Wenn Satire real wird …
…, dann schlägt ein linker Norweger eine amerikanische Bewegung für den Friedensnobelpreis vor, deren „Aktivisten” – früher hätte ein Herr sie Mob genannt – ganze Straßenzüge verwüstet, Geschäfte geplündert und in Brand gesteckt und auch ein paar Menschenleben, darunter schwarze Polizisten, auf ihrem flexiblen Gewissen haben.
Aber bekanntlich ist Krieg Frieden und Freiheit Sklaverei. Solange die Lautsprecher des Zeitgeistes das Ziel heiligen, sind sämtliche Mittel erlaubt. Aber wehe, irgendwo stellt sich den Brennern, Plünderern und Demolierern eine Falange entgegen, dann heulen sie „Nazis!” Schließlich haben sie nur ihre Wut darüber zum Ausdruck gebracht, von der ominösen Gesellschaft nicht als gleichgestellt betrachtet zu werden.
Aber die Mehrheit war friedlich am Rande des zivilungehorsamen Innenstadtzerlegens? Solch feinsinnige Differenzierungen werden bei „rechten” Demonstranten nie getroffen; dort heißt es: Wer mit Extremisten auf die Straße geht, verschafft ihnen Legitimation und ist deshalb mitschuldig.
Die Spitzmarke „Rassismus”, welche die Deutsche Welle für die Nachricht wählte, ist übrigens nicht verkehrt. Die sogenannten Antirassisten sind die Rassisten unserer Zeit. Man soll sich von den einen so entschieden fernhalten wie von den anderen. Wie die Rassisten erklären die heutigen „Antirassisten” andere kollektiv für minderwertig oder erbschuldbeladen, und das bereits mit der bei jeder Gelegenheit und in verschiendenen Abstufungen vorgetragenen Unterstellung, dass weiße Menschen letztlich für alle Übel, also irgendwie auch für jede missratene schwarze Biographie verantwortlich seien, schwarze Menschen indes nicht einmal für ihr eigenes Leben.
***
Apropos. George Orwells Dystopie „1984” erlebt in letzter Zeit eine gewisse Renaissance als Schreckbild und Gleichnisfundstätte, vor allem wegen der Passagen über die totalitäre Sprachkontrolle. Bei dtv München ist dieser Tage eine Neuübersetzung erschienen, zu welcher – Jana halt dich fest! – Robert Habeck das Vorwort verfasst hat. Dieses Zusammentreffen ist bizarr genug, um ein paar Worte darüber zu verlieren.
Zunächst einmal überrascht Habeck die Leser mit dem Postulat, Orwells Bücher seien „wieder aktuell, vielleicht aktueller denn je”. Ein Politiker muss imstande sein, auch die letzte Plattitüde mit dem erregten Bombast eines Opernballdebütanten vorzutragen. Auf seiner Webseite stellt sich Habeck allerdings zuvörderst als „Schriftsteller” vor; „Schreiben war mein Leben, bevor Politik es wurde”, heißt es dort; wir dürfen also an die Sprache des Gevatters strengere Maßstäbe ansetzen als an jene von, sagen wir, Schnatterinchen, zumal er sich an das Vorwort zu einem Klassiker wagt.
Vor dreißig Jahren, nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus, habe er geglaubt, Orwell sei nun historisch geworden, schreibt der Spitzengrüne. Heute indes erlebten „wir” – diese drei Buchstaben verwandeln sich in ein wenig einladendes Gatter, wenn ein Linker sie hinschreibt –, „wie das Gift des totalitären Denkens auch in das Fundament der Demokratie einsickert und sie von innen auszuhöhlen droht. Neue Allianzen entstehen zwischen weltanschaulich ganz unterschiedlich ausgerichteten Regierungen, die jedoch alle die Ablehnung gegen (sic!) Freiheitsrechte, Pressefreiheit und Gewaltenteilung eint.”
Rasch hat Habeck seine gedankliche und vor allem sprachliche Reiseflughöhe erreicht – Gift sickert in Fundamente und höhlt sie aus –, und ich schenke mir jeden Kommentar zu seiner sturheilen Ineinssetzung von Demokratie, Recht und Pluralismus. Wir werden freilich im gesamten Vorwort von den genannten Regierungen mit einer Ausnahme wenig erfahren und müssen uns aufs Spekulieren verlegen, wen der fliegende Robert als Aspiranten für ein „1984 2.0” in Betracht ziehen könnte.
