Die Sonntage …
– diesmal den Abschweifungen!
Nach vielen Jahren – es waren derer sage und staune 28 – habe ich vergangene Woche wieder einmal Paris besucht, die kulturelle Herzkammer Europas, jedem Abendländer sogar dann urvertraut, wenn er selber nie dort gewesen ist. Längst freilich durchlaufen ventrikuläre Fibrillationen den greisen Kontinent samt seiner pulsgebenden Zentren. Wie mir in den vergangenen Jahren vielfach von ortskundigen Bekannten versichert wurde, hat die Zahl der autochthonen Welschen an der Seine so kontinuierlich abgenommen, wie jene der nichtweißen Franzosen wuchs. TV-Nachrichten lieferten von Zeit zu Zeit diesem Befund sekundierende Bilder von marodierenden Vorstadtjugendhorden nichtwelschen Typs, pittoresk umrahmt von brennenden Autos und demolierten Geschäften. Das Zeitfenster von 28 Sonnenumläufen gewährte mir eine einigermaßen erhellende Vergleichsperspektive. Die Zeit verändert Menschen wie Städte, doch normalerweise die Erstgenannten deutlich stärker. Diesmal war ich mir nicht sicher, wem von uns beiden sich die verstrichenen Jahre stärker eingeprägt haben, Lutetia oder mir. Ethnisch ist Paris vielerorts keine im traditionellen Sinne europäische Stadt mehr, was hier, teure Leser zur Linken, so wertfrei festgestellt sei, wie es unlängst Präsident Macron tat, als er statuierte, es gebe heute „keine französische Kultur, sondern nur eine Kultur in Frankreich”, und die sei „divers”.
Divers ist dann logischerweise und gottlob auch die Hauptstadt. Sortiert der Reisende in Gedanken die Touristen aus den Passanten heraus, ist gefühlt jeder vierte bis fünfte Innenstadt-Pariser sehr deutlich dunkelhäutiger – respectivement schwärzer – als Jeanne d’Arc, Sophie Marceau, Chateaubriand, Bonaparte oder de Gaulle. Gefühlt, wie gesagt; Wikipedia belehrt uns eines Schlechteren, nur 20,4 Prozent der Hauptstadtbevölkerung hätten den Mutterschoß außerhalb Frankreichs durchbrochen, heißt es dort, und unter denen wiederum drei Viertel außerhalb Europas. So kann man sich arglistig selber täuschen! Der Anteil „der Jugendlichen unter 18 Jahren mit Migrationshintergrund” betrage indes 41 Prozent, und mehr als die Hälfte dieser Nachwachsenden habe Wurzeln außerhalb Europas; ob ihrerseits neue geschlagen wurden, die alten chtonisch fortwesen oder beides zugleich, ist statistisch schwer ermittelbar.
In Rede steht ein Prozess, der selbstredend nichts mit einer Umvolkung oder dem sogenannten Grand Remplacement oder anderen Ludermären weißer Rassisten zu tun hat, sondern nur ein Kommen und Gehen bzw. ein für-immer-Weggehen und verstetigtes Neuankommen ist, wie es in Metropolen seit jeher stattfindet und wie es schon vor mehr als zwei Jahrtausenden der Pythagoräer Nigidius Figulus im doppelgesichtigen altrömische Gott Ianus weltgesetzhaft symbolisiert fand. Die schwarzen Lutetier sprechen, da mag Schopenhauer lästern, wie er will, die schönste oder jedenfalls klangschönste Sprache der Welt (wie gut, vermag ich nicht zu beurteilen); viele sind habituelle Franzosen, etwa jener graubärtige, hagere Wärter im Louvre, der mit heiligem Zorn einen (weißen) Barbaren anschnob, weil der allen Ernstes für ein Foto den Sockel ersteigen wollte, auf welchem die geflügelte Nike von Samothrake in ihre leider verschollene Fanfare stößt.
Aber wäre ein zur Hälfte von Schwarzen besiedeltes Paris noch Paris?
