Ich schweige dazu, geehrter Herr ***, weil Putin mit seinem Einmarsch in die Ukraine, der mir nicht nur strategisch unbegreiflichen Art seiner Kriegsführung – welche Ziele verfolgt er? „Entnazifizierung” des Landes durch die Zerstörung der Städte? warum beschränkt er sich nicht wenigstens auf den Südosten? – und der Wahl seiner Kombattanten – jetzt empfängt er sogar schon die Hamas – meine Sympathie verloren hat. Ich schweige, weil ich diesen Krieg nicht unterstützen kann, auch nicht mit dem Hinweis auf das hinterfotzige Vorgehen der NATO – ich sehe Zbigniew Brzeziński in seinem Grab feixen –, ich mich aber andrerseits nicht an der antirussischen Propaganda beteiligen will. Ich schweige, weil es überdies ziemlich unwichtig ist, was unsereiner dazu sagt oder proklamiert – diese öffentlichen Erklärungen und Gegen-Erklärungen irgendwelcher Intellektueller, vier Fünftel davon Figuren, mit denen man sich in kein Boot setzt, finde ich ziemlich lächerlich –, zumal ich über diesen Krieg nicht mehr weiß als das, was in den Zeitungen steht, und auf dieser Grundlage kann ich nichts Fundiertes mitteilen.
Was übrigens die von Ihnen zu recht angeprangerte Berichterstattung der meisten deutschen Medien betrifft – viele dieser Maulhelden scheinen ihr 1914-Erlebnis zu haben, die Springerpresse wie immer, wenn es gegen Russland geht, vorneweg –, kann ich Ihnen versichern, dass die russischen Staatsmedien im direkten Vergleich noch die Nase vorn haben.
Ein zweites Übrigens: Die deutschen Rechten sind so ziemlich die einzigen europäischen Rechten, die meinen, sie müssten ohne Wenn und Aber zu Russland stehen. Auch wenn ich fast alle Entwicklungen in der westlichen Welt ablehne, treibt mich das nicht zwingend an die Seite Putins (oder gar Chinas). Die Freiheit verteidigt man schlecht an der Seite von Autokraten.
Wenn die Ukraine sich gegen einen Angreifer zur Wehr setzt, ist das ihre Sache und ihr gutes Recht. Ihren übergeschnappten Botschafter würde ich ausweisen, aber der dreiste Bub weiß halt, dass die deutsche diplomatische Haut mit Triggerpunkten übersät ist wie jene des momentan prominentesten Häftlings von Wandsworth mit Sommersprossen. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied, insofern gilt kein Bündnisfall. Natürlich lautet die Kernfrage: Ist uns die Ukraine einen Atomkrieg wert? Mir nicht. Mir ist die Ukraine sogar egal. Mir ist der korrupte Clown Selenskyj so zuwider wie der korrupte Clown Joe Biden, aber er hat, wie ich schon schrieb, immerhin Schneid. Andererseits fände ich einen EU-Beitritt – nicht NATO-Beitritt! – der Ukraine erfrischend; es würde zwar noch mehr deutsches Geld irgendwo versickern, aber es gäbe auch 40 Millionen mehr fröhliche Nationalisten, Familienmenschen und Unwoke im Verein. Und Waffenbesitzer!
Kurzum: Ich nehme mein gutes Recht der Stimmenthaltung in Anspruch. Die einzige Alternative wäre die Zurschaustellung meiner Ambivalenzen, und das fände ich frivol. Stattdessen halte ich es mit meinem Bruder Cioran: „Unaktuelle Autoren in wirren Zeiten zu lesen, ist die beste Entgiftung, die es gibt.”