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Die britische Außenministerin Liz Truss spricht von der Etablierung einer „globalen NATO”, die bereit sein müsse, „globale Bedrohungen” abzuwehren. Was die Engländer sagen, ist bekanntlich weitgehend identisch mit dem, was die Amerikaner wollen. Der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat erklärt, man wolle Russland in der Ukraine so sehr schwächen, dass es keinen Krieg mehr führen könne. Das heißt, die Amis sind, wie sie es seit hundert Jahren praktizieren, an einem Friedensschluss nicht interessiert, sondern sie wollen den Feind zur bedingungslosen Kapitulation zwingen und unter Kuratel stellen. Zu diesem Zwecke muss der Gegner dämonisiert und zum Feind der Menschheit erklärt werden, vor allem muss Staaten außerhalb der NATO das Recht abgesprochen werden, Kriege zu führen. Wenn der Krieg kriminalisiert ist, wird ein Friedensschluss unmöglich; Carl Schmitt hat das in seiner Schrift „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff” dargelegt.
Im tumben Glauben, sich außerhalb der Reichweite zu befinden, frohlockt der Berliner (Braunschweiger?) Beobachter:
Das erinnert an die beiden Kriege, die der Westen gegen Deutschland führte (nicht anfing; Einschaltung für Esel) – hätte, nebenbei, das Kaiserreich den ersten gewonnen, lebten wir heute wohl in einer erfreulicheren Welt –, deren Ziel ebenfalls die Niederwerfung (Versailles) und schließlich die bedingungslose Kapitulation war. Allerdings steht diesmal nicht die gesamte Welt gegen einen „Schurkenstaat” (der im Falle des zweiten Krieges sogar einer war), sondern gegen diese globale NATO werden sich mindestens Russland, China und Indien verbünden. Außerdem wurde bislang noch nie der Führer einer Atommacht zum Feind der Menschheit erklärt, dessen Land niedergeworfen und kriegsunfähig gemacht werden muss. (Hätten die Nazis die Atombombe besessen, wäre entweder Sense, oder das Dritte Reich existierte noch; was für Alternativen!) Die westliche Politik dürfte also künftig darin bestehen, auf ein Zerbrechen bzw. Gar-nicht-erst-entstehen der neuen asiatischen „Achse” hinzuarbeiten – Inder und Chinesen sind sich ja nicht besonders grün. Der Subkontinent könnte eine „neue Ukraine” im Sinne der Sollbruchstelle werden. Wenn diese These stimmt, könnten die Amerikaner demnächst Pakistans Ansprüche in Kaschmir unterstützen. Es gibt aber gewiss auch andere Wege.
Das Problem für unsereinen besteht darin, dass man sich keiner von beiden Seiten anschließen mag. Weder die russische Autokratie noch der chinesische Totalitarismus verdienen Unterstützung, allerdings auch nicht die unter dem satirischen Begriff Pax Americana fortgesetzte Dominanz der USA, denn die läuft ja, zumindest solange dort die Demokraten regieren, ebenfalls auf eine globale Bedrohung hinaus; sie findet sich komprimiert in den Parolen der Bolschewoken: „Wir haben Platz! Wir sind mehr! Sie werden nichts besitzen.”
Leider wäre es tödlich für alle, die mir grundsympathische Perspektive Mimes einzunehmen (die bekanntlich auch im Falle des Nibelungen nicht funktioniert):
„Fafner und Siegfried,
Siegfried und Fafner –:
oh! – brächten Beide sich um!”
Es kann nur darum gehen, eine multipolare Welt zu akzeptieren. Die Hoffnung der Menschheit auf Frieden ist die Hoffnung auf eine Wiederwahl Donald Trumps.
