Meine Rede auf dem Burschentag der Deutschen Burschenschaft zu Eisenach am 15. Juni 2019
Ich bin gebeten worden, heute zu Ihnen über den Zustand der Meinungsfreiheit zu sprechen. Um die Meinungsfreiheit in Deutschland steht es schlecht. Sawsan Chebli ist auf twitter vorübergehend gesperrt worden. Kevin Kühnert wurde für seine Idee kritisiert, den Kommunismus wiederzubeleben, während die AfD unbehelligt vom Vierten Reich träumen darf. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich habe die erste Hälfte meines Lebens in der DDR verbracht. Das heißt, mit jedem Jahr, das ich jetzt älter werde, überwiegt der bundesrepublianische Teil meiner Biographie, doch manchmal denke ich, dass ich eines Tages, bevor ich zu den Vielen gehe, resümieren werde: Ich habe das erste Drittel meines Lebens in einer Diktatur verbracht, das zweite Drittel in einer Demokratie, das dritte teils-teils.
Irgendwann Mitte der 70er Jahre, ich war damals dreizehn oder vierzehn Jahre alt, gewährte der Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Professor Neuner, Mitglied des Zentralkomitees der SED, meiner Schulklasse eine Art Privat-Audienz, weil nämlich sein Töchterlein in diese meine Klasse ging. Die Sache fand in einem Konferenzraum der Akademie statt, und der Genosse Präsident erklärte, wir könnten ihn fragen, was wir wollten, niemandem werde eine Frage übelgenommen, und er werde versuchen, alles zu beantworten. Haben wir ihn also gefragt, warum wir nicht reisen dürfen, wie lange die Mauer noch stehen wird, warum ausgerechnet in einem Land, wo der Staatschef Dachdecker ist, so viele Dächer undicht sind, warum die Versorgung mit Früchten so miserabel und die mit Büchern so lückenhaft ist? Also nach den wirklich mit Händen zu greifenden Übeln? Natürlich nicht. Meine Mitschüler fragten belangloses regimekonformes Zeug, das ich en detail noch am selben Tag vergessen habe. Mir selber brannte eine Frage auf der Zunge, ich hätte mich zu gern nach dem Verbleib einer Rockband erkundigt, deren Musik ich damals sehr mochte und die quasi von einem Tag auf den anderen aus der sozialistischen Öffentlichkeit verschwunden war. Der Buschfunk sagte, sie sei verboten worden. In meinem Kopf rumorte die Frage: Stimmt es, dass die Klaus-Renft-Combo verboten worden ist? Und warum? Ich musste nur den Arm heben und sie stellen, der Herr Präsident hatte schließlich versichert, es gäbe keine Tabus. Der Arm blieb unten. Die Feigheit behielt die Oberhand. Beziehungsweise die Klugheit.
Klugheit? Das ist Definitionsfrage. Meine Lieblingsdefinition von feiger Klugheit oder kluger Feigheit ist anekdotisch folgendermaßen fixiert: Stalin mochte es bekanntlich, wenn sich seine Paladine bis spät in die Nacht betranken und er sie dabei beobachten konnte. Eines Abends forderte er Chruschtschow auf, er möge für die Versammelten tanzen, und Chruschtschow tanzte wie ein Derwisch, machte sich also, wie man heute formulieren würde, zum Affen. Tags darauf fragte ihn Mikojan, warum er nicht Nein gesagt habe. Chruschtschow erwiderte: „Wenn der Genosse Stalin sagt: tanze, dann tanzt ein kluger Mann.“
Bei anderer Gelegenheit war ich nicht unbedingt mutiger, aber unvorsichtiger. Ich befand mich abends auf dem Heimweg, in Begleitung eines Klassenkameraden. Als wir an unserer Schule vorbeiliefen, die große, fensterlose Wand des Hortgebäudes sahen und einen frisch gelieferten Haufen Briketts daneben, hatten wir beide denselben Gedanken, nämlich dass die kahle Wand einer gewissen Verzierung bedürftig sei. Wir kletterten über den Zaun auf den Schulhof, mein Freund griff sich ein Kohlestück und schrieb einen Spottvers auf den Schuldirektor an die Wand. Das schien mir irgendwie nicht anstößig genug, also setzte ich daneben den Satz: „Wir wollen Meinungsfreiheit!“
Tags darauf war die Aufregung groß und die Stasi in der Schule. Doch, gepriesen sei Allah, niemand hatte unser sinistres Treiben am Vorabend beobachtet, und alle Ermittlungen verliefen im Sande.
Zwei typische DDR-Geschichten, doch beide könnten leicht variiert auch im Deutschland der Gegenwart spielen. Wenn ich die Fragerunden der Kanzlerin mit sorgfältig vorsortierten Bürgern sehe, muss ich an mein Schweigen vor dem SED-Professor denken. Auch heute sind alle Fragen selbstverständlich erlaubt – die Konsequenzen sind Ihre Sache. Ein Schüler, der heute „Es lebe die AfD!“ oder „Grenzen schließen!“ an eine Schulwand schriebe, bekäme erhebliche Scherereien. „Greta for President!“ oder „Refugees welcome“ wäre dagegen unproblematisch, ja löblich, und wenn der Schuldirektor monierte, man könne doch nicht einfach die Wände beschmieren, ließe er sich leicht mit der Frage in die Enge treiben, ob er etwas gegen Flüchtlinge oder Klimaschutz habe.
Zu meinem zweiten DDR-Anekdötchen passt die folgende Fabel aus der Bundesrepublik.
Am Abend des 28. Januar 2018 stellte sich die Hamburgerin Uta Ogilvie mit einem Pappschild an den Jungfernstieg, auf dem geschrieben stand „Merkel muss weg!“. Sie wollte damit gegen die Energiepolitik der Kanzlerin und die Preisgabe der Landesgrenzen demonstrieren. Ihre Aktion fand Zuspruch. Bei einer zweiten, diesmal angemeldeten Demonstration versammelten sich eine Woche später etwa 60 Teilnehmer mit „Merkel muss weg“-Schildern friedlich am selben Ort.
