„Ein echter Brahmane hat Mitleid mit dem Tiger, der ihn frißt, und ein echter Soziologe Verständnis oder vielmehr ‚Verstehen’ für die Proskriptionslisten, auf denen sein Name steht.”
Carl Schmitt im „Glossarium”.
Hat er gedacht.
„Vorbilderinnen”.
(12-Uhr-Tagesschau am 16. Juni)
(Leser ***)
„Manchmal”, schreibt Leser ***, „überkommt mich der Ekel, und ich weiß nicht recht wohin damit.” Und dann fällt ihm ein, dass es ja ein Diarium für Ekelgesteuerte gibt, den Kleinen Eckladen der sublimierten Widerwärtigkeiten! Zum Beispiel jene, die man neuerdings „mitten auf dem Campus einer der besten Ingenieurschulen der Welt, wie auf dem angehängten Bild (dessen Veröffentlichung ich bei Interesse gerne gestatte)” zu sehen bekommt.
Vielfalt ist unsere Stärke.
Zuhören und Haltung zeigen.
Wacht übereinander.
Wohlwollen ist gut.
Gemeinsam kommen wir weiter.
China ist jung.
Rote Sonne grüßt
Mao Tsetung.
(Derselbe)
(Womit der Ball nun im Feld der Feministen liegt.)”
Ich darf für mich in Anspruch nehmen, bereits 2016 im Kleinen Eckladen auf Lisa Eckhart aufmerksam gemacht zu haben. Die Steiermärkerin ist eine der erfreulichen und zugleich die schillerndste Ausnahme in der Baumschule des deutschsprachigen Kabaretts (im weitesten Sinne). In diesem Interview demonstriert sie einmal mehr, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat, ob sie nun von ihrem entspannten Mutterglück spricht, der Geburt als Schock (für das Kind) und Beginn des Todes, von der Würde des Alters, der um sich greifenden Körperfeindlichkeit als Folge der Digitalisierung oder von ihrem Philanthropismus, den sie sich nicht durch allzuviele Kontakte zu Menschen kaputtmachen lassen wolle. Oder von der Schönheit eines Dinges als Argument für jenes – die Schönheit als Argument irritiere die plebejische Seele, lehrte Don Nicolás. Nicht das pervertierte Alle sind schön – auf die Künste übertragen durch das Beuys’sche Jeder ist ein Künstler – entspreche dem demokratischen Ideal, sondern dieses bestünde in der Forderung, dass die Schönheit allen zugänglich sein soll. (An dieser Stelle sei einmal mehr auf die etymologische Verwandtschaft von Hässlichkeit und Hass verwiesen.)
Interessant ist ihre im Gespräch vorgetragene These der Konstanz des Aggressionspegels als Selbstwahrnehmungsbedingung (ab 25.00); sie meint, in der Welt der Woken seien die Mikroaggressionen an die Stelle der traditionellen Makroaggressionen getreten, und da nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren das Maß der ertragenen Leiden konstant bleiben müsse, träten heute eben hunderte jener Erbsen, die Andersens Prinzessin durch einen ganzen Stapel von Matratzen Pein verursachen, an die Stelle eines echten Schmerzes. Von Ernst Jünger stammt der Satz, Langeweile sei der Schmerz auf Raten (er animierte mich zu der Sentenz: Soziale Isolation ist das Zusammengeschlagenwerden auf Raten); Eckharts Einordnung der Mikroaggressionen liegt auf dieser Linie.
Natürlich muss unsere Kentaurin aus androgynem Pagen und verruchtem Vamp ein paar der üblichen Distanzierungsrituale absolvieren, aber sie erledigt das en passant und ohne sich auch nur die Spur zu demütigen.
Werden in ihren „umstrittenen” Darbietungen rassistische und antisemitische Stereotype bekräftigt oder unterlaufen?, fragt der Interviewer. In einem freien Land würde die Antwort lauten: Das ist mir doch völlig egal, ich mache Kabarett. Ist das eine Bühnenfigur oder sind Sie das selbst?, werde sie in Interviews oft gefragt, hat die Eckhart einmal erzählt. Ihre Antwort: „Fragen Sie das als Journalist, oder sind Sie so deppert?”
***
Der Obrigkeit gehorchen, ist
Die erste Pflicht für Jud und Christ.
Es schließe jeder seine Bude
Sobald es dunkelt, Christ und Jude.
Wo ihrer drei beisammen stehn,
Da soll man auseinander gehn.
Des Nachts soll niemand auf den Gassen
Sich ohne Leuchte sehen lassen.
Es liefre seine Waffen aus
Ein jeder in dem Gildenhaus;
Auch Munition von jeder Sorte
Wird deponiert am selben Orte.
Wer auf der Straße räsoniert,
Wird unverzüglich füsiliert;
Das Räsonieren durch Gebärden
Soll gleichfalls hart bestrafet werden.
Vertrauet Eurem Magistrat,
Der fromm und liebend schützt den Staat
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.
(Aus: Heinrich Heine, „Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen”)