4. März 2022

„Nicht jeder, der ein lesens­wer­tes Buch schrei­ben kann, kann einen lesens­wer­ten Satz schreiben.”
Paul Coßmann

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Die moder­ne Welt wird in ihrer Nivel­lie­rungs­gier nicht allein den Men­schen­schlag abschaf­fen, über den eine Bio­gra­fie zu schrei­ben sich lohn­te, es wird am Ende nicht ein­mal mehr jeman­den geben, der zur Anek­do­te taugt.

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KJ – Klimajugend.

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Das ukrai­ni­sche Volk ver­tei­digt sein Land – und zwar hel­den­haft. Das ist in jeder Hin­sicht lobens­wert und ver­dient Respekt, gera­de als Bewoh­ner eines Lan­des, das sich mit hoher Wahr­schein­lich­keit unter kei­nen Umstän­den ver­tei­di­gen wür­de, weil es nicht mehr von einem Volk bewohnt wird – des­sen Durch­schnitts­al­ter selbst im Fal­le star­ken Wehr­wil­lens dem Wider­stand natür­li­che Gren­zen setz­te –, son­dern von einer Bevöl­ke­rung. Viel­leicht wür­de sich Sach­sen ver­tei­di­gen. Viel­leicht wür­den sich die Tür­ken in NRW ver­tei­di­gen – aber Deutsch­land als Ganzes?

Der Ukrai­ne-Krieg ist ein kon­ven­tio­nel­ler Krieg: Land gegen Land, Volk gegen Volk, Reich gegen abtrün­ni­ge Pro­vinz. Wenn man die­sen Krieg mit dem in Afgha­ni­stan ver­gleicht, wird ein Unter­schied offen­bar: Zwar haben sich die Afgha­nen eben­falls jahr­zehn­te­land mutig gegen frem­de Erobe­rer ver­tei­digt, doch am Ende stand eine von den Besat­zern rekru­tier­te Armee aus Afgha­nen gegen die Tali­ban. Sie kämpf­te nur nicht. Hun­ting­tons Kul­tur­kreis­theo­rie hat­te sich ein­mal mehr als zutref­fend erwie­sen. Die von Hei­ko Maas und ande­ren Besied­lern des Opt­a­tivs hal­lu­zi­nier­te afgha­ni­sche Zivil­ge­sell­schaft exis­tier­te nicht oder lief mehr­heit­lich sofort zu den Tali­ban über. Heu­te gehört Afgha­ni­stan wie­der den Afgha­nen, die in ihrer Mehr­heit offen­bar genau so leben wol­len, wie die mili­tan­ten From­men es vor­schrei­ben. Ich wür­de zwar nie­mals so leben wol­len – ich bin ja auch kein Afgha­ne –, aber ich akzep­tie­re voll­kom­men, dass Völ­ker­schaf­ten es vor­zie­hen, nach ihrer Art zu exis­tie­ren. Des­halb gibt es ver­schie­de­ne Völ­ker in ver­schie­de­nen Län­dern und dazwi­schen die segens­rei­che Insti­tu­ti­on der Gren­ze. Nie­mals käme ich auf den Gedan­ken, ande­re Völ­ker oder Ein­zel­men­schen mit mei­nen Vor­stel­lun­gen zu mis­sio­nie­ren. Weil auf Rezi­pro­zi­tät in die­ser Fra­ge kein Ver­lass ist, lie­be ich Gren­zen und bin ein Geg­ner der Idee, in ihrer Lebens­art unver­ein­ba­re Kol­lek­ti­ve zu ver­mi­schen und zu schau­en, was pas­siert (wird schon gut­ge­hen). Vive la différence!

In der Ukrai­ne gibt es, anders als am Hin­du­kusch, kei­ne ukrai­ni­sche Armee, die an der Sei­te der Rus­sen kämp­fen soll oder will. Die Tra­gik der Ukrai­ner besteht dar­in, dass sie zwi­schen Scyl­la und Cha­ryb­dis segeln, zwi­schen Bol­sche­wi­ken und Bol­sche­wo­ken, dass der eine Teil des Lan­des ins Pro­rus­si­sche und Auto­ri­tä­re ten­diert, wäh­rend der ande­re sich an einen Welt­teil schmie­gen will, der zwar wirt­schaft­lich ungleich erfolg­rei­cher agiert und Frei­heit ver­spricht, aber auf eben­falls auto­ri­tä­re Wei­se alles Tra­di­tio­nel­le und Gewach­se­ne zer­stört – am Ende jenes ukrai­ni­sche Volk sel­ber, das sich momen­tan so ein­drucks­voll behauptet.

Die­ser Krieg – dass es ein Bru­der­krieg ist, macht die Sache beson­ders trau­rig – wird, wie es der­zeit aus­schaut, lang und blu­tig wer­den. Da Russ­land eine Atom­macht ist, kann sich die NATO nicht direkt ein­mi­schen. Putin lässt sich nicht von der Plat­te wischen wie ein Sad­dam oder ein Gad­da­fi, aber der Kreml-Chef ist spä­tes­tens seit sei­nem Ein­marsch der dienst­ha­ben­de Paria unse­res Epöch­leins, und die­ses Stig­ma wird er im Wes­ten nie mehr los. Jetzt hängt alles dar­an, dass der rus­si­sche Dik­ta­tor gesichts­wah­rend aus der Sache her­aus­kommt, oder die Ukrai­ne wird in ein paar Wochen aus­schau­en, als hät­ten die Amis sie zum Schur­ken­staat down­ge­gra­ded und dies auf bewähr­te Wei­se aus der Luft mitgeteilt.

Apro­pos und zur Erin­ne­rung, aber das ist natür­lich What­a­bou­tism.