Alles andere als friedlich waren die Reaktionen der Hamburger Antifa und Linksschickeria. Dort wurde die Order ausgegeben, ein für den darauffolgenden Montag angekündigtes da capo des „Merkel muss weg“-Frevels müsse verhindert werden. Die Hamburger Presse startete eine Kampagne gegen die Merkel-Gegner. Morddrohungen gingen bei Uta Ogilvie ein. In der Nacht vom 11. auf den 12. Februar schlich sich ein Trupp mutiger den-Anfängen-Wehrer zum Privathaus der Familie und zerstach die Reifen der beiden dort stehenden Pkw, um die CO2-Bilanz der Hansestadt zu verbessern. Die Hauswand wurde mit Farbbeuteln beworfen und mit Parolen beschmiert. Ein schwerer Glasbehälter, gefüllt mit einer stinkenden Flüssigkeit, durchschlug die Fensterscheibe des Kinderzimmers. Dort schliefen zwei kleine Kinder. Nur ein Denkzettel für den Fascho-Nachwuchs. Der finanzielle Schaden des antifaschistischen Hausbesuchs beläuft sich auf 55.000 Euro.
Tags darauf werden Polizei, Vermieter, Versicherung und Pressevertreter im Haus vorstellig. Die Eltern von Uta Ogilvie reisen aus dem Rheinland an, um der bedrängten Tochter Beistand zu leisten. Für den Abend ist die Demonstration angemeldet. Uta Ogilvie beschließt, trotz allem hinzugehen, es ist ja ihre Demonstration. Der Vater, 79-jährig, will die Tochter nicht allein gehen lassen und begleitet sie ins Stadtzentrum. Ein Fähnlein couragierter Linker stellt sich dem alten Mann und der zierlichen Frau entgegen, entreißt ihnen das Schild und attackiert sie, bis die Polizei die Hilferufe hört und einschreitet.
Juvenile Stasitypen in Zivil, die sich auf jeden stürzten, der ein Transparent entfaltete, und es dem Frevler entrissen: Das war übrigens ein typisches Bild bei den Demonstrationen in den letzten Tagen der DDR.
Fassen wir zusammen: Es gab Angriffe auf einen 79 Jahre alten Mann, eine Frau und ihre Kinder, Sachbeschädigungen mit enormer krimineller Energie sowie über Tage anhaltende Drohungen, und all das wegen der Forderung, die Regierungschefin solle ihr Amt niederlegen. All das fand statt im angeblich besten Deutschland, das es je gab, in einem Staat, dessen Wortführer sich Putin, Orban und Trump moralisch überlegen fühlen. Aber kein Öffentlichkeitsvertreter oder politisch Verantwortlicher empörte sich über die Terrorisierung einer Frau, die ihre Grundrechte wahrnahm – die Empörung galt stattdessen den regierungsfeindlichen Zusammenrottungen –, kein Zeter war zu hören und erst recht kein Mordio.
Die Wahrheits- und Qualitätspresse berichtete in allenfalls einsilbiger Distanziertheit. Wer in der Suchmaske von Spiegel online „Uta Ogilvie“ eingibt, erhält: 0 Treffer. Beim Stern: 0 Treffer. Bei der Zeit: 1 Treffer – eine allgemeine Story über die „Merkel-muss-weg“-Demonstrationen, anderthalb Monate nach den beschriebenen Vorfällen, versteckt hinter der Bezahlschranke. Die drei großen „linksliberalen“ Hamburger Zeitungen haben ihre Leser über die Regierungskritikerin Ogilvie ungefähr so informiert, wie die DDR-Medien ihre Leser über das Verschwinden der Klaus-Renft-Combo.
Merke: Die Macht der Presse besteht in dem, was sie verschweigt – aber auch darin, was sie skandalisiert und was nicht.
Uta Ogilvie gab auf. Sie hatte Angst um die Sicherheit ihrer Familie.
Sie wissen, wie es weiterging, dass die Hamburger Montagsdemonstrationen nicht endeten, trotz der zivilcouragierten Front aus linker Gewaltszene, rot-grünem Senat und Lokalpresse, die sich gegen die Querulanten gebildet hatte. Bei der Demonstration am 19. März, auf der Matthias Matussek, ein langjähriger, viel zu spät entlassener Mitarbeiter des Spiegels auftrat, griffen schneidige Antifaschisten einen sich nach getaner Hetze wieder nach Hause stehlenden Staatsfeind von hinten an, schlugen ihn zu Boden und traten dem bereits Bewusstlosen gegen den Kopf. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Das lebensgefährlich verletzte Opfer bekam auf der Intensivstation die Gelegenheit, über diesen Satz zu meditieren. Lief in den öffentlich-rechtlichen Medien eine Sondersendung nach der anderen, die sich mit den mutmaßlichen Tätern und ihren Sympathisanten beschäftigte? Ach was. Es bestand kein öffentliches Interesse.
Die Hamburger Montagsdemonstrationen illustrieren den Unterschied zwischen den Systemen DDR und BRD, zwischen Realsozialismus und einer semisozialistischen Erziehungsdemokratur – Alexis de Tocqueville hat ihn schon vor über 150 Jahren beschrieben –: In der DDR wurde die Opposition vom Staat schikaniert, in der Bundesrepublik kommen die Schikanen primär aus der Gesellschaft. Noch schützt immerhin die Staatsgewalt die Opposition vor dem Hass, der ihr entgegenschlägt. Anders als im Realsozialismus werden Oppositionelle nicht mehr eingesperrt, sondern gesellschaftlich isoliert, ganz wie Tocqueville es in seiner Schrift über die Demokratie in Amerika vorausgesagt hatte. Niemand hat die Absicht, eine Opposition zu verbieten.
Ganze 18 Prozent der Deutschen haben das Gefühl, sie könnten sich im öffentlichen Raum so frei äußern wie unter Freunden. Zu diesem Ergebnis kam vor wenigen Wochen eine Umfrage des Allensbach-Institutes im Auftrag der FAZ. Ich bin der Letzte, der Umfragen irgendeine Dignität beimisst und sie wie heilige Schriften liest; diese Katechese möge Politikern vorbehalten bleiben. Solchen Erhebungen wohnt immer ein manipulativer Zauber inne, weil der Experimentator das Experiment mehr oder weniger beeinflusst. Ich will diese Umfrage nur kommentarlos in den Raum stellen. 59 Prozent der von Allensbach Interviewten gaben an, sie könnten sich nur unter Freunden offen äußern. Das heißt im Umkehrschluss, dass mehr als jeder Dritte nicht einmal im trauten Kreise ausspricht, was er denkt. Als besonders heikel gelten der Umfrage zufolge die Themen Flüchtlinge und Islam. Wer hätte das gedacht!