„Zynischerweise”, fährt er fort, „liefert gerade die Corona-Krise Beispiele en masse dafür, was technische Überwachung mittlerweile zu leisten in der Lage ist. Und die autoritären Herrscher weltweit nutzten die Lebensgefahr durch das Virus radikal aus. Parlamentarische Mitbestimmung, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit wurden eingeschränkt.”
Da das Wesen autoritärer Herrschaft gerade in der Abwesenheit von Mitbestimmung, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit besteht, stellt sich die Frage, welcher Staatschef diese Prinzipien während der Coronakrise eingeschränkt und sich zum autoritären Herrscher eingesetzt haben mag. Putin? Recep der Prächtige? Die waren’s schon vorher. Tatsache ist, dass Macron, Johnson, Orbán, Merkel et al. in dieser Krise ungefähr dasselbe getan, also Mitbestimmung und Grundrechte eingeschränkt haben, sogar weit autoritärer als die eigentlichen Autokraten; in Putins Russland etwa können Sie sich freier durch das Coronajammertal bewegen als in Habecks weltoffenem Siedlungsgebiet. Unser Freund wird doch nicht Merkels faktische Aussetzung der Grundrechte kritisieren wollen? Ach was!
„Der chinesische Staat übte totale Überwachung aus und kontrollierte das Verhalten seiner Bürgerinnen und Bürger bis ins letzte Detail. China schuf durch das ‚Social Scoring’ den gläsernen Untertanen. War man schon daran gewöhnt, dass das Überqueren von Straßen ohne Erlaubnis gefilmt und gespeichert wurde, ist die Ausweitung der sozialen Kontrolle auf die Gesundheitsdaten der Menschen eine weitere Dimension auf dem Weg zur sozialen Manipulation.”
Eine französische Ministerin hat vor einigen Jahren einen sogenannten Skandal ausgelöst, weil sie mit Bezug auf die zwangshomogenisierte chinesische Gesellschaft sagte: „Wir wollen so nicht leben.”* Kein Dissens.
* PS: Meine Erinnerung hat mir einen Streich gespielt, wie das ja bisweilen vorkommt:
Das Wort Ameisen trifft die Sache dennoch; der Ameisenstaat ist ja perfekt, aber ich möchte, solange ich überhaupt gefragt werde, so nicht leben.
Zweifellos haben die Chinesen in puncto elektronischer Überwachung und Aufhebung der Privatsphäre derzeit kaum Konkurrenz zu scheuen. Gleichwohl handelt es sich um einen Welttrend, der alle Länder und auch den Westen betrifft. Die Corona-Maßnahmen, von Reise- und Versammlungsverboten über indirekte Impfpflicht, Bespitzelung privater Wohnungen bis zum Maskenzwang auf Rodelpisten, liefern eine Vorahnung, wie weit auch westliche Staaten gehen werden, wenn sich ihre Regierenden mit dem Rücken zur Wand oder im Recht wähnen. Dass nach der autoritären Pandemiebekämpfung ein etwas gemilderter, aber eben doch autoritärer Klimaschutz folgen wird, dürfte keine besonders gewagte Prognose sein. Sollte Herr Habeck etwa etwas dagegen haben, dass dereinst jeder Deutsche seine Energiebilanz öffentlich machen muss? How dare he?! Keine Planetenrettung ohne Konsumkontrolle! Und Schluss mit den asozialen klimaschädlichen Eigenheimen! Der Great Reset ist zwar bloß eine Verschwörungstheorie, aber wir wollen doch mal sehen, wie weit man auf diesem Wege der sozialen Manipulation vorankommt. Auch die Bekämpfung des Rassismus, der Diskriminierung, der sozialen Ungleichheit oder falscher Geschichtsbilder ließe sich unter elektronisch kontrollierter staatlicher Rechtleitung noch gründlicher und gerechter ins Werk setzen als im Modus des täglichen Aushandelns. Oder sind Sie etwa für Rassismus?
Ich bin abgeschweift, wir waren bei der Überwachung in China. Immerhin ist in Habecks Text die Rede vom drohenden „digitalen Totalitarismus”. Wie steht es damit im Westen? Kommt er irgendwann auf die Macht von Big Data zu sprechen, auf die Löschzüge der Gedankenwehr im Silicon Valley?