Die Selbst­ge­rech­ten im Wes­ten füh­len sich einst­wei­len als zumin­dest mora­li­sche Sie­ger über Putin, doch sie irren sich, es ver­liert gera­de die gesam­te west­li­che Zivi­li­sa­ti­on; mit Russ­land wankt ein Boll­werk der wei­ßen christ­li­chen Welt, tut sich ein wei­te­rer Abgrund auf vor den Füßen der west­li­chen, in eiser­ner Treue immer noch so genann­ten Demo­kra­tien, deren demo­gra­fi­scher Nie­der­gang sich in und mit die­sem Kon­flikt fort­setzt. Die Ver­mi­schung der Flücht­lings­strö­me aus der Ukrai­ne und dem Ori­ent an den EU-Gren­zen ist dafür ein Menetekel.

Die Demo­gra­fie ist das Schick­sal der west­li­chen Welt. Im ver­gan­ge­nen Jahr kamen wie­der knapp 200.000 soge­nann­te Flücht­lin­ge aus Afri­ka und dem Ori­ent allein nach ’schland. Man kann jetzt extra­po­lie­ren: In zehn Jah­ren sind das zwei Mil­lio­nen, dazu kom­men noch meh­re­re Mil­lio­nen von die­sen Neu­an­kömm­lin­gen gezeug­te (und vom deut­schen Steu­er­zah­ler zumin­dest teil­wei­se finan­zier­te) Kinder.

„Ach­med, wie gefällt es dir in Offenbach?”
„Nun, wie soll es mir schon gefal­len in der Levante?”

Jener Teil der Ukrai­ne, dem es gelingt, sich aus Putins Griff zu win­den und in den Wes­ten zu ret­ten, könn­te die Seg­nun­gen der Gene­ral­ver­b­un­tung schnel­ler ken­nen­ler­nen, als das Land wie­der auf­ge­baut ist. Eines Tages wer­den sich die­je­ni­gen ver­sam­meln, die schon län­ger in der Ukrai­ne leben, und all jene unter ihren eins­ti­gen – also frü­her unstatt­haft so genann­ten – Lands­leu­ten fei­ern, die ihr Leben dafür lie­ßen, dass ihre Kin­der ihr Geschlecht frei wäh­len konn­ten, statt Mut­ter­milch Men­schen­milch geben bzw. auf Kin­der ganz ver­zich­ten sowie kli­ma­neu­tral wirt­schaf­ten, LSBTQ-Par­tys als gesell­schaft­li­chen Kul­tur­auf­trag schät­zen, auf Auto­mo­bi­li­tät und Fleisch ver­zich­ten und in diver­si­fi­zier­ten Stadt­tei­len klag­los woh­nen lern­ten, für die För­de­rung von Frau­en, Schwar­zen, Mos­lems ein biss­chen zur Kas­se gezwun­gen, über mul­ti­kul­tu­rel­le, anti­wei­ße Tole­ranz, Gen­der­stu­dies, Post- und Anti­ko­lo­nia­lis­mus belehrt wur­den und der Aus­brei­tung der Reli­gi­on des Frie­dens bei­woh­nen, ja ihr sogar bei­tre­ten durften.

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Zum Vori­gen.

Auf der woken Web­sei­te Über­me­di­en echauf­fiert sich ein afgha­nisch­stäm­mi­ger Öster­rei­cher namens Emran Feroz über nicht näher erklär­te „Trol­le”, die Ver­glei­che zwi­schen der afgha­ni­schen Armee und der ukrai­ni­schen zögen, und zwar der­ge­stalt, dass sie behaup­te­ten, „die Ukrai­ner sei­en mutig und hel­den­haft, die Afgha­nen fei­ge und erbärm­lich. Sie konn­ten ihr Land nicht gegen die Tali­ban ver­tei­di­gen und wür­den nun nach Euro­pa kom­men, um hier zu ver­ge­wal­ti­gen oder ande­re Ver­bre­chen zu bege­hen. Ähn­lich Töne wer­den ange­schla­gen, sobald es um den Krieg in Syri­en geht.”

Da Ross und Rei­ter nicht genannt wer­den, sind wir gehal­ten, das Evi­den­te fest­zu­stel­len: Vie­le Ukrai­ner ver­tei­di­gen ihr Land mutig, ja hel­den­haft, die Tali­ban indes stie­ßen auf wenig Wider­stand, und die Ursa­che dürf­te ganz ein­fach dar­in bestan­den haben, dass die afgha­ni­sche Armee nicht für Afgha­ni­stan kämpf­te, son­dern für den Wes­ten. Im Übri­gen ver­ge­wal­ti­gen soge­nann­te Flücht­lin­ge u.a. aus Afgha­ni­stan und Syri­en mit einer gewis­sen Regel­mä­ßig­keit, die aber von den kul­tur­sen­si­bel und ver­ant­wor­tungs­voll agie­ren­den Wahr­heits- und Qua­li­täts­me­di­en nicht skan­da­li­siert wird, Frau­en in Deutsch­land; ob die ukrai­ni­schen Flücht­lin­ge der­einst gleich­zie­hen, wer­den wir sehen; der­zeit kom­men ja kaum jun­ge Män­ner von dort, weil sie, anders als zu uns her­ein­schnei­en­de Afgha­nen und Syrer, ihr Land ver­tei­di­gen; es kom­men, anders als aus Afri­ka und dem Ori­ent, vie­le Frau­en und Kinder.

Kaum wider­spre­chen mag man Herrn Feroz bei fol­gen­dem Pas­sus: „All die­se Kon­flik­te haben völ­lig ande­re Dimen­sio­nen und sind noch um eini­ges kom­pli­zier­ter als der Krieg in der Ukrai­ne zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt. Den­noch sehe ich die Gesich­ter all jener Sol­da­ten, die ich in den letz­ten Jah­ren in Afgha­ni­stan getrof­fen habe. Meist waren es jun­ge Män­ner in mei­nem Alter – und sie star­ben zu Zehn­tau­sen­den, weil sich nie­mand für sie inter­es­siert hat. Sie hat­ten kei­nen Prä­si­den­ten, der gemein­sam mit ihnen kämpf­te, son­dern einen kor­rup­ten, vom Wes­ten unter­stüt­zen Prä­si­den­ten, der flüch­te­te und sie zurück­ließ, als die Tali­ban (die im Gegen­satz zu den Rus­sen übri­gens kei­ne Aus­län­der sind, was den Kon­flikt wie­der­um kom­ple­xer macht) Kabul einnahmen.”