Jetzt folgt üblicherweise das große Aber aus dem Munde der Reschkes, Prantls und Restles: Aber Sie können doch alles sagen und drucken lassen, was Sie wollen. Ein Sarrazin ist mit seinen angeblich verbotenen Thesen sogar Bestseller-Autor geworden. Tichys Einblick, die Junge Freiheit und Cato erscheinen völlig unbeanstandet. Uwe Tellkamp darf weiter auftreten. Sogar ein Akif Pirincci kann sich noch öffentlich äußern. Oder, um einen aktuellen Fall zu exemplifizieren: Der merkelkritisch-AfD-nahe Leipziger Maler Axel Krause darf seine Bilder ausstellen, keiner verbrennt sie; wenn Galerien und Kollegen sich nicht mit und neben ihm zeigen wollen, ist das freilich ihr gutes Recht. In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit!
Das ist Propaganda. Wenn du überlegen musst, welche Folgen dein Gebrauch von dieser Freiheit haben wird, herrscht sie nicht. Wenn du als Konsequenz deines Freiheitsgebrauchs mit Diskriminierung bis hin zum Berufsverbot rechnen musst, obwohl du kein Gesetz verletzt hast, gibt es keine Meinungsfreiheit. Thilo Sarrazin ist heute gesellschaftlich geächtet; außerhalb privater konservativer Zirkel darf niemand es wagen, ihn einzuladen, ohne dass der Schatten der Ketzerei auf ihn selber fiele. Inwieweit seine Millioneneinnahmen den Gesinnungsdelinquenten damit aussöhnen, ist Mentalitäts- und Privatsache, aber der Fall Sarrazin ist keinesfalls das Paradebeispiel dafür, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrscht, sondern demonstriert genau das Gegenteil. Mit Norbert Bolz gesprochen: Meinungsfreiheit heißt nicht, dass du deine Meinung äußern kannst, sondern dass du sie angstfrei äußern kannst. Tertium non datur.
Die Gegenseite sieht das anders und wirft speziell der AfD vor, sie „stilisiere sich als Opfer“. Nur weil AfD-Abgeordnete und AfD-Büros häufiger attackiert werden, als das Angehörigen und Etablissements der anderen Parteien widerfährt. Aber noch nie ist jemand dabei zu Tode gekommen. Auch die Zahl der Verletzten ist denkbar niedrig. Die AfD instrumentalisiert solche Vorfälle. Die Gegenseite spricht dann von Mimimi.
Die Gegenseite – das sind diejenigen, die wirklich im Sturm stehen, die unter Stickoxiden und Leistungsdruck in Mathematik zu leiden haben, die gegen enorme Widerstände Trigger-Warnungen für Seminare durchsetzen müssen, die praktisch in jedem Augenblick von einem Griff ans Knie traumatisiert werden können und sich oft über ihr Geschlecht im Unklaren befinden. Die Protagonisten dieser Gegenseite würden es locker wegstecken, wenn man bloß ihre Häuser beschmierte und Büros angriffe, wenn ihre Kinder, sofern vorhanden, in der Schule gemobbt würden, wenn sie aus Gesinnungsgründen ihre Jobs verlören, wenn sie auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert und von Kirchentagen ausgeladen würden, sich nirgendwo ohne große Polizeiaufgebote versammeln könnten – ich breche hier ab.
„Solange die AfD und Ihre Repräsentanten mit hetzerischen Äußerungen versuchen, das Land zu spalten, mit rückwärtsgewandten Vorstellungen eine andere Gesellschaft zu schaffen und sich nicht von Extremisten in ihren Reihen absetzen, muss sie es sich gefallen lassen, dafür verantwortlich gemacht zu werden.“ Schrieb mir einmal eine Leserin. Dieses prachtvoll gute Gewissen! –
Anfrage an Radio Jerewan: Ist es wahr, dass in Moskau eine Demonstration von Putin-Gegnern durch staatlich geförderte gewaltbereite Blockierer verhindert wurde und die Polizei zusah? Und stimmt es, dass in Chabarowsk der Bürgermeister erklärt hat, es sei „völlig klar, dass alle im Föderationskreis zusammenstehen“, wenn regierungskritische Demonstranten die Stadt für ihre Propaganda missbrauchen?
Antwort: Im Prinzip ja, nur handelt es sich bei den Städten nicht um Moskau und Chabarowsk, sondern um Berlin und Kandel. –
Jedenfalls sind die Meinungsfreiheit und ihre Einschränkung für die Linken oder die Grünen und vor allem auch für die Bundesregierung kein Thema, sofern man nicht Putin oder Orban vorwerfen kann, dass sie die Freiheiten ihrer Bürger bzw. Untertanen beschneiden. Oder kann sich jemand an irgendein grundstürzendes Bekenntnis zur Meinungs- oder Demonstrationsfreiheit aus Merkels minniglichen Mundwerk erinnern? Wenn der Begriff überhaupt fällt, dann sprechen diese Edlen vom Missbrauch solcher Freiheiten durch die schlimmen Rechten, von Hass und Hetze, die immer nur von rechts kommen, und rufen nach Zensur.
Der Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums – PEN steht für Poets, Essayists, Novelists, und die Selbstbeschreibung dieser Truppe hebt an mit der Bekundung: „Das PEN-Zentrum Deutschland tritt ein für die Freiheit des Wortes“ – der Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums, ein Reisejournalist namens Ralf Nestmeyer – offenbar hat man keinen Poet, Essayist or Novellist für den Job gefunden –, dieser Gevatter Nestmeyer hat im Interview mit der Deutschen Welle erklärt, er sehe „auch in Deutschland eine Tendenz, dass die Meinungsfreiheit bedroht ist“, und zwar dadurch, dass die Rechtspopulisten zu eifrig Gebrauch von ihr machen.