Diese Frage könnte öffentlich kein Weißer mehr stellen, der noch auf eine Karriere und Einladungen zu den Partys des Juste Milieu spekuliert, egal in welcher Branche; er würde flugs als Rassist entlarvt und abgestraft. Da ich über dergleichen Flausen hinaus, also praktisch immun bin, lande ich mit ihr allenfalls in der taz, der Frankfurter Rundschau oder einem anderen in Auflösung begriffenen Detachement der qualitätsjournalistischen Arrièregarde. Ich stelle die Frage freilich nicht aus der Perspektive des Rassisten – es mangelt mir an Phantasie, mich wirklich in einen solchen hineinzuversetzen, ich bin zu reaktionär und wahrscheinlich zu wenig durch die Welt gereist dafür –, sondern als Phänomenologe, Ästhet und Kulturanthropologe. Gewiss, aus der Sicht eines progressiven Politologen wäre sogar ein vollständig von Schwarzen besiedeltes Paris noch Paris, sofern dessen Bewohner sich nicht zu einer Umbenennung entschlössen, doch das ist nicht gemeint. Ich spreche, wenn ich Paris sage, nicht von einem x‑beliebigen Ballungszentrum mit x‑beliebigen Bewohnern (das tu’ ich nicht mal, wenn ich heute Berlin sage, obwohl beachtliche Gründe vorlägen), sondern von einem in sich geschlossenen jahrhundertalten Mentalitätsraum und kulturellen Ausstrahlungszentrum, von einem Daseinsgefühl und Stadtgesicht, von einer Aura, von Savoir-vivre, eleganten Frauen und geraunten Frivolitäten, von den Tuilerien und Le Meurice, Pigalle und Chanson, Bistros und Separees, Foie gras und rotem Wein, der das Herzleid verliebter Romanprotagonisten täubt, von Varieté und Operá, Liberté und Gloire, Bohème und Barrikade, von Hugo, Flaubert, Rivarol, Chamfort, Proust und Houellebecq, von einer literarisch-geistigen Welt, die zwar nicht fähig wäre, „Die Kritik der reinen Vernunft”, „Die Wissenschaft der Logik” und „Die Kunst der Fuge” hervorzubringen, aber sonst nahezu alles. Ich bezähme mich mit weiteren Exempeln; wer mich verstehen will, versteht mich.
Bekanntlich aber ist nichts von Dauer, Troja, Jericho, Karthago, Babel, Tenochtitlan und das hunderttorige Theben sind verschwunden, versunken, verweht; am Antlitz Jerusalems, Roms, Konstantinopels, Alexandrias oder Bagdads haben die Stürme der Epochen gefurcht und die Begründer der jeweils nächsten gemeißelt. Panta rhei, in jedem Ende liegt ein Anfang, und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Städte verwandeln sich, Bevölkerungen wechseln. Nichts bleibt, wie es ist.
Keine Sorge, ich komme wieder auf Paris zurück, aber ich gestatte mir eine Abschweifung von der Abschweifung, welche uns jetzt nach ausgerechnet Oberammergau führt. Ich stieg im vergangenen Sommer dortselbst auf dem Weg nach *** aus dem Zug und fand in der ansonsten menschenleeren Bahnhofshalle, die strenggenommen ein Hüttlein ist, einen Trupp juveniler Schwarzer vor, vertieft in eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, ins Herumlungern. Gut, dachte ich, was sollen sie in Deutschland anderes tun? Sie säen nicht, sie ernten nicht, und das Sozialamt nährt sie doch; die Vöglein wären töricht, wenn sie davonflögen. Dennoch erregte dieser Anblick meinen Widerwillen, weniger wegen der ostentativ zelebrierten Tagedieberei, sondern weil ich diese sonnenbebrillten und mit ihren Händis hantierenden Mohrenbuben, die ein im Radius von fünf- bis sechstausend Kilometern allgemein unverständliches Idiom sprachen, als Empfangskomitee eines pittoresken oberbayrischen Alpenstädtchens denkbar unpassend fand. Unpassend ist das passende Wort: Es passte nicht zusammen. Sie passten nicht dorthin. Sie waren groteske Fremdkörper. Der Adorno-Kalauer, dass kein richtiges Leben im falschen möglich sei, menetekelte um diese Räbchenschar. Was also, frug ich mich, sollte der Unsinn, sie hierher umzutopfen?
