, von 1995 bis 2015 Chairman bei Goldman Sachs, Berater zahlreicher Regierungen, Europäischer Kommissar für Wettbewerb, Vorsitzender der Trilateralen Kommission Europa und Vize-Vorsitzender der Bilderberg-Konferenz, in der Ära von Kofi Annan UN-Sonderberichterstatter für Migration, ein Globalist reinsten Wassers und der feuchte Traum eines jeden Verschwörungstheoretikers, hat erklärt: „Die Europäische Union sollte ihr Möglichstes tun, ein Gefühl unserer [ethnischen] Homogenität und unserer Verschiedenheit von anderen zu unterminieren.“ Was haben wir eben in der Wikipedia gelesen? Die rechten Verschwörungstheoretiker behaupten, supranationale Organisationen wie die EU und die Vereinten Nationen steckten hinter dem Austausch. Die Grünen, die Roten und hinreichend viele Schwarze wollen die illegale Migration nach Deutschland beenden, indem sie sie einfach für legal erklären. „Wahlrecht für Ausländer: Umvolkung muss konkret werden“, twitterte Kevin Kühnert. Wenn Gauland oder Curio so etwas sagen würden, kämen sie in den Verfassungsschutzbericht. Deshalb mein Vorschlag zur Güte: Es heißt nicht Umvolkung oder Bevölkerungsaustausch, sondern Personalwechsel mit eingeschränktem Serviceangebot.
Ich bin am Ende meines Sermons angelangt und möchte zusammenfassen. Verschwörungstheorien können zutreffen oder nicht, als Theorien sind sie im Glücksfalle ein intellektuelles Vergnügen, im schlimmen Fall eine intellektuelle Zumutung. Diejenigen, die in der Öffentlichkeit mit dem Begriff Verschwörungstheorie herumfuchteln, möchten in der Regel nur jemanden für diskussionsunwürdig erklären, und nicht selten haben sie recht. Aufs Ganze gesehen, kann man auf die Formulierung solcher Theorien verzichten. Es genügt vollauf, die Fakten zu zitieren; die Gegenseite macht dann ganz von allein Verschwörungstheorien daraus.
* Leser *** macht darauf aufmerksam, dass es sich nicht um eine Tablette von Pfizer, sondern einer anderen Firma gehandelt habe, über die Bourla im Jahr 2018 beim WEF sprach. (Aber wenn die Methode Schule macht, ist Pfizer bestimmt mit dabei.)