Richard Strauss: Werke für Orchester

Inzwi­schen befin­den wir uns nicht allein im Richard-Strauss-Jahr, son­dern auch im Monat sei­nes 150. Geburts­ta­ges. Strauss war bereits eine Welt­be­rühmt­heit, bevor er mit sei­ner Oper „Salo­me“ 1905 zum Welt­star wur­de, und die­sen ers­ten gro­ßen Ruhm sam­mel­te er vor allem mit sei­nen Sin­fo­ni­schen Dich­tun­gen. Wie die Opern sind auch sei­ne Wer­ke für Orches­ter alle­samt meis­ter­lich gewirkt und glän­zend instru­men­tiert; von Anfang an fin­det sich bei ihm die Lust an der Poly­pho­nie und an aus­ge­feil­ter Satz­tech­nik. In der Behand­lung des spät­ro­man­ti­schen Orches­ters, das von Werk zu Werk immer grö­ßer wur­de und schließ­lich in „Hel­den­le­ben“ und „Alpen­sin­fo­nie“ Rie­sen­aus­ma­ße aus­nahm, ent­wi­ckel­te er eine Kön­ner­schaft und Geschmacks­si­cher­heit, die ein­zig­ar­tig sind. Wenn der Stoff wirk­lich ein­mal lang­wei­lig oder tri­vi­al wird, wie etwa in sei­ner Sin­fo­nia Dome­sti­ca, ent­schä­digt die Tech­nik für fast alles. Vor dem Absturz in den Kitsch bewahr­te ihn all­zeit der Kontrapunkt.

Die Pro­ben zu „Don Juan“ in Wei­mar sind legen­där gewor­den. Nach dem Kon­zert seufz­te ein Hor­nist schweiß­trie­fend und außer Atem: „Du lie­ber Gott! Was haben wir denn ver­bro­chen, dass du uns die­se Rute geschickt hast!“ Mit dem „Don Qui­xo­te“ mein­te Strauss, „die Varia­ti­ons­form ad absur­dum geführt und tra­gi­ko­misch per­si­fliert“ zu haben. „Ein Hel­den­le­ben“ ist bis heu­te einer der Höhe­punk­te des sin­fo­ni­schen Reper­toires geblie­ben – und eines der selbst­iro­nischs­ten Wer­ke der Musik. Unmit­tel­bar vor sei­nem Tod sag­te Strauss zu sei­ner Schwie­ger­toch­ter: „Ich hör so viel Musik.“ Als sie ihm Noten­pa­pier brin­gen woll­te, mein­te er: „Ich hab’s schon vor sech­zig Jah­ren geschrie­ben, in ‚Tod und Ver­klä­rung’. Es ist genauso…“

Mit der Staats­ka­pel­le Dres­den, einem von Strauss’ Lieb­lings­or­ches­tern, hat Rudolf Kem­pe alle Orches­ter­wer­ke des Kom­po­nis­ten auf­ge­nom­men, ein wah­re Schatz­tru­he. Das unbe­kann­tes­te Juwel dar­in: die 1923 urauf­ge­führt Tanz­su­ite nach Stü­cken von Cou­perin, des Hof­kom­po­nis­ten von Lud­wig XIV. Strauss über­setz­te den Cem­ba­lo­klang des gro­ßen Fran­zo­sen für ein drei­ßig­köp­fi­ges Kam­mer­or­ches­ter, so far­big und sub­til (und natür­lich poly­phon), ich wer­de es ein­fach nicht satt…

Richard Strauss: Com­ple­te Orches­tral Works; Staats­ka­pel­le Dres­den, Rudolf Kem­pe (9 CDs/Warner Classics) 

Erschie­nen in: eigen­tüm­lich frei, Juni 2014

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