Ich muss diesen Fatzke ein bisschen zitieren, es ist gar zu verlockend:
„Die Freiheit des Wortes ist ganz wichtig für den PEN. Es steht auch in der PEN-Charta, dass wir als Mitglieder uns immer dafür einsetzen wollen. Wir versuchen, Offenheit zu schaffen und ein möglichst breites Diskussionsspektrum zu ermöglichen.“
Ein paar Antworten später: „Der PEN sieht keine Veranlassung für eine direkte Interaktion mit der Neuen Rechten. Wir wollen nicht in einen Dialog treten, weil deren Agitation nicht des Dialogs würdig ist.“
Denn: „Nahezu alle, wenn nicht sogar alle Positionen der AfD sind ohnehin untragbar. Da finde ich es eigentlich obsolet, sich noch einmal konstruktiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Es würde eh nichts bringen.“
Stattdessen könne „man nur immer wieder darauf hinweisen, dass wir in Deutschland glücklicherweise eine ganz tolle Medienlandschaft haben, und dass ganz viele Berichte in renommierten Tageszeitungen sehr weit weg sind von sogenannten Fake News. (…) Da kann es immer mal wieder einen kleinen Ausrutscher geben – siehe der Fall Relotius beim Spiegel –, aber das ist dann im Promillebereich. Normalerweise wird hervorragend recherchiert, und dafür kann man allen Journalisten in diesem Land auch nur danken.“
Meine Damen und Herren, ich trage Ihnen dieses Exempel von konformistischen Kretinismus nur vor, um Sie auf ein Leitmotiv einzustimmen, ohne das zumindest meine Haltung zu diesem Land, zu seinem politisch-medialen Personal, zu seinen opportunistischen Eliten und Öffentlichkeitsarbeitern nicht verstehbar ist: den Ekel.
Ich bin ein Mensch, der Karl Eduard von Schnitzler noch live erleben durfte, doch diese SED-Kreatur kommt mir inzwischen beinahe prätentiös vor, verglichen beispielsweise mit einer Journalistin des Süddeutschen Beobachters, die über den Ausschluss des Malers Axel Krause von der Leipziger Jahresausstellung schrieb:
„Muss man sich jetzt die Mühe machen und – nur weil der Maler rechte Thesen drischt – mit aller Interpretationsgewalt auf ein eher belangloses Werk losgehen? Es vergleichen mit all den Landschaften und Porträts, die bei faschistischen oder nationalsozialistischen Malern hoch im Kurs standen (…)? Die etwas lahmen Werke von Krause taugen eher nicht zur Debatte, schon seit Jahrzehnten nicht. (…)
Die Absagen der Kollegen haben nichts mit Zensur zu tun (…). Dass Künstler sich weigern können, mit ihren Werken den Malereien von Axel Krause als Kulisse zu dienen, eben darin besteht die Freiheit der Kunst.“
Am Beispiel dieser sekundären Goebbels-Adeptin, die en passant einen ihr oder der Chefredaktion politisch nicht genehmen Künstler für einen schlechten Künstler erklärt, lässt sich gut ein manipulatives Vorgehen studieren, das neudeutsch Framing heißt. Framing bedeutet, den politisch Missliebigen in einen stigmatisierenden Rahmen zu rücken. Das geschieht etwa, wenn ein Spiegel online-Kolumnist Zeitgenossen, die den menschengemachten Klimawandel bestreiten, in einem Atemzug mit Leuten nennt, die die Kugelgestalt der Erde leugnen (ich hatte mich an dieser Stelle ursprünglich vertippt und Atenzug geschrieben; das passt auch). In einem solchen Frame finden sich Rechtspopulisten und Neonazis, AfD-Wähler und Rassisten so notorisch wie nolens volens zusammengepfercht. Solche Gruppenzuschreibungen bringen eine lässliche Klassifikation mit einer kontaminierten zusammen, um die eine mit der anderen zu vergiften. Es handelt sich um Dumping-Syllogismen des Zeitgeistes, billig, aber bei ständiger Wiederholung wirkungsvoll: Was Krause malt, stand schon bei den Nazis im Kurs; Krause fabriziert Nazikunst. Die gymnasialen Plattköpfe, die vor kurzem gegen die allzu schweren Mathematik-Prüfungsaufgaben fürs Abitur protestierten, hätten vielleicht darauf insistieren sollen, dass schon die Nazis die Mathematik benutzt haben.
Aber, wird die Gegenseite wieder rufen, sogar Sachsens SPD-Kulturministerin Eva-Maria Stange habe die Ausladung des Malers kritisiert. „Es geht nicht, dass Menschen wegen ihrer politischen Haltung stigmatisiert und gesellschaftlich ausgeschlossen werden. Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei“, sagte Stange. In Deutschland herrscht doch Pluralismus!
Nein. Die Ministerin sagt etwas, das völlig selbstverständlich ist. Der angebliche Pluralismus zerfällt in Stigmatisierung und formelle Kritik der Stigmatisierung. Krause bleibt ausgeladen, Krause bleibt „umstritten“. Die Einschüchterung wird ihre Wirkung tun. Das links-rechts-Gefälle bleibt bestehen.
Vermutlich lässt sich heute in den tonangebenden Milieus nicht einmal Einigkeit darüber herstellen, dass Meinungs‑, Versammlungs‑, Presse- und Kunstfreiheit überhaupt Grundpfeiler der westlichen Zivilisation sind, zumindest nicht ohne ein einschränkendes Aber. Das war einmal anders, als sich die Linke noch in der Opposition befand. Damals machten die Bürgerlichen den Fehler, der Linken gegenüber allzu tolerant zu sein – übrigens machen sie den gleichen Fehler derzeit den Islamfunktionären gegenüber. Ich meine damit keineswegs, dass es falsch gewesen sei, linke Positionen zu tolerieren, statt sie zu verfolgen – ich bin überhaupt gegen jede Verfolgung von Ansichten –, sondern dass man die Linken ins bürgerliche Boot geholt hat, aus falsch verstandener Toleranz, um großzügig, offen und modern zu erscheinen – vielleicht auch ein bisschen aus Gründen, aus denen die spanischen Monarchen sich Hofzwerge hielten. Jede bürgerliche Zeitung zum Beispiel hatte irgendwann ihre rote Zelle, meistens im Feuilleton, nie im Wirtschaftsteil. Das Problem mit den Linken besteht darin, dass sie, wenn sie sich in der Opposition befinden, sagen: Wir wollen doch nur mitspielen. Aber wenn sie herrschen, sagen sie: Mit Rechten spielen wir nicht. Wobei als rechts dann praktisch alles gilt, was nicht links ist. Die Linken sind besser organisiert und halten stärker zusammen als die Konservativen, sie gehen strategisch vor, und sie haben nicht das geringste Verständnis für andere Meinungen. So mussten die Konservativen schließlich erkennen, dass sie ihre Feinde eingemeindet hatten, um von ihnen vor die Wahl gestellt zu werden: Spielt künftig nach unseren Regeln, oder wir exkommunizieren euch. Da wir unter Deutschen sind, zumindest einstweilen noch, liegt das Verhältnis von Opportunisten zu Oppositionellen otimistisch geschätzt bei etwa 20:1. Die Konservativen passten sich an. Wer heute die FAZ betrachtet, hospitiert diesem Prozess im finalen Stadium.