Später erzählte ich einer Bekannten (mit Migrationshintergrund) vom Oberammergauer Begrüßungsausschuss, und sie teilte mein Befremden nicht nur prompt, sondern schimpfte über eine Kanzlerin, die deutschlandweit die Wegweiser derart verstellt habe, dass solche Ankünfte daraus resultierten. Allerdings wollte sie mir nicht folgen, als ich ihr versicherte, dass ich mich auch an einem kohlpechrabenschwarzen comité d’accueil mitten in Oberbayern nicht gestoßen haben würde, wenn die Burschen in Lederhosen dort gesessen und im breitesten Bayrisch miteinander geredet hätten. Nein, sie sei grundsätzlich dagegen, die Länder mögen doch bitte bleiben, was, und die Völker, wo sie sind. Aber sie selbst?, fragte ich. Und mein Großvater? Das gehöre zur normalen innereuropäischen Arbeitsmigration und sei etwas anderes. Solche Wanderungen hätten immer zur Anpassung der Ankömmlinge an die Kultur des Aufnahmelandes geführt, bei leichter Modifikation der Letzeren, es habe sich gewissermaßen die Würzmischung allmählich verändert. Was derzeit in Westeuropa stattfinde, sei die dauerhafte Etablierung des Fremden, Fremdkulturellen, religiös Feindseligen, ohne auch nur das Ziel einer Anpassung an die Sitten der Einheimischen noch ins Auge zu fassen, perverserweise finanziert von den Steuern der Autochthonen. Die Geburten gäben eine eindeutige Auskunft darüber, wohin dieser Prozess führe: Verdrängung und langsame kulturelle Auslöschung.
Oh, gab ich zurück, kulturell ausgelöscht seien die meisten Deutschen ohnhin längst, sie möge sich nur die Reden der Kanzlerette oder die Interviews des Grünen-Chefs anhören, da prange die Unbildung in aller Unbewusstheit und Schamferne, und überhaupt seien mir viele Deutsche eben ihrer Unbildung wegen fremd bis zum Ekel. Das deutsche Bildungs- und Universitätswesen produziere nur noch kulturellen Tiefstand, öffentliche Debatten hätten sich dem intellektuellen Niveau polynesischer Totem-Kulte angenähert, was früher Feuilleton war, sei heute Regierungsbordell, dieser Kampf sei verloren, man müsse sich der Erhaltung der Zivilisation widmen, mit Verbündeten welcher Herkunft auch immer.
Ich wollte sodann meine Habitus-Theorie entfalten, welche auf der Beobachtung fußt, dass es zahlreich Schwarzen- oder Asiatenkinder gibt, die in Europa geboren und habituell vollkommen europäisiert sind, die Landessprache im Zungenschlag jener Region sprechen, aus der sie stammen – als prominente Partes pro Toto nenne ich gern die Fußballer David Alaba und Manuel Akanji –, aber Madame mochte nicht mehr zuhören, also wechselten wir das Thema.
Festgehalten sei gleichwohl: Wenn sie Lederhosen trügen und bayrisch sprächen, wäre mein Sinn für Harmonie befriedigt. Dasselbe gälte sinngemäß für Paris. Ich bin kein Rassist, ich bin Kulturchauvinist. Ist aber wahrscheinlich noch schlimmer.
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Zur Erinnerung: Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, hat, noch vor der großen Welle, beklagt, dass in den östlichen Bundesländern zu viele Weiße lebten, was inzwischen zumindest sächsischen Knästen nicht mehr unterstellt werden kann. Es sei „die größte Bankrotterklärung” der deutschen Politik seit der Wiedervereinigung, „dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß” geblieben sei. Rassenschande 2.0.
(Wobei: Wenn man sich diese Harpyie anschaut, ganz daneben liegt sie nicht…)
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Es handelte sich um einen reinen Zufall, dass ich wenige Tage nach dem Brand von Notre Dame in Paris eintraf, die Reise war Wochen vorher festgelegt, sie war ein Geschenk an den Jüngsten zu dessen zehntem Geburtstag, doch wie ich inzwischen weiß, ist es rein statistisch nahezu unmöglich, bei der Einreise nach Frankreich einen Tag zu erwischen, an welchem nicht wenigstens ein christliches Gotteshaus dortzulande geschändet wird. Von wem? Nun, das fragt sich nicht. In höheren und höchsten Rängen scheint die Angst vor dem Ausbruch bürgerkriegsartiger Konflikte so enorm zu sein, dass man die Attacken auf Kirchen kleinredet und die Motive der Täter beschweigt. Wir rechtsrheinischen Rechtspopulisten werden sogar von den, wenn man so will, eigenen Medien gewarnt, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob es nicht religiös motivierte Feuerteufel gewesen sind, die der berühmten Kathedrale an der Spitze der Île de la Cité den roten Hahn aufsetzten. Aber immerhin: Sollte Notre Dame durch einen Kurzschluss außerhalb eines Radikalenköpfchens oder sogar durch Selbstentzündung in Brand geraten sein, stünden wir endlich vor einem Phänomen, das seit 2015 vielfach beschworen, aber bislang nie erlebt worden ist: dem Einzelfall.