Aber was folgt dar­aus? Das Amü­san­te an die­sem Über­me­di­en-Tumul­tan­ten besteht dar­in, dass er indi­rekt bestä­tigt, was er zu atta­ckie­ren vor­gibt. Der Ukrai­ne-Krieg inter­es­siert ihn herz­lich wenig – was ich völ­lig ver­ste­he, er ist ja kein Ukrai­ner –; statt­des­sen erregt ihn der ver­meint­li­che Ras­sis­mus der Bericht­erstat­ter im Ver­gleich zu ande­ren Kon­flik­ten. Unse­re Neu­mit­bür­ger mit ori­en­ta­lisch-afri­ka­ni­scher Dis­kri­mi­nie­rungs­ge­schich­te hal­ten den Uni­ver­sal­schlüs­sel zu den Besitz­tü­mern der west­li­chen Welt, den ihnen die neid­ge­steu­er­ten West-Lin­ken aus­ge­hän­digt haben, fest in den Hän­den: den Rassismusvorwurf.

„Eine erstaun­li­che Zahl von Repor­tern, Ana­lys­ten und ander­wei­ti­gen Beob­ach­tern des Krie­ges demons­triert offen­kun­di­gen Ras­sis­mus. Einer der ers­ten Jour­na­lis­ten, der damit auf­fiel, war Char­lie D’Agata vom ame­ri­ka­ni­schen Sen­der CBS News. In einem Bericht aus Kiew mein­te er, dass die Ukrai­ne nicht mit dem Irak oder Afgha­ni­stan ver­gleich­bar sei, weil es sich um ein ‚euro­päi­sches’ und ‚zivi­li­sier­tes’ Land handele.”

Der Witz ist, dass die­se Lin­ken mei­nen, ihr Pos­tu­lat all­ge­mein­mensch­li­cher Gleich­heit sei auch der Beweis dafür, dass es gilt. Dass sich sogar die hoch­kor­rup­te Ukrai­ne im Ver­gleich zu Afgha­ni­stan recht zivi­li­siert aus­nimmt, ist aber nichts als eine Tatsache.

„In einem Inter­view mit der BBC sag­te der ukrai­ni­sche Gene­ral­staats­an­walt David Sak­va­relid­ze, dass er in die­sen Tagen beson­ders emo­tio­nal sei, weil er sehe, wie ‚euro­päi­sche Men­schen mit blau­en Augen und blon­den Haa­ren’ täg­lich getö­tet wer­den. Die­ser Satz, der in den Sozia­len Medi­en für Ent­set­zen sorg­te, wur­de vom Inter­view­er in kei­ner Wei­se hinterfragt.”

Wer „Ent­set­zen in den sozia­len Medi­en” als Beweis für was auch immer anführt, soll­te sich viel­leicht bes­ser aufs Jodeln oder Bon­go­spie­len kapri­zie­ren statt aufs Ana­ly­sie­ren. Im Übri­gen ist es voll­kom­men nor­mal und zeugt von einer inzwi­schen lei­der sel­te­nen Unver­lo­gen­heit, wenn jemand coram publi­co zugibt, dass ihm der Tod von eth­nisch-kul­tu­rell Ähn­li­chen näher geht als das Able­ben ihm eher Fern­ste­hen­der. Wir armen Mensch­lein sind ja bis­lang mehr­heit­lich nur so weit fort­ge­schrit­ten, dass wir unser fami­liä­res Ethos auf den Stamm oder die Nati­on zu erwei­tern fin­gie­ren kön­nen. Ich will aber kei­nes­wegs aus­schlie­ßen, dass es her­zens­gu­te Zeit­ge­nos­sen gibt, bei denen jeder Tote auf Erden ein iden­ti­sches Maß an Kum­mer aus­löst; sie sol­len geseg­net sein und bei der Auf­er­ste­hung unbe­ding­ten Vor­tritt genießen!

„Statt­des­sen wur­de der ras­sis­ti­sche Bericht­erstat­tungs­feld­zug anders­wo erbar­mungs­los fort­ge­setzt”, setzt unser Über­me­di­en-Ras­sis­mus­de­tek­tor sei­nen Bericht­erstat­tungs­ver­dre­hungs­feld­zug erbar­mungs­los fort.  „Kor­re­spon­den­tin Lucy Wat­son vom bri­ti­schen ITV behaup­te­te sicht­lich auf­ge­bracht, dass es sich bei der Ukrai­ne ’nicht um ein Drit­te-Welt-Land han­deln wür­de, son­dern um Europa’.”

Stimmt.

„Auch im bri­ti­schen ‚Dai­ly Tele­graph’ hieß es, der Krieg in der Ukrai­ne sei beson­ders schlimm, weil die Opfer ‚aus­se­hen wie wir’. (…) Meist wur­de das­sel­be impli­ziert: Die Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne sei­en im posi­ti­ven Sin­ne ‚anders’. Sie sei­en hell­häu­tig oder weiß, christ­lich, ‚wie wir’ und des­halb ‚zivi­li­sier­ter’ als jene, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren gen Euro­pa gezo­gen sind, sprich, Men­schen aus Afgha­ni­stan, Syri­en oder Somalia.”

Zivi­li­sier­ter als Men­schen aus Soma­lia, jetzt über­trei­ben sie aber.