Es liegt im Wesen der Conditio humana, dass Meinungsfreiheit nirgends herrschen kann. Immer werden die Herrschenden versuchen, diese Freiheit einzudämmen und zugleich den Massen vorzuflunkern, die wahre Freiheit bestünde darin, im Korridor des Erlaubten am drastischsten zu sprechen. Auf das aktuelle Deutschland bezogen fiele diese Funktion dann TV-Kaspern wie Welke und Böhmermann zu. Sehr schön kann man die Große Freiheit des konformistischen sich-gegenseitig-Überbrüllens mit der von den rotgrünen Gouvernanten zertifizierten Ansicht auch bei den Spiegel online-Kolumnisten studieren.
Es liegen noch andere, stichhaltige Gründe dafür vor, dass Meinungsfreiheit nie und nirgends wirklich walten kann. Die guten Sitten und die Manieren zum Beispiel. Wenn die Maas’sche Internetzensur den Kollateralnutzen zur Folge hätte, dass sich Rechte gewählter ausdrücken, wäre das doch ein Gewinn. Wenn Termini wie „Invasoren“ oder „Rapefugees“ als Hetze gelöscht werden, was sie zu ca. 50 Prozent wohl auch sind, muss man sich als Internet-Hetzer eben blumigere, euphemistischere, für dumme Algorithmen undurchschaubarere Formulierungen ausdenken, das verbessert den Stil und hält den Geist wach. Ich schreibe beispielsweise gern vom „Gold aus den Schiffen“. Ich muss freilich zugeben: Es ist schwierig, die Contenance zu wahren, wenn die Regierung von einem verlangt, dass man den Kakao auch noch trinkt, durch den sie einen zieht.
Vergangene Woche wurde ich von Bekannten darauf aufmerksam gemacht, dass man einen Facebook-Eintrag von mir als Hassrede markiert hat. Der fragliche Beitrag wurde von Facebook gelöscht. Ich fand das verwunderlich, weil ich meine Facebookseite vor über einem Jahr geschlossen habe. Der als Hassrede stigmatisierte Text ist zwei Jahre alt. Die nimmermüden Spitzel-Algorithmen – ich nehme mal an, dass es keine arbeitslosen linken Geisteswissenschaftler waren – säubern das Netz jetzt also sogar rückwirkend. Ich muss Ihnen den Text zitieren, damit Sie die Größe und Herrlichkeit dieses Aufbruchs ins kontrollierte Internet ermessen können. Er lautete:
„Eines muss man den meisten, ich sage jetzt mal cum grano salis und ohne die geringste diskriminierende Intention ‚Kanaken’ lassen: Sie glauben weder daran, dass es drei oder sieben oder siebenmal sieben Geschlechter gibt und ihr eigenes nur ein Konstrukt ist, noch daran, dass ihre Flatulenz zur globalen Erwärmung beiträgt oder dass sie der Dritten Welt irgendetwas schulden, was sie sich dort nie geliehen haben; sie möchten nicht via Quote mehr Frauen in Führungspositionen bringen noch ihre Kinder über die Sexualpraktiken von LSBTI-Menschen frühaufklären lassen, sie essen bedenkenlos Fleisch, pfeifen auf die Schuld ihrer Vorfahren an der Sklaverei, und Vielfalt heißt für sie, zwischen einem BMW und einem Audi wählen zu können.“
Und diese Sympathieerklärung firmiert nun unter Hassrede? Wenn es Algorithmen waren, die darauf verfielen, dann hat wahrscheinlich der Terminus „Kanake“ den blinden Alarm ausgelöst. Oder sind doch wider Erwarten Figuren vom Schlage der Kahane tätig geworden? In beiden Fällen zeichnet sich eine Zukunft ab, die von DDR-artiger Zensur geprägt ist, freilich in einer flächendeckenden Vollendung, die den alten Stasi-Kämpen Tränen in die Augen treiben dürfte.
Ich sagte, es sei logisch, dass Meinungsfreiheit nirgends herrschen könne. Allerdings ist sie garantiert, im GG. Art 5. (1), wo es bekanntlich heißt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…) Eine Zensur findet nicht statt.“
Paragraph 130 StGB schränkt freilich ein: Eine Geldstrafe oder eine Freiheitstrafe bis zu drei Jahren kann über denjenigen verhängt werden, der in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet etcetera pp.
Das nennt man einen Gummiparagraphen, und Gummiparagraphen haben die Eigenschaft, dass sie sich sehr weit, aber eben auch sehr eng auslegen lassen, sofern eine Regierung und ein Zeitgeist dies wünschen. Gerade aus der Unterstellung, jemand beschimpfe eine Gruppe, kann eine elastische Justiz sehr unelastische Stricke drehen.
Der sogenannte Antirassismus soll die Gesellschaft auf die Frontverläufe und Tabus der Zukunft einstimmen. Um nicht missverstanden zu werden: Rassismus ist empörend. Aber unsere Linken haben aus diesem Vorwurf eine ideologische Waffe und einen nach Belieben dehnbaren Plapperbegriff gemacht. Man kann das Wort nicht mehr ernstlich verwenden. Echter Rassismus hat mit der pauschalen Abwertung von Menschen wegen ihrer Rasse zu tun, nicht mit der Erwähnung ihrer Gruppenzugehörigkeit. Es ist rassistisch zu sagen: Schwarz ist schlecht (oder: Weiß ist schlecht). Die Antirassisten wollen uns aber einreden, es sei bereits rassistisch zu sagen, dass Schwarz Schwarz ist. Ein jeglicher Unterschied zwischen ethnischen Kollektiven soll geleugnet werden, bei Strafe des Rassismusvorwurfs und der gesellschaftlichen Exkommunikation.
