Bestdeutschland zieht in den Krieg. Mangels Waffen und Männern formiert sich die Volksgemeinschaft in den Schützengräben der antisozialen Netzwerke und auf den Schlachtfeldern der Boykotte.
Am Sonntag lud man mich zur Geburtstagsfeier einer ukrainischen Freundin, die Stimmung war gedrückt, zwei der Gäste sorgten sich um Angehörige und sannen über Auswanderoptionen für sie nach, doch keiner aus der Runde wollte ein richtiges Zeichen setzen; da muss erst ein engagierter Alman kommen und zeigen, wie es geht.
„Netto” habe Wodka und russische Waren aus dem Sortiment genommen, meldet ein russischer Freund aus Hessen. Fußballer aus dem Reich des Bösen werden von internationalen Wettbewerben suspendiert, anderen sportlichen Reußen droht dieselbe Nemesis.
Unsere engagierten Toleranten, wie ich sie kenne, werden gewiss bald russische Opern aus dem Repertoire verbannen und keine russischen Komponisten mehr im Radio spielen. Der OB eines Weltgaus mit Herz, Zoll für Zoll eine Charakternatur, hat schon den Dirigenten Valeri Gergiev für seine Weigerung bestraft, sich vom Zaren zu distanzieren.
Dabei war dem Maestro zuvor praktisch ein roter Teppich ausgerollt worden, auf dem er coram publico knierutschend seine Kontaktschuld hätte bereuen können! Ein in der Konsensbrühe des besten Deutschland ever gut durchgegarter Distanzierungsroutinier vermag sich gar nicht mehr vorzustellen, dass jemand nicht einknickt, zu Kreuze kriecht, sich demütigt wie ein Linderchristian, bereut, abschwört. Auf geht’s, Demokraten! Tolerante! Diverse! Boykottiert russische Gaststätten und Geschäfte! Markiert sie mit Hakenkreuzen! Kündigt den Russen die Wohnungen! Weg mit den russischen Ehrenmalen! Russische Sänger? Pianisten? Schluss mit den Engagements! Es sei denn, sie spucken auf Putin-Bilder, schrubben mit der russischen Fahne das Pflaster oder nehmen die ukrainische Staatsbürgerschaft an.
Auch den deutschen Putinverstehern dürft ihr kein Pardon geben!
Ich wette meine Ausgabe der Werke Stalins, dass die Russen, wenn sie in ’schland einmarschierten, auf keinerlei Gegenwehr träfen, zumindest auf keine deutsche. Nur im Erzwingen von Bekenntnissen sind die Almans ganz vorn, da befinden sie sich sogar noch oberhalb des Wehrmachtslevels. Die Verkleidungen und Anlässe wechseln, der Fundamentalismus bleibt konstant.
PS. Und weiter geht’s.
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Alle Schlagzeilen der aktuellen Zeller Zeitung sind genial.
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Jauchzet, frohlocket!
Natürlich begrüßt es kein europäischer Politiker, dass Putin seine Armee in ein Nachbarland einrücken lässt. Die Zitierten – darunter Éric Zemmour, den ein Exkremist bei der Welt ganz ungeniert einen „Extremisten” nennt – tun übrigens nichts anderes kund als ihre Verurteilung des Angriffs. Was denn auch sonst?
Kein Mensch von leidlichem Geschmack wird sich darüber hinaus auf die Seite derer stellen, die jetzt kollektiv gegen den Kreml eifern, leitartikeln und twittern (die Ukrainer darunter natürlich ausgenommen), im Ernstfall aber sofort ihre Charakterköpfchen einzögen. Mit gewissen Leuten macht man sich nicht gemein, in keiner Sache, wie gerechtfertigt sie auch sei.
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Apropos.
(Weiter hier.)
Diese Brücke ist von zwei Seiten in Brand gesteckt worden.
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„Man merke: Demokratische Systeme dürfen aus fadenscheinigen Gründen Angriffskriege vom Zaun brechen; autoritäre nicht”, notiert Leser ***. „Der Vorteil an Demokratien ist, dass hinterher niemand für einen Völkerrechtsbruch verantwortlich gemacht wird. Dem Autokraten hingegen ist eine Strafverfolgung vor dem Internationalen Strafgerichtshof sicher. Mindestens.
Ob die Internationale Gemeinschaft das nächste Mal, wenn ein demokratischer Staat unter erstunkenen und erlogenen Vorwänden irgendwo eine Invasion startet und einen Regimechange durchführen will, genauso stramm zusammensteht und bereit dazu ist, Versorgungsengpässe, einen weltwirtschaftlichen Kollaps oder gar Atomkrieg in Kauf zu nehmen? Ich schätze eher nicht.”
Wen oder was mag er mit „demokratische Systeme” meinen?
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„Was gilt es in diesem Kriege?” (Die Frage sei unstatthaft verallgemeinert.)