„So schlimm es ist, in einem Staat zu leben, in dem das Recht auf freie Rede genommen ist, schlimmer ist es, in einem Land zu leben, das die Menschen so manipuliert, dass sie überhaupt nicht mehr auf den Gedanken kommen zu widersprechen, beziehungsweise ihnen die Sprache genommen wird. Auch hier liefert die jüngste Geschichte eindringliche Beispiele dafür, dass genau solche Versuche immer wieder unternommen werden, auch in Deutschland.”
Der Versuch des Grünenchefs wiederum, den oppositionellen Rechtspopulismus (auch Trump war ein Oppositioneller, er hatte das gesamte Establishment gegen sich) mit dem autoritären China zu einer Gefahr „für die Demokratie” zu verleimen, ist zwar aufs langweiligste vorhersehbar gewesen, er vollzieht ihn allerdings dann doch auf eine geradezu bewundernswert schamlose Weise plump.
„Nach der Landtagswahl in Thüringen 2019 konnte man AfD-Funktionären einen Abend lang zuschauen, wie sie behaupteten, dass ihr Wahlerfolg ein Sieg über Hass und Hetze sei. Diejenigen, die alle Grenzen des Sagbaren verschieben und überschreiten, beklagen sich, dass es in Deutschland Sprachverbote gebe. Diejenigen, die Anstand und Moral vermissen lassen, bezeichnen sich als bürgerlich. Diejenigen, die die Demokratie zu einer Volksherrschaft umbauen wollen, beschimpfen sie als Diktatur und Fassadendemokratie. Wir erleben in diesen Zeiten ein orwellsches NeuSprech par excellence. Aus Lüge wird Wahrheit und aus Wahrheit Lüge.”
Wenn eine politische Paria-Truppe ausnahmsweise einen Coup landet, der aber sofort zur Exkommunzierung, Verfolgung und körperlichen Bedrohung des neu gewählten Ministerpräsidenten führt, obwohl der nicht mal zu den Unberührbaren gehört, lebt man wohl tatsächlich in einem Land, „das viele Menschen so manipuliert, dass sie überhaupt nicht mehr auf den Gedanken kommen zu widersprechen”. Doch nur ein Spitzbube kann die Sache derart verdrehen. Eben beklagte unser grüner Filou noch, dass autoritäre Herrscher „parlamentarische Mitbestimmung, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit” einschränkten, aber wenn eine Regierungschefin mit grünenkompatibler Agenda aus dem Ausland anordnet, eine Wahl sei „unverzeihlich” und müsse „rückgängig gemacht“ werden, ist das für ihn demokratisch. Eine Demokratie, die keine linken Mehrheiten erzeugt, verliert nach der Vorstellung Habecks und seiner Coterie nämlich ihre Legitimität. Für diese Leute existiert auch kein Souverän, das heißt, sie sprechen jenem ebenfalls die Legitimität ab. In diesem Zusammenhang ist der orwelleske Vorwurf von Interesse, die Schwefelparteiler wollten „die Demokratie zu einer Volksherrschaft umbauen”. Es gibt nämlich gar kein Volk, zumindest kein deutsches, das hat der Mann, der deutscher Kanzler werden will, schon vor Jahren klargestellt.
Wer mag dann der Demos sein? Jede Antwort, die Sie von Habeck darauf bekommen, ist hundertprozentig sicher eines: Newspeak.
Wir haben es mit dem längst gewöhnlichen Fall eines Autors zu tun, der im Newspeak über Newspeak schreibt. Beim erneuten Lesen von „1984” habe er „überhaupt nicht mehr an 1933–1945 oder die DDR oder Sowjetrussland gedacht”, notiert Habeck, der in seinem Leben wahrscheinlich überhaupt recht selten an Sowjetrussland denkt, sondern nur an „unsere unmittelbare Gegenwart” – und zwar wegen der „von Orwell messerscharf (!) vorgeführten Analyse, wie Sprache manipuliert werden kann. Wie Geschichte umgedeutet werden kann. Wie der Gesellschaft ein festes Wertefundament entzogen wird, sodass am Ende nur noch Angst und totale Unterwerfung übrig bleiben.”