Jeder weiß, jeder sieht, jeder erfährt täglich, dass es signifikante Unterschiede zwischen Völkern, Nationen, Rassen, ethnisch-kulturellen Kollektiven gibt – gottseidank übrigens, vive la difference! Sogar zwischen so eng verwandten Kollektiven wie den Deutschen und den Franzosen bestehen gewaltige mentale Unterschiede, die man derzeit an der Bewegung der Gelbwesten studieren kann, die unbeirrt von extremer Polizeigewalt gegen die Regierung Macron protestieren, wie Franzosen eben alle 30, 40 Jahre eine Revolution veranstalten müssen, während die staatsfrommen Deutschen der Übergeschnappten im Kanzleramt willig in den energiepolitischen, migrationspolitischen, wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Kollaps folgen und brav sämtliche Nerobefehle ausführen, ob sie nun der Zerstörung der Energieversorgung, der inneren Sicherheit, des Wohnungsmarktes, der Rentensysteme, der Automobilindustrie, der Landesverteidigung und nicht zuletzt der deutschen Sprache gelten.
Doch wer immer diese evidenten Unterschiede zwischen Gruppen, Ethnien, Völkern wahrnimmt, blickt nach dem Beschluss der Antirassisten mit Rassistenaugen in die Welt. Jede kollektive Zuschreibung soll Rassismus sein. Das gilt keineswegs nur für abwertende Beschreibungen. Die Feststellung, dass Ostasiaten fleißig, intelligent und aufstiegsorientiert sind, soll nach neuer kanonischer Lesart ebenfalls rassistisch sein.
Aber Gott ist Biologist. Die Wirklichkeit ist „rassistisch“. Also muss sie bekämpft werden. Der heutige Antirassismus kämpft nicht mehr um gleiche Rechte, sondern gegen die Wirklichkeit. Wir sollen künftig im Reich der Lüge leben und unseren Augen so wenig trauen wie unseren Erfahrungen. Wir sollen, um ein Beispiel zu nehmen, uns schämen, wenn wir darauf hinweisen, ja wenn uns auch nur auffällt, dass ein Vergewaltiger einer bestimmten Gruppe entstammt – ausgenommen, es handelt sich um einen weißen Mann oder Hollywood-Produzenten, dann ist jede Art Hexenjagd geboten –, wir sollen darauf dressiert werden, dass die Erwähnung der Ethnie des Täters verwerflicher ist als die Tat selbst. Ein Statistiker, der einen empirischen Zusammenhang zwischen ethnisch-kultureller Prägung der Täter und ihren Taten feststellt, soll sich fragen, ob er nicht rassistischen Mustern folgt und eine moralisch anrüchige Person ist. Für einen Polizisten, der den Erkenntnissen des racial profiling folgt, weil sich das in seinem Job bewährt hat und mit seiner praktischen Erfahrung korreliert, gilt dasselbe. Und ein Richter, der darüber zu befinden hat, ob ein Vergewaltiger mit dem berühmten existenzveredelnden Hintergrund abgeschoben wird, soll guten Gewissens entscheiden: Nein, denn der Schwerenöter gefährdet dann ja die Frauen in seinem Heimatland, und es ist doch einerlei, ob er eine deutsche oder, sagen wir, eine somalische Frau vergewaltigt. (Es gab einen solchen Richterspruch in Schweden.) Wo alle Menschen wirklich gleich sind, ist jeder ein Rassist, der noch ethnisch-kulturelle Unterschiede wahrnimmt. Im Satansreich der Lüge ist das Gedankenverbrechen des Unterschiedemachens schlimmer als eine Gewalttat.
Dieses Ressentiment trägt in Übersee, seinem Geburtsort, den Namen identity politics und breitet sich derzeit im gesamten Westen aus. Identitiy politics bedeutet: Nur kollektive Identitäten zählen. Das Individuum gilt nichts. Nur als Angehöriger einer Gruppe kannst du in ihrem Namen sprechen. Aber nie als Individuum. Das ähnelt verblüffend der islamischen Welt. Auch dort ist das Individuum – politisch gesprochen: der Bürger – keine relevante Größe. Nur die Umma zählt. Es gibt auch Parallelen zur völkischen Rechten, über deren Zahl und Relevanz mir keine belastbaren Statistiken vorliegen. Kulturmarxismus, Islam, völkische Rechte: das sind alles antibürgerliche, anti-individualistische Soziotope.
Ich sagte, für die Identitätsbesessenen zählten nur kollektive Identitäten. Aber du darfst diese kollektiven Identitäten nicht ethnisch-kulturell positiv definieren – es gibt ja keine Unterschiede! –, sondern lediglich als kollektive Benachteiligung einklagen. Die einzige Gruppe, die nichts einklagen darf, weil sie ja das Privilegierten- und Unterdrückerkollektiv bildet, ist der weiße Mann. „It’s okay to be white“, hieß eine T‑shirt- und Aufkleberkampagne der amerikanischen Rechten, die sogar im australischen Parlament behandelt wurde, das mit großer Mehrheit übereinkam, es handle sich um einen rassistischen Slogan weißer Suprematisten. Milo Yiannopoulos hat gesagt, man könne identity politics nicht mit identity politics bekämpfen: „You shouldn’t give a shit about skin-colour, you shouldn’t give a shit about sexuality, you shouldn’t give a shit about gender, but you should be deeply suspicious of the people who do.“
Wahrscheinlich hat er Recht. Man soll nicht Weiß gegen Schwarz, Mann gegen Frau, Hetero gegen Homo setzen, sondern den Bürger gegen den Sozialisten, den Zivilisierten gegen den Barbaren, das Individuum gegen die Herde.