„Der ZDF-Kor­re­spon­dent Armin Coer­per fiel damit auf, dass er mein­te, im Nie­mands­land zwi­schen Polen und der Ukrai­ne sehr vie­le ‚mus­li­misch aus­se­hen­de Män­ner’ erkannt zu haben, die sepa­riert wor­den sei­en – womög­lich sogar als Teil einer neu­en Flücht­lings­rou­te aus dem Nahen Osten.”

Ja und? Auch das ist eine Tat­sa­che. Wenn jetzt ein Nase­weis fragt: Wor­an erkennt man mus­li­misch aus­se­hen­de Män­ner im Nie­mands­land zwi­schen der Ukrai­ne und Polen?, kann ich ver­si­chern: Man erkennt sie. Ich erklä­re mich bereit für ein Expe­ri­ment. Wenn mei­ne Quo­te unter 80 Pro­zent liegt, kon­ver­tie­re ich zum Islam.

„Der Höhe­punkt die­ser ras­sis­ti­schen Scha­ra­de wur­de aus­ge­rech­net im deut­schen Fern­se­hen zur Prime Time erreicht. Bei ‚Hart aber fair’ hat­te sich am Mon­tag eine eher homo­ge­ne Run­de zusam­men­ge­fun­den” – anders als in Soma­lia oder Afgha­ni­stan, dort sind die Run­den nie homo­gen, son­dern total divers – „und ver­brei­te­te fröh­lich Ste­reo­ty­pe über Geflüch­te­te aus bestimm­ten Regio­nen. Da saß etwa ein Gabor Stein­gart, der nach ent­spre­chen­der Vor­la­ge von Frank Plas­berg die Ukrai­ner auch zu ‚unse­rem Kul­tur­kreis’ zuord­ne­te und sag­te: ‚ja, es sind Chris­ten’, und dass er sich des­halb vor­stel­len könn­te, dass es ‚dies­mal funk­tio­niert’. (Das heißt, beim letz­ten Mal hat es nicht funktioniert?)”

Hät­te es funk­tio­niert, Gevat­ter, dann säße doch in kei­nem deut­schen TV-Kanal mehr eine homo­ge­ne Run­de von Kar­tof­feln! (Ich fra­ge mich immer wie­der, woher unse­re neue­ren Mit­bür­ger die­se Kalt­schnäu­zig­keit neh­men und ob sie, wenn sie in Nige­ria oder Paki­stan ein­ge­wan­dert wären, den Ein­hei­mi­schen eben­falls mit Ras­sis­mus- und Homo­ge­ni­täts­ter­ror-Unter­stel­lun­gen in den Ohren lie­gen wür­den. Ich mei­ne, es gibt fast 200 Län­der auf Erden, da wird sich doch eines fin­den las­sen, in dem man weni­ger unter Ras­sis­mus lei­den muss als in ’schland…)

„Der pen­sio­nier­te deut­sche Nato-Gene­ral Hans-Lothar Dom­rö­se hol­te noch wei­ter und bru­ta­ler aus. Nach sei­nen Wor­ten han­delt es sich bei den Geflüch­te­ten von 2015 zu einem gro­ßen Teil um jun­ge Män­ner, ‚wehr­fä­hi­ge, star­ke Män­ner, die eigent­lich ihr Land ver­tei­di­gen soll­ten’. Nun, so Dom­rö­se, sei ja zum Glück Gegen­tei­li­ges der Fall: Ukrai­ni­sche Män­ner wür­den ihre Hei­mat gegen die rus­si­schen Trup­pen ver­tei­di­gen, wäh­rend die ‚Frau­en, Müt­ter und Kin­der’ gehen.”

Ja, die Wahr­heit, Pon­ti­us hin, Pila­tus her, kann bru­tal sein.

„Bei so viel Ras­sis­mus und Igno­ranz bleibt mir die Spu­cke weg.”

Macht nichts, solan­ge der Gei­fer tropft! In die­sem Milieu sind der als Anti­ras­sis­mus kos­tü­mier­te Abgreif-Ras­sis­mus und die den­sel­ben um einen doch so unend­lich ange­mes­se­nen Selbst­zwei­fel erleich­tern­de Igno­ranz längst ende­misch geworden.

„Als wäh­rend des Jugo­sla­wi­en­krie­ges der 1990er-Jah­re ein Geno­zid gegen die Bos­nia­ken ver­übt wur­de, konn­ten sich nur weni­ge Deut­sche, Bri­ten oder Fran­zo­sen mit ihnen soli­da­ri­sie­ren – obwohl sie so aus­sa­hen wie sie. Ähn­li­ches war auch der Fall, als Wla­di­mir Putin die tsche­tsche­ni­sche Haupt­stadt Gros­ny dem Erd­bo­den gleich­mach­te und zahl­rei­che Men­schen flüch­ten muss­ten. Auch die dama­li­gen Geflüch­te­ten sahen ‚euro­pä­isch’ aus – wenn man das über­haupt so bezeich­nen will – doch sie tru­gen ‚mus­li­mi­sche’ Namen wie Emir oder Ram­zan, und die haben, so mei­nen anschei­nend vie­le bis heu­te, nichts mit Euro­pa und ‚unse­rem Kul­tur­kreis’ zu tun.”

Unse­ren Freund, lang­sam hat es auch der Letz­te kapiert, inter­es­sie­ren nur die Mus­li­me – Bos­nia­ken, Tsche­tsche­nen (doch doch, ein ech­ter Ras­sist erkennt sie durch­aus) –, weil er mit hoher Wahr­schein­lich­keit sel­ber einer ist oder sich aus geheim­nis­voll-chto­ni­schen Grün­den mit ihnen soli­da­ri­siert. Ich unter­stüt­ze sei­ne Sicht der Din­ge voll­auf, es ist frei­lich nicht mei­ne, denn ich stam­me aus einem ande­ren Kul­tur­kreis. Kul­tur­krei­se sind nur ab einer gewis­sen Ein­kom­mens­stu­fe mit­ein­an­der kom­pa­ti­bel, aber selbst dort wird im Kon­flikt­fall die Trenn­li­nie rasch zur Bruch­li­nie. Das ist weder gut noch schlecht, son­dern ledig­lich phä­no­me­nal. Außer natür­lich für Lin­ke, die alle Men­schen gleich machen wol­len und mei­nen, das funk­tio­nie­re am bes­ten, indem man sie ein­fach von vorn­her­ein für gleich erklärt, wes­halb sie jeden Unter­schied skandalisieren.