Unser grüner Agitprop-Literat behauptet also, er weile gedanklich sofort in der Gegenwart, wenn er bei Orwell lese, wie eine Gesellschaft in Angst und totale Unterwerfung absinkt, nachdem ihr eine satanische Macht das feste Wertefundament entzogen hat, eine Macht, die Sprache manipuliert und Geschichte umdeutet. Spricht Habeck von der die gesamte westliche Welt umspannenden Herrschaft der Politischen Korrektheit mit all ihren Incubi und Succubi? Meint er die Zustände in fortschrittlichen amerikanischen Unternehmen, wo ein falsches – sexistisches, rassistisches, ableistisches, homo‑, trans- oder klingonophobes – Wort zur Kündigung führen kann? Oder jene an amerikanischen Universitäten, wo die freie Rede erstickt worden ist, wo man die Geschichte kultursensibel fälscht, die Kultur der weißen Männer verflucht und sogar in den Naturgesetzen weiße Überlegenheitsansprüche zu entdecken vorgibt? Gerade die Geschichte ist in Übersee ja ein Schlachtfeld geworden, wie am offensichtlichsten die zahlreichen zerstören Denkmäler „weißer Suprematisten” zeigen – also derer, die die amerikanische Wirtschaft, Wissenschaft und die Institutionen jenes Landes geschaffen haben, in das alle einwandern wollen –, während viele sogenannte Liberale vor den Herostraten auf die Knie sinken, in „Angst und totaler Unterwerfung”. Meint Habeck das?
Natürlich nicht. „Orwell zeigt, dass die Vergangenheit nicht nur auf eine bestimmte Art und Weise interpretiert, sondern tatsächlich verändert wird. Das ist etwas ganz anderes. Es macht einen Unterschied, ob man darüber streitet, was die deutsche Geschichte ausmacht, oder ob man behauptet, die ‚Wehrmacht’ der Nazis stehe in einer humanistischen Tradition, bzw. der Holocaust sei ein ‚Vogelschiss in 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte’ gewesen, wie es Politiker der AfD in den letzten Jahren taten.”
Ah, die blauen Dunkelmänner schauen unseren Robert schon wieder von allgegenwärtigen Plakaten und Monitoren an. Insonderheit Gaulands missglückte Metapher verschafft ihm Unterwerfungsängste, weshalb er sich zur mutwilligen Falschbehauptung berechtigt fühlt, die Worte des AfDlers hätten sich auf den Holocaust bezogen (tatsächlich hat Gauland gesagt, dass die Nazis ein Scheißhaufen im Fluss der deutschen Geschichte waren, sich aber in der Dimension des Haufens deutlich vergriffen). Freilich, Gaulands Möglichkeiten, Angst zu verbreiten, sind sehr überschaubar. Auch Trump ist aus dem Amt gebracht und in den sozialen Medien gesperrt worden; mit beider Eignung zu Big Brother-Wiedergängern scheint es nicht einmal so weit her zu sein wie mit jener Habecks zum vergaunerten Faktenverdreher. Lauschen wir seinem Rotwelsch noch ein bisschen:
„Eine Sprache, die ‚gereinigt’ ist, die ’schädliche Begriffe ausgemerzt hat’ und damit nicht mehr nur Propaganda ist, sondern eine eigene Wirklichkeit schafft, eine, in der es keine Wahrheit mehr gibt, sondern nur noch Ansichten über Wahrheit, wo dann ‚Unwissenheit’ ‚Stärke’, ‚Krieg’ ‚Frieden’, ‚Freiheit’ ‚Sklaverei’ ist. So entsteht ‚DoppelDenk’, eine Logik, nach der von zwei widersprüchlichen Überzeugungen beide richtig sind. Heute nennt man das ‚alternative Fakten’ oder ‚Fake News’.”
Der Verlag war in seinem Begleittext auf dem Quivive:
***
Einschub (es geht gleich weiter mit Habeck).
Ein Autor, der zuletzt über die Zersetzung logischer Grundsätze im orwellschen „Doublethink” geschrieben hat, ist der Literaturwissenschaftler Michael Esders. In seinem Buch „Sprachregime” nennt er als Beispiele für das Prinzip des Doppeldenk, dass Regierungspolitiker gleichzeitig eine „spürbare Begrenzung” der Zuwanderung fordern und sich zugleich gegen eine „Obergrenze” aussprechen können, ohne dass sie ein Medienschaffender auf diesen Widersinn hinweist. Ähnliches gelte für die Larve der „verpflichtenden Unverbindlichkeit”, hinter welcher der „Global Compact for Migration” an der Öffentlichkeit vorbeigeschmuggelt wurde.