Ich könnte jetzt endlos weiter räsonieren über totalitäre Tendenzen in unserer sich für wunder wie frei haltenden Weltgegend, über die Aufhebung der Privatheit – es braucht dafür nicht das Strache-Video, erinnern Sie sich an den Nazi-Geburtstag von Matthias Matussek –, über die drohende Abschaffung von Ironie und Satire als Stilmittel, weil weder Ruprecht Polenz noch die Facebook-Algorithmen sie verstehen, über die Initiativen der Kulturschaffenden zu Nutz und Frommen der Staatsführung, über die Rückkehr des Spitzels als Held der Zivilgesellschaft, über die gespenstische Macht von Plattformen wie Google, Facebook und twitter, die darüber befinden können, ob jemand virtuell existiert oder nicht. Aber dafür haben wir keine Zeit.
Bei der Weltklimareligion als nächster Eskalationsstufe des Gesinnungsterrorismus muss ich freilich kurz verweilen. Nach dem Dritten Stand, dem Proletarier, der Frau, den Homosexuellen, der Dritten Welt und dem Migranten hat die Linke endlich das ultimative Rettungssubjekt gefunden, das Klima. Es geht ums Ganze. Widerspruch ist Leugnung. Der Gesinnungsdruck innerhalb der „Fridays for Future“-Bewegung ist enorm. Wer nicht mitschwänzt, wird als Unhold betrachtet, dem die Zukunft des Planeten gleichgültig ist. Ansonsten gelten die üblichen Regeln der Politischen Korrektheit: Es gibt die greifbar nahe ideale Welt und den Störer, der eliminiert werden muss, weil er ihrem Erreichen im Wege steht.
Das Phänomen Greta ist ein PR-Coup erster Güte, soviel muss man den Globalgrünen zubilligen. Die Rechten und die CDU stehen staunend daneben. Die Sache lässt sich durch und durch ideologisch an, aber es geht primär um Geld. Die Energiewende ist bereits ein Riesengeschäft, wo Steuermilliarden via EEG-Umlage aus dem Portemonnaie der Aldi-Kassiererin in die Taschen der subventionierten Betreiber von Windrädern und Solarparks umgeleitet werden. Aber mit der Weltklimarettung beginnt die ganz große Gaunerei. Der Vizedirektor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat im Interview mit der Stuttgarter Zeitung am, aufgemerkt, 17. September 2010 erklärt: „Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um.“ Hier werden ganz dicke Bretter gebohrt. Das närrische Schwedenmädel ist nur ein Maskottchen. Auch hinter der Willkommenshysterie standen und stehen pekuniäre Interessen. Zwei Millionen neue Kunden, die aus Steuermitteln mit Wohnungen, Turnschuhen, Händis und neuen Gebissen versorgt werden. Allein für den medizinisch-industriellen Komplex war das ein Riesengeschäft, auf Kosten der deutschen Steuerzahler, denen zugleich ein gewaltiges schlechtes Gewissen verabfolgt wird, sollten sie sich aus Eigennutz der diebischen Willkommensmafia entgegenstellen.
Es ist nicht schön, wenn pekuniäre Beweggründe zur Gesinnungshatz führen, aber immerhin nachvollziehbarer und nicht ganz so irre wie eine rein ideologisch oder religiös motivierte Erweckungsbewegung. Natürlich vermischen sich Kalkül und Hysterie dabei beziehungsweise wird die Hysterie vom Kalkül instrumentalisiert. Der Gedanke führt ins Politische. Man muss auf politischem Wege an die Geldströme herankommen, sie umleiten und auch kappen. Das ist viel wichtiger, als mit der Gegenseite zu diskutieren oder sich über Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zu beklagen. Donald Trump hat das begriffen. Auch Herr Kurz, meines Wissens der einzige aktuelle Steuersenker in Westeuropa, hat es begriffen. Diskurse bleiben fruchtlos. Wer mit Agenten der Willkommenskultur oder der Klimarettung redet, merkt schnell, dass sie fanatisch sind und jeden Widerspruch für Teufelei halten. Sie denken nicht im Traum daran, ihren Standpunkt zur Disposition zu stellen; ein einflussreicher Teil lebt überdies davon. Debattieren hilft hier nicht weiter, man muss ihnen das Geld wegnehmen. Das heißt, man muss regieren.
Den vor- und metapolitischen Raum von den Medien bis zu den Universitäten hat die Linke noch dichter mit ihren Lautsprechern zugestellt als das Energiewende-Syndikat ehedem reizvolle deutsche Landschaften mit Windrädern. Dort ist für Rechte, Konservative und Libertäre wenig zu gewinnen. Aber in Görlitz könnte erstmals ein AfD-Politiker Bürgermeister werden. Darum allein geht es: Ministerien. Einfluss. Macht. Der Kampf um Meinungs‑, Demonstrations- oder Kunstfreiheit ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Aber wenn erst einmal ein konservativer Minister die Subventionen für den verfassungswidrigen „Kampf gegen rechts“ und all die linksgrüngefinkelten Propagandaschauen striche, die hierzulande als Kultur verkauft werden, käme Bewegung in die versteinerten Verhältnisse. Nicht verbieten, nicht denunzieren, nicht verfolgen – all das ist dem Bürgerlichen zutiefst fremd. Es genügt, diese Leute nicht mehr zu alimentieren.
Donald Trump gibt ein exzellentes Beispiel. Er hat sich nicht eine Sekunde davon irritieren lassen, dass die gesamte öffentliche Meinung der westlichen Welt gegen ihn war. Er hat sich von einzelnen Richtersprüchen gegen seine politischen Entscheidungen nicht düpieren lassen. Er zieht seine Politik einfach durch. Er hat ja die Macht. Er braucht keinen Applaus von den Wortführern.
Wie sich inzwischen herumgesprochen hat, sind amerikanische Elite-Unis Orte, an denen die Freiheit des Wortes ungefähr so viel gilt wie bei den Taliban. Es war eine geniale und zutiefst symbolhafte Aktion des Präsidenten, ein Dekret über die Redefreiheit an den Universitäten anzukündigen – ich weiß nicht, ob es schon erlassen ist – und deren staatliche Finanzierung daran zu knüpfen. Auf einer deutschen akademischen Webseite las ich die Überschrift: „Trump will Universitäten zur Redefreiheit zwingen“. Dieser Donald ist schon ein schlimmer Finger.