„Dass die­ser Huntington’sche Begriff, der bereits zig­fach dekon­stru­iert wur­de, wei­ter­hin so infla­tio­när ver­wen­det wird, ist ein Skan­dal für sich”, sta­tu­iert dage­gen sehr ent­schie­den, ja enra­giert unser Gevat­ter Feroz. Die­se Hoch­be­gab­ten mei­nen allen Erns­tes, die Tat­sa­che der Kul­tur­krei­se sei dekon­stru­iert, wenn man Ver­tre­ter der Kul­tur­kreis­theo­rie „Ras­sis­ten” nennt. Als ob es jemals eine Wirk­lich­keit inter­es­siert hät­te, wenn ein für ihre Eti­ket­tie­rung benutz­ter Begriff „dekon­stru­iert” wurde.

Man kann die­sen post­struk­tu­ra­lis­tisch durch­glüh­ten Edlen nur wün­schen, dass sie nie­mals in bür­ger­kriegs­ar­ti­ge Situa­tio­nen gera­ten, wo man sie sehr schnell anhand ihres Kul­tur­krei­ses und ihrer Eth­nie – es gibt da gewis­se Über­schnei­dun­gen – iden­ti­fi­zie­ren und ent­we­der dem befreun­de­ten oder dem feind­li­chen Lager zuord­nen wird.

PS: Ein womög­lich idio­syn­kra­ti­sches Miss­trau­en gibt mir aller­dings den Ver­dacht ein, dass aus­ge­rech­net die­ser Autor kein Wort von dem wirk­lich glaubt, was er da schreibt.

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Seit dem Beginn des Krie­ges in der Ukrai­ne hat sich die Zahl der Leser­zu­schrif­ten noch­mals erhöht, und mit einer getreu­li­chen Ver­läss­lich­keit brin­gen fast alle Schrei­ber eine jener zwei See­len zum Spre­chen, die in mei­ner ganz unfaus­ti­schen Brust wohnen.

„Trotz des Bemü­hens, sich nicht gemein machen zu wol­len mit die­sem grün-rot-gelb-schwar­zen Ein­heits­block, kommt man nicht umhin, Putin zu ver­ur­tei­len (und zwar deut­lich)”, meint bei­spiels­wei­se Leser ***. „Bei allem, was man dem Wes­ten und den USA an Mit­schuld geben kann, das ist nicht die rich­ti­ge Reak­ti­on dar­auf. Bei mir kommt hin­zu, dass ich mir ver­arscht vor­kom­me. Das ist nicht der Putin, des­sen Rede im Val­dai-Club am 21. Okto­ber 2021 ich mit gro­ßem Inter­es­se gele­sen hat­te. Das ist auch nicht der Putin, von dem ich dach­te, er sei der Ein­zi­ge, der es an ‚Draht­seil-Ner­ven­fä­hig­keit’ mit Mer­kel auf­neh­men kön­ne. Das ist auch nicht der Stra­te­ge und Tak­ti­ker, der in zäher Klein­ar­beit den Druck auf die Ukrai­ne auf­recht erhält und auf das Ein­kni­cken des Geg­ners war­ten kann. Das erin­nert eher an Hit­ler, als er im Dezem­ber 1941 sich ein­ge­ste­hen muß­te, dass die­ser Krieg nicht mehr gewon­nen wer­den kann.

Man muß­te bei der Ukrai­ne ein­kal­ku­lie­ren, dass hier eben­falls kein durch­schla­gen­der Erfolg mög­lich war und ler­nen, sich mit einem Teil­erfolg zufrie­den zu geben. Wenn schon die Mit­glied­schaft in der Nato auf Dau­er wohl nicht mehr zu ver­hin­dern gewe­sen wäre, dann hät­te man sicher­lich durch­set­zen kön­nen, dass ers­tens kei­ne Nato­trup­pen und zwei­tens kei­ne Atom­waf­fen dort sta­tio­niert würden.

Putin hät­te als letzt­lich gro­ßer Staats­mann in die Geschich­te ein­ge­hen kön­nen (und sei­ne Blut­fle­cken auf der wei­ßen Wes­te wären dem­ge­gen­über ver­blasst). Jetzt geht er als Kri­mi­nel­ler in die Geschich­te ein. In der Ukrai­ne ist für ihn nichts mehr zu gewin­nen und – das fürch­te ich –, der Zeit­geist des Wes­tens wird jetzt über die Geg­ner­schaft vie­ler Rus­sen gegen die­sen Krieg auch in Ruß­land ein­zie­hen. Er könn­te der Toten­grä­ber für das bis­he­ri­ge Boll­werk Ruß­land wer­den, und – auch das ist sogar mitt­ler­wei­le denk­bar – er könn­te am Ende sogar gestürzt wer­den. Den von ihm ver­ach­te­ten Zeit­geist des Wes­tens hat er unterschätzt.