Man kann beliebig fortfahren – Argo Nerd erledigt es im Tagestakt:
Geschlecht ist konstruiert, aber Frauen müssen mit Quoten gefördert werden; Grenzen lassen sich nicht schließen, ja nicht einmal kontrollieren, es sei denn, man schließt und kontrolliert sie doch wegen eines Virus; es gibt keine deutsche Identität, aber jede ausländische Minderheit in Deutschland hat eine; das Patriarchat ist die Ursache allen Übels, aber männliche Refugees mit rigide patriarchalischen Gesellschaftsvorstellungen sind welcome; in mehren deutschen Großstädten sind die Deutschen, die schon länger hier leben, bereits eine Minderheit, es gibt sogar einen Pakt über Replacement (= Austausch) migration, aber ein Bevölkerungsaustausch findet nicht statt; Straftaten von Migranten oder Anschläge radikaler Moslems sind Einzelfälle, für die außer dem Täter niemand verantwortlich ist, jede Gewalttat von rechts jedoch hat Vordenker, Hintermänner und Strukturen bis ins Parlament hinein; wenn Politiker der AfD im Parlament beschimpft werden, ist es eine „hitzige Debatte”, im umgekehrten Fall werden Hass & Hetze © daraus. Und so weiter, und so fort.
Zum Doublethink gehört die Doppelzüngigkeit bei der Behandlung des Islam:
Esders spricht von einem „gezielten Anschlag auf die politische Urteilsfähigkeit”, mit dessen Verstetigung das Publikum so abgerichtet werde, dass es „selbst ein Höchstmaß an kognitiver Dissonanz” nicht mehr als störend empfinde. Ein solches Publikum ist dann auch dressiert genug, um das bäuerinnen- und bauernfängerische Habeck-Vorwort als Lullaby in seinen demokratischen Schlummer zu lesen.
***
„NeuSprech und DoppelDenk, beides feiert heute fröhliche Urständ“, schreibt unser grüner Metaphernvollautomat. „ ‚Die Partei sagte, man dürfe seinen Augen und Ohren nicht trauen. Das war ihr entscheidendes, ultimatives Gebot’, heißt es in ‚1984’. Und genau so agieren Populisten weltweit. Am radikalsten vielleicht der US-amerikanische Präsident (…) Was nicht seinem Weltbild entspricht, kann nicht wahr sein und ist ‚Fake News’ oder im deutschen Pegida-Jargon ‚Lügenpresse’.”
Woraus wir „messerscharf” (Habeck) schließen, dass die Löschung von Youtube-Kanälen, Twitteraccounts und Facebookseiten, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Antifa, die Initiative der Vielen, die Alimentierung von Populistenriechern wie Kahane & Co mit Steuermillionen etc. pp. lauter Widerstandshandlungen gegen die Orwellisierung der Welt durch die Rechtspopulisten sind.
„Und bei all den Ungerechtigkeiten und all den Aufgaben, die zu tun sind – wir leben in der besten Demokratie, die es in Deutschland je gab, wir leben in der freiesten Gesellschaft, die wir je hatten”, steinmeiert sich der Grüne auf die Zielgerade. „Die Feinde der Freiheit, der Demokratie, des Rechtsstaats, sie zielen darauf, die Freiheit der Rede und der Gesellschaft durch gezielte Verantwortungslosigkeit zu zerstören. Wie das geschehen kann, zeigt ‘1984‘. Dass es Fiktion bleibt und nicht Wirklichkeit wird, ist unsere Aufgabe.” Sie zielen auf gezielte Verantwortungslosigkeit – zumindest verdeutlicht dieser Text, warum der knuffige Robert gut daran tat, von der anstrengenden Schriftstellerei in die Politik zu wechseln.
