Leser ***, auf diesen Seiten bereits als Chinakenner vorstellig geworden, schreibt: „Leider kennen die deutschen Journalisten die neuralgischen Punkte des chinesischen Systems nicht und bemerken dementsprechend nicht, welche Nachrichten wichtig sind. Sie liegen vor aller Augen, werden aber von den wenigsten wahrgenommen (eine Ausnahme bildet ausgerechnet CNN, wo chinesische Reporter unter der Rubrik ‚Meanwhile in China’ teils ausgezeichnete Infos liefern).
Den deutschen Zeitungen war die Tatsache, dass chinesische Provinzbanken in Zahlungsschwierigkeiten geraten, nur eine Randnotiz wert. Man weiss offenbar nicht, dass solche Banken ca. 40% des chinesischen Binnenmarktes bedienen – die Grossbanken sind sich oft ‚zu fein’, sich mit den ‚bread-and-butter’-Bedürfnissen chinesischer Kleinkunden abzugeben und bieten auch ungünstige Bedingungen.
Ein Bankensystem fusst auf Vertrauen. Geht dies verloren, droht der Abgrund. Chinesische Immobilienkunden haben nun auf beängstigend breiter Basis begonnen, sich zu weigern, gekaufte, aber noch unfertige Immobilien im voraus zu bezahlen. Auf diesem Geschäftsmodell beruht aber die chinesische Immobilienwirtschaft!
Wenn die Krise um sich greift, dann fallen die Banken wie Dominosteine. Evergrande und einige andere Immobilienriesen wanken schon kräftig – bislang schmort das Problem vor sich hin, aber der Garpunkt scheint sich zu nähern. Dann 晚安 (Gute Nacht!).
Auch die irrsinnige Coronapolitik Xis und seine restriktiven Massnahmen gegenüber Grossfirmen, die er als Konkurrenz zur Parteimacht sieht (Stichwort Jack Ma) haben Vertrauen zerstört – in diesem Fall der Investoren.
Das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte, die sich im Moment unbemerkt von den Augen der westlichen Presse dort abspielt. Ein paar Hinweise mehr – allerdings bei weitem nicht alle wichtigen – finden Sie in Craig Singletons Aufsatz in ‚Foreign Policy’, ‚China’s Crisis of Confidence’, June 13, ’22.
Wenn China das Ruder nicht radikal herumwirft und z.B. Xi absägt (unter meinen chinesischen Freunden sage ich oft scherzhaft, der Mann müsse ein Einflussagent einer fremden Macht sein, der China schaden soll, sozusagen Chinas Merkel), dann ist für dieses Land Schwarzsehen angesagt. China als funktionierende Ökonomie könnte sich bald auf dem Müllhaufen wiederfinden. Neben Deutschland, denn auch wir haben ja den Knopf für die Selbstvernichtung unseres Raumschiffs längst betätigt.
Wir sehen: Hobbes hat etwas Wichtiges übersehen. Für Staaten sind in den meisten Fällen nicht andere Staaten die grösste Existenzbedrohung, sondern sie selbst.
Mit quietschfidelen Grüssen aus der inflationsarmen, vergleichsweise kaum gasabhängigen Schweiz”