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Was war noch anders als vor 28 Jahren? Wie überall dort, wo die museale abendländische Kulturschönheit dem internationalen Laufpublikum dargeboten wird, haben die Touristenströme ein Ausmaß erreicht, vor welchem sich der Gast mit Grausen wendet. Städtereisen haben jeden Reiz verloren, womöglich auch jeden Sinn. Der Louvre, eingangs umlagert von Schwarzen, die einem mit unangenehmer Penetranz angeblich billigere Karten andrehen wollten, war überfüllt wie eine Metrostation während des Feierabendverkehrs. Ein Kulturoptimist könnte loben, wie viele Menschen sich doch für die Malerei der Alten begeisterten, der Kulturpessimist fragt sich, was diese Leute dort überhaupt sehen und ob sie nicht bloß eine Station ihres sightseeing-Programms teilnahmslos abhaken. Neu (für mich) war der Extrasaal, in dem die Mona Lisa ganz für sich allein hängt, als eine Ikone des Wiedererkennens und touristische Epiphanie, vor welcher sich, und da endet das Alleinsein schon, wahre Selfie-Saturnalien abspielen. Für den modernen Massenmenschen scheint ein Kunstwerk ein Ding zu sein, vor dem man Zeugnis seines Dortgewesenseins ablegt, kein Gegenstand der Betrachtung oder gar Kontemplation. Kein Wort gegen den großen Leonardo und seine achtbare Gioconda, aber deren irrationales Renommee ist reine PR, die Lisa ist zu einer Art Greta auf Leinwand geworden, sie bewegt die Massen, doch welcher unter den abertausenden Halsreckern und Selbstporträtisten wüsste auch nur einen Grund zu nennen, warum ihn gerade dieses Porträt so magisch anrief? Außer dem einen: weil es alle ruft?
Fort aus dem Geschiebe, hinweg von den indolenten Selbstbezeugern, hinaus an die Luft! Adieu, Louvre, lebe wohl! – –
Der geschundenen Seele bietet das „La Lorraine” Trost, ein buchenswertes Fisch-Restaurant unweit des Arc de Triomphe, woselbst an den Nachbartischen ein Terzett junger Pariserinnen und ein gleich als Stammgast erkennbarer Homme d’lettres ihre Meeresfrüchte-Etageren leeren. Dort vollzieht sich eine Konstante meines Seins-zu-Tische: Noch nie habe ich einen Hummer anders geordert als mit Zitrone und nichts außerdem, und noch nie, in keinem Lokal, ist mir dieser Wunsch je erfüllt worden. Es scheint sich um eine Art Horror vacui zu handeln, der das Personal befällt, als ob der Bruder Lobster allein auf seinem Teller nicht repräsentativ genug wirke, also ob geschmacklose Salatblätter und barbarische Saucen ihm bei seinem letzten Weg unbedingt assistieren müssten…
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Der zehnte Geburtstag des Juniors führte mich auf das bei Paris gelegene Marsfeld der Rundumbespaßung, wohin ich vor 28 Jahren die Ältestgeborene ebenfalls angelegentlich ihres zehnten Wiegenfestes führte, aber nun sei es genug! Es ist Nepp, und es ist vor allem ein abgeschmacktes, quietschdoofes Spektakel. Erstaunlich immerhin, dass sich hier Abertausende Menschen in raffiniert verwinkelte und ihre tatsächliche Länge perfide verhehlende Anstehgatter drängen, wo sie bis zu anderthalb Stunden ihrer Lebenszeit damit vertun, darauf zu warten, für zwei Minuten einen Peter-Pan-Flug über illuminierte Pappmaché zu absolvieren, an beweglichen Captain-Hook- und Jack-Sparrow-Puppen vorbeizuschippern oder mit einer Wildwest-Achterbahn über einen Kunstberg zu rumpeln. Erwähnenswert war ein Pärchen mittleren Alters von indisch-bengalischem Aussehen, dick, ungepflegt, unzivilisiert – beide verzehrten schmatzend ihr Eis und ließen die Reste ungeniert auf den Boden fallen –, das sich, erwachsene Menschen wie gesagt, auf die schamloseste Weise vordrängelte, um eher als die anderen Kinder bei Peter Pan anzulangen.