Die tendenziell, also langfristig größte Bedrohung der Meinungsfreiheit – und nicht nur dieser – geht allerdings wahrscheinlich vom Islam aus. Es ist naiv, den Islam als eine Religion zu betrachten, die eben gemäß westlicher Tradition inzwischen Privatsache zu sein hat, denn die Umma kennt den privaten Glauben gar nicht. Der Islam ist ein verbindlicher, von Gott gesetzter Verhaltensvorschriftenkatalog, in dem Begriffe wie Individualität oder Meinungsfreiheit überhaupt nicht vorkommen. Islamkritiker oder Islam-Aussteiger können davon Zeugnis ablegen. Nirgends, wo der Islam herrscht, sind die bürgerlichen Freiheiten garantiert, sie stehen allesamt unter Scharia-Vorbehalt, kein muslimisches Land ist ein Rechtsstaat – also in unserem Sinne, die islamischen Rechtsgelehrten mögen anderer Ansicht sein. Politiker, Intellektuelle und andere interessierte Kreise, die heute einen Euro-Islam herbeiphantasieren, der sich vom orientalischen Islam grundlegend durch seine Rechtsstaatstreue unterscheidet, erinnern an mittelalterliche Alchemisten, die auch allerlei wundersame Verwandlungen in Angriff nahmen, aber an deren Verwirklichung regelmäßig scheiterten.
Die Schizophrenie des deutschen Staates besteht darin, dass er einerseits Personenschutz für Islamkritiker aufbietet, zugleich aber immer neue Glaubensfanatiker einwandern lässt – analog dazu, wie der deutsche Staat AfD-Veranstaltung vor Linksextremisten schützt, aber dieses aggressive Milieu nicht wirklich bekämpft. Was natürlich mit dessen Unterstützern und klammheimlichen Sympathisanten in Politik und Medien zusammenhängt.
Wenn hierzulande der Politikwechsel nicht eintritt, für den stellvertretend der Name Trump steht, wenn der Staatssozialismus und die Ausplünderung der Bürger weiter zunehmen und zugleich die Alimentierung von Migranten ohne Gegenleistung als Köder für die nächsten Wanderströme fortgesetzt wird, dann wird Deutschland ein fabelhafter Nährboden für die weitere Ausbreitung dieses kollektivistischen orientalischen Glaubenssystems sein. Dann wird dieses Land wohl dem Szenario folgen, das der großartige Michel Houellebecq in seinem Roman „Unterwerfung“ geschildert hat.
Das ist übrigens der Grund, warum ich in meinen Ausführungen zwei eng miteinander verwandte momentane Hauptakteure der Meinungsfreiheitsbeschneidung fortgelassen habe: den Feminismus und den Gender-Okkultismus. Um die Zukunft dieser modischen Plagen muss man sich keine Gedanken machen, das werden die Muslime ganz allein abräumen. Ich sah unlängst ein Video, auf dem Muslime in Birmingham gegen den Sexualkundeunterricht demonstrierten, und einer der Protestler, kernige bärtige 90 Kilogramm konstruierter Männlichkeit, rief ins Mikrofon, zwei Väter und zwei Mütter oder ein Junge im Mädchenkörper und umgekehrt, das sei alles gegen Allah, das sei mit dem Islam nicht zu machen, und, jetzt kommt’s: „First God created man and then he created woman for man’s pleasure.“ Wenn diese beiden Fraktionen einmal direkt aufeinanderprallen, kann sich unsereins entspannt zurücklehnen. Freilich: Einer wird gewinnen – ich nehme Wetten an, wer –, und das bedeutet nichts Gutes für die Freiheit. Wer wird sie verteidigen? Unsere derzeitigen Wortführer gewiss nicht. Schon heute ist ihre Feigheit gegenüber dem wirklich drohfähigen Kollektiv grenzenlos – was, nebenbei, ihren aggressiven Gratismut im Kampf gegen „rechts“ erklärt. Wie unsere Wortführer und Funktionseliten beschaffen sind, werden sie sich, wenn es hart auf hart kommt, für die Konversion entscheiden. Und mal unter uns: Den passenden Bart hat der Prantl-Heribert schon, und fünfmal am Tag Rückengymnastik, das würde der alten Molluske nur guttun.
Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung. Henry Louis Mencken, einer meiner Hausheiligen, hat geschrieben: „Ich kenne kein menschliches Recht, das auch nur im entferntesten der Bedeutung des einfachen Rechts, die Wahrheit zu suchen und sie zu äußern, gleichkäme. Deshalb kann ich in einem demokratischen Staate immer nur ein unbeteiligter Bürger sein; denn die Demokratie beruht auf dem Bedürfnis subalterner Individuen, sich in großen Massen zusammenzurotten; ihre einzige Artikulationsform ist der erbitterte Widerstand gegen freie Gedanken.“
Aber was, wenn der frei gefasste Gedanke falsch ist und der freie Einzelne sich im Irrtum befindet? Ich kann in diesem Punkte nur eine ästhetische Position einnehmen, was mir die Entscheidung geradezu frevlerisch leichtmacht. Meine Maxime lautet: Lieber im Unrecht als in irgendeiner Meute. Wer hätte niemals Unrecht? Die Meute aber ist immer abstoßend.
Daraus ergibt sich freilich ein Folgeproblem, auch und gerade in Gesellschaften wie der unseren. Der Einzelne sieht sich nämlich irgendwann vor die Alternativen Karriere oder Freiheit, Anerkennung oder Stigmatisierung gestellt. Ich habe immer die kompromisslosen Geister bewundert, die auf Geld und Anerkennung verzichteten, aber bei Lichte und aus der Nähe besehen ist es auch ein bisschen töricht.
Mitunter ist mir diskret versichert worden: Sie mit Ihren unbestreitbaren Talenten, Sie hätten doch hier die Preise, Posten und Stipendien nur so abräumen können. Aber ich habe nie herausgefunden aus meinem plebejischem Bedürfnis zu sagen, was ich denke. Womöglich ist das Bedürfnis, auszusprechen, was man für die Wahrheit hält, ein Laster. Aber ich habe nur dieses eine Leben, und ich möchte es, bei aller generellen Sympathie für diesen Berufsstand, ich möchte es nicht als Hure verbringen.