Obwohl mili­tä­risch gese­hen lächer­lich (schon Clau­se­witz muß­te fest­stel­len ‚Die Gene­ra­le und Füh­rer waren nicht unter den Waf­fen ergraut, son­dern im Frie­den ver­weich­licht und ver­al­tert; die Kriegs­er­fah­rung war meist erlo­schen, der Geist Fried­richs des Zwei­ten weh­te nicht mehr über dem Gan­zen, das Mate­ri­al des Hee­res sank bei Ein­hal­tung des alten Etats und immer stei­gen­den Prei­sen aller Bedürf­nis­se zum dürf­ti­gen und unbrauch­ba­ren her­ab’) ent­wi­ckel­te die­ser Zeit­geist eine welt­weit agie­ren­de Kraft, die mili­tä­ri­sche Aktio­nen regel­recht ver­puf­fen las­sen kann. Das Ein­zi­ge, was die­sen Zeit­geist noch auf­hal­ten kann, wäre ein wirt­schaft­li­cher Ein-/Zu­sam­men­bruch. Mög­li­cher­wei­se kommt das als Kol­la­te­ral­scha­den. Ich habe bei Clau­se­witz gelernt, dass Kriegs­aus­wir­kun­gen ‚unbe­re­chen­bar’ sind. Ich gebe zu, ich gönn­te als Resul­tat auch dem gesam­ten Wes­ten einen wirt­schaft­li­chen Zusam­men­bruch, damit wie­der in die Hir­ne der gute alte Brecht käme (Zuerst kommt das Fres­sen [sprich ‚das Über­le­ben’], dann die Moral). Aber da man lei­der mit­ten­drin ist, ist das alles nur sehr sehr bedauerlich.”

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„Die aktu­el­le Debat­te über den Ukrai­ne­krieg krankt mei­nes Erach­tens an den glei­chen Sym­pto­men wie der poli­ti­sche Dis­kurs in Deutsch­land ins­ge­samt”, schreibt Leser ***. „Geschichts­ver­ges­sen­heit, Inkom­pe­tenz und Dün­kel domi­nie­ren die poli­ti­sche Land­schaft. Eine tat­säch­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Phä­no­men fin­det nicht statt, eine Erhel­lung der Umstän­de – die mög­li­cher­wei­se zu bes­se­ren poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen füh­ren könn­te – unter­bleibt, die Fra­ge nach Ursa­chen wird nicht gestellt. Ja sogar die Fra­ge nach die­sen Ursa­chen ist bereits ver­däch­tig und macht jeden, der sie stellt, zum ‚Putin-Ver­ste­her’, wo doch jeder weiß: Schuld hat nur Putin und Putin allei­ne. Nur Putin hat den Krieg gewollt, schon sei­ne Lands­leu­te wie auch sei­ne Sol­da­ten sind eigent­lich nur Opfer… Mei­ne Hypo­the­se ist, dass jede tie­fer­ge­hen­de und ergeb­nis­of­fe­ne Ursa­chen­for­schung von vorn­her­ein unmög­lich gemacht wer­den soll. Aber wo wür­de eine ehr­li­che Ursa­chen­for­schung beginnen?

Am Anfang könn­te mei­nes Erach­tens eine Fra­ge an uns selbst ste­hen: Hät­ten wir den Krieg ver­hin­dern wol­len? So wie ich das sehe, haben wir die gan­ze Zeit über nichts dazu bei­getra­gen, den Kon­flikt zu dees­ka­lie­ren. Man ist auf kei­ne der rus­si­schen For­de­run­gen ansatz­wei­se ein­ge­gan­gen (der Rus­se hat nichts zu wol­len). Wenn also die Ukrai­ne die rus­si­sche Rote Linie war (ganz offen­sicht­lich der Fall), so muss­te doch unser unnach­gie­bi­ges Ver­hal­ten zwangs­läu­fig in eine bewaff­ne­te Aus­ein­an­der­set­zung füh­ren – war das beab­sich­tigt? Die­se Fra­ge ist übri­gens völ­lig unab­hän­gig davon, ob und dass die­ser Krieg ver­ur­tei­lens­wert ist – natür­lich ist er das. Die Rea­li­tät ist aber lei­der, dass Russ­land ein mili­tä­risch hoch­ge­rüs­te­tes Land ist, und tat­säch­lich muss Russ­land kei­ne Behand­lung ertra­gen (ob für uns nach­voll­zieh­bar oder nicht), die es für unzu­mut­bar hält (schwä­che­re Län­der haben kei­ne Wahl, Russ­land schon). Über Jahr­zehn­te war sich das deut­sche diplo­ma­ti­sche Corps die­ser spiel­theo­re­ti­schen Tat­sa­chen (und der dar­aus fol­gen­den Logik) bewusst, heu­te offen­bar nicht mehr.

Des­halb noch­mals die Fra­ge: Woll­ten wir das, fin­den wir das wün­schens­wert? Denn wenn Krieg das ist, was wir woll­ten, dann soll­ten wir auf­hö­ren mit dem sich-Ent­rüs­ten und statt­des­sen anfan­gen mit dem Auf­rüs­ten, denn dann haben wir auf Krieg hin­ge­ar­bei­tet, und Krieg haben wir bekom­men. Die Not­wen­dig­keit, dies pro­pa­gan­dis­tisch alles dem Rus­sen in die Schu­he zu schie­ben, ver­ste­he ich schon, aber lügen wir uns doch bit­te nicht selbst an. Jeder halb­wegs kom­pe­ten­te His­to­ri­ker hät­te das kom­men sehen, mein Vater (ein ein­fa­cher Hand­wer­ker) hat die tref­fen­de Vor­her­sa­ge gemacht: ‚Die wer­den sich das nicht ewig gefal­len las­sen, irgend­wann kommt der Punkt.’ Putin hat bereits auf der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz von 2007 gesagt, wenn der Wes­ten nicht anfan­gen wer­de, Russ­lands Bedürf­nis­se ernst­zu­neh­men, dann wer­de es abseh­bar irgend­wann zur Kon­fron­ta­ti­on kom­men. Auch danach hat er die­se Posi­ti­on immer wie­der klar­ge­stellt, das letz­te Mal Anfang die­sen Jah­res. Dass sich unse­re Poli­ti­ker im Gas­lich­tern erge­hen und erklä­ren, der Rus­se sol­le sich mal nicht so anstel­len, schließ­lich sei die Nato ein rein defen­si­ves Bünd­nis, ist gera­de­zu gro­tesk. Und selbst wenn, wie naiv kann man sein zu glau­ben, die Rus­sen wür­den das glau­ben (wie­der: Spieltheorie!)