Das neue Vorwort, das sich dtv sehenden Auges für diesen Klassiker eingehandelt hat, bezeugt den so machtgeschützten wie dummdreisten Versuch, einen der eindringlichsten Warner vor der Herrschaft der Lüge für die Errichtung eines neuen Reiches der Lüge zu vereinnahmen, ob der Verfasser seinen Schmonzes nun selber glaubt oder nicht. Vielleicht sitzt bei dtv ja noch ein ironischer Nostalgiker der Dialektik? Unser grüner Sprachartist ist der Anführer einer Partei, die den Marxismus als Kulturmarxismus reanimiert hat, die die Gesellschaft unter der priesterlicher Berufung auf höchste Auftraggeber – Klima, Menschheit, Mutter Erde – gleichschalten und kontrollieren will, die mehr Redeverbote in die Bundesrepublik eingeführt hat als alle anderen Parteien zusammen, die die Geschichte des Westens zur Verbrechensgeschichte umschreiben, die westlichen Zivilisation und die westlichen Freiheiten einem globalen Superstaat unterwerfen will. Und im Namen dieser Truppe versucht er jetzt, die Orwell-Leser für die Hasswochen auf Emmanuel Goldstein einzustimmen.
Eigentlich ist das sogar logisch.
***
Jemand sagte: „Man sieht ihn förmlich vor sich, diesen Winston Habeck, wie er sich unter der Folter standhaft zu gestehen weigert, dass 2 plus 2 = Vogelschiss ist, bis ihm ein hohnlachender Alexander O’Brian den Käfig mit den Eichhörnchen aufs schmerzverzerrte Gesicht setzt.”
***
„1984” gehörte in der Ehemaligen zu den verbotenen Schriften. Ich besaß eine Taschenbuchausgabe, die mir auf einer Fete, wie damals die Partys hießen, aus meinem Bücherregal geklaut wurde; Konterbande war heiß begehrt im Leseland. Das Buch hatte damals eine bizarre Wirkung auf mich, ich las es als eine Westpropagandaklamotte zur Verteufelung des Sozialismus. So übel, wie Orwell es beschrieb, ging es in der DDR ja nun doch nicht zu. Ich finde das faszinierend. Ein Leser in einer vergleichsweise beschissenen Lage dürfte sich im Regelfall durch die Beschreibung einer noch beschisseneren Situation wenigstens ein paar Lektürestunden lang etwas erleichtert oder sogar getröstet fühlen. Ich fühlte mich durch maßlose Übertreibung verhöhnt und lehnte das Buch ab. Nach der Lektüre stand die DDR besser da. Wahrscheinlich irgendeine Unterspielart des Stockholm-Syndroms.
***
Zu Letzteren gehört auch die Treue der Deutschen zu ihren Führungen, wie ein Twitterer mutmaßt:
Das sind Reaktionen auf diesen Tweet:
Grundrechte sind nämlich die neuen Freiheiten. Merkel sagt dort übrigens, dass sie nicht wisse, ob und wie die Impfung wirkt, aber bis zur Impfung einer Bevölkerungsmehrheit seien die Grundrechte ausgesetzt („keine neuen Freiheiten”). Unfassbar, in der Tat. Und „Corona-Diktatur” ist das „Unwort des Jahres”. (Die Grundrechte können Sie mir nehmen, aber nicht dieses Unwort!)
Die Kanzlerin wird verbrannte Erde hinterlassen, und wahrscheinlich will sie es sogar.
***
Die Hoffnung taut zuletzt.
***
Wenn „das kälteste aller kalten Ungeheuer” (Nietzsche) erst einmal Geschmack am Gefügigmachen der Untertanen gefunden hat, fallen die Grundrechte unter verlorene Freiheiten.
(Weiter hier.)
Wahrscheinlich waren gerade alle Rodelbahnen geräumt und illegalen Friseurstudios ausgehoben.
***
***
Leser *** fühlte sich von Marc Pommerenings „Mikroaggressionen” (Acta vom 26. Januar) animiert, selber Epigramme zu machen, sandte mir das erste Dutzend zu und stellte eine selektive Veröffentlichung anheim. Bitteschön:
Verdummt in alle Ewigkeit
hat sie vermummt Gesicht gezeigt.
Wo schwarze Bärte wenig taugen,
filmt man Mädchens Kulleraugen.
Man sieht des Pluralismus Charme
bei Fischen im Sardinenschwarm.
Der „Great Reset”-Schwab mischt konfuse
Mussolini mit Mabuse.
An Argumenten nix Gescheites?
Schau einfach unter „Bündnis, breites”!
Erichs Erbin zeigt dem Michel,
wo der Hammer hängt (mit Sichel)!