PS. Leser *** seilt sich tief hinab auf den Brunnengrund meiner DDR-Psyche und meint: „Verehrter Herr Klonovsky, Ihre ankonditionierte Skepsis gegenüber ‚dem Ami’ haben Sie mit der ostdeutschen Menschenmilch aufgesogen. Geschenkt. Pflegen Sie weiter Ihr ostdeutsches Stockholmsyndrom: 40 Jahre lang den westdeutschen Verwandten die Ohren volljammern, und dann nach der Befreiung doch den Geiselnehmer Russland klammheimlich lieben und den Befreiern Misstrauen entgegen bringen. Die Befreiung der angeblich so sehr Leidenden konnte nur durch die Stärke des Westens überhaupt gelingen. Oder glauben Sie an die Mär von der ‚friedlichen Revolution’ (ein Oxymoron)? Die braven Ostdeutschen haben gewartet, bis Gorbi milde lächelte und der Revolutionszug komfortabel gepolstert war. Dann brach der Sturm zum nächsten Edeka los. Ein einziges Mal waren die Deutschen tapfer: am 17. Juni 1953.
Aber solange ‚der Ami’ seine sinistre Vorherrschaft in der Welt behaupten will und kann, bleibt Ihr Eckladen geöffnet. Im Nicht-Westen säßen Sie bereits.”
Eigentlich hätte dem geschätzten Leser auffallen müssen, dass meine Notiz mit der Hoffnung auf „den Ami” Trump schließt, aber geschenkt.
Drei Anmerkungen.
Erstens würde ich auf das langfristige Geöffnetbleiben des Eckladens unter heutigen Bedingungen nicht wetten. Ich werde wahrscheinlich jetzt schon, wie andere Falschmeiner auch, mit Reichweitenkürzungen bedacht. Wie schnell man auf Facebook gelöscht wird, habe ich vorgeführt; bei Youtube ist es genauso. Man muss niemanden mehr einsperren, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen, das funktioniert viel smarter. Aber: Auch hier ruht, wie beim schlimmen Donald, die Hoffnung auf „dem Ami”, etwa auf Gevatter Musk.
Zweitens habe ich niemanden die Ohren vollgeheult und auch sonst selten ein Leben geführt, das sich so einfach in den Plural stellen lässt.
Drittens stammen die aktuell für die Gesamtmenschheit bedrohlichsten Entwicklungen – elektronische Totalüberwachung vermittels des trojanischen Pferdes Seuchenbekämpfung, Ende der Freiheitsepisode, Transhumanismus, Ersetzung des menschlichen Geistes und irgendwann des Menschen selbst durch die KI – aus den USA und aus China. Auch die Schleifung der westlichen Kultur als erste Angriffswelle gegen die westliche Zivilisation – als Stichworte mögen genügen: Postkolonialismus, Identity Politics, Genderismus, BLM –, wird primär in den USA ins Werk gesetzt. Aber hier gibt es ebenfalls „den Ami”, der sich wehrt.
Mein Verhältnis „zum Ami” ist also ambivalent, und so hab ich’s auch geschrieben. Wenn jener Teil der USA, den ich nicht mag und der an meiner Freiheit herzlich desinteressiert ist, sich anschickt, Welthegemon zu spielen, kann ich die Gegenkräfte nicht nur ganz ohne Stockholmsyndrom, sondern sogar angewidert akzeptieren. Ich weiß aber nicht, ob ein porentief rein gewaschenes Westgehirn das kapiert.
Und übrigens: Am 17. Juni 1953 waren die Mitteldeutschen tapfer. Die Westdeutschen waren es nie.
PPS: Leser *** hat zwar für meinen „offensichtlichen Mißdruß angesichts der Verlautbarung des Lesers *** volles Verständnis, aber ein wenig ärgerte mich der abschließende Satz. Ich ahne ja, was Sie damit meinen, aber erstens sehe ich mich nicht als Westdeutschen, ich bin Norddeutscher, dieses „Ossi-Wessi” war doch von der Blödzeitung erdacht, habe ich nie mitgemacht.