Mei­ne Hypo­the­se ist: Genau weil die­se Schluss­fol­ge­rung der­art offen­sicht­lich ist (jeden­falls für alle, die sich nur ein biss­chen für Geschich­te inter­es­sie­ren, schon Hun­ting­ton hat 1993 die­se Vor­her­sa­ge in ‚Clash of Civi­liza­ti­ons’ gemacht), müs­sen die Ver­ant­wort­li­chen alles dar­an­set­zen, jene, die sie aus­spre­chen, min­des­tens als Putin­ver­ste­her zu brand­mar­ken. Sonst könn­te die Öffent­lich­keit – Gott bewah­re – am Ende noch auf den Gedan­ken kom­men, dass wir eine gehö­ri­ge Por­ti­on Mit­schuld an der aktu­el­len Situa­ti­on tragen.

Es ist wahr­schein­lich, dass unse­re Genies in Washing­ton, Lon­don und Brüs­sel den Iwan ein­fach nicht ernst genom­men und dar­auf gehofft haben, dass er nur blufft (obwohl der US-Prä­si­dent offen­bar genau Bescheid wuss­te, was pas­sie­ren wür­de). Man ist dann also sehen­den Auges in die­se Situa­ti­on hin­ein­ge­lau­fen und ris­kier­te damit ent­we­der einen Atom­krieg, oder dass die auf fal­sche Ver­spre­chun­gen her­ein­ge­fal­le­ne Ukrai­ne von den Rus­sen zer­malmt wird (das aktu­el­le Sze­na­rio). Ein nicht weni­ger gro­ßer Skandal.

Die rich­ti­ge Fra­ge wäre dann: Wie konn­ten es dazu kom­men, wie­so in Got­tes Namen hat man nicht ver­han­delt, wäre eine neu­tra­le Ukrai­ne wirk­lich so schlimm gewe­sen, im Ver­gleich zu dem, was wir nun sehen?

Mein Fazit: Das Resul­tat die­ser Poli­tik ist eine Kata­stro­phe, aber das Desas­ter fängt schon weit vor dem 24. Febru­ar 2022 an. Mit Leu­ten wie Hel­mut Kohl an der Spit­ze des Staa­tes wäre es nie­mals so weit gekom­men. Wir mögen zwar die Guten sein, aber wir sind sicher nicht unschul­dig dar­an, was mit den Ukrai­nern pas­siert, ver­ant­wor­tungs­vol­le Poli­tik hät­te das kom­men sehen.”

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Erhel­lend und in gewis­sem Sin­ne sekun­die­rend, was Peter Scholl-Latour dazu und zum Afga­ni­stan-Ein­satz vor 15 Jah­ren sag­te.

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Übri­gens: In Russ­land wären die Acta diur­na inzwi­schen wohl gesperrt.

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„Sehr geehr­ter Herr Klo­novs­ky, wir haben eine Haus­halts­hil­fe, Olga, sie kommt aus Kasach­stan und wohnt seit min­des­tens 20 Jah­ren hier. Sie war dort Leh­re­rin und muss hier put­zen. Ihre Groß­el­tern waren im Lager. Sie durf­te als Kind nicht deutsch spre­chen. Jeden Mitt­woch fri­sche ich mei­ne Rus­sisch­kennt­nis­se auf, die Mar­got Hon­ecker mir ver­ord­ne­te. Ges­tern kam sie völ­lig auf­ge­löst zu uns und erzähl­te: Ein klei­nes Mäd­chen im Grund­schul­al­ter sei wei­nend nach Hau­se gekom­men. Ihre Mit­schü­ler hät­ten mit Fin­gern auf sie gezeigt und: ‚Rus­se, Rus­se!’ geschrien. Sie schluchz­te: ‚Ich bin doch hier gebo­ren, ich bin doch eine Deut­sche.’ Olga selbst sprach schlech­ter als sonst, so auf­ge­regt war sie. In ihrem Vier­tel (Sozi­al­woh­nun­gen) grüß­ten sie die Nach­barn nicht mehr, ja sie schau­ten bei Begeg­nun­gen weg.

Ich fuhr an mei­ner ehe­ma­li­gen Schu­le vor­bei, wo ich 35 Jah­re lehr­te. In jedem, ja jedem Fens­ter kleb­te eine wei­ße Tau­be. Was soll man tun? Einen Leser­brief schrei­ben und einen Shit­s­torm provozieren?
Wir haben Brecht gele­sen. Gali­lei. Er wider­rief, weil er gern aß.
Hät­te ich einen Juden versteckt?
Mit trau­ri­gen Grüßen”

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„Im Zusam­men­hang mit Coro­na hat­te es sich bereits ange­deu­tet, aber jetzt ist es evi­dent: Der deut­sche Michel wird erst rich­tig wach und ent­wi­ckelt dann eine schier unend­li­che Fan­ta­sie, wenn es dar­um geht, staat­li­che For­de­run­gen umzu­set­zen, ande­re zu denun­zie­ren, aus­zu­schlie­ßen und sei­nen Staat in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam zu über­ho­len. Es ist ihm voll­kom­men egal, gegen wen es geht oder wer gera­de regiert. Haupt­sa­che, er hat den Staat im Rücken und ris­kiert per­sön­lich nichts dabei. Die Deut­schen sind mehr­heit­lich wie­der ein gefähr­li­cher Mob, der poten­ti­ell jeden bedroht, der anders ist, anders han­delt oder anders denkt, als die Mehr­heit. Seit Mer­kel wird die­se absto­ßen­de Sei­te der deut­schen Men­ta­li­tät gezielt staat­lich geför­dert, posi­tiv kon­no­tiert und kul­ti­viert. Die Fol­gen davon sind schon jetzt ekelerregend!”
(Leser ***)

Aber die poli­tisch kor­rek­ten Meu­ten for­mie­ren sich – soll man sagen: lei­der? gott­lob? – nicht nur in Deutschland.