„Die Amerkaner können Marketing”, belehrt mich die Gemahlin über den Gesamtverblendungszusammenhang. „Bei Rachmaninow steht keiner an. Die schaffen es, einfach alles millionenfach zu verkaufen.”
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Wer stundenlang inmitten von Infantilen sämtlicher Altersklassen Schlange steht, wirft irgendwann seine frommen Vorsätze über den Haufen und schaut doch im Händi nach, welche neuen Narreteien in der heimatlichen Fremde stattfanden und die temporäre Absenz von dort sogar unter den Blicken von Mickey Mouse erträglich machen könnten. Und siehe da, es flimmerten einige über den screen. So las ich, dass Donald Trumps Schwiegertochter Lara in einem Interview mit Fox news die merkeleske Migrationspolitik zum Anfang vom „Untergang Deutschlands” erklärt hat. „Es war eine der schlimmsten Sachen, die Deutschland je passiert sind”, sagte sie; ihr Schwiegervater wisse das und versuche, ähnliche Folgen von den USA abzuwenden.
„Kaum ausgesprochen sorgte Lara Trumps Behauptung für heftige Reaktionen”, teilte welt-online prompt mit. „Sogar CNN-Moderator Anderson Cooper widmete dem Interview einen eigenen Beitrag.” Sogar! ein! TV!-Moderator! Und der weiß natürlich, „was der Untergang Deutschlands wirklich war” – obwohl er einen Lidschlag vorher noch verkündet hatte: „Deutschland ist nicht untergegangen. Ich war dort im Urlaub. Es geht ihm gut.” Mit den Verbrechen des Nazi-Regimes dürfe man nichts gleichsetzen, befand Cooper, schreibt welt-online. Strenggenommen darf man auch mit Merkels Migrationspolitik nichts gleichsetzen, aber wir sind hier ja nicht im Logik-Seminar; es bleibt nur die Frage: Wo mag die brave Lara Trump zwei Ereignisse gleichgesetzt haben, von denen sie eines gar nicht erwähnte?
„Auch die demokratische Politikerin Dena Grayson warf Trump via Twitter Geschichtsklitterung vor”, lässt welt.online seine Tiefenrecherchemuskeln spielen. „Lara Trump denkt, Merkels Flüchtlingspolitik sei eine der ’schlimmsten Sachen, die Deutschland je passiert sind’, aber nicht die Ermordung von Millionen unschuldigen Menschen durch die Nazis?”, schrieb Grayson. Auch hier wieder die bange Frage: Wie kommt die Frau darauf? Wo hat die Trump-Schnur dergleichen verlautbart? Schließt „eines der schlimmsten Ereignisse” andere Ereignisse, auch schlimmere, aus? Darf das zweit- oder drittschlimmste nicht mehr erwähnt werden?
Man liest und staunt: Im überseeischen diskursiven Reflexwettbewerb versuchen inzwischen ähnliche Spitzbuben wie hierzulande dem Publikum dieselben Dummheiten ins Gedankenfach zu hämmern. Der kleine, feine Unterschied ist nur: Dort regiert Trump. Und die Amis, die mehrheitlich eben doch nicht so blöd sind wie die Krauts, werden ihn wiederwählen. Unter anderem wegen Statements aus dem Munde amerikanischer Demokraten, die den Reflexen deutscher Grüner und Merkelisten zum Verwechseln ähneln.
Es war vielleicht doch ein bisschen voreilig von den Progressisten, sich von der Dialektik zu verabschieden, bloß weil ihre Supporter nicht mehr verstehen, was das ist.