„Eine Gemeinschaft gilt es, deren Wahrhaftigkeit und Offenherzigkeit, gegen Freund und Feind gleich unerschütterlich geübt, bei dem Witz der Nachbarn zum Sprichwort geworden ist; die, über jeden Zweifel erhoben, dem Besitzer jenes echten Ringes gleich, diejenige ist, die die anderen am meisten lieben; deren Unschuld, selbst in dem Augenblick noch, da der Fremdling sie belächelt oder wohl gar verspottet, sein Gefühl geheimnisvoll erweckt: dergestalt, daß derjenige der zu ihr gehört, nur seinen Namen zu nennen braucht, um auch in den entferntesten Teilen der Welt noch, Glauben zu finden. Eine Gemeinschaft, die, weit entfernt, in ihrem Busen auch nur eine Regung von Übermut zu tragen, vielmehr, einem schönen Gemüt gleich, bis auf den heutigen Tag, an ihre eigne Herrlichkeit nicht geglaubt hat; die herumgeflattert ist, unermüdlich, einer Biene gleich, alles, was sie Vortreffliches fand, in sich aufzunehmen, gleich, als ob nichts, von Ursprung herein Schönes, in ihr selber wäre; in deren Schoß gleichwohl (wenn es zu sagen erlaubt ist!) die Götter das Urbild der Menschheit reiner, als in irgendeiner anderen, aufbewahrt hatten. Eine Gemeinschaft, die dem Menschengeschlecht nichts, in dem Wechsel der Dienstleistungen, schuldig geblieben ist; die den Völkern, ihren Brüdern und Nachbarn, für jede Kunst des Friedens, welche sie von ihnen erhielt, eine andere zurückgab; eine Gemeinschaft, die, an dem Obelisken der Zeiten, stets unter den Wackersten und Rüstigsten tätig gewesen ist: ja, die den Grundstein desselben gelegt hat, und vielleicht den Schlußblock darauf zu setzen, bestimmt war. Eine Gemeinschaft gilt es, die den Leibniz und Gutenberg geboren hat; in welcher ein Guericke den Luftkreis wog, Tschirnhausen den Glanz der Sonne lenkte und Kepler der Gestirne Bahn verzeichnete; eine Gemeinschaft, die große Namen, wie der Lenz Blumen aufzuweisen hat; die den Hutten und Sickingen, Luther und Melanchthon, Joseph und Friedrich auferzog; in welcher Dürer und Cranach, die Verherrlicher der Tempel, gelebt, und Klopstock den Triumph des Erlösers gesungen hat. Eine Gemeinschaft mithin gilt es, die dem ganzen Menschengeschlecht angehört; die die Wilden der Südsee noch, wenn sie sie kennten, zu beschützen herbeiströmen würden; eine Gemeinschaft, deren Dasein keine deutsche Brust überleben, und die nur mit Blut, vor dem die Sonne verdunkelt, zu Grabe gebracht werden soll.”
Sie wissen, von wem das stammt.
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Was mag Putin meinen, wenn er von einer „Entnazifizierung” der Ukraine spricht? Dieses Wort wird prophylaktisch aus allen offiziellen Meldungen getilgt, um sozialethische Verwirrungen beim deutschen Publikum zu vermeiden.
Da es zum Gesamtbild gehört, verweise ich auf diese und jene Facette.
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Es gehört zwar nicht zu Putins Kriegszielen, aber für Deutschland hat er jetzt schon viel Positives erreicht.
Erstens: Die Pandemie ist so gut wie beendet.
In der Gastronomie hat ab sofort auch jeder Zutritt, der statt eines Impfpasses eine Ukrainefahne vorlegt; das Tragen der Fahne ersetzt darüber hinaus vollgültig das Tragen einer Maske.
Zweitens: Die Klimakrise wird vertagt, die Energiewende verschoben. Atom- und Kohlekraftwerke, ja sogar die atomare Aufrüstung sind plötzlich wieder diskutabel.
Drittens: Die Bundeswehr wird reanimiert, allerdings aus Mangel an wehrfähigen und vor allem ‑willigen deutschen Männern als Söldnertruppe (eine solche taugte auch besser zur allfälligen Niederschlagung künftiger Unruhen).
Viertens: Die „feministische Außenpolitik” wird als das Fürzchen erkennbar, als welches sie in den verklemmten Popos ihrer Urheber:*_Innen von Anfang an querlag.
Ein paar Fußkranke werden noch ein Weilchen brauchen.
Diese Begnadeten können sich alles vorstellen, nur nicht, dass sie keine Rolle spielen.
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Spiegel online will offenbar die schöne Tradition des Suchbilds wiederbeleben.
Heute: Such die Ukrainer.
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Themenwechsel.
Fast immer stellt sich heraus, dass die Schwurbler gar nicht so verkehrt lagen.
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Rätselhafte Zahlen, veröffentlicht bei Spektrum.de, unter Berufung auf The Lancet.
Todesfälle weltweit, Stand heute.
Alter der an bzw. mit Corona Verstorbenen in Deutschland.
„Pro Corona-Todesfall gibt es einen Minderjährigen, der ein Elternteil verloren hat.” Zum Beispiel bei den 24.000 über 90jährigen, die in Deutschland das Zeitliche segneten? Hat uns der Vatikan etwas verschwiegen?
Wer weiß eine Erklärung?
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Erzähle mir noch einmal jemand, wir lebten hier in einem freien Land.
Es gibt auch im Westen keine Freiheit mehr zu verteidigen (allenfalls wiederzuerringen). Wohin man schaut, werden die Gitterstäbe der Zukunft justiert.