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Aber den macht uns denn doch kei­ner nach.

„Und ein Engel trat zu mir uns sag­te: Zitie­re sie! Und ich zitier­te sie” (Karl Kraus):

„Die Welt­sport­ge­mein­schaft war in einer bis­her nie dage­we­se­nen Soli­da­ri­tät auf­ge­tre­ten und schloss über­all rus­si­sche und bela­rus­si­sche Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten aus. Nicht um die Ath­le­ten zu quä­len, son­dern um gegen Putin und Lukaschen­ko ein Zei­chen zu set­zen. Bei den Para­lym­pics aber tat man noch bis ges­tern so, als wäre nichts – und die rus­si­schen und bela­rus­si­schen Sport­ler soll­ten als Mogel­pa­ckung unter ’neu­tra­ler Flag­ge’ antre­ten dür­fen. Da haben wir uns empört. Mann stel­le sich das doch mal vor: Da hät­ten beim Biath­lon am Schieß­stand ein rus­si­scher und ukrai­ni­scher Ath­let mög­li­cher­wei­se neben­ein­an­der gele­gen. Das wäre doch unerträglich.”

Was aber mein­te der Funk­tio­när mit „unan­ge­mes­se­nem Ver­hal­ten” der Rus­sen? Das:

„Ich war ges­tern – nach der zwi­schen­zeit­li­chen Ent­schei­dung, dass rus­si­sche und bela­rus­si­sche Ath­le­ten teil­neh­men kön­nen – sehr ange­fres­sen, weil im rus­si­schen Haus neben­an fre­ne­ti­scher Jubel aus­ge­bro­chen ist. Das hielt ich für völ­lig unan­ge­mes­sen. Und das hat auch nicht die Neu­tra­li­tät und Betrof­fen­heit gegen­über dem Krieg zum Aus­druck gebracht.”

Tja, zu früh geju­belt, nun heißt es heim­keh­ren, ihr Russenkrüppel!

In der Bra­ve New World wird es nur noch sol­che geben, die dazu­ge­hö­ren (und dies täg­lich tat­kräf­tig unter Beweis stel­len), und die Fein­de der Menschheit.

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„Wenn Putin der blut­säu­fe­ri­sche Psy­cho­path ist, wie ihn unse­re Medi­en prä­sen­tie­ren, dann ver­lan­gen OB Rei­ter und Genos­sen nicht mehr und nicht weni­ger von Herrn Ger­giev und Frau Netreb­ko, als daß sie sich durch dras­ti­sche Erklä­run­gen gefähr­li­chen Repres­sio­nen ihres Staats­chefs aus­set­zen. Hat man uns nicht schon mehr­fach mit­ge­teilt, die­ser Wahn­sin­ni­ge pfle­ge aus Rach­sucht abtrün­ni­ge Staats­bür­ger auch im Aus­land ver­gif­ten zu lassen?”
(Leser ***)

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Wäh­rend es sich beim „Gro­ßen Aus­tausch” um eine gefähr­li­che rechts­extre­me Ver­schwö­rungs­theo­rie handelt –

da capo (das Ori­gi­nal stammt von einer jüdi­schen Emi­gran­tin in New York): „Ach­med, wie gefällt es dir in Offenbach?”
„Nun, wie soll es mir schon gefal­len in der Levante?” –,

ist der „Klei­ne Aus­tausch” in Best­land zur schö­nen Sit­te und Gewohn­heit geworden.

Lud­ger K. war für ein vier­mo­na­ti­ges Gast­spiel im Bochu­mer Varie­té „et cete­rea” als Mode­ra­tor gebucht, im März soll­te es los­ge­hen. Die Thea­ter­lei­tung bekam aber einen „Tipp” von der ört­li­chen Zei­tung, der WAZ. Kei­ne 24 Stun­den spä­ter war die Show aus dem Online-Mar­ke­ting ver­schwun­den, bereits gedruck­te Fly­er und Pos­ter wur­den geschred­dert, der Ver­trag mit fünf­stel­li­ger Gage gekün­digt. Lud­ger K. war meh­re­rer schwe­rer Gedan­ken­ver­bre­chen über­führt wor­den; der Kaba­ret­tist hat­te, ers­tens, in Kon­takt (!) zu Max Otte gestan­den, zwei­tens irgend­wann ein­mal der Jun­gen Frei­heit ein Inter­view gege­ben, und war, drit­tens, durch kri­ti­sche Äuße­run­gen zur Impf­pflicht ver­hal­tens­auf­fäl­lig gewor­den. Um Haa­res­brei­te hät­te so ein Gesin­nungs­ban­dit also in Bochum moderiert!

Die West­deut­sche All­ge­mei­ne lie­fer­te die Hin­rich­tungs­ur­teils­be­grün­dung nach. Den Kom­men­tar die­ses Pracht­ex­em­plars einer im rest­deut­schen Täter­volks­kör­per offen­bar bis zuletzt nicht aus­ster­ben­den fei­len Skla­ven­see­len­men­ta­li­tät will ich aus Chro­nis­ten­pflicht zur Gän­ze einrücken.

Wenn der Gesin­nungs­lump den Feig­lin­gen „Respekt” zollt und ihr cou­ra­gier­tes Ein­kni­cken „Hal­tung” nennt, ist man mit­ten­drin statt nur dabei im bes­ten Deutsch­land, das es je gab.

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Zum Schluss für heu­te etwas Komisches.

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