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Alsodann, in der „Star wars”-Anstehe, kam aus der Heimat via Mail dies auf mich:
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Ich glaube, es war im „Alice in Wonderland”-Sektor, als ich auf die neuesten Meldungen über die gerichtsnotorisch gewordene kleine Erleicherung stieß, die sich vier Schutzflehende kurz vor dem Jahreswechsel zu Amberg gegönnt hatten, indem sie ein reichliches Dutzend Eingeborene nacheinander niederschlugen. „Oberstaatsanwalt Diesch nannte es ’nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche übermütig werden’ ”, notiert Bild. „Langeweile und zunehmender Alkoholgenuss hätten hier zu einer Gruppendynamik geführt: ‚Das ist eine jugendtypische Geschichte, die müssen wir jetzt mal ganz ehrlich lösen von der Herkunft der Personen.’ ”
Wenn Sie diesem edlen Milden ins Antlitz schauen wollen, bitteschön. Malen wir uns aus, ein Staatsanwalt sagte dergleichen über Mitglieder der Identitären Bewegung, die bekanntlich keiner Fliege etwas zuleide tun, nur theoretisch…
Nun haben sich Richter, Staatsanwältin und die Verteidiger auf einen Deal geeinigt: „Für die Taten gibt es neben den Opfern diverse Zeugen. Knallhartes Leugnen wäre für die Angeklagten eine schlechte Option. (…) Für ihr Geständnis sichert das Gericht dreien der Männer Bewährungsstrafen von einigen Monaten zu, die wahrscheinlich zur Bewährung ausgesetzt werden. Nur Amin A. wird wohl ziemlich sicher im Gefängnis landen. Er muss mindestens 26 Monate in Haft, wenn der Deal bis zum Prozessende hält. Denn nicht nur, dass er bei der Prügelorgie vom 29. Dezember eine maßgebliche Rolle spielte. Er ist im gleichen Prozess auch wegen fünf weiterer früherer Taten angeklagt, von denen er vier einräumte. Dabei geht es um Morddrohungen, Sachbeschädigung und weitere Körperverletzungen. Zudem ist Amin A. laut seines Anwalts schon einschlägig vorbestraft.”
Willkommen!
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Am Tag nach der Amberger Lustbarkeit stand in den Acta Zitables zu lesen, nämlich:
„In ihren Herkunftsländern unterliegen diese Buben einem doppelten Sanktionsdruck, horizontal und vertikal; den ersten üben die Familien der anderen aus, die Väter, Onkel und Brüder, den zweiten die Polizei, die dortzulande bekanntlich nicht zimperlich ist. Übertrittst du eine Norm, musst du mit Rache und/oder rustikaler Bestrafung leben. Nun sind sie auf einmal in einem Land, das aus ihrer Perspektive dem sagenhaften Lilliput ähneln muss; der horizontale Druck existiert dort nicht, der vertikale ist erschütternd sanft. Sie können machen, was sie wollen, am Ende finden sich sogar noch ein paar Grüne, Linke, Anwälte und perverse Frauen, die sie in Schutz nehmen.
Ein Motiv für den Exzess sei nicht bekannt, sagte der Polizeisprecher noch. Das ist nicht wahr, das Motiv liegt offen zu Tage. Es heißt Verachtung. Wir verachten euch Deutsche, obwohl – oder weil – ihr uns aufnehmt und alimentiert, wir verachten eure historischen Städtchen und eure Traditionen, wir verachten eure Art zu leben, wir verachten eure lächerliche Friedfertigkeit, eure Teddybären, euer Willkommensgetue und Toleranzgedöns, wir verachten eure hypertrophe Fernstenliebe mangels Nächster, wir verachten eure Weibmänner, wir verachten eine Stadt, die 20.000 männliche Einwohner hat, aber ohne nach der Polizei zu rufen nicht mit vier Teenagern fertig wird, die auf offener Straße wahllos Leute niederschlagen und ihnen auf die Köpfe treten können, wir verachten eure Politiker und Medien, die sofort loströten, man dürfe solche täglichen Einzelfälle nicht verallgemeinern (und die im Falle, ein paar Amberger Burschen hätten sich gewehrt, mit Sicherheit ‚Hetzjagden auf Ausländer’ beplärrt hätten), wir verachten eure Justiz, die uns doch nichts tun wird, wir verachten euer ganzes überaltertes, wehleidiges, sturmreifes Land.”
Nach dem „Deal” von Richter, Staatsanwalt und Verteidigung – solche „Deals” kenne ich aus der DDR, dort orchestrierte sie freilich die Stasi – wird die Verachtung sprunghaft nachgelassen haben. Und die Bereitschaft der Amberger, AfD zu wählen, sicherlich auch.
Es war vielleicht doch ein bisschen voreilig von unseren Progressisten, sich von der Dialektik zu verabschieden.
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Ich freue mich, aus Paris zurück, auf das alte Paris meiner Bücher und Bildbände. Helás!